Infektiöse Endokarditis

Bei der infektiösen Endokarditis besteht eine Entzündung (Infektion) der Herzinnenhaut (Endokard) oder der Herzklappen. In der Folge kann es zu Schäden am Herzen und anderen Organen kommen.

Was ist eine infektiöse Endokarditis?

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Das Herz

Definition

Das Endokard ist die innerste Wandschicht des Herzens, die sog. Herzinnenhaut. Aus dieser gehen auch die Herzklappen hervor, die wie Ventile wirken und den Blutfluss regulieren.

Bei der infektiösen Endokarditis besteht eine Infektion der Herzinnenhaut, der Herzklappen oder eines Implantats (z. B. Herzschrittmacher). Die häufigsten Erreger sind Bakterien, die meistens mit dem Blutkreislauf ins Herz gelangen. Die Erkrankung kann ambulant über eine sich ausbreitende Infektion oder durch medizinische Maßnahmen (z. B. bei einer Herzoperation) erworben werden.

Symptome

Die Erkrankung liegt sowohl in einer akuten, rasch fortschreitenden Form als auch in einer subakuten Form vor, bei der sich die Symptomatik langsamer entwickelt. Zu den Anzeichen einer Endokarditis gehören lang anhaltendes Fieber, Appetitlosigkeit, Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, nächtliches Schwitzen, Muskel- und Gelenkschmerzen.

Haben sich kleine Blutgerinnsel von der Herzinnenhaut gelöst und sind in Blutgefäße von Haut, Lungen oder Gehirn gelangt, treten weitere Symptome auf: Veränderungen an der Haut, neurologische Störungen (Lähmung, Taubheitsgefühl, Sprechstörungen etc.) als Hinweis auf einen Schlaganfall oder auch Atemnot.

Ursachen

Eine infektiöse Endokarditis kann durch eine Vielzahl von Erregern ausgelöst werden. Zu den häufigsten Verursachern (mehr als 80 %) gehören folgende Bakterien: Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken. Die Erkrankung kann aber auch durch andere Bakterien oder Pilze (Candida) verursacht werden.

Die Bakterien gelangen häufig mit dem Blutkreislauf zum Herzen. Bereits durch einen entzündeten Zahn, eine schlecht heilende Wunde oder andere kleine Infektionen gelangen Bakterien ins Blut. Auf gesunden Herzklappen lagern sich die Erreger in der Regel nicht ab, auf vorgeschädigten Herzklappen können sie sich aber absetzen. Dort vermehren sie sich, und es kommt häufig zu warzenähnlichen Ablagerungen. Diese Ablagerungen können sich lösen und im Blutkreislauf in Form bakterieller Gerinnsel vorliegen (Bakterienembolie). Diese Gerinnsel können in anderen Organen (z. B. Lunge und Gehirn) Schäden hervorrufen.

Die Herzklappen werden durch die Entzündung geschädigt. Dies kann zu einer Insuffizienz (eingeschränkte Funktionsfähigkeit) des Herzens führen. Die Pumpleistung des Herzens wird beeinträchtigt.

Risikofaktoren

Ein erhöhtes Risiko für eine Endokarditis besteht bei Personen mit:

  • veränderten oder künstlichen Herzklappen
  • angeborenen Herzfehlern
  • kürzlicher Herzoperation
  • Herzschrittmacher
  • intravenösem Drogenkonsum
  • vorheriger Endokarditis.

Häufigkeit

In Europa liegt die jährliche Erkrankungsrate für eine infektiöse Endokarditis bei rund 2–10 Fällen auf 100.000 Personen. Mehr als die Hälfte der Patient*innen sind über 50 Jahre alt. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Untersuchungen

  • Die Diagnose beruht auf einer Zusammenschau aus Symptomen, Blutuntersuchungen und bildgebenden Untersuchungen.
  • Bei Personen mit erhöhtem Risiko lenken bereits Symptome wie anhaltendes Fieber (über 38 °C) den Verdacht auf eine Endokarditis.
  • Manchmal stellen Ärzt*innen beim Abhören des Herzens ein Herzgeräusch fest oder dass sich ein bereits bekanntes Geräusch verändert hat.
  • Haut und Augen werden auf mögliche Einblutungen untersucht.
  • In Blutuntersuchungen können erhöhte Entzündungswerte festgestellt werden. Der Nachweis von Bakterien im Blut bestätigt die Diagnose, gelingt aber nicht immer.
  • Ein Elektrokardiogramm (EKG) kann zusätzliche Hinweise liefern.

Bildgebende Untersuchungen

  • Das wichtigste Bildgebungsverfahren ist der Herzultraschall (Echokardiografie), mit dem typische Veränderungen am Herzen erkannt werden können.
  • Falls der Verdacht auf Mitbeteiligung von Lunge, Gehirn oder anderen Organen besteht, sind MRT und/oder CT hilfreiche Verfahren, um dies zu überprüfen.

Behandlung

  • Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus.
  • Das Ziel der Therapie besteht darin, die krankheitsverursachenden Bakterien zu bekämpfen und Komplikationen zu vermeiden.
  • Dazu werden verschiedene Antibiotika gegeben, die direkt ins Blut (intravenös) verabreicht werden. Die Antibiotikabehandlung dauert meist 2–6 Wochen.
  • Bei etwa der Hälfte der Betroffenen ist zusätzlich eine Operation notwendig, insbesondere wenn die Herzklappen durch die Infektion geschädigt wurden und ihre Funktion nicht mehr erfüllen können. Dann werden die angegriffenen Herzklappen durch künstliche Herzklappen (Klappenprothesen) ersetzt.
  • Ggf. werden infizierte Herzschrittmacher enfernt.

Vorbeugung

  • Hochrisikopatient*innen (Klappenprothesen, frühere Endokarditis, bestimmte angeborene Herzfehler) wird bei bestimmten zahnärztlichen Eingriffen eine antibiotische Prophylaxe empfohlen.
  • Alle Personen mit einem erhöhten Risiko für Endokarditis sollten auf eine gute Zahn- und Hauthygiene achten.
  • Wunden und Verletzungen sollten sorgfältig desinfiziert und behandelt werden, um ein Keimwachstum zu vermeiden.
  • Verzichten Sie auf Tätowierungen und Piercings.
  • Außerdem werden regelmäßige zahnärztliche Kontrollen empfohlen.

Prognose

Eine infektiöse Endokarditis verläuft unbehandelt fast immer tödlich. Eine rasche Diagnose und optimale Behandlung führen zu einem Rückgang der Sterblichkeit bis unter 10 %.

Nach der Therapie der akuten Infektion sollten Sie sich regelmäßig nachuntersuchen lassen. Bei neu auftretendem Fieber sollte auch immer an einen möglichen Rückfall gedacht werden.

Komplikationen

Die Infektion lässt sich mitunter sehr schwer behandeln. Bakterielle Gerinnsel können sich von den Herzklappen lösen und mit dem Blutkreislauf zu den Lungen, ins Gehirn oder anderen Körperteilen gelangen, wo sie sich in einem Blutgefäß festsetzen und zu Schädigungen führen können (Lungenembolie, Schlaganfall). Außerdem kann die Pumpleistung des Herzens beeinträchtigt werden, und es kann zu Herzrhythmusstörungen kommen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Endokarditis, infektiöse. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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