Zusammenfassung
- Definition:Autoimmun vermittelte Erkrankung, die postinfektiös nach einer Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken (GAS) auftritt. Durch Kreuzreaktion mit körpereigenem Gewebe („molekulares Mimikry“) kommt es zu einer systemischen Entzündungsreaktion mit möglicher Gelenk-, Herz- und ZNS-Beteiligung.
- Häufigkeit:In westlichen Industrienationen inzwischen sehr selten, in Entwicklungs- und Schwellenländern häufige Erkrankung mit relevanter Morbidität und Mortalität. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr.
- Symptome:Akute fieberhafte Erkrankung etwa 2–3 Wochen nach Atemwegsinfekt mit allgemeiner Schwäche, schmerzhafter Polyarthritis, Hautveränderungen, eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit, unwillkürlichen, überschießenden Bewegungen (Chorea minor).
- Befunde:Diagnosestellung mittels Jones-Kriterien: Pankarditis, Polyarthritis, Chorea minor, Erythema marginatum sowie subkutane Knötchen. Häufig begleitend Arthralgien, Fieber, BSG- und CRP-Erhöhung.
- Diagnostik:Klinische Diagnose unterstützt durch Labordiagnostik, Erregernachweis, EKG, Echokardiografie, ggf. Gelenksonografie.
- Therapie:Antibiotische Therapie (Penicillin), symptomatische Therapie mit NSAR, ggf. Prednisolon. Antibiotische Rezidivprophylaxe, ggf. Endokarditis-Prophylaxe.
Allgemeine Informationen
Definition
- Das akute rheumatische Fieber (ARF) ist eine postinfektiöse immunologische Komplikation nach Streptokokkeninfektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Lancefield-Gruppe A (GAS).1-2
- Weitere immunologische Komplikationen, siehe Artikel Poststreptokokken-Erkrankungen.
- Die Erkrankung tritt 2–3 Wochen nach der Streptokokkeninfektion (Pharyngitis, Tonsillitis, Scharlach) auf.1-3
- Zwei primäre Manifestationsformen
- fieberhafte Systemerkrankung mit Polyarthritis, Pankarditis, Hautveränderungen (Erythema anulare, subkutane Noduli) in etwa 75 % der Fälle1,3
- Chorea minor (Sydenham) ohne Gelenkmanifestationen und mit subklinischer Karditis in etwa 25 % der Fälle1-2
- Die Herzbeteiligung kann zu chronischer rheumatischer Herzerkrankung mit Herzklappenfehlern führen (v. a. Mitralklappeninsuffizienz).1,6-8
Häufigkeit
- In den westlichen Industrienationen sind Inzidenz und Prävalenz seit Jahrzehnten kontinuierlich rückläufig, und die ist Erkrankung äußerst selten.
- Inzidenz von 0,1–1 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr in Westeuropa und Nordamerika2
- In einer britischen Kohortenstudie von 2013 wurden 14.610 erwachsene Patient*innen mit akuten Halsschmerzen 1 Monat nachbeobachtet, ohne dass ein Fall von akutem rheumatischen Fieber oder andere Poststreptokokken-Erkrankungen aufgetreten sind.5
- Eine Cochrane-Metaanalyse fand seit 1975 in Studien nach Tonsillopharyngitis (1.036 Fälle ohne antibiotische Therapie, 1.448 Fälle mit antibiotischer Therapie) keinen Fall von akutem rheumatischen Fieber in westlichen Industrienationen.4
- Die Erkrankungshäufigkeit ist global abhängig von geografischen und sozioökonomischen Verhältnissen.
- Weltweit gibt es etwa 15–30 Mio. Fälle von rheumatischer Herzerkrankung.9-10
- Altersverteilung
Ätiologie und Pathogenese
- Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS, Streptococcus pyogenes) führen zunächst zu einer akuten Pharyngitis, Tonsillitis oder Scharlach.1-2,8
- Die gebildeten Streptokokken-Antikörper zeigen im Verlauf eine Kreuzreaktion gegen körpereigene Antigene.1,6,13
- strukturelle Ähnlichkeit zwischen den M-Proteinen der Erreger und körpereigenen Gewebearten
- betrifft v. a. Herz- und Gelenkgewebe, seltener Nervenzellen der Basalganglien (Chorea)1,8
- Eine postinfektiöse Autoimmunreaktion wird auch als „molekulares Mimikry" bezeichnet.1,8
- Das rheumatische Fieber tritt vor allem nach einer Infektion mit bestimmten Serotypen auf, die deshalb „rheumatogene Stämme" genannt werden.
