Durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen

Durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen sind Kopfschmerzen, die aufgrund längerer Einnahme von Medikamenten gegen Kopfschmerzen auftreten. Der Effekt ist also entgegengesetzt zu dem gewünschten: Medizin gegen Kopfschmerzen verursacht Kopfschmerzen.

Was sind durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen?

Definition

Durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen entstehen durch die häufige Einnahme von Schmerzmitteln zur Behandlung von Kopfschmerzen. Häufigste zugrunde liegende Kopfschmerzen sind Migräne und Spannungskopfschmerzen.

Symptome

Wenn die ursprünglichen Kopfschmerzen sog. Spannungskopfschmerzen waren, werden die durch Medikamente ausgelösten Kopfschmerzen oft Spannungskopfschmerzen ähneln, mit Schmerzen, wie ein straffes Band über die Stirn, Schläfen und oft auch den Hinterkopf. Bei Patient*innen, die wegen Migräne behandelt werden, ist der Schmerz oft halbseitig und pulsierend und ähnelt gewöhnlicher Migräne. Möglicherweise können Sie häufigere Migräneattacken als früher erleben.

Typisch für durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen ist, dass die Symptome sich zu Beginn verschlimmern, wenn man das Medikament absetzt.

Ursachen

Wenn über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten gewöhnliche Schmerzmittel (NSAR) mehr als 15 Tage pro Monat oder Migräne-Medikamente mehr als 10 Tage pro Monat eingenommen werden, besteht die Gefahr, durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen zu entwickeln.

Der genaue Entstehungsmechanismus für Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch ist hierbei unbekannt. Möglicherweise kommt es durch die gehäufte Schmerzmitteleinnahme zur Sensibilisierung von Schmerzbahnen (Senkung der Schmerzschwelle) oder zu Veränderungen von Schmerzrezeptoren in den Gefäßwänden. Auch genetische Einflussfaktoren sind möglich. Die Symptomatik kann durch eine gesteigerte Dosis bei Entwicklung eines Entzugsschmerzes noch verstärkt werden.
Bei der Einnahme von Opioiden kann sich eine Opiat-Abhängigkeit entwickeln.

Die Erkrankung kann bei Patient*innen mit MigräneSpannungskopfschmerzen oder seltener bei Cluster-Kopfschmerz entstehen. Alle schmerzlindernden Medikamente, auch die rezeptfreien (z. B. Paracetamol, Ibuprofen oder ASS) können bei Langzeitgebrauch zu Kopfschmerzen führen.

Begünstigende Faktoren

Häufigkeit

  • Das Auftreten in der Allgemeinbevölkerung Deutschlands beträgt 0,7–1 %.
  • Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr.
  • Frauen sind häufiger betroffen als Männer (3–4:1).
  • Kopfschmerzen, die durch Medikamente ausgelöst werden, sind die dritthäufigste Ursache von Kopfschmerzen.

Untersuchungen

Die Diagnose wird auf Grundlage der Krankengeschichte (Anamnese) gestellt. Typischerweise berichten Patient*innen über die Einnahme von Schmerzmitteln aufgrund von Kopfschmerzen für einen Zeitraum über drei Monate und einer Zunahme von Beschwerden ohne den Einsatz dieser Schmerzmittel.

Zur genauen Erfassung der Beschwerden und der weiteren Therapieplanung ist eine Dokumentation der Symptome und Medikamenteneinnahme in einem Kopfschmerztagebuch sinnvoll, z. B. der Kopfschmerzkalender der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).

Falls es Hinweise auf andere zugrunde liegende Ursachen für die Kopfschmerzen gibt, werden ggf. weitere Untersuchungen durchgeführt.

Behandlung

Das Ziel der Therapie ist es, die Häufigkeit und Schwere von Kopfschmerzen sowie die Notwendigkeit, Medikamente zu nehmen, zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern. Wenn möglich, wird versucht,

  • die Medikamente abzusetzen
  • oder wenn nötig, durch andere zu ersetzen, die für die jeweilige Kopfschmerzart besser geeignet sind
  • oder weiteren Kopfschmerzen vorbeugen (z. B. Anfallsprophylaxe bei Migräne).

Während einer Medikamentenreduktion oder Medikamentenpause kann es notwendig sein, andere Schmerzmittel oder Medikamente einzunehmen, die die Entzugssymptome lindern.

Nichtmedikamentöse Therapie

Zunächst ist es wichtig, dass Sie als Patient*innen über die Entstehung, den Verlauf und die Behandlungsoptionen aufgeklärt werden und zusammen mit Ihren Ärzt*innen einen Therapieplan erstellen. Es gibt einige hilfreiche nichtmedikamentöse Maßnahmen, die Kopfschmerzen vorbeugen können:

  • kognitive Verhaltenstherapie
  • Entspannungsverfahren (z. B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson)
  • Ausdauersport
  • Biofeedback
  • Akupunktur (bei Migräne).

Medikamentöse Maßnahmen

Es gibt unterschiedliche medikamentöse Optionen, je nach zugrunde liegender Kopfschmerzart und eingenommenen Schmerzmitteln. Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird dies im Einzelfall mit Ihnen genauer besprechen.

Medikamentöse Prophylaxe

  • Bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp
    • z. B. Amitryptilin
  • Bei Migräne
    • Betablocker
    • Topiramat
    • Botulinumtoxin: Injektion etwa alle 3 Monate in Stirn, Schläfe, Hinterkopf, Nacken, Schultermuskulatur ausschließlich durch bzw. unter der Aufsicht von spezialisierten Neurolog*innen
    • Kortikosteroide

Was können Sie selbst tun?

Das Führen eines Kopfschmerztagebuchs kann hilfreich sein, um die Stärke, Auslöser, Symptome und die eingenommenen Schmerzmittel zu erfassen und daraufhin Hinweise auf die Ursachen zu ermitteln und Behandlungsoptionen zu planen.

Allgemein kann es helfen, regelmäßig zu schlafen und zu essen, sich zu bewegen, an die frische Luft zu gehen, Entspannungstechniken zu erlernen und einen regelmäßigen, gesunden Lebensstil zu führen.

Prognose

Die Reduktion der Medikamenteneinnahme unter die Schwelle eines Übergebrauchs ist in etwa 60 % erfolgreich. Eine Verringerung der Kopfschmerzbelastung durch Reduktion der Medikamenteneinnahme kann bei bis zu 75 % der Patient*innen erreicht werden.

Bei Wiedereinnahme von Schmerzmitteln liegt die Rückfallquote bei 30 % im ersten Jahr.

Ein langjähriger Medikamentenübergebrauch, gleichzeitiger Substanzmissbrauch (psychotrope Substanzen oder Opioide), Vorerkrankungen, ein niedriger sozioökonomischer Status und weitere chronische Schmerzen sind Faktoren, die sich negativ auswirken.

Umso wichtiger ist es bei schweren Verläufen und Vorliegen von Risikofaktoren rechtzeitig eine Kombination aus hausärztlicher, neurologischer, schmerztherapeutischer, psychologischer, pflegerischer und physiotherapeutischer Behandlung zu beginnen, um einen bestmöglichen Erfolg zu erzielen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Kopfschmerzen durch übermäßigen Gebrauch von Medikamenten. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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