Bartholinitis und Bartholin-Zyste

Zusammenfassung

  • Definition:Bei der Bartholinitis handelt es sich um eine Infektion der Bartholin-Drüsen im hinteren Drittel der Labia majora, deren Ausführungsgänge in den Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae) münden.
  • Häufigkeit:Rund 2–3 % aller Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine sog. Bartholin-Zyste oder einen Bartholin-Abszess.
  • Symptome:Eine nichtinfizierte Bartholin-Zyste kann asymptomatisch sein. Als mögliche Symptome einer Bartholinitis können starke Schwellung, Schmerzen im hinteren Drittel der Labien sowie ein beeinträchtigter Allgemeinzustand auftreten.
  • Befunde:Die klinische Untersuchung der Vulva zeigt eine zystische, oftmals pflaumengroße Schwellung, die sich bis zum Introitus erstreckt. Bei Infektion evtl. mit Abszessbildung. Der betroffene Bereich ist bei Entzündung palpationsempfindlich und gerötet.
  • Diagnostik:Die Diagnose wird anhand der Anamnese und der klinischen Untersuchung gestellt. Weitere Untersuchungen sind in der Regel nicht notwendig.
  • Therapie:Asymptomatische Zysten müssen nicht zwingend behandelt werden. Bei Beschwerden oder Infektion/Abszess erfolgen für gewöhnlich chirurgische Maßnahmen wie der Einsatz eines Word-Katheters oder eine Marsupialisation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Bartholin-Drüsen befinden sich im hinteren Drittel der Labia majora und sind ca. 0,5 cm groß. Ihre Ausführungsgänge münden ins Vestibulum. Deren Sekret dient der Befeuchtung von Vulva und Vagina.
  • Ist ein Ausführungsgang verlegt, kommt es zum Sekretstau, der schließlich zu einer zystischen Vergrößerung führt.
  • Nichtinfizierte Bartholin-Zysten sind meist symptomarm und häufig ein Zufallsbefund. Sie können jedoch auch als Schwellung wahrgenommen und beim Geschlechtsverkehr als unangenehm empfunden werden.
  • Infiziert sich die Zyste, so spricht man von einer Bartholinitis, bildet sich ein Abszess, wird dieser als Bartholin-Abszess bezeichnet.1-3

Häufigkeit

  • Rund 2–3 % aller Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine sog. Bartholin-Zyste oder einen Bartholin-Abszess.4-5
  • Abszesse sind etwa 3-mal so häufig wie Zysten.6-7
  • Die Bartholinitis tritt vermehrt im Alter zwischen 20 und 29 Jahren auf.

Ätiologie und Pathogenese

Anatomie2-3,7 

  • Die Bartholin-Drüsen (Glandulae vestibulares majores, große Scheidenvorhof-Drüsen) entsprechen den Cowper-Drüsen des Mannes (Glandulae bulbourethrales, bulbourethralen Drüsen).
  • Die Drüsen nehmen ihre Funktion zum Zeitpunkt der Pubertät auf; sie sind für die Befeuchtung des Vestibulums verantwortlich.
  • Sie befinden sich bilateral der Basis der Labia minora und drainieren jeweils über einen 2–2,5 cm langen Ausführungsgang, der bei 4 bzw. 8 Uhr in Steinschnittlage in das Vestibulum mündet.
  • In der Regel sind die Bartholin-Drüsen etwa 0,5 cm groß, selten beträgt der Durchmesser mehr als 1 cm.
  • Die Drüsen lassen sich nur bei einer Erkrankung oder Infektion ertasten.
  • Ab einem Alter von ca. 30 Jahren bilden sich die Bartholin-Drüsen schrittweise zurück.

Pathologie

  • Eine distale Obstruktion in den Ausführungsgängen kann zu einer Retention von Sekret und anschließender Dilatation des betroffenen Gangs mit Ausbildung einer Zyste führen.
  • Infiziert sich die Zyste, kann ein Abszess die Folge sein.
  • Ein solcher Drüsenabszess kann auch unabhängig vom Vorhandensein einer Bartholin-Zyste entstehen.3
  • Mögliche Auslöser für eine Obstruktion sind:
    • Traumata
    • Geburtsverletzungen, Episiotomie.2
  • Die Größe der Zysten ist abhängig von der gestauten Sekretmenge. Daher kommt es bei sexueller Aktivität häufig zu einer Vergrößerung der Läsion.8
  • Diverse bakterielle Infektionen können einen Abszess hervorrufen:2-3,8 
    • E. coli (häufigster Erreger, 43,6 %)
    • Staphylokokken (insbesondere S.aureus)
    • Streptokokken (insbesondere Gruppe B Streptokokken)
    • Enterococcus spp.
    • In seltenen Fällen können auch Infektionen mit Chlamydien oder Gonokokken Bartholin-Abszesse verursachen. Folglich empfiehlt es sich bei entsprechendem Verdacht das Vorliegen dieser sexuell übertragbaren Erkrankungen auszuschließen.

