Nässendes Ohr, Ausfluss aus dem Ohr

Wenn etwas Flüssigkeit aus dem Gehörgang eines Kindes fließt bzw. die Ohrmuschel ständig etwas feucht ist, ist die Ursache in den meisten Fällen eine akute Mittelohrentzündung und/oder eine Verletzung des Trommelfells. Bei Erwachsenen kann es sich auch um eine Entzündung des äußeren Gehörgangs handeln; schwere Erkrankungen als Ursache für Ohrausfluss sind selten.

Was ist Ohrausfluss?

Bei einem Ausfluss aus dem Ohr (fachsprachlich Otorrhö) fließt eine klare oder eitrige, möglicherweise auch blutige Flüssigkeit aus dem Gehörgang. Ohrausfluss ist nicht ungewöhnlich und kann bei Kindern und Erwachsenen auftreten. Die Art der austretenden Flüssigkeit kann einen Hinweis auf die Ursache geben. Man unterscheidet akuten, chronischen und wiederkehrenden Ohrausfluss.

Normalerweise wird der äußere Gehörgang durch das Trommelfell vom Mittelohr getrennt. Flüssigkeit kann also bei intaktem Trommelfell nur aus entzündeter Haut oder kleinen Verletzungen im äußeren Ohr aus dem Ohr hinausfließen. Hat das Trommelfell jedoch einen Riss, kann sich Flüssigkeit oder Eiter aus dem Mittelohr über das Trommelfell in den Gehörgang und nach außen entleeren. Bei einer akuten oder chronischen Mittelohrentzündung ist eine Verletzung des Trommelfells nicht ungewöhnlich.

Bei Kindern ist die Ursache in den meisten Fällen eine akute Mittelohrentzündung und/oder eine Verletzung des Trommelfells. Bei Erwachsenen liegt dem Ohrenfluss häufig auch eine Entzündung des äußeren Gehörgangs zugrunde.

Was kann die Ursache sein?

Häufige Ursachen

  • Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta)
    • Sie tritt am häufigsten bei Kleinkindern zwischen 6 Monaten und 3 Jahren auf, die meisten Kinder hatten bereits zuvor eine Ohrenentzündung. Häufig geht der Entzündung eine Infektion der oberen Atemwege voraus.
    • Es kommt zu akut auftretenden, meist nächtlichen Ohrenschmerzen und Unruhe, und das Kind fasst sich ans Ohr. Es kann zu 38‒39 °C Fieber und einem eingeschränkten Hörvermögen kommen.
    • Wird das Trommelfell infolge des Drucks verletzt und reißt, kommt es zu einer raschen Schmerzlinderung und Ausfluss einer gelblichen Flüssigkeit aus dem Gehörgang.
  • Gehörgangsentzündung (akute Otitis externa)
    • Eine Otitis externa ist eine Entzündung der Haut des äußeren Gehörgangs. Der Grund ist in der Regel eine Kombination aus Ekzem und Infektion, die Erkrankung tritt häufig wiederkehrend auf.
    • Es gibt eine Reihe von Faktoren, die eine Gehörgangsentzündung begünstigen, z. B. Hautschuppen, Ekzem, Psoriasis, Wärme und Feuchtigkeit oder Verletzungen des Gehörgangs (z. B. durch Wattestäbchen).
    • Anfangs kommt es zu Juckreiz, danach können auch Schmerzen, Ausfluss aus dem Gehörgang und evtl. Hörverlust auftreten.
  • Chronische Mittelohrentzündung (Otitis media chronica)
    • Eine chronische Otitis media zeigt über mehr als 3 Monate einen nicht heilenden Trommelfelldefekt mit eitrigem Ausfluss aus dem Ohr. Kinder und Erwachsene können gleichermaßen betroffen sein. Über die Verletzung des Trommelfells können Bakterien ins Mittelohr eindringen, und es kommt zu chronischen Veränderungen im Mittelohr.
    • Die Symptome variieren, am häufigsten treten jedoch unangenehm riechender Ausfluss aus dem Ohr und Hörminderung auf, zu Schmerzen kommt es selten.
  • Herpes zoster
    • Bei einer Gürtelrose (Herpes zoster) können die typischen Herpesbläschen auch im Gehörgang oder ums Ohr vorkommen (Zoster oticus).
    • Es können auch der Hörnerv oder der Gesichtsnerv betroffen sein, wodurch Gesichtslähmungen auftreten können.
  • Choleastatom
    • Bei einem Cholesteatom handelt es sich um eine Ausbreitung von verhornenden Epithelzellen in das Mittelohr. Durch die dabei auftretende eitrige Entzündung kann der anliegende Knochen zerstört werden.
    • Neben dem Ohrausfluss kommt es zu einer Hörverminderung und je nach Ausbreitung zu Gleichgewichtsstörungen, Störungen von Nervenfunktionen sowie Schmerzen und Fieber.
  • Gehörgangsverletzungen
    • Nach einem Gehörgangstrauma kann es sowohl bei einer Verletzung des Trommelfells als auch bei einem Schläfenbeinbruch zu Ausfluss aus dem Ohr kommen.
  • Andere Ursachen
    • Ein Fremdkörper im Ohr oder kleine Verletzungen der Haut im Gehörgang mit Blutung können einen Ausfluss aus dem Ohr zur Folge haben.
    • Bei manchen Personen ist Ohrenschmalz (ohne besondere Ursache oder z. B. nach dem Baden oder Schwimmen) so dünnflüssig, dass er aus dem Ohr herausfließt.
    • Ohrausfluss kann auch durch eine ärztliche Behandlung ausgelöst werden, z. B. nach einer Gehörgangsreinigung oder einer Mittelohroperation.

