Ovarialkarzinom

Zusammenfassung

  • Definition:Maligner epithelialer Tumor der Ovarien. Die Ursache ist meist unbekannt, hormonelle Einflüsse spielen vermutlich eine Rolle. Bei 5–10 % liegen genetische Anomalien mit erhöhtem Erkrankungsrisiko vor.
  • Häufigkeit:Der dritthäufigste gynäkologische Karzinomtyp in Deutschland mit ca. 7.300 Neuerkrankungen pro Jahr. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren.
  • Symptome:Häufig wenige, evtl. unspezifische Symptome in der frühen Phase. Uncharakteristische abdominale Beschwerden, Menstruationsstörungen, Zunahme der Miktionsfrequenz, veränderte Darmentleerungsmuster, Appetitlosigkeit und Völlegefühl können auftreten. Bei > 70 % der Patientinnen liegt zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Ausbreitung außerhalb des kleinen Beckens vor.
  • Befunde:In fortgeschrittenen Stadien evtl. tastbarer Tumor im Bereich des Omentum majus.
  • Diagnostik:Die gynäkologische Untersuchung mit Kolposkopie und transvaginalem Ultraschall zeigt eine Raumforderung. Die Diagnosesicherung erfolgt histologisch im Rahmen des operativen Stagings.
  • Therapie:Die Hauptbehandlung ist operativ. Zytostatika sind in den meisten Fällen adjuvant indiziert. In fortgeschrittenen Stadien evtl. zusätzliche Behandlung mit Bevacizumab oder einem PARP-Inhibitor.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2
  • Ovarialtumoren werden nach ihrem Ursprungsgewebe klassifiziert: Epithel, Stroma, Keimzellen.
  • Karzinom: maligner epithelialer Tumor
  • 5 häufige histologische Typen des Ovarialkarzinoms:
    1. high-grade serös (HGSC)
    2. klarzellig (CCC)
    3. endometrioid (EC)
    4. low-grade serös (LGSC)
    5. muzinös (MC).
  • Karzinosarkom: maligner Müller-Mischtumor mit epithelialer und mesenchymaler Komponente (selten)

Stadieneinteilung

Staging (Fédération International de Gynécologie et d'Obstétrique, FIGO)2

  • Stadium I: Tumor auf die Ovarien begrenzt
    • IA: Tumor auf ein Ovar begrenzt
    • IB: Tumor befällt beide Ovarien.
    • IC: Tumor in einem oder beiden Ovarien mit:
      • IC1 „Surgical Spill“: Tumor rupturiert im Zuge der Operation, Tumorzellen werden in Bauch- oder Beckenraum freigesetzt.
      • IC2: präoperative Kapselruptur oder Tumor auf der Ovarialoberfläche
      • IC3: Tumorzellen in Aszites oder peritonealer Spülflüssigkeit
  • Stadium II: Ausbreitung auf das kleine Becken begrenzt
    • IIA: Ausbreitung auf und/oder Tumornester an Uterus und/oder den Eileitern
    • IIB: Ausbreitung auf andere intraperitoneale Strukturen im Becken
  • Stadium III: Befall von einem oder beiden Ovarien und zytologisch oder histologisch nachgewiesene peritoneale Ausbreitung außerhalb des kleinen Beckens und/oder Befall der retroperitonealen Lymphknoten
    • IIIA1: nur positive retroperitoneale Lymphknoten (zytologisch oder histologisch bestätigt)
      • IIIA1(i): größter Metastasendurchmesser bis zu 10 mm
      • IIIA1(ii): größter Metastasendurchmesser > 10 mm
    • IIIA2: peritoneale Ausbreitung von Mikrometastasen außerhalb des kleinen Beckens
    • IIIB: Makrometastasen ≤ 2 cm mit peritonealer Ausbreitung außerhalb des kleinen Beckens
    • IIIC: Makrometastasen > 2 cm mit peritonealer Ausbreitung außerhalb des kleinen Beckens
  • Stadium IV: Fernmetastasen (außer Peritonealmetastasen)
    • IVA: Pleuraerguss mit positiver Zytologie
    • IVB: parenchymale Metastasen und Metastasen in extraabdomielle Organe (einschließlich inguinale und außerhalb der Bauchhöhle gelegene Lymphknoten)

