Alkoholvergiftung

Eine akute Alkoholvergiftung verursacht vorübergehende neurologische Störungen und Muskelkoordinationsstörungen. Der Zustand ist in der Regel selbstheilend; schwere Vergiftungen können eine intensive Therapie erfordern.

Giftnotrufzentralen

Ort

Region

Telefon

Website

Berlin

B, BRA

030 19240

giftnotruf.charite.de

Bonn

NRW

0228 19240

www.gizbonn.de

Erfurt

MV, SAC, SAN, THÜ

0361 730730

www.ggiz-erfurt.de

Freiburg

BW

0761 19240

www.uniklinik-freiburg.de/giftberatung.html

Göttingen

HB, HH, NDS, SHO

0551 19240

www.giz-nord.de

Homburg/Saar

SAL

06841 19240

www.uniklinikum-saarland.de/giftzentrale

Mainz

RLP, HES

06131 19240

www.giftinfo.uni-mainz.de

München

BAY

089 19240

http://www.toxinfo.med.tum.de/node/380

Wien

A

+43 1 4064343

https://goeg.at/Vergiftungsinformation

Zürich

CH

145 (in CH), +41 44 2515151

https://toxinfo.ch

Was ist eine Alkoholvergiftung?

Definition

Es handelt sich um eine akute Vergiftung durch Alkohol (Ethanol), die vorübergehende neurologische Störungen und eine verminderte Muskelkontrolle (Koordination) verursacht. Eine Alkoholvergiftung tritt auf, wenn die Menge an Alkohol, die eine Person zu sich nimmt, die individuelle Toleranzgrenze für Alkohol überschreitet, und psychische und körperliche Veränderungen verursacht.

Symptome

Die Wirkung von Alkohol variiert stark von Person zu Person. Dabei spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle wie die bisherigen Erfahrungen mit Alkohol, Begleitmedikationen, Erkrankungen, die Statur und die Menge des konsumierten Alkohols. Die Temperaturregulation des Körpers kann beeinträchtigt sein, wodurch die Körpertemperatur sinkt. Es kann zu Stoffwechselstörungen und einer Unterzuckerung sowie einem Mangel an Mineralstoffen wie Natrium und Magnesium kommen.

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Stadien der Alkoholvergiftung:

  • Leichter Rausch (Blutalkoholspiegel bis 1 ‰)
    • Funktions- und Reaktionsniveaus vermindert oder leichte Koordinationsstörungen
    • Enthemmung
    • Stimulation
    • vermehrte Kontaktbereitschaft
    • vermehrter Rede- und Tätigkeitsdrang
    • verminderte Selbstkontrolle
  • Mittelgradiger Rausch (Blutalkoholspiegel 1–2 ‰)
    • Euphorie oder aggressive Gereiztheit
    • verminderte Selbstkritik
    • starke Abhängigkeit des Verhaltens von der äußeren Situation
    • primitive, explosive Reaktionsweisen
    • Sprachstörung
    • Gangstörung
    • Benommenheit
  • Schwerer Rausch (Blutalkoholspiegel > 2‰)
    • motivationslose Angst und Erregung
    • Desorientiertheit
    • zunehmende Bewusstseinsstörung
  • Lebensbedrohlicher Rausch (Blutalkoholspiegel > 3 ‰)
    • verminderte/abgeflachte Atmung
    • Koma
    • Lebensgefahr.

Ursachen

Etwa 75 % des Alkohols werden direkt aus dem Magen und 25 % aus dem Dünndarm aufgenommen (absorbiert). Der Alkoholabbau erfolgt über das Enzym Alkoholdehydrogenase in Magen und Leber. Zu einem geringen Ausmaß wird der Alkohol über Lunge, Niere und Schweiß/Tränen ausgeschieden.

Bei den meisten Menschen wird der Ethanolgehalt des Blutes mit einer Geschwindigkeit von rund 0,1 g/kg Körpergewicht pro Stunde abgebaut. Chronisch Alkoholabhängige bilden mehr Alkoholdehydrogenase in der Leber, wodurch sie Alkohol schneller verstoffwechseln können und langsamer betrunken werden. Menschen mit Lebererkrankungen können Alkohol nicht so schnell abbauen und sind daher bereits nach dem Konsum einer geringen Alkoholmenge betrunken. Beim „Binge Drinking" (Rauschtrinken/Komatrinken) erfolgt die Aufnahme so schnell, dass Übelkeit/Erbrechen als Schutzmechanismen nicht greifen und schnell ein komatöser Zustand auftreten kann.

Häufigkeit

Im Jahr 2014 gab es in Deutschland 115.967 Behandlungsfälle (Alter 10–79 Jahre) mit der Diagnose akute Alkoholintoxikation. Der Anteil von akuten Alkoholintoxikationen bei Notfallpatient*innen in Deutschland liegt bei ca. 3 %.

Männliche Personen werden in fast allen Alters­gruppen (mit Ausnahme der 10- bis 14-Jährigen) häufiger stationär versorgt als weib­liche. Bei beiden Geschlechtern besteht seit Anfang des Jahrtausends ein Aufwärtstrend bei der Häufigkeit der Behandlungsfälle.

