Infektion mit Vibrio vulnificus

Vibrio vulnificus ist ein Bakterium, das sich in Meerwasser mit einer Temperatur von über 20 °C aufhält. Das Bakterium gelangt durch das Schlucken von Salzwasser, den Verzehr von Meeresfrüchten oder auch durch offene Wunden, die dem Meerwasser ausgesetzt sind, in den menschlichen Körper, wodurch es dann zu einer schweren Infektion kommen kann.

Was ist Vibrio vulnificus?

Vibrio vulnificus ist ein Bakterium, das mit dem Cholera-Bakterium (Vibrio cholerae) verwandt ist. Die Infektion mit Vibrio vulnificus kann eine schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankung verursachen. Der Krankheitsverlauf kann einerseits mit einer Wundinfektion beginnen, die in eine Blutvergiftung (Sepsis) mündet. Andernfalls kann die Infektion aber auch direkt zu einer Blutvergiftung (primäre Sepsis) führen.

Die Bakterien kommen normalerweise in warmem Meerwasser vor und gedeihen am besten bei Wassertemperaturen von über 20 °C. Das Vorkommen des Bakteriums hängt nicht mit einer Verschmutzung des Wassers oder Verunreinigung mit Fäkalien zusammen. Weder der Geschmack noch das Aussehen oder der Geruch des Meerwassers werden durch die Anwesenheit der Bakterien beeinflusst. Die Bakterien kommen in den meisten Küstengewässern vor, in denen die Temperatur 20 °C übersteigt.

Aus Deutschland wurden in den letzten Jahren einige wenige Fälle von Wundinfektionen durch Vibrio vulnificus gemeldet, alle aus Regionen der Nord- und Ostsee: von 2001 bis 2011 wurden 11 Fälle bekannt, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich höher.

In Dänemark kommt die Erkrankung relativ häufig vor, und auch in Schweden wurden einige Fälle bekannt. Sämtliche Fälle in Schweden sind zu einer Zeit aufgetreten, als das Meerwasser wärmer als 20 °C war. In den USA wird die Mehrheit der gemeldeten Fälle auf den Verzehr von rohen Austern aus dem Golf von Mexiko im Sommer zurückgeführt.

Ca. 25 % der Fälle betreffen Personen mit offenen Wunden, die beispielsweise beim Baden in Kontakt mit warmem Meerwasser gekommen sind, das die Bakterien enthält.

Ursachen

Vibrio vulnificus ist ein sehr aggressives Bakterium. Selbst bei einer schnellen Diagnose und intensiver Behandlung sterben viele Betroffene; insbesondere Personen mit Immunschwäche sind gefährdet.

Das Bakterium gelangt durch das Schlucken von Salzwasser oder den Verzehr von Meeresfrüchten in den menschlichen Darmtrakt. Der Erreger kann auch über eine offene Wunde, die in Kontakt mit Meerwasser kommt, in den Körper eindringen. 

Schlecht verheilte und offene Hautwunden sind ein Risikofaktor für eine Infektion. Dazu zählen auch frische Tätowierungen. Ein weiterer Risikofaktor ist der Verzehr von Austern oder anderen Schalentieren, die nicht ausreichend wärmebehandelt sind. Patienten mit geschwächter Immunabwehr gegen Infektionskrankheiten sind besonders gefährdet. Dies gilt für Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, wie alkoholbedingter Lebererkrankung, Hepatitis B oder C, Bluterkrankungen und anderen chronischen Erkrankungen.

Symptome

Nach der Einnahme von belastetem Meerwasser oder Meeresfrüchten dauert es in der Regel 12 bis 24 Stunden, bis die Krankheit ausbricht (Inkubationszeit). Die Erkrankung kann mit Wunden oder Entzündungen in einem begrenzten Gebiet beginnen, z. B. um den Mund, im Rachen oder auf der Haut (Wundrose). Nach dem Baden im Meer ist auch eine Entzündung des äußeren Gehörgangs möglich. Symptome einer Blutvergiftung können auf eine Wundinfektion folgen, oder sie können als erstes Symptom auftreten. Eine Blutvergiftung entwickelt sich oft sehr schnell und dramatisch. Symptome einer Magen-Darm-Entzündung, wie Durchfall und Erbrechen, sind selten.