Grading

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Da es sich beim Ovarialkarzinom histopathologisch nicht um eine einheitliche Entität handelt, folgt die Gradeinteilung in niedrig- und hochgradige Tumoren je nach histologischem Typ unterschiedlichen Kriterien.
  • Niedriggradige Ovarialkarzinome sind gut differenziert und weisen meist Mutationen an den Genen KRAS-, BRAF, PIK3CA oder CTNNB1 auf.
  • Hochgradige Ovarialkarzinome sind niedrig differenziert und weisen oft andere Mutationen auf, wie TP53 oder BRCA.

Häufigkeit

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.4-5
  • Nach Brustkrebs und Endometriumkarzinom das dritthäufigste gynäkologische Malignom
  • Inzidenz in Deutschland
    • Die Anzahl der Neuerkrankungen in Deutschland lag 2016 bei 7.350 Frauen.
    • Altersadjustiert erkrankten 2016 11,1/100.000 Frauen.
    • Etwa 1 von 75 Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens am Ovarialkarzinom.
  • Mortalität im Jahr 2016
    • 5.486 Sterbefälle
  • Alter
    • mittleres Erkrankungsalter: 68 Jahre
    • Es können Frauen jeden Alters betroffen sein (selten auch Kinder und Jugendliche).
  • Genetik
    • Frauen ohne familiäre Disposition haben ein Lebenszeitrisiko von knapp 2 % im Vergleich zu 5 % bei Frauen mit Schwestern oder Mutter mit Ovarialkarzinom. Bei Frauen mit familiärer Belastung treten die Tumoren meist in jüngerem Alter auf.
  • Tendenz
    • Inzidenz und Mortalität sind in den letzten beiden Jahrzehnten in Nord- und Westeuropa leicht zurückgegangen.
    • Eierstockkrebs ist die fünfthäufigste Ursache für Krebstod bei Frauen nach Brust-, Lungen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Ätiologie und Pathogenese

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,6
  • In 90 % der Fälle ist die Ursache unbekannt.
  • Erbliche Faktoren machen ca. 5–10 % der Fälle aus.
    • BRCA1- und BRCA2-Genmutationen werden mit der Entstehung von epithelialem Ovarialkarzinom in Verbindung gebracht.
    • ebenso Veränderungen der Gene ATM, CHEK2, BRIP1 und PALB2 sowie FGFR2, TOX3, LSP1
  • Endokrine Faktoren
    • Es wird angenommen, dass ein Zusammenhang zwischen endokrinen Faktoren und der Entwicklung von Ovarialkarzinomen besteht.
    • Ovarialkarzinome treten häufiger bei Frauen auf, die keine oder nur wenige Kinder geboren haben (wenige Ovulationspausen). Auch Stillen scheint einen protektiven Effekt zu haben.
    • Das Risiko scheint mit der Gesamtanzahl zurückliegender Ovulationen zu steigen.
    • Orale Kontrazeptiva reduzieren das Risiko für die Entwicklung von Ovarialkarzinomen, während Hormonersatztherapie mit einer geringfügigen Erhöhung der Häufigkeit assoziiert wird.
  • Bei Frauen mit Übergewicht und insbesondere mit Adipositas wurde eine erhöhte Häufigkeit beobachtet.

Histopathologie

  • Karzinome des Oberflächenepithels machen 90 % aller malignen Ovarialtumoren aus, seröse und muzinöse Formen (siehe Abschnitt Definition) sind am häufigsten.