ICD-10

  • N75 Krankheiten der Bartholin-Drüsen
    • N75.0 Bartholin-Zyste
    • N75.1 Bartholin-Abszess

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird anhand der Anamnese und der klinischen Untersuchung gestellt.

Andere zystische und solide Veränderungen im Bereich der Vulva

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
  • Epidermale Inklusionszyste (keratinöse Zyste)
    • normalerweise im Bereich der Labia majora lokalisiert
    • Benigne, mobil, unempfindlich, beruht auf einem Trauma oder einer Obstruktion der Haarfollikel.
  • Mukoidzyste
    • normalerweise im Bereich der Labia minora, des Vestibulums oder um die Klitoris herum lokalisiert
    • Weich, Durchmesser von weniger als 2 cm, glatte Oberfläche, äußere Lokalisation, solitär oder multipel, ist in der Regel asymptomatisch.
  • Hidradenoma papilliferum
    • lokalisiert zwischen Labia majora und Labia minora
    • Benigne, langsam wachsende kleine Knoten (von 2 mm bis 3 cm), die aus den apokrinen Schweißdrüsen hervorgehen.
  • Zystenbildung in den Paraurethraldrüsen (Skene-Drüsen)
    • beidseitig der Harnröhrenöffnung lokalisiert
    • Benigne, asymptomatisch, bei entsprechender Größe können sie zu einer urethralen Obstruktion führen.
  • Fibrom
    • Benigne Raumforderung, kann gestielt sein.
    • im Bereich der Labia majora, des Perineums und des Introitus lokalisiert
    • Ist in der Regel asymptomatisch.
  • Nuck-Zyste
    • im Bereich der Labia majora lokalisiert
    • Weich, komprimierbar, kann einer inguinalen Hernie ähneln.
  • Leiomyom
  • Lipom
  • Neurofibrom
  • Plattenepithelkarzinom und Adenokarzinom der Bartholin-Drüse
    • vor allem bei fortgeschrittenem Lebensalter
    • Karzinome der Bartholin-Drüse machen 5 % der Karzinome im Bereich der Vulva aus.7
    • In der klinischen Untersuchung fällt eine knotige Schwellung ggf. mit Ulzerationen auf.8

Anamnese

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2,7-8
  • Eine Bartholin-Zyste, die nicht infiziert ist, kann asymptomatisch sein.
  • Bartholin-Zyten/-Abszesse treten meist einseitig auf.
  • Schwellungen und Schmerzen im hinteren Bereich der Labia majora deuten auf eine Infektion hin.
  • Darüber hinaus können Schmerzen beim Gehen, Sitzen oder beim Geschlechtsverkehr auftreten.
  • Im Falle einer Abszessbildung kann es zur Entleerung von eitrigem Sekret kommen.
  • Bei Abszessbildung können Allgemeinsymptome wie Fieber auftreten.
  • Ggf. sexuell übertragbare Krankheiten in der Vorgeschichte
  • Bartholin-Zysten treten selten bei Frauen über 40 Jahren auf. Bei fortgeschrittenem Lebensalter ist daher ein Malignitätsausschluss erforderlich.

Klinische Untersuchung

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Inspektion der Vulva
    • unilaterale Schwellung im Mündungsbereich der Ausführungsgänge der Bartholin-Drüsen in das Vestibulum (hinterer Anteil der Labia majora)
    • Bei Abszessbildung lassen sich entzündliche Veränderungen beobachten: Rötung sowie Entleerung von eitrigem Sekret.
  • Palpation
    • Bei Abszessbildung ist die Läsion druckschmerzhaft.
    • ggf. tastbare Induration oder Fluktuation

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Sind nicht erforderlich.

Indikationen zur Überweisung

  • Gynäkologische Weiterbehandlung bei:
    • Bartholinitis/Abszess
    • entsprechendem Leidensdruck bei Bartholinzyste
    • Verdacht auf Malignität.

Therapie

Therapieziele

  • Symptomlinderung
  • Funktionserhalt
  • Rezidivprophylaxe

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung ist von der Symptomatik abhängig.
  • Eine asymptomatische Zyste muss nicht behandelt werden.8
  • Bei Zysten/Abszessen, die sich spontan entleeren, ist ein konservatives Vorgehen möglich: 
    • Sitzbäder
    • analgetische Therapie.2-3
  • Bei symptomatischen Zysten oder Abszessen, die sich nicht spontan entleeren, ist eine Drainage indiziert.