- Symptome des akuten rheumatischen Fiebers treten meist 2–3 Wochen nach der Streptokokkeninfektion auf, können sich jedoch auch früher oder später manifestieren.
- Im Herzgewebe finden sich histologisch entzündliche Infiltrate aus polymorphkernigen Leukozyten und Lymphozyten sowie die charakteristischen granulomatösen Aschoff-Knötchen.1
- Langfristig kommt es zu einem bindegewebigen Umbau und Degeneration des betroffenen Gewebes.
Prädisponierende Faktoren
- Durchgemachte (unbehandelte) Infektion der oberen Atemwege mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Lancefield-Gruppe A (GAS)
- Herkunft aus Regionen mit hoher Inzidenz von ARF2
- Armut, Unterernährung, niedriger sozioökonomischer Status8
- Crowding (überdurchschnittliche Anzahl an Personen pro Haushalt bzw. pro Wohnraum)1,8
- Genetische Disposition (u. a. HLA-Antigene der MHC-Klasse II)1,8
ICPC-2
- K71 Rheumatisches Fieber/Herzerkrankung
ICD-10
- I00 Rheumatisches Fieber ohne Angabe einer Herzbeteiligung
- I01 Rheumatisches Fieber mit Herzbeteiligung
- I01.0 Akute rheumatische Perikarditis
- I01.1 Akute rheumatische Endokarditis
- I01.2 Akute rheumatische Myokarditis
- I01.8 Sonstige akute rheumatische Herzkrankheit
- I01.9 Akute rheumatische Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet
- I02. Rheumatische Chorea
- I02.0 Rheumatische Chorea mit Herzbeteiligung
- I02.9 Rheumatische Chorea ohne Herzbeteiligung
- I05.-: Rheumatische Mitralklappenkrankheiten
- I06.-: Rheumatische Aortenklappenkrankheiten
- I07.-: Rheumatische Trikuspidalklappenkrankheiten
- I09.-: Sonstige rheumatische Herzkrankheiten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinische Diagnosestellung8
- Die Diagnosestellung basiert auf den Jones-Kriterien (zuletzt 2015
aktualisiert).1-2,14 - Unterstützender Nachweis einer vorliegenden oder kürzlich durchgemachten Infektion mit Streptokokken der Gruppe A (Pharyngitis, Tonsillitis oder Scharlach)
Leitlinie: Diagnosekriterien des akuten rheumatischen Fiebers1-2
Jones-Kriterien14
- Ein akutes rheumatisches Fieber gilt als diagnostiziert, wenn:
- 2 Hauptkriterien (Majorkriterien) – oder –
- 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien (Minorkriterien) erfüllt sind.
- Hauptkriterien (Majorkriterien)
- Karditis (klinisch oder subklinisch mittels Echokardiografie)
- Polyarthritis
- Chorea minor
- Erythema marginatum (anulare)
- subkutane Noduli
- Nebenkriterien (Minorkriterien)
- Erweiterung der Kriterien für Patient*innen aus Risikopopulationen1,14
- Definition der Risikogruppe
- hohe Inzidenz für ARF (≥ 2 pro 100.000 Schulkinder) – oder –
- hohe Prävalenz der rheumatischen Herzerkrankung (≥ 1 pro 1.000 Populationsjahre)
- Bei nicht sicherer Zuordnung wird ein erhöhtes Risiko angenommen.
- Monoarthritis oder Polyarthralgie sind als Majorkriterium zu werten.
- Monoarthralgie, Fieber ≥ 38 °C oder eine BSG ≥ 30 mm/1 h oder CRP ≥ 3,0 mg/dl sind als Minorkriterium zu werten.
- Definition der Risikogruppe
- Ausnahmen (Diagnose außerhalb der Jones-Kriterien)
- Karditis mit klarem anamnestischen Bezug zu einem vorangegangenen Streptokokkeninfekt.
- Chorea minor (nach Ausschluss anderer ZNS-Erkrankung)
- Rezidiv des ARF
- Nachweis einer Streptokokkeninfektion
- kultureller Nachweis von Gruppe A-Streptokokken (GAS)
- positiver Antigen-Nachweis
- erhöhter oder ansteigender Streptokokken-Antikörpertiter
Differenzialdiagnosen
- Andere Ursachen einer Polyarthritis bzw. Polyarthralgien1
- juvenile Arthritis
- reaktive Arthritis, meist mit HLA-B27 assoziiert
- rheumatoide Arthritis
- systemischer Lupus erythematodes
- Psoriasis
- Borreliose
- Sarkoidose
- Arthritis bei Morbus Crohn/Colitis ulcerosa
- Purpura Schönlein-Henoch
- Osteomyelitis.
- Andere Ursachen der Herzbeteiligung1
- Andere Ursachen der Chorea1,8
- hereditäre Erkrankungen (Chorea Huntington)
- Morbus Wilson
- systemischer Lupus erythematodes
- ZNS-Vaskulitis
- Phospholipidantikörpersyndrom
- Chorea nach Operation mit Herz-Lungen-Maschine
- Bei Fieber und polyartikulärer Synovitis soll eine septische Arthritis immer ausgeschlossen werden.
Anamnese
- Die Erkrankung manifestiert sich als akute systemische Fiebererkrankung mit wandernden Arthritiden in den großen Gelenken etwa 3 Wochen nach einem Streptokokkeninfekt der oberen Atemwege.
- Mögliche Beschwerden umfassen:
- Fieber
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit, allgemeines Krankheitsgefühl
- Gelenkschmerzen
- Herzrasen und Palpitationen
- Dyspnoe
- Hautveränderungen (Erythem)
- unkontrollierte Bewegungen und Unruhe bei Chorea minor
- Hinweise auf vorangegangenen Streptokokkeninfekt
- v. a. Pharyngitis, Tonsillitis, Scharlach
- Weitere erkrankte Familienmitglieder erfragen.
Klinische Untersuchung
- Allgemeine körperliche Untersuchung
- Allgemeinzustand (Schwäche, Müdigkeit und Abgeschlagenheit)
- Fieber (in > 90 % der Fälle)8
- Vitalparameter (z. B. Tachykardie)
(Poly-)Arthritis
- Häufigstes Symptom (> 75 % der Fälle)2,8
- Mehrere Gelenke betroffen (Polyarthritis), stark schmerzhaft (Arthralgie)
- Die Entzündung „wandert" typischerweise von großem Gelenk zu Gelenk.1,8
- Knie, Sprunggelenk, Ellbogen- und Handgelenk sind häufig betroffen.
- Schwellung, Druckempfindlichkeit, Überwärmung, Bewegungsschmerz des betroffenen Gelenkes
- Periartikuläre Fibrose der MCP-Gelenke kann zu Ulnardeviation führen (Jaccoud-Arthritis).
- Üblicherweise selbstlimitierend nach bis zu 4 Wochen1,8
- Gutes Ansprechen der Symptome auf nichtsteroidale Antiphlogistika
Karditis
- Pankarditis (Myokarditis, Endokarditis, Perikarditis) mit variablem Verlauf in 50–70 % der Fälle1,8
- schwerwiegendste Manifestation der Erkrankung
- Die Endokarditis mit Klappenbeteiligung (Valvulitis) führt in erster Linie zu Klappeninsuffizienzen.
- Dies kann zu einer Herzinsuffizienz mit letalem Ausgang führen.
- Im Vordergrund stehen initial die linksseitigen Klappeninsuffizienzen.1,8
- Mitralklappeninsuffizienz (75–80 % der Fälle)
- Aortenklappeninsuffizienz (ca. 30 % der Fälle, selten als einzige Klappe)
- Die Trikuspidal- oder Pulmonalklappen sind in weniger als 5 % der Fälle betroffen.
- Klinische Zeichen der Herzbeteiligung sind:
- allgemeines Krankheitsgefühl, ggf. Dyspnoe
- pathologische Herzgeräusche bei Endokarditis mit Klappenschädigung
- Systolikum bei Mitralklappeninsuffizienz
- seltener Diastolikum bei Aortenklappeninsuffizienz
- Siehe die Artikel Herzgeräusche bei Kindern bzw. Herzgeräusche bei Erwachsenen.
