Peripartale Kardiomyopathie

Zusammenfassung

  • Definition:Idiopathische Herzinsuffizienz aufgrund einer linksventrikulären systolischen Dysfunktion gegen Ende der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt.
  • Häufigkeit:Wenige epidemiologische Daten, Inzidenz ca. 1:2.000 bis 1:15.000.
  • Symptome:Atemnot, Nykturie, Palpitationen, Abgeschlagenheit. Evtl. Symptome einer Thrombembolie aus dem linken Ventrikel.
  • Befunde:Tachykardie, Lungenstauung, Ödeme.
  • Diagnostik:Laborchemisch erhöhtes NT-proBNP. Echokardiografisch verminderte systolische Funktion des linken Ventrikels (Ejektionsfraktion < 45 %).
  • Therapie:Medikamentöse Herzinsuffizienzbehandlung. Postpartal führt die ergänzende Gabe von Bromocriptin zu einer besseren Erholung der linksventrikulären Funktion.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2
  • Idiopathische Herzinsuffizienz aufgrund einer linksventrikulären systolischen Dysfunktion gegen Ende der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt
  • Andere Ursachen einer Herzinsuffizienz müssen ausgeschlossen sein.

Häufigkeit

  • Keine umfassenden epidemiologischen Daten zur peripartalen Kardiomyopathie (PPCM) verfügbar3
  • Inzidenz in nicht-afrikanischen Ländern ca. 1:2000–1:15.0003
    • höherer Inzidenzen z. B. in Südafrika (1:1000) und Haiti (1:300)
  • Geschätzte Häufigkeit in Deutschland ca. 300 Patientinnen/Jahr, möglicherweise aber höher4
  • Auftreten in jedem Alter möglich, gehäuft bei Frauen > 30 Jahre5

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Die Ätiologie der PPCM ist ungeklärt.6
  • In einigen Fällen wird aufgrund familiärer Cluster eine genetische Komponente diskutiert.7-9

Pathogenese

  • Die Pathogenese der PPCM ist erst unvollständig verstanden, vermutlich sind verschiedene pathophysiologische Mechanismen beteiligt, u. a.:1,10
    • oxidativer Stress
    • gestörte angiogenische Balance
    • prolaktinvermittelte endotheliale Dysfunktion.
  • Es resultiert eine systolische Dysfunktion des linken Ventrikels mit klinischem Bild der Herzinsuffizienz.
    • Der linke Ventrikel ist dabei häufig, aber nicht immer dilatiert.1
  • Erhöhtes Risiko für die Bildung von Thromben im linken Ventrikel mit Gefahr der Embolisation4

Prädisponierende Faktoren

  • Eine Reihe von prädisponierenden Faktoren konnten identifiziert werden:11-13
  • 1/4 bis 1/3 der Patientinnen sind junge gesunde Erstgebärende ohne prädisponierende Faktoren.4,14

ICPC-2

  • K84 Herzerkrankung, andere

ICD-10

  • I42 Kardiomyopathie
    • I42.0 Dilatative Kardiomyopathie
    • I42.8 Sonstige Kardiomyopathien
  • I43 Kardiomyopathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die PPCM ist eine idiopathische Herzinsuffizienz mit folgenden Kriterien:1-2
    • Herzinsuffizienz neu auftretend gegen Ende der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt
    • systolische Dysfunktion des linken Ventrikels mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 45 %
    • Eine andere Kardiomyopathie als Ursache für die Herzinsuffizienz ist ausgeschlossen.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

EKG

Rö-Thorax

  • Lungenstauung

Labor

Diagnostik bei Spezialist*innen

Echokardiografie

  • Echokardiografie ist das wichtigste Bildgebungsverfahren bei PPCM.
  • Erfassung von:
    • Größe der Ventrikel
    • Funktion der Ventrikel
      • linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 45 % bei peripartaler Kardiomyopathie
    • Klappenfunktion
    • Erfassung linksventrikulärer Thromben

Kardio-MRT

  • Alternative zur Echokardiografie bei unzureichenden Schallbedingungen

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei milden Symptomen und Verdacht auf die PPCM Überweisung an Spezialist*innen
  • Bei schwerer akuter Herzinsuffizienz stationäre Einweisung

Therapie

Therapieziele

  • Erholung der ventrikulären Funktion
  • Bei vorgeburtlichem Beginn der Erkrankung Stabilisierung bis zur Entbindung

Allgemeines zur Therapie

  • Bei vorgeburtlichem Auftreten der PPCM ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geburtshilfe, Kardiologie und Anästhesie erforderlich.
    • Bei stabiler Hämodynamik sollte die Schwangerschaft nicht unterbrochen, bei hämodynamischer Instabilität aber eine zügige Entbindung erwogen werden.3
  • Bei nachgeburtlichem Auftreten der PPCM gelten die üblichen Regeln zur Behandlung der Herzinsuffizienz.15
    • Ergänzend sollte eine Behandlung mit Bromocriptin (Hemmung der Prolaktinausschüttung) erwogen werden.12

Medikamentöse Therapie

  • Vorgeburtliche PPCM
    • Bei der medikamentösen Therapie müssen Kontraindikationen (z. B. ACE-Hemmer/AT-Antagonisten, Mineralokortikoide) berücksichtigt werden, um eine Schädigung des Kindes zu vermeiden.11
  • Nachgeburtliche PPCM
    • Die Ergänzung der Standard-Herzinsuffizienz-Therapie mit Bromocriptin führt zu einer verbesserten Erholung der linksventrikulären Funktion.16-17
    • Das neue Behandlungskonzept wird auch als BOARD-Therapie bezeichnet:18
      • Bromocriptin
      • Orale Herzinsuffizienztherapie: ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Minerolokortikoide (nach dem Abstillen)
      • Antikoagulation: Heparin zur Verringerung des thrombembolischen Risikos
      • Relaxanzien: Vasodilatoren bei systolischem Blutdruck > 110 mmHg
      • Diuretika: bei Volumenüberladung.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

  • Die Prognose scheint sich in den vergangenen Jahren verbessert zu haben.
    • In früheren Studien betrug die Mortalität häufig > 10 %.4
    • Aufgrund der verbesserten Diagnostik, Überwachung und Behandlung konnte die Mortalität in neueren Studien auf < 2 % gesenkt werden.6
  • Bei > 85 % der Patientinnen besteht 1 Monat nach Diagnose noch eine Herzinsuffizienz.19
  • Unter einer modernen Therapie nach dem BOARD-Schema erholt sich der linke Ventrikel bei 60–70 % der Patientinnen innerhalb von 6 Monaten vollständig.17 
  • Bei einer erneuten Schwangerschaft besteht ein substanzielles Risiko für einen Relaps.11
    • Insbesondere bei einer dauerhaft eingeschränkten Ventrikelfunktion sollte eher von einer erneuten Schwangerschaft abgeraten werden.11

Verlaufskontrolle

  • Interdisziplinäre hausärztliche, kardiologische und gynäkologische Verlaufskontrollen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • European Society of Cardiolgy. Guidelines for the management of cardiovascular diseases during pregnancy. Stand 2018. www.escardio.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Stand 2016. www.escardio.org

Literatur

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  2. Sliwa K, Hilfiker-Kleiner D, Petrie M, et al. Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management, and therapy of peripartum cardiomyopathy: a position statement from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology Working Group on peripartum cardiomyopathy. Eur J Heart Fail 2010; 12: 767-778. doi:10.1093/eurjhf/hfq120 DOI
  3. Löser B, Tank S, Hillebrand G, et al. Peripartale Kardiomyopathie - Interdisziplinäre Herausforderung. Anaesthesist 2013; 62: 343-354. doi:10.1007/s00101-013-2167-9 DOI
  4. Hilfiker-Kleiner D, Schieffer E, Meyer G, et al. Die postpartale Kardiomyopathie - ein kardiologischer Notfall für Gynäkologen, Hausärzte, Internisten, Pneumologen und Kardiologen. Dtsch Arztebl 2008; 105: 751-760. doi:10.3238/arztebl.2008.0751 DOI
  5. Elliot P, Andersson B, Arbustini E, et al. Classification of the cardiomyopathies: a position statement from the european society of cardiology working group on myocardial and pericardial diseases. Eur Heart J 2008; 29: 270-6. European Heart Journal
  6. Jha N, Jha A. Peripartum cardiomyopathy. Heart Failure Reviews 2021. doi:10.1007/s10741-020-10060-y DOI
  7. van Spaendonck-Zwarts KY, van Tintelen JP, van Veldhuisen DJ, et al. Peripartum cardiomyopathy as a part of familial dilated cardiomyopathy. Circulation 2010; 121: 2169. Circulation
  8. Christiansen MN, Køber L, Torp-Pedersen C, et al. Prevalence of heart failure and other risk factors among first-degree relatives of women with peripartum cardiomyopathy. Heart 2019; 105: 1057-62. pmid:30910822. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. van Spaendonck-Zwarts KY , Posafalvi A , van den Berg MP , et al . Titin gene mutations are common in families with both peripartum cardiomyopathy and dilated cardiomyopathy. Eur Heart J 2014;35:2165–73. PMID: 24558114. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Baris L, Cornette J, Johnson MR, et al. Peripartum cardiomyopathy: disease or syndrome? Heart 2019; 105: 357-62. doi:10.1136/heartjnl-2018-314252. dx.doi.org
  11. Schaufelberger M. Cardiomyopathy and pregnancy. Heart 2019; 105: 1543–1551. doi:10.1136/heartjnl-2018-313476 DOI
  12. Regitz-Zagrosek V, Roos-Hesselink J, Bauersachs J, et al. 2018 ESC Guidelines for the management of cardiovascular diseases during pregnancy. Eur Heart J 2018; 39: 3165–3241. doi:10.1093/eurheartj/ehy340 DOI
  13. Westhoff-Bleck M, Hilfiker-Kleiner D, Pankuweit S, et al. Cardiomyopathies and Congenital Heart Disease in Pregnancy. Geburtshilfe Fauenheilkd 2018; 78: 1256–1261. doi:10.1055%2Fa-0774-8696
  14. Sliwa K, Fett J, Elkayam U. Peripartum cardiomyopathy. Lancet 2006; 368: 687-693. doi:10.1016/S0140-6736(06)69253-2 DOI
  15. Ponikowski P, Voors A, Anker S, et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016; 37: 2129–2200. doi:10.1093/eurheartj/ehw128 DOI
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  19. Sliwa K, Mebazaa Alexandre, Hilfiker-Kleiner D, et al. Clinical characteristics of patients from the worldwide registry on peripartum cardiomyopathy (PPCM): EURObservational Research Programme in conjunction with the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology Study Group on PPCM. Eur J Heart Fail 2017; 19: 1131-1141. doi:10.1002/ejhf.780 DOI

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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