Medikamentöse Therapie

  • Ggf. analgetische Therapie nach Bedarf
  • Bei rezidivierenden Bartholin-Abszessen ist neben einer Drainage eine antibiotische Therapie indiziert.
    • Trimethoprim/Sulfamethoxazol
    • Amoxicillin/Clavulansäure und Clindamycin
    • Cefixim und Clindamycin2,8

Operative Therapie

  • Inzision und Drainage mittels Word-Katheter 
    • Eine Drainage mittels Word-Katheter ist insbesondere bei erstmaligem Auftreten einer Bartholin-Zyste oder eines Abszesses indiziert.
    • Der Eingriff kann ambulant in Lokalanästhesie vorgenommen werden.
    • Operationstechnik
      • vertikale Inzision von ca. 3 mm Größe im Bereich der Schleimhaut der Labia minora
      • Entleerung von eitrigem Sekret, ggf. Probeentnahme für mikrobiologische Untersuchung
      • Biopsie bei Malignitätsverdacht
      • Einsetzen des Word-Katheters in die Abszesshöhle: Das Endstück des Katheters wird in der Vagina platziert und gewährleistet einen kontinuierlichen Ablauf.2-3,7
    • Der Word-Katheter sollte mindestens 4 Wochen in situ verbleiben.
  • Inzision und Marsupialisation
    • Operationstechnik
      • Die Zyste wird mit einem vertikalen Schnitt 1,5–3 cm inzidiert und entleert.
      • Anschließend wird die Zystenwand so mit der umgebenden Schleimhaut vernäht, dass eine permanente Drainage entsteht.
    • Infolge des Eingriffs kann es zu Dyspareunie, Hämatomen oder einer Infektion kommen.
    • Sitzbäder, die 2- bis 3-mal täglich durchgeführt werden, können zur Linderung der Beschwerden beitragen.2,6,8
  • Die Rezidivraten bei Marsupialisation bzw. bei Inzision mit Drainage mittels Word-Katheter sind in etwa gleich. Eine einfache Stichinzision mit Entleerung des Zysteninhalts geht mit einer höheren Rezidivrate einher und wird daher nicht empfohlen.2,7,9
  • Nach einer Marsupialisation zeigt sich im Vergleich zur Inzision mit Einlage eines Word-Katheters meist eine längere Behandlungsdauer und ein höherer Schmerzmittelbedarf.
  • Bei rezidivierenden Zysten/Abszessen kann eine Exzision indiziert sein.2-3 
    • Die Exzision ist ein verhältnismäßig aufwändiger Eingriff in Allgemeinanästhesie.
    • Nach einer Exzision der Bartholin-Drüse kann es durch das fehlende Sekret zu Trockenheit, Brennen, Juckreiz und Dyspareunie kommen.8
  • Weitere Therapieoptionen 
    • Ablation mit Silbernitrat
    • CO2-Laservaporisation
    • Einsatz eines Jacobi Ring-Katheters2-3

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Eine Bartholin-Zyste kann über einen längeren Zeitraum asymptomatisch bleiben. Meist führt eine Infektion zu Beschwerden.

Komplikationen

  • Infektion/Abszessbildung
  • In seltenen Fällen kann es zu einer Fistelbildung kommen (rektovaginale Fisteln oder Fisteln zwischen Rektum und Ausführungsgang der Drüse).3
  • Postoperativ können Blutungen, Infektionen sowie Dyspareunie auftreten.2

Prognose

  • Bei unzureichender Behandlung drohen Rezidive.
    • Bei Marsupialisation bzw. bei Inzision mit Einlage eines Word-Katheters zeigen sich vergleichbare Rezidivraten (10–12 %).2 

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

3313-2-bartolinitt_not upside down.jpg
Bartholin-Zyste

Quellen

Literatur

  1. Omole F, Simmons BJ, Hacker Y. Management of Bartholin's duct cyst and gland abscess. Am Fam Physician 2003; 68: 135-40. PubMed
  2. Lee WA, Wittler M. Bartholin Gland Cyst. 2021 Feb 25. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 30335304. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Quaresma C, Sparzak PB. Anatomy, Abdomen and Pelvis, Bartholin Gland. 2021 Jan 28. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 32491735. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Pundir J, Auld BJ. A review of the management of diseases of the Bartholin's gland. J Obstet Gynaecol 2008; 28: 161-5. pmid:18393010 PubMed
  5. Berger MB, Betschart C, Khandwala N, DeLancy JO, Haefner HK. Incidental bartholin gland cysts identified on pelvic magnetic resonance imaging. Obstet Gynecol 2012; 120(4): 798-802. pmid:22996097 PubMed
  6. Omole F, Simmons BJ, Hacker Y. Management of Bartholin's duct cyst and gland abscess. Am Fam Physician 2003; 68(1): 135. pmid:12887119 PubMed
  7. Omole F, Kelsey RC, Phillips K, Cunningham K. Bartholin Duct Cyst and Gland Abscess: Office Management. Am Fam Physician. 2019 Jun 15;99(12):760-766. PMID: 31194482. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Colleen Kennedy Stockdale, Lori A. Boardman. Bartholin’s cyst. BMJ Best Practice, last updated Dec 2019. bestpractice.bmj.com
  9. Illingworth B, Stocking K, Showell M, Kirk E, Duffy J. Evaluation of treatments for Bartholin's cyst or abscess: a systematic review [published online ahead of print, 2019 Dec 26]. BJOG. 2019;10.1111/1471-0528.16079. doi:10.1111/1471-0528.16079 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Susanne Engelhardt, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin, Hof
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit