Milzzysten

Zusammenfassung

  • Definition:Von der Milz ausgehende Zysten.
  • Häufigkeit:Selten.
  • Symptome:Meist kaum Symptome, am häufigsten Beschwerden im Epigastrium.
  • Befunde:Meist kein klinischer Befund, ggf. tastbare Resistenz.
  • Diagnostik:Weitere Untersuchungen sind Ultraschall, CT, MRT.
  • Therapie:Größere und symptomatische Milzzysten sollten operativ behandelt werden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Von der Milz ausgehende Zysten

Häufigkeit

  • Selten
  • Primäre Milzzysten: Ca. 800 Fälle sind in der Literatur beschrieben.1-2
  • Die Anzahl epithelialer Zysten in 42.327 Autopsien betrug 0,07 %.3
  • Der weitverbreitete Einsatz von Ultraschall hat durch vermehrte Zufallsbefunde zu einer Erhöhung der Detektionsrate geführt.2
  • Pseudozysten machen 80 % der Milzzysten aus, echte Zysten 20 %.4
  • Wird meist bei Kindern und jungen Erwachsenen nachgewiesen, insbesondere echte, epitheliale Zysten.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Einteilung in parasitäre (v. a. Echinococcus granulosus) und nicht-parasitäre Zysten4
  • Die nicht-parasitären Zysten werden weiter eingeteilt in: 
    • echte Milzzysten
      • auch epitheliale Zysten oder kongenitale Zysten genannt
      • Zeichnen sich durch eine Epithelschicht im Zystenlumen aus.
      • verschiedene Ursachen: neoplastisch (Hämagiome, Lymphangiome), kongenital, Epidermoidzysten, Milzzysten bei polyzystischer Nierenerkrankung4-6
    • Pseudozysten
      • Ihnen fehlt die Epithelschicht.
      • Entwickeln sich aus traumatisch bedingten Milzhämatomen, Milzinfarkten oder Milzabszessen.4
      • Auch intrasplenische pankreatische Pseudozysten kommen vor.4

Pathophysiologie

  • Bei Pseudozysten infolge von Organisation eines Hämatoms oder infarzierten Areals
  • Bei epithelialen Zysten nicht geklärt
    • Eine Hypothese geht von peritonealem Mesothel aus, das im Rahmen der Embryonalentwicklung in der Milz eingeschlossen wird. Das Mesothel metaplasiert dann zu squamösem Epithel.4
    • Eine andere Hypothese sagt, die Zysten entstehen aus lymphatischen Räumen der Milz.4

Disponierende Faktoren

  • Traumata (Pseudozysten)

ICPC-2

  • B99 Blut-/Lymph-; Milzerkrankung, andere

ICD-10

  • D73.4 Zyste der Milz

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinischer Verdacht, der durch Sonografie (ggf. MRT, CT) bestätigt wird.
  • Die endgültige Diagnose wird durch histologische Untersuchung nach Operation gestellt.4

Differenzialdiagnosen

  • Zystische neoplastische Tumoren
    • zystische Metastasen in der Milz5-6
    • primäre Milzlymphome7
  • Parasitäre Zysten – speziell in endemischen Umgebungen für Echinokokkeninfektion
    • Die Leber ist das häufigste Organ für Echinokokkenzysten, danach folgen Lunge und Milz.8

Anamnese

  • Meist keine Symptome
  • Oft Zufallsbefund bei einer radiologischen Untersuchung4
  • Ggf. spürbare Raumforderung am unteren linken Rippenbogen4
  • Zunehmende Symptome mit zunehmender Größe der Zyste 
    • Schmerzen linke Flanke oder Schulter
    • epigastrische Schmerzen
    • Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Durchfall (durch Kompression benachbarter Strukturen)2
  • Adäquate Traumata in der Anamnese können auf Pseudozysten hinweisen.
  • Akute Symptome können bei einer Ruptur, Blutung oder Abszedierung entstehen – kommen aber selten vor.2
    • abdominelle Schmerzen
    • Fieber
    • Kreislaufinstabilität
  • Aufenthalt in einem Endemiegebiet bezüglich einer Echinokokkeninfektion

Klinische Untersuchung

  • Meist keine Befunde
  • Evtl. Schmerz oder Unwohlsein bei Palpation
  • Evtl. palpable Raumforderung

Ergänzende Untersuchungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • MRT, CT
    • Echte Zysten und Pseudozysten sind schwierig zu unterscheiden.
      • Trabekulierungen und Septen sprechen für echten Zysten.
      • Verkalkung in den Kapseln können bei beiden Typen auftreten.
    • 2/3 der parasitären Zysten sind in der Bildgebung multilokulär.8
    • MRT kann zur Differenzierung von parasitären und nicht-parasitären Milzläsionen hilfreich sein.1

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei Zysten > 4–5 cm oder kompressionsbedingten Symptomen Überweisung in die Vizeralchirurgie zur OP-Planung
  • Bei v. a. Ruptur, akute Blutung, Abszess Einweisung in die Viszeralchirurgie

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationen vermeiden.
  • Die durch die Zyste entstehenden Beschwerden behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Operationsindikationen
    • Zysten > 4–5 cm Durchmesser
      • Mit zunehmender Größe wird von vermehrten Beschwerden und einem höheren Komplikationsrisiko ausgegangen, auch wenn die Dokumentation aufgrund des seltenen Vorkommens unzureichend ist.4,9
    • subjektive Beschwerden4
  • Sollte eine vollständige Splenketomie geplant sein, sollten die Patient*innen möglichst präoperativ gemäß den Empfehlungen zur Asplenie geimpft werden. 
    • Pneumokokken: möglichst sequenziell
      • mit 13-valentem Konjugatimpfstoff 
      • 6–12 Monate später mit 23-valentem Polysaccharidimpfstoff
    • Haemophilus influenzae Typ b (Hib)
    • Meningokokken: 4-valenter Konjugatimpfstoff gegen Serogruppen ACWY10
  • Kleine und asymptomatische Zysten können beobachtet werden.4

Operative Therapie

  • Operative Optionen
    • offen chirurgische oder laparoskopische Splenektomie
    • partielle Splenektomie (mind. 25 % des Milzgewebes bleiben erhalten)
    • Zystenentdeckelung, Dekapsulierung (Entfernung des größten Teils der Zystenwand)
    • Marsupialisation4,11
  • Möglichst milzkonservierender Eingriff, u. a. weil meist Kinder und Jugendliche betroffen sind.
    • abhängig von der Lage der Zyste 
      • Zysten am oberen Pol oder lateral gelegene Zysten können gut milzerhaltend operiert werden.
      • Zysten am unteren Pol, hilusnahe Zysten oder multiple Zysten können häufig nicht milzerhaltend operiert werden.4
  • Das laparoskopische Vorgehen mit Splenektomie, Zystenentdeckelung oder Dekapsulierung (Entfernung eines möglichst großen Teils der Zystenwand) führen zu kürzerem Krankenhausaufenthalt, geringerer Morbidität und besseren kosmetischen Ergebnissen.11
  • Die Dekapsulierung ist der Entdeckelung bezüglich Wiederverschluss und Rezidiv der Zyste überlegen.4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Häufig asymptomatischer Verlauf
  • Pseudozysten, die kleiner als 5 cm sind, können spontan zurückgehen.

Komplikationen

  • Ruptur, Blutung oder Abszedierung
    • Das Risiko ist bei Pseudozysten am größten.
    • selten, aber potenziell lebensbedrohlich3

Prognose

  • Bei epithelialen teilentfernten Zysten besteht nach der operativen Entdeckelung ein Risiko zum Rezidiv.4

Illustrationen

Einfache Milzzyste  (Mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Einfache Milzzyste (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)

Quellen

Literatur

  1. Schott A, Husak R, Kempf M. Milzzysten als Zufallsbefund - was tun? Dtsch Med Wochenschr 2014; 1390: 2132-2135. www.drkempf.de
  2. Ingle SB, Hinge Ingle CR, Patrike S. Epithelial cysts of the spleen: a minireview. World J Gastroenterol 20: 13899-13903, 2014. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Matsui T, Matsubayashi H, Sugiura T, Sasaki K, Ito H, Hotta K, Imai K, Tanaka M, Kakushima N, Ono H. A Splenic Epithelial Cyst: Increased Size, Exacerbation of Symptoms, and Elevated Levels of Serum Carcinogenic Antigen 19-9 after 6-year Follow-up. Intern Med. 2016;55(18):2629-34. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Termos S, Othman F, Aljewaied A, Alkhalil AM, Alhunaidi M, Parayil SM, Alabdulghani F. Symptomatic Giant Primary Nonparasitic Splenic Cyst Treated with Laparoscopic Decapsulation: A Case Report and Literature Review. Am J Case Rep. 2020 Nov 19;21:e927893. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Thipphavong S, Duigenan S, Schindera ST, Gee MS, Philips S. Nonneoplastic, benign, and malignant splenic diseases: cross-sectional imaging findings and rare disease entities. AJR Am J Roentgenol. 2014;203(2):315. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Warshauer DM, Hall HL. Solitary splenic lesions. Semin Ultrasound CT MR. 2006;27(5):370. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Schalk E, Fischer T, Wolleschak D: Splenic cyst following abdominal trauma? Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 362. www.aerzteblatt.de
  8. Khoury G, Abiad F, Geagea T, Nabout G, Jabbour S. Laparoscopic treatment of hydatid cysts of the liver and the spleen. Surg Endosc 2000; 14: 234-5. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Gianom D, Wildisen A, Hotz T, et al. Open and laparoscopic treatment of nonparasitic splenic cysts. Dig Surg 2003; 20:74. PubMed
  10. Robert Koch-Institut. Impfungen bei Asplenie (Entfernung der Milz oder Ausfall der Organfunktion). Stand: 14.8.2019. www.rki.de
  11. Szczepanik AB, Meissner AJ. Partial splenectomy in the management of nonparasitic splenic cysts. World J Surg. 2009;33:852–56. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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