Seltene Ursachen

  • Ein Tumor im Bereich des Ohrs kann ebenfalls Ohrausfluss zur Folge haben.
  • Selten kommt es zu einer schweren Form der Gehörgangsentzündung (nekrotisierende Form), bei der das Knochengewebe stark geschädigt wird.
  • Auch bei einer granulomatösen Gefäßentzündung mit entzündlichen Zellklumpen (Morbus Wegener) kann das Mittelohr beteiligt sein und Ohrausfluss auftreten.
  • Tritt nach einem schweren Unfall mit einem Sturz/Schlag auf den Kopf Flüssigkeit aus dem Ohr aus, kann dies ein Anzeichen für eine sehr schwere (seltene) Verletzung sein, bei der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit aufgrund einer Schädelfraktur aus dem Ohr fließt. Dies stellt einen dringenden Notfall dar!

Wann sollten Sie ärztliche Hilfe suchen?

  • Tritt Flüssigkeit oder Eiter über mehrere Tage aus dem Gehörgang aus, ist dies ein Anzeichen für eine Mittelohr- oder Gehörgangsentzündung, die ärztlich untersucht werden sollte.
  • Kommen Fieber, starke Schmerzen oder andere Beschwerden hinzu, sollten Sie ebenfalls ärztliche Hilfe aufsuchen.

Untersuchungen

  • Im ärztlichen Gespräch werden Sie gefragt, seit wann die Beschwerden bestehen und ob sie akut aufgetreten sind oder länger andauern/wiederkehren.
  • Eine vorangegangene Verletzung oder manuelle Manipulation (Operation) am Ohr kann Hinweise auf die zugrunde liegende Ursache geben.
  • Sie werden im Hinblick auf Juckreiz, Schmerzen, Fieber oder eine Hörminderung untersucht.
  • Bestehende Begleiterkrankungen, vor allem Diabetes mellitus, oder neurologische Begleitsymptome wie Schwindel oder Gesichtslähmungen werden ebenfalls abgefragt.
  • Die Ohrmuschel und das darum liegende Gewebe werden auf Rötungen, Schwellungen und (Druck-/Klopf-)Schmerzen untersucht.
  • Der Gehörgang, das Mittelohr und das Trommelfell werden untersucht.
  • Es können eine Messung des Hörvermögens und ein Stimmgabeltest durchgeführt werden.
  • Die Art des Ausflusses wird bestimmt. Zudem kann eine Blutabnahme zur Untersuchung durchgeführt werden.
  • Bei einer Verletzung oder dem Verdacht auf eine nekrotisierende externe Otitis, ein Cholesteatom oder Tumoren sowie auf das Austreten von Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit kann eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie durchgeführt werden.

Behandlung

  • Die Therapie erfolgt je nach Ursache. Es können Schmerzmittel, Entzündungshemmer und/oder Antibiotika (bei Mittelohrentzündung) eingesetzt werden.
  • Cholesteatome, Tumore oder ein Austritt von Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit werden chirurgisch behandelt. Das Trommelfell oder ein verletztes Gehörknöchelchen werden ebenfalls chirurgisch repariert. Fremdkörper im Ohr werden entfernt.
  • Das Ohr sollte trocken gehalten werden, und Sie sollten nicht mit Wattestäbchen oder anderen Gegenständen im Ohr manipulieren!

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Ohr, Übersicht
Ohr, Übersicht

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Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Ohrenfluss (Otorrhö). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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