Okkulte Darmblutung

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine okkulte (nicht sichtbare) Blutung aus dem Gastrointestinaltrakt fällt entweder im Rahmen des Screeningtest auf kolorektales Karzinom auf.1-2
  • Oder Symptome einer Anämie, die sonst nicht zu erklären sind, richten den Verdacht auf eine okkulte Blutung.3

Diagnostische Überlegungen

  • Geringe Mengen Blut werden normalerweise täglich über den Stuhl ausgeschieden.4
  • Kolorektale Karzinome und deren Vorstufen bluten häufiger als die normale Darmmukosa, sind aber trotzdem oft nicht primär als Blut zu erkennen.

Mögliche Fehldiagnosen

  • Blut aus Hämorrhoiden ist in der Hausarztpraxis die häufigste Erklärung für Blut im Stuhl.
  • Einnahme von NSAR oder ASS kann auch zu okkultem Blut führen.

ICD-10

  • K92.2 Gastrointestinale Blutung, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Hämorrhoiden

  • Hämorrhoiden entstehen häufig bei Verstopfung, in der Schwangerschaft, bei chronischen Lebererkrankungen (portale Hypertension) und lang anhaltender Diarrhö.
  • Episoden mit hellrotem Blut im Stuhl, das beim Stuhlgang u. U. in die Toilette spritzt, häufig bereits lang bestehende Krankengeschichte, die Betroffenen haben meist Knötchen im Analbereich ertastet.
  • Befund mit prolabierenden Hämorrhoiden oder Marisken, möglicherweise interne Hämorrhoiden bei der Rektoskopie

Analfissur

  • Bisweilen bei kleinen Kindern und bei Frauen nach der Niederkunft zu beobachten; häufig eine Folge von Verstopfung oder rezidivierendes Erkrankungsbild.
  • Schmerzhafte Risse der Schleimhaut. Die Betroffenen können das Einreißen u. U. spüren; frisches Blut im Stuhl.
  • Führt zu Sekretion und Feuchtigkeit in der Analregion. Die Fissur tritt fast immer auf 6 Uhr in Steinschnittlage auf. Distal des Ulkus ist eine prägnante Falte zu sehen, proximal ein kleiner Polyp. Häufig kommt es zu einem Analkrampf.

Kolonpolypen

  • Polypen sind häufig symptomlos.
  • Risikogruppen sind Patienten mit Adenom > 1 cm, multiplen Adenomen und villösen Adenomen.
  • Große Adenome können tendenziell zu einer Obstruktion und bisweilen zu Blutungen führen, villöse Adenome können auch zu einer Hypokaliämie führen.
  • Infrage kommende Untersuchungen sind Rektoskopie und möglicherweise ein Kolonkontrasteinlauf mit Doppelkontrast.

Kolonkarzinom

  • Das Risiko für ein Kolonkarzinom liegt über das gesamte Leben hin betrachtet bei 5–6 %, und die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter.5
  • Die Patienten sind lange symptomlos, erste Symptome sind neu aufgetretene Obstipation oder Veränderungen beim Stuhlgang nach dem 45. Lebensjahr.
  • Kolorektale Karzinome bluten häufiger als die normale Darmmukosa, deswegen sind Tests auf fäkales okkultes Blut als Früherkennung sinnvoll.
  • Distale Tumoren führen zu ausgeprägteren Symptomen als proximale Tumoren.
  • Häufig normale klinische Befunde, evtl. kann ein rektaler Tumor ertastet werden.
  • Blut im Stuhl, Anämie, niedriges Ferritin
  • Rektoskopie, Koloskopie und Röntgen des Kolons

Rektumkarzinom

  • Adenokarzinome machen ca. 95 % aller Fälle von Kolon- und Rektumkarzinomen aus.
  • Als späte Symptome treten Blut im Stuhl, Veränderungen des Stuhls und Schmerzen auf.
  • Die Patienten erleben u. U. ein Gefühl unvollständiger Entleerung beim Stuhlgang.
  • Der Tumor ist bei der rektalen Palpation zu ertasten.
  • Der Nachweis erfolgt über eine Rektoskopie mit Biopsie.