- klinische Zeichen der Myokarditis bzw. Perikarditis
- (Perikardreiben, inadäquate Tachykardie, Arrhythmien, Galopprhythmus)
- Verminderte Belastbarkeit sowie Zeichen der Herzinsuffizienz können hinzukommen.
- Eine subklinische Karditis lässt sich echokardiografisch diagnostizieren.8,14
Chorea minor
- Die Chorea minor ist ein selteneres Symptom (10–30 % der Fälle)2,8
- Plötzliche, unfreiwillige, unregelmäßige, schnelle, asymmetrische Bewegungen von Gliedmaßen oder Kopf und Gesicht
- häufig begleitet von neuropsychiatrischen Symptomen (z. B. emotionale Instabilität, psychotische Episoden)
- Die Symptomatik dauert üblicherweise 2–3 Monate, in der Regel selbstlimitierend.15
- Kann als isoliertes Symptom auftreten.2,8
Hautmanifestationen
- Hautmanifestationen sind selten (0–10 %), aber spezifisch für das ARF.1,8
- Subkutane Knötchen3,8
- feste, schmerzlose, subkutane Knötchen mit Durchmesser bis zu 2 cm
- insbesondere über den Knochen an den Streckseiten der Extremitäten und entlang der Wirbelsäule tastbar
- Erythema marginatum (anulare)8
- makulopapulöses, stammbetontes Exanthem
- praktisch nie im Gesicht, an Hand- oder Fußsohlen
- randbetont hellrot-bräunliche Effloreszenz, zur Mitte hin heller
- nicht juckend oder schmerzhaft
- rasche Ausbreitung, transiente Manifestation
- makulopapulöses, stammbetontes Exanthem
Ergänzende Untersuchungen
Laboruntersuchungen
- Labordiagnostik1
- Urinstatus
- Erregernachweis1
- kultureller Nachweis von Streptokokken aus dem Rachenabstrich
- Goldstandard, jedoch häufig negativ
- Nachweis von Streptokokken-Antigen
- mangelnde Sensitivität
- erhöhte Streptokokkenmarker (stark erhöht bzw. Titeranstieg um 2 Stufen)
- Antistreptolysin-Titer (ASL) 1 Woche nach Infektion (max. Titer 3–6 Wochen nach Infektion)
- Antidesoxyribonuklease B Titer (ADNase) 1–2 Wochen (max. Titer 6 – 8 Wochen nach Infektion)
- nur in 8 % der Fälle negativer Test und fehlender Titeranstieg
- kultureller Nachweis von Streptokokken aus dem Rachenabstrich
- Eine Antibiotikatherapie kann die Entwicklung der Antikörperreaktion verhindern.
- Bei einem klinischen Verdacht, aber negativer Serologie, wird empfohlen, ca. 2 Wochen später neue Proben zu nehmen.
EKG
- Notwendig zur Erfassung von kardialer Beteiligung
- z. B. Tachykardien, PQ-Verlängerung und Erregungsrückbildungsstörungen
- Bei Auffälligkeiten 24-Stunden-Langzeit-EKG empfohlen
- Herzfrequenzniveau und Rhythmusstörungen
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Die Durchführung von spezifischer Diagnostik (Echokardiografie, Gelenksonografie) sollte durch Kinderkardiolog*innen in Zusammenarbeit mit Kinderrheumatolog*innen erfolgen.
Echokardiografie
- Entscheidende Untersuchung zur Feststellung einer Herzbeteiligung1-2,8,14,16
- auch subklinische Veränderungen feststellbar
- Mögliche Befunde1,8,16
- morphologische und funktionelle Klappenveränderungen (Valvulitis)
- Vergrößerung und Funktionsbeeinträchtigung des linken Ventrikels infolge der Myokarditis
- Perikarderguss bei Perikarditis
- Unter Nutzung der Echokardiografie ist in 70–80 % der Fälle mit diagnostiziertem rheumatischem Fieber mit einer Herzbeteiligung zu rechnen.1
- deutlich häufiger als bei der rein klinischen Beurteilung des Herzens (Herzgeräusch)
Gelenksonografie
- Zur Diagnosestellung nicht notwendig
- Nachweis eines Gelenkergusses bzw. einer synovialen Hyperproliferation1
- Erlaubt eine Unterscheidung zwischen Arthralgie und Arthritis.