Untersuchungen

  • In der ärztlichen Untersuchung wird zuerst versucht, die Menge und Art des konsumierten Alkohols von der betroffenen Person selbst oder von Begleitpersonen herauszufinden. Der gesamte Zeitraum des Alkoholkonsums sowie etwaige andere eingenommene Drogen/Medikamente werden erfragt.
  • Wichtig sind auch mögliche im Zuge der Alkoholintoxikation erlittene Verletzungen oder ein langer Aufenthalt in großer Kälte, Hitze, Sonneneinstrahlung etc.
  • Erbrechen oder Krampfanfälle geben weitere Hinweise über die Verfassung der Person.
  • Vorhandene Allergien, permanente Medikamente und eine mögliche relevante medizinische Vorgeschichte sind für die behandelnden Ärzt*innen ebenfalls wichtig.
  • Zur Bestimmung der Alkoholkonzentration und allgemeiner Blutwerte wird Blut abgenommen.
  • Je nach klinischem Befund kann eine Untersuchung per Röntgen und/oder CT erfolgen. Da mögliche neurologische Schäden schwerer zu beurteilen sind, wird ein Schädel-CT früher als üblich angeordnet.

Behandlung

  • Bis zum Erreichen eines klaren Bewusstseins sollten Kreislauf und Atmung überwacht werden. Über die Überwachung hinaus sind häufig keine therapeutischen Maßnahmen erforderlich.
  • Bei niedrigem Blutzucker oder Magnesiummangel kann Zucker/Magnesium verabreicht werden.
  • Chronisch Alkoholabhängige erhalten Vitamin B1 (Thiamin).
  • Aggressiven Patient*innen können evtl. vorsichtig Neuroleptika (z. B. Haloperidol) verabreicht werden.
  • Bei einer lebensbedrohlichen Alkoholvergiftung können die Patient*innen in die Intensivstation überwiesen werden.
  • Kein Medikament beschleunigt das Ausnüchtern. Kaffee oder kalte Duschen haben nur eine sehr temporäre Wirkung.
  • Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist nach einer Alkoholintoxikation eine psychologische Erstintervention sinnvoll, um eine Entwicklung in Richtung Alkoholabhängigkeit und psychischer Störungen zu vermeiden.
  • Bei ca. 3–5 % der alkoholabhängigen Personen entwickelt sich ein schweres Alkoholentzugssyndrom (Delirium tremens) mit Zittern, Herzklopfen, Bluthochdruck, Schwitzen, Angst, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Übelkeit. Zur Behandlung stehen verschiedene Substanzgruppen wie Benzodiazepine zur Verfügung.

Prognose

  • Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer Bewusstseinsstörung haben insgesamt ein niedriges klinisches Risiko und erholen sich in der Regel komplikationslos.
  • Wichtig sind hohe Versorgungsstandards (wiederholte körperliche Untersuchung, Laborscreening, ggf. Bildgebung) zur Erkennung bzw. Vermeidung seltener Komplikationen.
  • Der betroffenen Person sollten bei der Entlassung Hilfs- und Therapiemöglichkeiten durch ein interdisziplinäres Team aus Hausärzt*innen, Suchttherapeut*innen etc. angeboten werden.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Akute Alkoholintoxikation. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Hans F, Hoeren C, Schmid B, et al. Akute Alkoholintoxikation. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 12-21. doi:10.1007/s10049-015-0116-7 DOI
  2. Jahn K. Akute Intoxikation und neurologische Folgen des Missbrauchs. CME 2017; 14: 49–57. doi:10.1007/s11298-017-5983-4 DOI
  3. Rabenberg M, Rommel A, Saß A. Alkoholvergiftungen mit stationärer Behandlung. Journal of Health Monitoring 2016; 1: 22-28. doi:10.17886/RKI­GBE­2016­024 www.rki.de
  4. Grüttner J, Reichert M, Saur J, et al. Akute Alkoholintoxikation. Intensivmedizin 2010; 47: 513-519. doi:10.1007/s00390-009-0107-3 DOI
  5. Rauscher S, Lomberg L, Schilling T. Alkoholpatienten als Risikopatienten. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 28-32. doi: 10.1007/s10049-015-0120-y DOI
  6. Sarangi F. Besonderheiten der präklinischen Versorgung alkoholisierter Patienten. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 4-9. doi:10.1007/s10049-015-0107-8 DOI
  7. Jäkel C. Anordnung von Blutalkoholentnahmen durch die Polizei im Rettungsdienst. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 10-11. doi:10.1007/s10049-015-0110-0 DOI
  8. Haas G. Alkoholentzugsdelir und akute Komplikationen. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 22-27. doi:10.1007/s10049-015-0108-7 DOI
  9. Wetterling T, Junghanns K. Alkoholintoxikierte in der Notfallmedizin. Med Klin Intensivmed Notfmed 2019; 114: 420-425. doi:10.1007/s00063-018-0404-3 DOI
  10. Noeker M. Psychologische Erstintervention nach Alkoholintoxikation. Monatsschr Kinderheilkd 2011; 159: 124-132. doi:10.1007/s00112-010-2284-3 DOI