Primäre Wundinfektion

Es entsteht eine schmerzhafte Entzündung der Haut (Phlegmone), die rasch fortschreitet. Begrenzte lokale Schwellungen mit Blutblasen (hämorrhagische Bullae) sind charakteristisch. Körperliche Symptome wie Fieber und Schüttelfrost kommen vor. Die Hälfte der Patienten hat Bakterien im Blut, ca. 10 % haben niedrigen Blutdruck und etwa ein Drittel zeigt geistige Veränderungen.

Primäre Blutvergiftung

Typische Symptome sind FieberDurchfall, Übelkeit und Erbrechen. Bei der Hälfte aller Patienten treten geistige Veränderungen auf. Knapp ein Drittel befindet sich bei der Ankunft im Krankenhaus im septischen Schock. Innerhalb von 24 Stunden entwickelt mehr als die Hälfte der Patienten charakteristische Hautschäden mit schweren Hautentzündungen, Blutungen und Blasen.

Diagnostik

Patienten mit Blutvergiftung und schweren Hautschäden sollten auf eine Infektion mit Vibrio vulnificus untersucht werden. Es sollte überprüft werden, ob die Patienten rohe Austern gegessen haben oder dem Meerwasser ausgesetzt waren.

Die Erkrankung muss von einer Streptokokken-Infektion unterschieden werden.

In Blutkulturen und Wundproben können die Bakterien nachgewiesen werden. Blutuntersuchungen können außerdem klären, ob eine schwere Infektion vorliegt. Bildgebende Verfahren (Ultraschall, CT, MRT) zeigen Veränderungen des betroffenen Gewebes.

Beim Verdacht auf eine Infektion mit Vibrio vulnificus sollen die Patienten schnellstmöglich im Krankenhaus behandelt werden.

Behandlung

Die Infektion wird mit Antibiotika behandelt. Häufig ist der Krankheitsverlauf so schwerwiegend, dass das Medikament direkt in die Blutbahn verabreicht wird. Verschiedene Antibiotika können verwendet werden (Tetrazykline, Ciprofloxacin, Cephalosporine oder Aminoglykoside). Bei einer schweren Erkrankung erhalten die Patienten Infusionen und werden sorgfältig überwacht, häufig auf der Intensivstation.

Häufig ist eine chirurgische Behandlung und die Drainage der Wunden notwendig, manchmal ist auch eine Amputation erforderlich.

Vorbeugung

Patienten mit chronischen Erkrankungen, vor allem Leber- und Blutkrankheiten, sollten das Baden oder Schlucken von Meerwasser mit einer Temperatur von über 20° C vermeiden. Personen mit offenen Wunden sollten nicht in Kontakt mit warmem Meerwasser kommen. Meeresfrüchte aus Gebieten mit hohen Wassertemperaturen sollten vor dem Verzehr abgekocht werden.

Prognose

Bei gesunden Personen ist auch ein leichter Verlauf ohne Blutvergiftung (Sepsis) möglich. Innerhalb kurzer Zeit kann sich jedoch ein lebensbedrohlicher Zustand mit Auftreten einer Blutvergiftung entwickeln.

Die Erkrankung geht mit einer Sterblichkeit von 40–60 % einher. Etwa 80 % der Todesfälle treten bei Patienten mit Lebererkrankungen ein. Wenn es länger dauert, eine Diagnose zu stellen und sich diese um mehr als 24–72 Stunden verzögert, ist die Prognose oft schlecht.