Ausbreitungsmuster

  • Intraperitoneal häufig der erste Ausbreitungsweg
  • Lymphogen zu den Lymphknoten im Becken und/oder paraaortal und/oder inguinal
  • Hämatogen zur Leber oder zur Lunge
  • Ausbreitung in die Pleurahöhle

Pathologie und Klinik

  • Symptome treten meist erst dann auf, wenn der Tumor die Oberfläche des Ovars durchbrochen und in die Bauchhöhle gelangt ist oder sich auf andere Organe ausgebreitet hat.
  • Es gibt keine Screeningmethode, mit der das frühe Krebsstadium entdeckt werden kann.
  • Dies führt dazu, dass bei mehr als 70 % der Frauen mit Ovarialkarzinom die Krankheit zum Diagnosezeitpunkt schon weit fortgeschritten ist und dass nur ca. 43 % länger als 5 Jahre leben.4

Disponierende Faktoren

  • Der Abschnitt basiert, falls nicht anders angegeben, auf diesen Referenzen.1-2,4
  • Die Häufigkeit nimmt mit steigendem Alter zu.4
  • Familiäre Häufung
    • Gilt für 5–10 % der Fälle bei Ovarialkarzinom.
    • Es gibt Familien, in denen bis zu 80 % aller Frauen von einem Ovarial- oder Mammakarzinom betroffen sind.
      • Neben einer genetischen Disposition trägt vermutlich auch die heute oft lange Lebensspanne zu einer erhöhten Fallquote in diesen Familien bei.
  • Viele Ovulationen
    • geringe Fertilität
    • geringe Parität
  • Hinweise, dass der Gebrauch von Puder, z. B. aus Talkum, in der weiblichen Genitalregion das Risiko für ein Ovarialkarzinom erhöht, konnten in einer gepoolten Analyse 4 US-amerikanischer Studien mit insgesamt 252.745 Frauen nicht bestätigt werden. Um ein geringfügig erhöhtes Risiko sicher auszuschließen, war die Studie möglicherweise nicht ausreichend gepowert. Auch ein möglicher Zusammenhang mit Asbestrückständen in den verwendeten Präparaten kann nicht vollständig ausgeschlossen werden.7-8
  • Übergewicht/Adipositas
  • Eine Hormonbehandlung in den Wechseljahren wird mit einer Erhöhung der Häufigkeit von Ovarialkarzinom in Verbindung gebracht.
    • 1 zusätzlicher Fall nach 5 Jahren Gebrauch pro 1.000 Personen, die HRT einsetzen (III).9
  • Schützende Effekte?
    • Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva mehr als 5 Jahre reduziert das Risiko um ca. 40 %.
    • Tubare Sterilisation führt zu einer Risikoreduktion um mehr als 30 %.
  • Ovarienstimulation
    • Der Einsatz von Hormonpräparaten im Rahmen der assistierten Reproduktion scheint nicht zu einer Erhöhung des Risikos für ein Ovarialkarzinom zu führen. Die einzige Ausnahme bilden Frauen mit Endometriose.10

Genetische Disposition

  • Mutationen in folgenden Genen:6
    • BRCA1, BRCA2, RAD51C
      • hohes Risiko: Lebenszeitrisiko 5- bis 20-fach erhöht
      • dominanter Erbgang mit verminderter, aber hoher Penetranz
    • ATM, CHEK2, BRIP1, PALB2
      • moderates Risiko: Lebenszeitrisiko 1,5- bis 5-fach erhöht
    • FGFR2, TOX3, LSP1
      • niedriges Risiko: Lebenszeitrisiko 0,7- bis 1,5-fach erhöht
  • Effektivste Methode zur Senkung des Erkrankungsrisikos und der Mortalität bei hereditärem Ovarialkarzinom: beidseitige Adnektomie1
  • Angebot der prophylaktischen bilateralen Adnektomie bei Patientinnen mit nachgewiesener BRCA1/2-Mutation1
    • nach abgeschlossener Familienplanung
    • jedoch nach dem 40. Lebensjahr oder 5 Jahre vor der jüngsten in der Familie an Ovarialkarzinom Erkrankten

