Komplikationen bei gastroduodenaler Ulkuskrankheit

Zusammenfassung

  • Definition:Wichtigste Komplikationen bei Ulkuskrankheit sind Blutung, Perforation, Obstruktion, Malignomentwicklung.
  • Häufigkeit:Komplikationen im Verlauf bei 10–20 % der Patient*innen.
  • Symptome:Hämatemesis/Meläna, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen.
  • Befunde:Zeichen des Schocks bei starker Blutung. Bei Perforation evtl. Zeichen der Peritonitis.
  • Diagnostik:Bei Blutung Endoskopie, bei Perforation CT.
  • Therapie:Endoskopische oder operative Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Ein Ulkusleiden kann zu verschiedenen Komplikationen führen:
    • Blutung
    • Perforation
    • Obstruktion
    • Malignomentwicklung.

Häufigkeit 

  • Trotz eines Rückgangs in den vergangenen Jahrzehnten treten immer noch Komplikationen bei 10–20 % der Patient*innen mit peptischem Ulkus auf.1
    • Inzidenz 1–2 % pro Jahr2
  • Blutungsrate ca. 20–57/100.000 Fälle3
    • Das Blutungsrisiko steigt mit dem Alter.
  • Perforationsrate ca. 4–14/100.000 Fällen3
    • Seit Einführung der H.-pylori-Eradikationstherapie ist die Inzidenz deutlich rückläufig.4
    • Obwohl Perforationen selten sind, tragen sie erheblich zur Mortalität bei, das Mortalitätsrisiko steigt mit dem Alter.3
  • Eine Magenausgangsstenose durch fibrotische Veränderungen bei Ulkuskrankheit ist heute nur noch selten (Malignome inzwischen häufigste Ursache).1,5
  • 2- bis 20-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms bei H.-pylori-positiven Patient*innen im Vergleich zu Nichtinfizierten6

ICPC-2

  • D85 Duodenalulkus
  • D86 Peptisches Ulkus, anderes

ICD-10

  • K25 Ulcus ventriculi
    • K25.0 Ulcus ventriculi: Akut, mit Blutung
    • K25.1 Ulcus ventriculi: Akut, mit Perforation
    • K25.2 Ulcus ventriculi: Akut, mit Blutung und Perforation
    • K25.3 Ulcus ventriculi: Akut, ohne Blutung oder Perforation
    • K25.4 Ulcus ventriculi: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung
    • K25.5 Ulcus ventriculi: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Perforation
    • K25.6 Ulcus ventriculi: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung und Perforation
    • K25.7 Ulcus ventriculi: Chronisch, ohne Blutung oder Perforation
    • K25.9 Ulcus ventriculi: Weder als akut noch als chronisch bezeichnet, ohne Blutung oder Perforation
  • K26 Ulcus duodeni
    • K26.0 Ulcus duodeni: Akut, mit Blutung
    • K26.1 Ulcus duodeni: Akut, mit Perforation
    • K26.2 Ulcus duodeni: Akut, mit Blutung und Perforation
    • K26.3 Ulcus duodeni: Akut, ohne Blutung oder Perforation
    • K26.4 Ulcus duodeni: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung
    • K26.5 Ulcus duodeni: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Perforation
    • K26.6 Ulcus duodeni: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung und Perforation
    • K26.7 Ulcus duodeni: Chronisch, ohne Blutung oder Perforation
    • K26.9 Ulcus duodeni: Weder als akut noch als chronisch bezeichnet, ohne Blutung oder Perforation
  • K27 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet
    • K27.0 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Akut, mit Blutung
    • K27.1 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Akut, mit Perforation
    • K27.2 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Akut, mit Blutung und Perforation
    • K27.3 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Akut, ohne Blutung oder Perforation
    • K27.4 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung
    • K27.5 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Perforation
    • K27.6 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Chronisch oder nicht näher bezeichnet, mit Blutung und Perforation
    • K27.7 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Chronisch, ohne Blutung oder Perforation
    • K27.9 Ulcus pepticum, Lokalisation nicht näher bezeichnet: Weder als akut noch als chronisch bezeichnet, ohne Blutung oder Perforation

Komplikationen

Blutung

Risikofaktoren8

  • Alter > 60 Jahre
  • Ulkusanamnese
  • Medikamente: NSAR, ASS, P2Y12-Inhibtoren (z. B. Clopidogrel), Antikoagulanzien (Vit-K-Antagonisten, NOAK, Heparine), systemische Kortikosteroide, SSRI
  • Schwere Begleiterkrankungen