Analkarzinom

  • Selten
  • Lokale Symptome und Beschwerden
  • Wunden, Blutungen und Auswüchse im und am After
  • Polypöse und harte Konsistenz

Morbus Crohn

  • Häufiger bei jüngeren Patienten
  • Segmentale, granulomatöse, transmurale Entzündung des Magen-Darm-Trakts: Bei 25 % der Betroffenen tritt nur eine Kolitis, bei 50 % eine Kolitis mit Dünndarmbeteiligung auf, und bei 25 % ist nur der Dünndarm betroffen.
  • Vielfältiges klinisches Bild, geprägt von unblutiger Diarrhö, kolikartigen Schmerzen und perianalen Beschwerden.
  • Die Befunde hängen von der Lokalisation, dem Umfang und der Dauer der Erkrankung ab, möglicherweise Malabsorption, möglicherweise akuter Subileus und Raumforderung; manchmal perianale Fisteln und Abszesse.
  • Die Diagnose wird mit Endoskopie, Histologie und ggf. MRT gesichert.

Colitis ulcerosa

  • Betrifft häufig jüngere Patienten.
  • Diffuse, unspezifische Schleimhautentzündung, fast immer mit Rektumbeteiligung. Die Erkrankung kann sich auf das proximale Kolon oder das gesamte Kolon ausbreiten und auch einen Teil des distalen Dünndarms betreffen (Backwash-Ileitis).
  • Sehr häufige Darmentleerungen (5–15) mit Blut, Eiter und Schleim im Stuhl; rektale Tenesmen; Beeinträchtigung des Allgemeinzustands
  • In akuten Phasen treten Fieber, Tachykardie und Anämie auf.
  • Bestätigung der Diagnose mit Rektoskopie oder Koloskopie mit Biopsie

Divertikelerkrankung

  • Betrifft vor allem ältere Personen, häufig mit bekannter Divertikulose
  • Die Divertikulose ist häufig asymptomatisch, es können aber Stuhlveränderungen und Blähungen auftreten.
  • Bei einer Divertikulitis treten Schmerzen, häufig mit Fieber, eine linksseitige „Appendizitis“ und möglicherweise Symptome eines Ileus auf.
  • Möglicherweise wird eine Peritonitis diagnostiziert.

Darminfektion

  • Infektionserkrankung mit Diarrhö

Ischämische Kolitis

  • Betrifft vor allem ältere Personen, häufig mit bekannter Arteriosklerose.
  • Ist häufig mit Episoden krampfartiger Schmerzen im Unterbauch verbunden; leichte und häufig blutige Diarrhö.
  • Das Erkrankungsbild kann u. U. nur schwer von einer entzündlichen Darmerkrankung zu unterscheiden sein.
  • Als Diagnoseverfahren sind Röntgen, Koloskopie und Angiografie zu empfehlen.

Pseudomembranöse Kolitis

  • Komplikation einer Antibiotikabehandlung
  • Verursacht durch Clostridium difficile
  • Dieses Erkrankungsbild muss von üblichen Nebenwirkungen mit Diarrhö unterschieden werden.
  • Die Symptome variieren von leichter bis fulminanter Kolitis: wässrige Diarrhö, schleimig und manchmal blutig; Bauchkrämpfe weit unten im Bauchraum.
  • Häufig sind leichtes Fieber, manchmal Schmerzen im Bauchraum zu beobachten.
  • Die Diagnose wird häufig mithilfe einer flexiblen Sigmoidoskopie/Koloskopie gestellt.

Vaskuläre Ektasien

  • Vaskuläre Ektasien der Schleimhäute, Angiodysplasien
    • Die Häufigkeit steigt mit dem Alter.
    • Die Häufigkeit ist höher bei Patienten mit Herzklappenfehler.
    • Die Diagnose kann mithilfe einer Kapselendoskopie gesichert werden, wenn Koloskopie und Gastroskopie ergebnislos waren.