ICPC-2

  • X77 Bösartige Neubild. in den weiblichen Geschlechtsorganen IKA

ICD-10

  • C56 Bösartige Neubildung des Ovars11

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Verdachtsdiagnose wird bei einer gynäkologischen Untersuchung mit Kolposkopie und transvaginalem Ultraschall gestellt.
  • Die Diagnose wird durch die histologische Untersuchung des Tumorresektats bestätigt.
  • Prädiktive Faktoren für Malignität sind:
    • hohes Alter der Patientin
    • großer unilateraler Tumor
    • morphologische Hinweise auf Malignität im Ultraschall
    • erhöhtes CA 125
    • Schmerzen.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1-2
  • Die Erkrankung ist im frühen Stadium meist symptomarm.
  • Weitergehende Untersuchungen sollten eingeleitet werden, wenn folgende Symptome wiederholt und anhaltend, insbesondere bei Frauen über 50, auftreten:
    • Völlegefühl
    • Blähungen
    • unklare abdominelle Schmerzen oder Beschwerden
    • Zunahme der Miktionsfrequenz.
  • Symptome wie Meteorismus, Menstruationsbeschwerden, Appetitlosigkeit, häufige Harnentleerung, Bauchschmerzen und rektale Blutungen sind häufig mit dem Ovarialkarzinom assoziiert, aber der prädiktive Wert der Einzelsymptome ist gering.
  • Häufig wird die Krankheit als Zufallsbefund bei einer Routineuntersuchung entdeckt.
  • 90 % der Frauen mit Ovarialkarzinom im frühen Stadium und 100 % im fortgeschrittenen Stadium geben mindestens eines der folgenden Symptome an:
    • unspezifische Abdominalbeschwerden
    • Druck- und Völlegefühl
    • erhöhter Bauchumfang
    • veränderte Stuhlgang- oder Miktionsfrequenz (Diarrhö, Obstipation, Pollakisurie)
    • Gewichtsabnahme oder -zunahme
    • Appetitlosigkeit
    • Allgemeinsymptome (Fatigue, Schwächegefühl)
    • Kurzatmigkeit
    • Menstruationsstörungen
    • Akute Schmerzen: können bei Ovarialtorsion oder Ruptur/Blutung auftreten.
    • paraneoplastische Symptome.
  • Hinweisend auf einen anderen malignen Ovarialtumor können sein:
    • Beckenschmerzen bei schnellem Tumorwachstum
    • Drucksymptome von Blase oder Darm
    • bei jungen Frauen (Keimzelltumor?):
      • erhöhter Bauchumfang
      • unregelmäßige Blutungen
      • Pubertas praecox, evtl. Virilisierung
      • vor der Menarche auftretender Tumor im kleinen Becken
      • Eierstocktumor während der Schwangerschaft.

Klinische Untersuchung bei Gynäkolog*in

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Bei Verdacht auf eine ovarielle Raumforderung: Durchführung einer gynäkologische Spiegel- und Tastuntersuchung und die Transvaginalsonografie
  • Zum Diagnosezeitpunkt liegt bei > 70 % ein fortgeschrittenes Stadium vor.
  • Spät im Verlauf kann ggf. ein Tumor im Oberbauch (bei Befall des Omentum majus) palpiert werden, und/oder es kann Aszites vorliegen.

Ergänzende Untersuchungen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Tumormarker

  • Nur als Verlaufsparameter geeignet, CA 125-Bestimmung ist Standard.
    • Erhöhte Werte (> 35 Einheiten) deuten auf Malignität hin, aber in der frühen Krankheitsphase ist die Untersuchung weder sensitiv oder spezifisch.
    • Erhöht bei 90 % der Frauen mit weit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, aber nur bei 50 % der Betroffenen mit lokal begrenztem Tumor.
    • CA 125 wird in sämtlichen vom Zölom stammenden Geweben (Endometrium, Zervix, Tuben, Peritoneum, Pleura und Perikardium) nachgewiesen.
    • Auch bei Menstruation, Schwangerschaft, Endometriose, Beckeninfektionen, gutartigen Ovarialzysten, Aszites nichtmaligner Ursache, Endometriumkarzinom, Lungenkrebs und Brustkrebs erhöht.
  • Bei Verdacht auf Keimzelltumor (meist junge Frauen) zusätzlich:

Transvaginalsonografie

  • Bildgebung 1. Wahl bei V. a. Ovarialkarzinom
  • Gibt einen ersten Hinweis auf die Dignität des Tumors.
  • Sensitivität > 80 %, Spezifität > 90 % im Hinblick auf Ovarialkarzinom bei klinischem Verdacht

Weiterführende Untersuchungen

  • Histologische Sicherung und Beschreibung der Ausbreitung im Rahmen einer Operation erforderlich
    • Laut deutschen Leitlinien (Stand 2020)1 soll das operative Staging per Längsschnittlaparotomie erfolgen.
    • Internationale Studien weisen darauf hin, dass in frühen Stadien das laparoskopische Staging gleichwertig und ebenfalls sicher ist.12 Aufgrund der unsicheren Datenlage soll ein laparoskopisches Staging bis auf Weiteres nicht außerhalb von Studien erfolgen (Stand Januar 2021).1
  • CT, MRT und PET oder PET/CT können bei unklarem Befund und zum Staging ergänzend eingesetzt werden.
  • Genetische Beratung und Keimbahntestung1
    • Soll allen Patientinnen mit gesicherter Diagnose eines Ovarialkarzinoms angeboten werden (IIb/A).
    • Wenn eine genetische Risikokonstellation vorliegt: Ggf. auch Angehörige beraten und testen.

Indikationen zur Überweisung

  • Verdacht auf Ovarialtumor
  • Ggf. zur differenzialdiagnostischen Abklärung bei Verdacht auf eine andere gynäkologische Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Heilung
  • Ziel der Primäroperation: makroskopisch vollständige Resektion1
  • In vielen Fällen ist Palliation das Hauptziel.

Operative Therapie

Beim frühen Ovarialkarzinom1

  • Ein optimales Staging soll folgende Operationsschritte umfassen:
    • Längsschnittlaparotomie
    • Inspektion und Palpation der gesamten Abdominalhöhle
    • Peritonealzytologie
    • Biopsien aus allen auffälligen Stellen
    • Peritonealbiopsien aus unauffälligen Regionen
    • Adnexexstirpation beidseits
    • Hysterektomie, ggf. extraperitoneales Vorgehen
    • Omentektomie mind. infrakolisch
    • Appendektomie (bei muzinösem/unklarem Tumortyp)
    • bds. pelvine und paraaortale Lymphonodektomie.
  • Ausnahme: fertilitätserhaltendes Vorgehen
    • bei unilateralem Tumor im Stadium FIGO I
    • unter der Voraussetzung eines adäquaten Stagings
    • Aufklärung über ein in Abhängigkeit der Prognosefaktoren erhöhtes Risiko eines fertilitätserhaltenden Vorgehens

Beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom1

  • Multiviszerale Resektionen
    • Wenn dadurch eine Komplettresektion möglich ist oder
    • eine Obstruktion beseitigt werden kann.
  • Therapiefolge: Primäroperation gefolgt von einer Chemotherapie 
    • kein Vorteil für primäre Chemotherapie gefolgt von einer Intervalloperation
  • Keine Second-Look-Operation indiziert

Systemische Therapie

  • Verbessert die Prognose bei allen Stadien außer bei Stadium I mit geringem Risiko.13

Primärtherapie des frühen Ovarialkarzinoms1

  • Indikation zur adjuvanten Therapie: Stadium Ic oder Ia/b und Grad 3
    • Chemotherapie kann angeboten werden bei:
      • Stadium Ia G2, Ib G1/2.
    • keine Indikation
      • Stadium Ia Grad 1 nach komplettem operativem Staging
  • Empfehlung: Carboplatinhaltige Chemotherapie über 6 Zyklen

Primärtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms1

  •  First-Line-Chemotherapie in den Stadien IIb–IV
    • Carboplatin AUC 5 und Paclitaxel 175 mg/m² über 3 Stunden i. v. für insgesamt 6 Zyklen alle 3 Wochen 
  • In den Stadien IIIb–IV
    • Erwägung einer zusätzlichen Therapie mit Bevacizumab
    • Bei nachgewiesener BRCA-Mutation und nach Ansprechen des Tumors auf eine platinhaltige Erstlinientherapie sollte eine Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor erfolgen.
  • Nur innerhalb von klinischen Studien: Veränderungen von Dosisdichte oder Intensität
  • Keine Erhaltungs-/Konsolidierungstherapien nach Abschluss der Primärtherapie
  • Für die Wirksamkeit einer Konsolidierungs- oder Erhaltungstherapie im Hinblick auf progressionsfreies Überleben liegen nur Daten für Bevacizumab vor.
  • Intraperitoneale Chemotherapie1,14-15
    • inkonsistente Datenlage zum progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben
    • Die in 2019 publizierte GOG-252-Studie mit mehr als 1.500 Patientinnen zeigte keinen Wirksamkeitsvorteil der intraperitonealen gegenüber der intravenösen Applikation.15
    • Die intravenöse Behandlung ist besser verträglich als die intraperitoneale.
    • Für die hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) fehlen bislang verlässliche Wirksamkeitsnachweise (Stand Januar 2021).

Rezidivtherapie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Platinsensitives Ovarialkarzinom

  • Die Erkrankung spricht primär auf eine platinhaltige First-Line-Chemotherapie an.
  • Rezidiv frühestens 6 Monate nach Abschluss der platinhaltigen Chemotherapie
  • Subgruppe: partiell platinsensitive Ovarialkarzinomrezidive
    • Die Erkrankung spricht primär auf eine platinhaltige First-Line Chemotherapie an.
    • Rezidiv zwischen 6 und 12 Monaten nach Abschluss der platinhaltigen Chemotherapie
  • Therapie
    • platinhaltige Kombinationstherapie, wenn Chemotherapie indiziert
    • Folgenden Kombinationen kommen in Betracht:
      • Carboplatin/Gemcitabin
      • Carboplatin/Paclitaxel
      • Carboplatin/Peg.lip.Doxorubicin (Off-Label-Use).
    • bei Patientinnen mit erstem Rezidiv und ohne vorherige VEGF-gerichtete Therapie:
      • Carboplatin/Gemcitabin/Bevacizumab
      • Carboplatin/Paclitaxel/Bevacizumab.

Platinresistentes Ovarialkarzinom

  • Rezidiv innerhalb der ersten 6 Monate nach Abschluss der initialen platinhaltigen Chemotherapie
  • Subgruppe: platinrefraktäre Ovarialkarzinom-Rezidive
    • Die Erkrankung spricht nicht auf eine platinhaltige Chemotherapie an oder ist innerhalb von 4 Wochen nach Ende der Therapie progredient.
  • Therapie
    • Nichtplatinhaltige Monotherapie – folgende Zytostatika kommen in Betracht:
      • pegyliertes liposomales Doxorubicin
      • Topotecan
      • Gemcitabin
      • Paclitaxel wöchentlich.
    • Kombination mehrerer Zytostatika bietet keinen Vorteil gegenüber der Monotherapie.
    • Monochemotherapie ist den endokrinen Therapien überlegen.
    • ggf. Kombination von Bevacizumab mit Paclitaxel, Topotecan oder pegyliertem liposomalen Doxorubicin

Operative Rezidivtherapie

  • Es liegen diesbezüglich keine prospektiven Studiendaten mit hohem Level of Evidence vor.
  • Retrospektive Daten sprechen für einen möglichen klinischen Nutzen.
  • Ziel der Rezidivoperation: makroskopische Komplettresektion