Management7,9-10

  • Möglichst großlumige peripher-venöse Zugänge legen.
  • Infusion von kristalloidem Volumen
  • Abhängig von Vigilanz und Respiration: O2-Gabe über Nasenbrille/Maske, ggf. Intubation
  • Rasche laborchemische Diagnostik: Blutbild, Gerinnung, klinische Chemie, BGA
  • Evtl. Gabe von Blutprodukten
  • Medikation vor Endoskopie
    • 2 Standarddosen PPI als Bolus i. v.
    • evtl. 250 mg Erythromycin als Kurzinfusion: beschleunigte Magenentleerung, dadurch bessere Sicht
  • Endoskopie
    • Lokalisation der Blutungsquelle
    • Klassifikation der Blutung nach Forrest
      • I: aktive Blutung
        • Ia pulsierend/spritzend
        • Ib sickernd
      • II: Stigmata ohne aktive Blutung
        • IIa Gefäßstumpf
        • IIb adhärentes Koagel
        • IIc Hämatin
      • III: keine Zeichen einer stattgehabten Blutung
    • Blutungen Ia, Ib und IIa müssen aufgrund des hohen Rezidivrisikos endoskopisch behandelt werden.
    • primäre Versorgung einer aktiven Blutung meist durch Clipping, alternativ Injektionsverfahren mit Suprarenin oder Fibrinkleber
      • Sprays, Puder oder Gel können allein oder in Kombination mit Clip oder Injektion verwendet werden.

Prophylaxe

  • Bei jeder Ulkusblutung sollte eine Testung auf H. pylori durchgeführt werden, ggf. anschließende Eradikation (Details siehe Helicobacter-pylori-Infektion).
  • Bei Abwägung von kardiovaskulärem und gastrointestinalem Risko nach Blutung sollte folgender Grundsatz beachtet werden:
    • Das kardiovaskuläre Risiko (ohne Medikation) ist höher einzuschätzen als das gastrointestinale Risiko (mit Medikation).
    • Dies gilt sowohl für die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern als auch Antikoagulanzien.11

Leitlinie: PPI-Prophylaxe der H.-pylori-negativen Ulkuskrankheit nach Ulkusblutung/-komplikation8

  • Wenn unter einer Dauertherapie mit NSAR ein gastroduodenales Ulkus und/oder eine obere gastrointestinale Ulkusblutung auftritt, sollte das NSAR bis zur Abheilung der Läsionen abgesetzt werden, und anschließend sollte im Fall einer erneuten Gabe eine dauerhafte PPI-Prophylaxe erfolgen.
  • Nach Auftreten einer Ulkuskomplikation soll eine Dauerprophylaxe mit einem PPI immer dann erfolgen, wenn die NSAR-Medikation fortgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn eine begleitende H.-pylori-Infektion erfolgreich behandelt wurde.
  • Nach Auftreten einer Ulkuskomplikation unter Thrombozytenaggregationshemmung und/oder Antikoagulation soll bei H.-pylori-negativen Patient*innen sowie auch nach erfolgreicher Eradikationstherapie bei zuvor H.-pylori-positiven Patient*innen eine Dauerprophylaxe mit einem PPI erfolgen, wenn die Thrombozytenaggregationshemmung und/oder Antikoagulation fortgesetzt wird.
  • Tritt unter einer Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor eine gastroduodenale Ulkusblutung auf, kann in Ergänzung zu einer dauerhaften PPI-Prophylaxe eine Umstellung auf ASS erwogen werden, wenn dies aus kardiovaskulärer Sicht vertretbar ist.
  • Wenn unter einer Monotherapie mit ASS, einem P2Y12-Inhibitor, DOAK oder VKA eine obere gastroduodenale Ulkusblutung eintritt, sollte bei Therapiefortführung eine dauerhafte PPI-Prophylaxe erfolgen. Im Falle einer gastroduodenalen Ulkusblutung unter einer Dauertherapie mit ASS sollte keine Umstellung auf eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor erfolgen.
  • Wenn unter einer Therapie mit systemischen Kortikosteroiden ein gastroduodenales Ulkus und/oder eine Ulkuskomplikation (z. B. Blutung) auftreten, sollte neben dem Ausschluss einer Infektion mit H. pylori nach Möglichkeit ein Wechsel auf ein anderes Medikament zusätzlich zu einer PPI-Therapie erfolgen. Ist dies nicht möglich, sollte die niedrigst mögliche Steroiddosis gegeben werden und eine PPI-Propylaxe erfolgen.
  • Wenn eine Therapie mit SSRI durchgeführt wird, sollte eine PPI-Prophylaxe erfolgen, sofern in der Vorgeschichte ein Ulkus und/oder einer Ulkuskomplikation aufgetreten ist oder eine Komedikation mit einem NSAR, einem Coxib oder einem P2Y12 vorliegt. Wenn eine Komedikation mit einem Antikoagulans (DOAK oder VKA) vorliegt, kann eine PPI-Prophylaxe erfolgen.

Perforation

Klinik

  • Lebensbedrohlicher Notfall
  • Plötzlich auftretende heftige Bauchschmerzen3
  • Im Verlauf Peritonismus4
  • Im Einzelfall kann eine Perforation der erste Hinweis auf ein Ulkusleiden sein.12

Diagnostik

  • CT weist eine Sensitivität von ≥ 90 % in der Diagnostik einer Hohlorganperforation auf.4
    • fokale Darmwanddiskontinuität und extraluminale Luftansammlung

Therapie

  • Im Allgemeinen operativer Verschluss des Defekts13
    • Die OP sollte so rasch wie möglich durchgeführt werden.1
    • Bei stabilen Patient*innen sollte der laparaskopische, bei instabilen Patient*innen der offene Verschluss bevorzugt werden.1
  • Der Versuch einer endoskopischen Behandlung wird nicht empfohlen.1

Obstruktion

Klinik

  • Symptome der Magenausgangsstenose sind:5
    • saures, großvolumiges Erbrechen, zunächst von festen Speisen, später auch von Flüssigkeiten
    • Völlegefühl
    • postprandiale Schmerzen.

