Zusammenfassung
- Definition:Einwachsen des Nagels in die Weichteile des medialen oder lateralen Nagelwalls.
- Häufigkeit:Sehr häufig, insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen.
- Symptome:Progrediente Schmerzen und Schwellung im Bereich des Nagelfalzes.
- Befunde:Gerötete, schmerzhafte Schwellung entlang der medialen und/oder lateralen Kante des Nagels, häufig mit Ausbildung von Granulationsgewebe.
- Diagnostik:Klinische Diagnose.
- Therapie:Generelle podologische konservative Maßnahmen, bei bakterieller eitriger Infektion chirurgisches Vorgehen. Antibiotika meist schlecht wirksam und nicht kausal.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonym: Unguis incarnatus
- Einwachsen des Nagels in die Weichteile des medialen oder lateralen Nagelwalls1
- dadurch meist Reizung und schmerzhafte Entzündung der Weichteile
Einteilung
- Klinische Einteilung des Unguis incarnatus in 3 Stadien:1
- Stadium I: Rötung des medialen oder lateralen Nagelwalles
- Stadium II: Stadium I + Druckschmerz
- Stadium III: Stadium II + entzündliches Granulationsgewebe.
Häufigkeit
- Betrifft vor allem Kinder und junge Erwachsene.2
- asynchrones Wachsen von Nagel und Weichteilen in der Pubertät
- Nach Onychomykose zweithäufigste Erkrankung des Nagels2
- Meistens sind die Großzehen betroffen.
Ätiologie und Pathogenese
Endogene Ursachen2
- Anatomische Wuchsform der Nägel
- Ein flacher, schmaler Nagel mit wenig wulstigem Weichteilgewebe am lateralen Rand ist weniger betroffen als ein stark gewölbter Nagel, der seitlich in Nagelfalz hineinreicht.
- Nagelmatrix im Verhältnis zum Nagelbett zu groß angelegt
Exogene Ursachen2
- Falsche Nagelpflege
- Anders als bei Fingernägeln sollte der Zehennagel nicht so weit rund geschnitten werden, dass der laterale freie Nagelrand in Nagelfalz zu liegen kommt.
- Externer Druck, z. B. bei zu engem Schuhwerk
Pathogenese1
- Aufgrund des mechanischen Drucks kommt es zu kleinsten Verletzungen des Weichgewebes und in der Folge zum Überwuchern des Zehennagels mit Granulationsgewebe, sog. „wildes Fleisch“.
- Dieses drückt den Zehennagel noch weiter ins Nagelbett.
Prädisponierende Faktoren
- Unsachgemäßes Schneiden (d. h. zu weites Zurückschneiden) des Nagels1
- Zu enges Schuhwerk1
- Positive Familienanamnese1
- Hyperhidrosis, die den seitlichen Nagelrand aufweicht und aufbricht.1
- Übermäßige Nagelkrümmung1
- Vorverletzungen des Nagelfalzes2
ICPC-2
- S94 Eingewachsener Nagel
ICD-10
- L60.0 Eingewachsener Nagel
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typisch: gerötete, schmerzhafte Schwellung entlang der medialen und/oder lateralen Kante des Großzehennagels, häufig mit Ausbildung von Granulationsgewebe („wildes Fleisch“).
Anamnese
- Frage nach Nagelpflege und insbesondere Schnittform
- Empfohlen: Nagelecken sollten gerade über dem Hautniveau geschnitten werden und dieses stets überragen.1
- Familienanamnese kann einen Hinweis auf endogene Ursachen geben.
- Schleichende Entwicklung einer schmerzhaften Schwellung, meist über mehrere Wochen
- Bisher durchgeführte Therapie?
Klinische Untersuchung
- Rötung, Schwellung und Druckdolenz im Bereich des Nagelwalls
- In fortgeschrittenem Stadium Ausbildung von Granulationsgewebe („wildes Fleisch“)
- Bei Übergang zu Panaritium Bildung von Eiter
- Klinische Einteilung in 3 Schweregrade
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Nicht notwendig
Indikationen zur Überweisung
- Bei Versagen der konservativen Therapie oder im Stadium III mit bakterieller Infektion Überweisung an Chirurg*in zur operativen Therapie1
Therapie
Therapieziele
- Infektion sanieren.
- Weiteres Einwachsen des Nagels verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Im Stadium I–II meist konservative Therapie, bei eitriger Infektion (Stadium III) operative Therapie.
- Da es sich bei Infektionen um sekundäre Entzündungen handelt, sind Antibiotika keine kausale Therapie und in der Regel schlecht wirksam.2
Empfehlungen für Patient*innen
- Informationen zu vorbeugenden Maßnahmen bereitstellen (siehe Abschnitt Prävention).
Konservative Therapie
- Vielzahl an Optionen, die in Kombination miteinander verwendet werden können.
- Redressierender Tapeverband3
- Hierbei wird der über den Zehennagel gewachsene Nagelwall mittels eines gut haftenden Pflasters nach außen gezogen.
- bebilderte Anwendungshilfe in Annals of Family Medicine
- Entlastung (angepasstes Schuhwerk)2
- Schaffung einer Distanz zwischen Nagelplatte und Nagelwall2
- Unterfüttern mit Wattepolstern unter die freien (eingewachsenen) Nagelränder
- Durch die Polsterung wird die Nagelplatte angehoben und kann so nicht mehr in das Gewebe des Nagelwalls eindringen.
- Anbringen einer Nagelspange2
- Es stehen Spangen aus Glasfaser und Metall zur Verfügung.
- Nagelspange wird von den beiden lateralen Seiten über dem Nagel angebracht und hebt somit die Nagelränder vom Nagelwall ab.
Operative Therapie
- Operative Maßnahmen erfolgen in der Regel in Leitungsanästhesie nach Oberst.
- Nagelschienung nach Schulte bei vorliegender Spicula (nach lateral ragender Zacke des Zehennagels, die unterhalb des Nagelwalls in die Weichteile drückt)1
- Mit einer Schere wird die sterile Schutzkappe eines Butterflys längs gespalten und in der Länge angepasst.
- Mit der Pinzette oder der feinen Klemme wird die Schutzkappe über den Zehennagel auf der betroffenen Seite nach proximal geschoben.
- Spicula kann durch die Schienung aus dem Nagelbett herauswachsen, ohne dieses weiter zu reizen.
- Emmert-Plastik2
- Keilexzision des kompletten Nagelfalzes mit den entsprechend eingewachsenen Nagelanteilen
- Besonders wichtig ist die Mitnahme der dazugehörigen Matrixanteile, um in Zukunft Nagelsporn zu verhindern.
- Wundränder werden mit Adaptionsnaht versehen.
- Bei der Emmert-Plastik kann es durch Verletzungen der Nagelmatrix zu verschiedenen Komplikationen wie Nageldeformitäten oder Nagelwachstumsstörungen kommen, sodass laut der Meinung einiger Autor*innen schonendere Verfahren bevorzugt werden sollten. 1
- Keilexzision des kompletten Nagelfalzes mit den entsprechend eingewachsenen Nagelanteilen
Prävention
- Empfehlungen gemäß folgender Referenz1
- Nagelecken sollten gerade über Hautniveau geschnitten werden und dieses stets überragen.
- Auf zu enges Schuhwerk verzichten.
- Bei Neigung zu vermehrtem Schwitzen sollten die Füße so trocken wie möglich gehalten werden.
- Zusammenarbeit mit Podolog*in, insbesondere bei Risikopatient*innen, z. B. mit Diabetes
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Ohne adäquate Therapie entsteht durch die ständige Reizung des Nagelfalzes meist eine sekundäre Infektion.
Komplikationen
- Bakterielle Infektionen der Zehe (Panaritium)
Prognose
- Rezidive sind, insbesondere bei endogenen Ursachen, sehr häufig.
- Nach Abschluss der Pubertät treten eingewachsene Nägel deutlich seltener auf.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Hoffeld K, Biberthaler P, Kanz KG. Praxistipps für die Therapie des Unguis incarnatus. MMW - Fortschritte der Medizin 2020; 162: 56-59. link.springer.com
- Mainusch OM, Löser CR. Eingewachsene Zehennägel – Optionen für die tägliche Praxis. Der Hautarzt 2018; 69: 726-30. link.springer.com
- Tsunoda M, Tsunoda K. Patient-controlled taping for the treatment of ingrown toenails. Ann Fam Med 2014; 12(6): 553-5. pmid:25384818 PubMed
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Stefan Bösner, Prof. Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg (Review)
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).