Therapie mit PARP-Inhibitoren (Niraparib, Olaparib, Rucaparib)

  • Als Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit Rezidiv eines hochgradigen Ovarialkarzinoms nach Ansprechen auf eine platinhaltige Rezidivtherapie anbieten.
  • Ggf. als Monotherapie bei Patientinnen mit platinsensitivem Rezidiv eines BRCA-mutierten hochgradigen Ovarialkarzinoms mit 2 oder mehr platinhaltige Vortherapien, die nicht mehr für eine platinhaltige Rezidivtherapie geeignet sind.

Endokrine Therapie

  • Ist der Chemotherapie unterlegen.

Bestrahlung

  • Lokale oder regionale Bestrahlung hat wenig Bedeutung, da es bei den meisten Patientinnen bereits zu einer Ausbreitung außerhalb des Beckenraums gekommen ist.
  • In ausgewählten Fällen und nach interdisziplinärer Indikationsstellung kann eine lokale Bestrahlung zur Symptomkontrolle infrage kommen (III/C).

Psychoonkologie

Statements der deutschen Leitlinie1

  • Psychosoziale Interventionen haben einen positiven Einfluss auf:
    • die Lebensqualität
    • die psychische Befindlichkeit
    • die Verarbeitung der Krankheit.
  • Psychoonkologische Versorgung
    • Ist ein integraler Bestandteil der onkologischen Diagnostik, Therapie und Nachsorge.
    • Stellt eine interdisziplinäre Aufgabe dar.
  • Psychoonkologische Beratung/Unterstützung sollte allen Patientinnen und Angehörigen bedarfsgerecht angeboten werden.
  • Das Thema Sexualität sollte immer angesprochen werden, ggf. weiterer Unterstützungsbedarf.

Palliativbehandlung

Prävention

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Orale Kontrazeptiva

  • Scheinen dem Ovarialkarzinom vorzubeugen, vermutlich aufgrund von weniger Ovulationen.
  • Das Risiko reduziert sich von 12 pro 1.000 Frauen auf 8 pro 1.000 Frauen nach 10 Jahren Einnahme von oralen Kontrazeptiva (III).

Bilaterale Salpingo-Oophorektomie

  • Effektivste Methode zur Senkung des Erkrankungsrisikos und der Mortalität bei hereditärem Ovarialkarzinom (IIb)
  • Frauen mit nachgewiesener deletärer Keimbahnmutation in einem der Hochrisiko-Gene (z. B. BRCA1/2 oder RAD 51C) sollten über die Möglichkeit einer prophylaktischen bilateralen Salpingo-Oophorektomie beraten werden (Level of Evidence IIb für BRCA1/2, Empfehlungsgrad B für alle Risikogene).

Screening?

Leitlinie: Screening1

  • Screening mit CA 125 und Transvaginalsonografie konnte bisher keine Reduktion der Mortalität nachweisen, auch nicht in Risikogruppen (Ia–III).
  • Ein Screening soll daher nicht durchgeführt werden, auch nicht in Risikopopulationen (A).
  • Patientinnen, die zu einer Risikopopulation gehören, sollen eine multidisziplinäre Beratung (Gynäkologie und Humangenetik) und genetische Testung angeboten werden.
  • CA 125 ist aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität zum Screening nicht geeignet.
  • Auch für ein sonografisches Screening konnte kein Nutzen im Sinne der Früherkennung nachgewiesen werden.
  • Eine Kombination aus Screening mit jährlicher Ultraschalluntersuchung und Messung von CA 125 verbessert die Mortalität nicht und ist daher nicht empfehlenswert.16
  • Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) rät vom Screening symptomfreier Frauen ab. Dies gilt in den USA, anders als in Deutschland, nicht für Frauen mit bekannter Mutation, die für Ovarialkarzinom disponiert (z. B. BRCA1- oder BRCA2-Mutation).17