Diagnostik

  • Endoskopie
    • Ultraschall und CT bei Tumorverdacht

Therapie

  • Versuch der Ballondilatation, ansonsten Operation (Pyloroplastik)5

Malignomentwicklung

  • Eine H.-pylori-Infektion erhöht das Risiko sowohl für Ulkuskrankheit als auch für Magentumoren.
  • Magenkarzinom
    • Die Eradikation H.-pylori-positiver Patient*innen ist ein wichtiger Bestandteil der Prävention von Magenkarzinomen.
    • Während gastrale Ulzera mit einem 3-fach erhöhten Risiko für Magenkarzinom assoziiert sind, ist dies bei duodenalen Ulzera nicht der Fall.14
  • MALT-Lymphom
    • Etwa 90 % aller Fälle sind mit einer Infektion mit H. pylori assoziiert.6
    • Unabhängig vom Stadium der Erkrankung ist die Eradikationstherapie die Therapie der Wahl.6

Prognose

  • Eine Blutung ist mit einer 30-Tage-Mortalität von ca. 9 % verbunden.1
  • Bei einer Perforation beträgt die 30-Tage-Mortalität 24 %.1
    • Obwohl Perforationen deutlich seltener sind als Blutungen, sind sie die häufigste Ursache für Notfalloperationen und verursachen 40 % der ulkusassoziierten Todesfälle.
    • Prädiktoren einer hohen Mortalität2
      • Schock bei Aufnahme
      • Niereninsuffizienz
      • verzögerte OP
      • Komorbiditäten (v. a. kardiovaskulär)
      • Alter > 70 Jahre
      • Immunsuppression
      • Lokalisation (Mortalität bei Magenulkus doppelt so hoch wie bei Duodenalulkus)

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Ulkusperforation im Bulbus duodeni.jpg
Ulkusperforation im Bulbus duodeni (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
Arterielle Ulkusblutung bei peptischem Ulkus, Forrest 1a.jpg
Arterielle Ulkusblutung bei peptischem Ulkus, Forrest 1a (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. AWMF-Leitlinie Nr. 021-001. S2k, Stand 2022. www.awmf.org
  • World Society of Emergency Surgery. Guidelines on perforated and bleeding peptic ulcer. Stand 2020. www.wses.org.uk

Literatur

  1. World Society of Emergency Surgery. Guidelines on perforated and bleeding peptic ulcer. Stand 2020. www.wses.org.uk
  2. Anand B. Peptic Ulcer Disease. Medscape, updated Apr 26, 2021. Zugriff 12.11.22. emedicine.medscape.com
  3. Dovjak P. Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi und Helicobacter pylori. Z Gerontol Geriat 2017;50:159–169. www.semanticscholar.org
  4. Schwarze V, Marschner C, Schulz C, et al. Akutes Abdomen – gastrointestinale Ursachen. Radiologe 2019; 59: 114-125. doi:10.1007/s00117-019-0491-z DOI
  5. Koop I. Gastroenterologie compact, 3. Auflage, S. 108-109. Stuttgart - New York: Georg Thieme Verlag, 2013.
  6. Malfertheimer P, Schulz C. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Helicobacter-pylori-assoziierte Erkrankungen. eMedpedia, publiziert am 01.09.15. Zugriff 15.11.22. www.springermedizin.de
  7. Steib C, op den Winkel M. Die akute gastrointestinale Blutung. CME 2020; 17: 9-17. doi:10.1007/s11298-020-7944-6 DOI
  8. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. AWMF-Leitlinie Nr. 021-001, Stand 2015. www.awmf.org
  9. Götz M. Gastrointestinale Blutungen. Gastroenterologe 2018; 13: 379–390. link.springer.com
  10. Kierschke S, Schilling D. Management der oberen gastrointestinalen Blutung. GastroNews 2019; 06: 42-45. doi:10.1007/s15036-019-0690-5 DOI
  11. Fischbach W. Medikamenteninduzierte gastrointestinale Blutung. coloproctology 2020; 42: 217-226. doi:10.1007/s00053-020-00455-8 DOI
  12. Bornemann R, Gaber E. Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre. Berlin, Robert Koch-Institut, Statistisches Bundesamt 2013. www.rki.de
  13. Hölscher A, Bollschweiler E, Mönig S. Ulkuschirurgie – was bleibt? Internist 2006; 47: 602-610. doi:10.1007/s00108-006-1625-8 DOI
  14. Paragomi P. Dabo B, Pelucchi C, et al. The Association between Peptic Ulcer Disease and Gastric Cancer: Results from the Stomach Cancer Pooling (StoP) Project Consortium. Cancers 2022;14:4905. www.mdpi.com

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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