Röntgen des Thorax
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung Überweisung an Kinderärzt*innen mit Schwerpunkt Kinderkardiologie bzw. mit rheumatologischer Erfahrung1
Therapie
Therapieziele
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,8
- Eradikation der Streptokokkeninfektion und somit des Antigens
- Behandlung der systemischen Inflammation
- Therapie der Folgeerkrankungen
- Rezidiv- und Umgebungsprophylaxe
Allgemeines zur Therapie
- Mit Ausnahme der Karditis sind alle Symptome in der Regel selbstlimitierend.17
- Eine Therapie kann das Fortschreiten der Erkrankung und Rezidive verhindern, jedoch eine bereits vorhandene rheumatische Herzerkrankung nicht heilen.
Leitlinie: Therapie des akuten rheumatischen Fiebers (ARF)1-2
- Antibiotischen Behandlung der Streptokokkeninfektion
- Eradikation des Antigens
- Sofortiger Therapiebeginn nach Rachenabstrich und Streptokokkenschnelltest
- Antibiotikum der Wahl ist Penicillin.
- Penicillin V für 10 Tage
- Dosierung: 100.000 IE/kg KG/d oral
- Dosisintervall: in 3 ED max. 3 x 1,2 Mega
- bei Penicillin-Allergie alternativ
- Makrolide, z. B. Clarithromycin für 10 Tage
- Cephalosporine für 10 Tage
- Antibiotikabehandlung unabhängig vom Ergebnis des Nasen-Rachen-Abstrichs
- Behandlung der systemischen Inflammation
- symptomatische Therapie mit hochdosiert NSAR
- z. B. Ibuprofen 30 mg/kg/d in 3 ED
- bis zur Entfieberung und Normalisierung der Entzündungsparameter
- historische Empfehlung zur hochdosierten ASS-Therapie aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen nicht mehr aktuell
- symptomatische Therapie mit hochdosiert NSAR
- Therapie der Arthritis
- symptomatische Therapie mit NSAR
- Ibuprofen
- alternativ Naproxen (15 mg/kg KG/d in 2 ED mind. über 3 Monate)
- Ggf. niedrig-dosierte orale Glukokortikoide, falls NSAR nicht toleriert werden.
- Physiotherapie, lokale Kryo- oder Wärmetherapie
- symptomatische Therapie mit NSAR
- Behandlung der schweren Karditis (linksventrikuläre Funktionsstörung, Herzinsuffizienz, AV-Block)
- initial Prednisolon
- 2 mg/kg KG/d, max. 80 mg/d in 2–3 ED
- Dosisreduktion frühestens nach 2 Wochen
- weitere Reduktion unter Überlappung mit NSAR17
- übliche Therapie einer möglichen Herzinsuffizienz gemäß Leitlinien
- initial Prednisolon
- Weder NSAR noch Steroide beeinflussen die Prognose einer Herzklappenbeteiligung.
Weitere Therapien
- Herzchirurgische oder interventionelle Therapiemaßnahmen1
- z. B. Perikarddrainage, Klappenintervention/-chirurgie
- bei elektiver Indikation mind. 1 Jahr nach ARF
- Ggf. Therapie der Chorea minor bei ausgeprägten Beschwerden
- z. B. Valproat oder Carbamazepin
- In der Regel erfordert eine Chorea minor keine Behandlung.
Prävention
- Antibiotische Behandlung einer Streptokokken-A-Infektion (Pharyngitis, Tonsillitis, Scharlach)
- umstrittener Nutzen in den westlichen Industrienationen
- Klinisch ist keine valide Differenzierung zwischen bakterieller und viraler Genese bei Halsschmerzen möglich.2
- GAS-Stämme, die potenziell zu immunologischen Komplikationen führen können, sind in den westlichen Industrieländern selten.