Sonstige seltene gastrointestinale Ursachen

Antikoagulation

  • Überdosierung

Anamnese

Wichtige Fragen

  • Gab es bereits früher ähnliche Episoden?
  • Spritzt Blut in die Toilettenschüssel?
    • häufig bei Hämorrhoiden
  • Perianale Blutungen und Schmerzen?
    • Verdacht auf Hämorrhoiden, Analfissur und Analabszess
  • Blutungen und Veränderungen des Stuhls?
    • abwechselnd weicher und harter Stuhl bei Patienten unter 45: Verdacht auf Reizdarmsyndrom oder Proktokolitis/Colitis ulcerosa
    • bei Personen über 45: Wahrscheinlichkeit auf Krebserkrankung steigt; frühzeitiger Ausschluss
  • Blut im Stuhl?
  • Dunkelrotes Blut?
    • Hinweis auf Blutung oberhalb des Rektums
  • Gewichtsabnahme, reduzierter Allgemeinzustand?
    • Verdacht auf Krebserkrankung
  • Anzeichen einer Infektion?
    • Hinweis auf eine infektiöse Ursache
  • Antibiotikabehandlung?
    • Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis
  • Familienanamnese?
    • Falls bei Verwandten 1. Grades Polypen und Kolorektalkarzinome diagnostiziert wurden, sollten auf jeden Fall weitere Untersuchungen erfolgen.

Klinische Untersuchung

Allgemeines

Spezifische Aspekte

  • Abdomenpalpation: Lassen sich Resistenzen und eine vergrößerte Leber ertasten?
  • Gynäkologische Untersuchung: Beurteilung von Uterus und Ovarien, lassen sich Raumforderungen in der Vagina feststellen?

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

Fäkaler Okkultes-Blut-Test (FOBT)

  • Bringt keinen Informationsgewinn zusätzlich zur Koloskopie und kann diese nicht ersetzen.
  • Nicht sensitiv und wenig spezifisch bei Adenomen: positiv bei weniger als 40 % der Adenome mit einer Größe über 1 cm.
  • Die Untersuchung auf okkultes Blut im Stuhl ist für die Nachsorge eines kolorektalen Karzinoms nicht geeignet.5
  • Bei Personen, die an der Koloskopie-Vorsorge/-Früherkennung teilnehmen, erübrigt sich ein FOBT (Ia/C).5
  • Bei Personen ab dem 50. Lebensjahr mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT jährlich durchgeführt werden. Ab dem 55. Lebensjahr ist eine 2-jährliche FOBT Kassenleistung, wenn keine Koloskopie durchgeführt wurde.6
  • Immunologische FOB-Tests haben eine höhere Sensitivität und Spezifität.7
  • Seit April 2017 sind die quantitativen immunologischen Tests (iFOBT) Kassenleistung und ersetzen damit die Guajak-basierten Tests, die seit dem 01.04.2017 nicht mehr eingesetzt werden dürfen.8
  • Ein positives Testergebnis macht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarmes erforderlich (Ia/C).5

Screening

  • Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses6
    • Im Rahmen der Krebsfrüherkennung wird in Deutschland vom 50.–54. Lebensjahr jährlich der Test auf okkultes Blut im Stuhl angeboten.
    • Männer ab 50 Jahren können zwischen einer Koloskopie und einem Test auf okkultes Blut im Stuhl wählen.
    • 55. Lebensjahr ist auch für alle Frauen ein Koloskopiescreening vorgesehen.
    • Die Koloskopie kann nach 10 Jahren wiederholt werden.
    • Bei auffälligem Befund wird der Abstand zwischen den beiden Koloskopien verkürzt.5
  • Durch Screening mit Stuhltests verringert sich die Mortalität bei kolorektalen Karzinomen um ca. 20 %, möglicherweise verringert sich auch die Tumorinzidenz, weil kolorektale Adenome entdeckt und entfernt werden, und möglicherweise kann auch ein früherer Nachweis von Tumoren die Chancen auf eine radikale chirurgische Behandlung erhöhen (Ia).5
  • Wenn 10.000 Personen jedes 2. Jahr das Angebot zum Screening erhalten und davon mindestens 2/3 zu mindestens einem Test kommen, können 8,5 Todesfälle (95 % KI: 3,6–13,5) durch Kolorektalkarzinom in einem 10-Jahreszeitraum vermieden werden.
  • Die Testung im 1- statt im 2-jährigen Intervall bringt eine verbesserte Reduktion der Mortalität.
  • Negative Auswirkungen des Screenings sind Komplikationen im Zusammenhang mit der Koloskopie, unangenehme Gefühle und Beunruhigung infolge der Untersuchungen, Angst aufgrund falsch positiver Ergebnisse, falsche Sicherheiten und verspätete Diagnosen.