Weitere Informationen

Autoren

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Vibrio-vulnificus-Infektion. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Bross MH, Soch K, Morales R, Mitchell RB. Vibrio vulnificus infection: diagnosis and treatment. Am Fam Physician 2007; 76: 539-44. PubMed
  2. Robert Koch Institut. Informationsbroschüre von RKI und VibrioNet zu Nicht-Cholera-Vibrionen. Berlin, 2012. (Zugriff 24.07.2018) www.vibrionet.de
  3. Dalsgaard I, Høi L, Siebeling RJ, Dalsgaard A.Indole-positive Vibrio vulnificus isolated from disease outbreaks on a Danish eel farm. Dis Aquat Organ. 1999 Feb 26;35(3):187-94 PubMed
  4. Collin B, Rehnstam-Holm AS.Occurrence and potential pathogenesis of Vibrio cholerae, Vibrio parahaemolyticus and Vibrio vulnificus on the South Coast of Sweden. FEMS Microbiol Ecol. 2011 Nov;78(2):306-13 PubMed
  5. Horseman MA, Surani S. A comprehensive review of Vibrio vulnificus: an important cause of severe sepsis and skin and soft-tissue infection. Int J Infect Dis. 2011 Mar;15(3):e157-66 PubMed
  6. Shapiro RL, Altekruse S, Hutwagner L, Bishop R, Hammond R, Wilson S, et al., for the Vibrio Working Group. The role of Gulf Coast oysters harvested in warmer months in Vibrio vulnificus infections in the United States, 1988-1996. J Infect Dis 1998; 178: 752-9. PubMed
  7. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Vibrio vulnificus infections associated with eating raw oysters-Los Angeles, 1996. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 1996; 45: 621-4. PubMed
  8. Hsueh PR, Lin CY, Tang HJ, Lee HC, Liu JW, Liu YC, et al. Vibrio vulnificus in Taiwan. Emerg Infect Dis 2004; 10: 1363-8. PubMed
  9. Vugia DJ, Tabnak F, Newton AE, et al. Impact of 2003 State Regulation on Raw Oyster–associated Vibrio vulnificus Illnesses and Deaths, California, USA. Center for Disease Control and Prevention. Emergin Infectious Diseases 2013. wwwnc.cdc.gov
  10. Klontz KC, Lieb S, Schreiber M, Janowski HT, Baldy LM, Gunn RA. Syndromes of Vibrio vulnificus infections. Clinical and epidemiologic features in Florida cases, 1981-1987. Ann Intern Med 1988; 109: 318-23. Annals of Internal Medicine
  11. Chuang YC, Yuan CY, Liu CY, Lan CK, Huang AH. Vibrio vulnificus infection in Taiwan: report of 28 cases and review of clinical manifestations and treatment. Clin Infect Dis 1992; 15: 271-6. PubMed
  12. Hlady WG, Klontz KC. The epidemiology of Vibrio infections in Florida, 1981-1993. J Infect Dis 1996; 173: 1176-83. PubMed
  13. Lerstloompleephunt N, Tantawichien T, Sitprija V. Renal failure in Vibrio vulnificus infection. Ren Fail 2000; 22: 337-43. PubMed
  14. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018. S.175ff. AWMF-Leitlinie 082-006. Stand 2017. www.awmf.org
  15. Majeski J, Majeski E. Necrotizing fasciitis: improved survival with early recognition by tissue biopsy and aggressive surgical treatment. South Med J 1997; 90: 1065-8. PubMed
  16. Halow KD, Harner RC, Fontenelle LJ. Primary skin infections secondary to Vibrio vulnificus: the role of operative intervention. J Am Coll Surg 1996; 183: 329-34. PubMed
  17. Bilton BD, Zibari GB, McMillan RW, Aultman DF, Dunn G, McDonald JC. Aggressive surgical management of necrotizing fasciitis serves to decrease mortality: a retrospective study. Am Surg 1998; 64: 397-400. PubMed
  18. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Vibrio illnesses after Hurricane Katrina-multiple states, August-September 2005. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2005; 54: 928-31. PubMed