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Metastasen
  • Intraperitoneal
    • Aszites
    • Pseudomyxoma peritonei bei muzinösem Ovarialkarzinom
  • Lymphogene Verbreitung
  • Ileus oder Subileus

Prognose

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,4
  • 5-Jahres-Überleben von 43 %4
  • Ungünstige prognostische Faktoren
    • Alter über 65 Jahre
    • Histologie
      • Klarzell- oder muzinöse Tumoren (Histologie)
      • niedriger Differenzierungsgrad
    • Zytogenetik: z. B. Abweichung der Chromosomenzahl
    • fortgeschrittene Krankheit (Stadien IIB–IV)
    • Residualtumor: großes Volumen des verbleibenden Tumors
    • geringer globaler Lebensqualitätsscore

Verlaufskontrolle

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Nachsorge bei  Gynäkolog*in

  • Sorgfältige Anamneseerhebung
  • Körperliche Untersuchung inkl. gynäkologischer Spiegel- und Tastuntersuchung
  • Rektale Untersuchung
  • Vaginalsonografie
  • Keine routinemäßige apparative Diagnostik oder Tumormarker-Bestimmung in der Nachsorge bei symptomfreier Patientin
    • Der routinemäßige Einsatz einer CA-125-Bestimmung führt nicht zu einer Verlängerung des Überlebens.
  • Die Patientin soll über die Möglichkeiten rehabilitativer Maßnahmen und der Sozialberatung informiert werden.
  • Ziele der Nachsorge: Therapieassoziierte Nebenwirkungen erkennen und behandeln, rehabilitative Maßnahmen anbieten, psychosoziale Betreuung und Reintegration, Lebensqualität erhalten und Rezidive erkennen.

Hormonersatztherapie nach operativer Therapie?

  • Zur Behandlung klimakterischer Beschwerden in der natürlichen oder therapieinduzierten Menopause
  • Kann nach entsprechender Aufklärung erwogen werden.
  • Zur Sicherheit einer Hormontherapie nach Behandlung eines Ovarialkarzinoms kann keine zuverlässige Aussage gemacht werden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?

  • Falls in der Familie Ovarial- oder Brustkrebs gehäuft vorkommt: Genetische Beratung und ggf. Abklärung des genetischen Risikos für Eierstock- und Brustkrebs empfehlen.
  • Frauen mit hohem Risiko: häufigere Untersuchungen nach multidisziplinärer Beratung (Gynäkologie und Humangenetik)

Patienteninformationen in Deximed

Allgemeines

Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren (Living Guideline). AWMF-Leitlinie Nr. 032-035OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren (Living Guideline). AWMF-Leitlinie Nr. 032-035OL, S3, Stand 2020. www.awmf.org
  2. Prat J; FIGO Committee on Gynecologic Oncology. Staging classification for cancer of the ovary, fallopian tube, and peritoneum. Int J Gynaecol Obstet 2014; 124: 1-5. PMID: 24219974 PubMed
  3. Zilinski C. Das Ovarialkarzinom. AGO DESKTOP III/ENGOT ov20. ASCO 2017. J Clin Oncol 2017; 35: Abstr. 5501 gyn-community.thieme.de
  4. Robert Koch Institut. Zentrum für Krebsregisterdaten. Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) ICD-10 C56. Stand 17.12.2019. Zugriff 27.01.2021 www.krebsdaten.de
  5. Robert Koch-Institut. Zentrum für Krebsregisterdaten. Krebs gesamt ICD-10 C00-C97 (ohne C44) . Stand 17.12.2019. Zugriff 27.01.2021 www.krebsdaten.de
  6. Wegner R-D, Trimborn M, Stumm M, Wieacker P . Humangenetische Grundlagen für Gynäkologen. De Gruyter: Berlin, 2016.
  7. O'Brien KM, Tworoger SS, Harris HR et al. Association of Powder Use in the Genital Area With Risk of Ovarian Cancer. JAMA 2020; 323: 49-59. PMID: 31910280 PubMed
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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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