Diagnostische Strategie bei Patienten mit Feststellung von okkultem Blut

  • Vertiefende Anamnese: Anwendung von Medikamenten (ASS, NSAR, Warfarin usw.)
  • Die chronische gastrointestinale Blutung kann ambulant abgeklärt werden.
  • Primär Gastroskopie bei klinischen Zeichen der oberen, primär Koloskopie bei Zeichen der unteren gastrointestinalen Blutung.9 
  • Führt dies nicht zu einem Blutungsquellennachweis, sollte zeitnah eine Kapselendoskopie des Dünndarms (KE) durchgeführt werden.9 
    • Eine hochgradige Dünndarmstenose stellt eine Kontraindikation dar.

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

Checkliste zur Überweisung

Okkulte Blutung

  • Zweck der Überweisung
    • Weiterführende Diagnostik? Behandlung? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Hat die Patientin/der Patient Symptome? Entwicklung?
    • Sichtbares Blut im Stuhl? Auf dem Stuhl anhaftend? Spritzt Blut in die Toilettenschüssel? Stuhlveränderung? Gewichtsabnahme? Schmerzen oder Unwohlsein? Symptome einer Anämie?
    • Familiäre Häufung von Polypen oder Kolorektalkarzinomen?
    • Andere relevante Krankheiten? Strahlentherapie?
    • Derzeitige Dauermedikation?
    • Ergebnis einer früheren Koloskopie?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand? Anzeichen einer Anämie?
    • Abdomenbefund: Resistenzen? Vergrößerte Leber?
    • Perianale Veränderungen? Hämorrhoiden? Rektaluntersuchung? Tastbarer Tumor? Blut am Untersuchungshandschuh?
  • Ergänzende Untersuchungen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroentrologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Kolorektales Karzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 021-0070L. S3, Stand 2017. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Blutung. AWMF-Leitlinie Nr. 021-028. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Mitchell SH, Schaefer DC, Dubagunta S. A new view of occult and obscure gastrointestinal bleeding. Am Fam Physician 2004; 69: 875-81. PubMed
  2. Bechtold ML, Ashraf I, Nguyen DL. A clinician's guide to fecal occult blood testing for colorectal cancer. South Med J 2016; 109(4): 248-255. pmid: 27043809 PubMed
  3. Bojarski C. Gastrointestinale Blutung. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016. Thieme-Verlag, S.335ff.
  4. Rockey DC. Occult gastrointestinal bleeding. N Engl J Med 1999;341:38-46. New England Journal of Medicine
  5. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Kolorektales Karzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 021-007OL. Stand 2017 www.awmf.org
  6. Gemeinsamer Bundesausschuss: Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme (Erstfassung und Programm zur Früherkennung von Darmkrebs) und Änderung der Krebsfrüherkennungs-​Richtlinie, vom 19. Juli 2018. Inkrafttreten 19.10.2018. BAnz AT 18.10.2018 B3. www.g-ba.de
  7. Westwood M, Corro Ramos I, Lang S, et al. Faecal immunochemical tests to triage patients with lower abdominal symptoms for suspected colorectal cancer referrals in primary care: a systematic review and cost-effectiveness analysis. Health Technol Assess 2017; 21: 1-234. pmid:28643629 PubMed
  8. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Praxisnachrichten, 30.06.2012: Leistungsanspruch auf Stuhltest iFOBT spätestens ab 1. April 2017. www.kbv.de
  9. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Blutung. AWMF-Leitlinie Nr. 021-028. Stand 2017. www.awmf.org www.awmf.org

Autoren

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Dirk Nonhoff, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Köln
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL

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