- In einer Cochrane-Metaanalyse fand sich in kontrollierten Studien seit 1975 bei Tonsillopharyngitis in 1.036 Fällen ohne antibiotische Therapie und 1.448 Fällen mit antibiotischer Therapie kein Fall von ARF in westlichen Industrienationen.2,4
- keine Evidenz für die Verminderung immunologischer Komplikationen durch Antibiotika bei Scharlach2
- Laut aktueller DEGAM-Leitlinie Halsschmerzen bei Kindern und Jugendlichen (Alter ≤ 15 Jahre) mit akuten Halsschmerzen ohne Red Flags bei negativem Schnelltestergebnis für GAS sollte auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden.2
- weitergehende individuelle Beratung, Diagnostik und Therapie bei erhöhtem Risiko für akutes rheumatisches Fieber (z. B. besondere Lebensbedingungen, Vorerkrankungen, Reiseanamnese, ethnische Zugehörigkeit)
- umstrittener Nutzen in den westlichen Industrienationen
Leitlinie: Nachsorge, Umgebungs- und Rezidivprophylaxe1-2
- Abhängig von der kardialen Schädigung
- rehabilitative physiotherapeutische Maßnahmen
- regelmäßige kardiologische Kontrollen
- ggf. Endokarditisprophylaxe
- abhängig von der Klappenbeteiligung
- Rezidivprophylaxe
- nach ARF hohes Rezidivrisiko bei erneuter Streptokokken-A-Infektion
- Rezidive können schwerer Verlaufen und eine Herzschädigung aggravieren.
- Antibiotische Reinfektionsprophylaxe wird bei allen Patient*innen mit RF empfohlen (auch nach isolierter Chorea minor).
- effektivste Prophylaxe mit Benzathin-Penicillin G i. m., alternativ Penicillin V oder Erythromycin
- Dauer der Rezidivprophylaxe (interdisziplinäre Entscheidung!)
- ARF mit Karditis und bleibendem Herzklappenfehler: 10 Jahre oder bis zum 40. Lebensjahr, manchmal lebenslang
- ARF mit Karditis ohne bleibende Herzklappenerkrankung: 10 Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr
- ARF ohne Karditis: 5 Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr
- Umgebungsprophylaxe
- Rachenabstrich bei allen Familienmitgliedern
- Bei Nachweis von Streptokokken der Gruppe A wird eine antibiotische Therapie empfohlen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Erkrankung mit überwiegend selbstlimitierenden Symptomen innerhalb von Wochen bis Monaten
- Der Verlauf der Karditis ist variabel.
- mit erhöhter Mortalität verbunden
- in der akuten Phase aufgrund der Myokarditis
- im Anschluss durch die chronische Herzerkrankung mit Herzklappenschädigung
Komplikationen
- Rheumatische Herzerkrankung nach Pankarditis
- Arrhythmien
- Herzinsuffizienz
- Herzklappenerkrankungen (v. a. Mitralklappeninsuffizienz)
- Klappenintervention/-chirurgie bei elektiver Indikation mind. 1 Jahr nach der akuten Entzündungsphase1
- Rheumatische Pneumonitis
- Jaccoud-Arthritis
- nichterosive Gelenkdeformität
- Ulnardeviation in den MCP-Gelenken
Prognose
- Eine Herzbeteiligung kann zu chronischer rheumatischer Herzerkrankung, insbesondere mit linksventrikulären Klappeninsuffizienzen führen.
- Bei Rezidiven besteht eine deutlich erhöhte Gefahr von chronischer Herzerkrankung.
- Eine Herzbeteiligung ist primär verantwortlich für die Mortalität.9
- in der akuten Phase geringe Mortalität von 1–2 %
Verlaufskontrolle
- Bei rheumatischer Herzerkrankung nach ARF werden regelmäßige kardiologische Kontrollen empfohlen.1
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Rheumatisches Fieber
- Chorea minor
- Mögliche Spätfolgen einer Mandelentzündungen
- Rachenentzündung (Pharyngitis)
- Mandelentzündung
- Antibiotikatherapie
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Rheumatisches Fieber – Poststreptokokkenarthritis im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023–027. S2k, Stand 2012. www.kinderkardiologie.org
RKI-Ratgeber
- Robert Koch-Institut: Streptococcus pyogenes-Infektion. Berlin, Stand 2018. www.rki.de
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie e.V. Rheumatisches Fieber - Poststreptokokkenarthritis im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023–027. S2k, Stand 2012. www.kinderkardiologie.org
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
- Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber: Streptococcus pyogenes-Infektion. Berlin, Stand 2018. www.rki.de
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Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breigau
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).