Mastalgie – zyklusunabhängige Schmerzen in der Brust

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es wird zwischen einem zyklusabhängigen (Mastodynie) und einem zyklusunabhängigen Schmerz in der Brust (Mastalgie) unterschieden.1-2
  • Mastalgie: zyklusunabhängiger/azyklischer Brustschmerz
  • Mastalgien hängen nicht mit dem Menstruationszyklus zusammen; häufigster Grund sind schmerzhafte Zysten, ektatische Milchgänge mit und ohne Ruptur oder schmerzhafte Knoten.3

Häufigkeit

  • Die Schmerzen treten meist im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auf.
  • Bis zu 70 % der Frauen leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter Mastalgie.1-2
  • Weniger als 1 von 200 Frauen mit Schmerzen in der Brust hat Krebs.
  • Brustschmerzen beeinträchtigen die normale sexuelle Aktivität bei 48 % der Frauen, die körperliche Aktivitäten bei 37 % der Frauen, soziale Aktivitäten bei 12 % der Frauen und den Schulbesuch bei 8 % der Frauen.2,4

Diagnostische Überlegungen

  • Die Symptome sind für die betroffenen Frauen meist Grund zur Beunruhigung, sind aber selten Anzeichen einer Erkrankung.
  • Ein zyklusabhängiger Schmerz (Mastodynie) spricht für eine hormonelle Genese.
  • Die Ursache für zyklusunabhängie Schmerzen (Mastalgien) bleibt oft ungeklärt.

Konsultationsgrund

  • Verdacht auf/Sorge vor Brustkrebs

Abwendbar gefährlicher Verlauf

ICPC-2

  • X18 Brustschmerz Frau
  • X21 Brustsympt./-beschwerd., and. (X)

ICD-10

  • N64.4 Mastodynie, Mastalgie
  • N94 Schmerz und andere Zustände im Zusammenhang mit den weiblichen Genitalorganen und dem Menstruationszyklus
    • N94.9 Nicht näher bezeichneter Zustand im Zusammenhang mit den weiblichen Genitalorganen und dem Menstruationszyklus

Differenzialdiagnosen

Mastodynie

  • Zyklusabhängiger/zyklischer Brustschmerz
  • Hormonelle Genese
  • Mastodynien treten oft bilateral und am Ende der Lutealphase des Menstruationszyklus auf. 3-5
  • Die Brustschmerzen hören mit Beginn der Menstruation auf.3-5
  • Die Mastodynie kann Teil des prämenstruellen Syndroms sein oder unabhängig davon auftreten.3-5
  • Ist in der Regel in den oberen lateralen Quadranten am ausgeprägtesten.

Milchretention

  • Stillende oder vor kurzem abgestillte Frauen
  • Schmerzempfindlichkeit und starker Schmerz in der Brust, keine Anzeichen einer Infektion
  • Bereich der Brust, der mit Muttermilch infiltriert ist, kann ertastet werden.

Mastitis

  • Häufig bei stillenden (Mastitis puerperalis) oder vor kurzem abgestillten Frauen. Kann aber auch losgelöst von der Stillzeit vorkommen (Mastitis non puerperalis).
  • Beginn der Mastisis puerperalis meist einige Wochen nach der Geburt
  • Rötung (Rubor), lokale Schwellung (Tumor), Schmerzen (Dolor), Überwärmung (Calor); ggf. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit
  • Zusätzlich Milchstau bei Mastitis puerperalis, ggf. eitrige Milch
  • Abszess oder vergrößerte Lymphknoten können ertastet werden.

Fibroadenom

  • Gutartiger Knoten bei Frauen unter 40, kommt auch postmenopausal vor.
  • 10–15 % der Frauen haben mehrere Fibroadenome, uni- oder bilateral.
  • Keine Symptome, wird zufällig entdeckt.
  • Rund, fest, gut abgegrenzt und beweglich in Haut und Brustgewebe.

Mammakarzinom

  • Dies ist die häufigste Krebsform bei Frauen.
  • Meist wird zufällig ein Knoten in der Brust oder der Achselhöhle entdeckt; 60 % der Knoten befinden sich im oberen lateralen Quadranten.
  • Mögliche Symptome sind Sekretion, Ekzem der Brustwarze oder nicht heilende Wunde an der Brust, nicht durch die Menstruation ausgelöster lokaler Schmerz oder Schmerzempfindlichkeit und verschlechterter Allgemeinzustand im späten Stadium der Erkrankung.
  • Die Befunde können Bildung einer Hautfalte, Retraktion oder Deviation der Mamillen, Lymphödem (Orangenhaut), Verfärbung der Haut oder Ulzeration sein.
  • Bei der Palpation kann ein meist harter, rauer Tumor ohne deutliche Abgrenzung im tiefen Gewebe oder eine Verdickung oder Resistenz im Warzenhof ertastet werden.
  • Mammografie und Ultraschall geben Hinweise auf die Erkrankung. Eine histologische Untersuchung (zumeist Stanzbiopsie) bestätigt die Diagnose.

Weitere brustspezifischen Differenzialdiagnosen

  • Fibrozystische Mastopathie
  • Schwangerposttraumatisch, z. B. hämatomschaftsbedingte Veränderungen der Mammae
  • Postoperative Veränderung: Fettgewebsnekrose, Narbe

Angina pectoris

  • Es gibt 3 Kardinalsymptome:
    1. retrosternaler Schmerz
    2. Schmerz bei Anstrengung
    3. schnelle Schmerzlinderung in Ruhe.
  • Bei einer instabilen Angina pectoris treten die Attacken auch bei leichten Anstrengungen und evtl. in Ruhe auf.
  • Eine Myokardischämie kann auch durch Anämie, Aortenstenose, Arrhythmien, Koronarspasmen, Myokardhypertrophie, zu gehaltvolle Mahlzeiten oder Kälte ausgelöst werden.
  • Eine sichere Diagnose ist häufig klinisch möglich; ein Belastungs-EKG und Labor mit Bestimmung der Herzenzyme ( u. a.Troponin, CKMB) kann die Diagnose bestätigen und eine Koronarangiografie kann Veränderungen aufzeigen.

Weitere nicht brustspezifische Differenzialdiagnosen

Iatrogene Ursachen

  • Orale Kontrazeptiva
  • Östrogentherapie in der Menopause
  • Theophyllin

Psychosoziale Ursachen

  • Probleme in der Partnerschaft
  • Psychische Probleme

Anamnese

Besonders zu beachten

Stillt die Frau oder hat sie kürzlich abgestillt?

  • Mastitis und Milchretention kommen häufig vor.

Ist die Patientin schwanger?

  • Wann war die letzte Menstruation?
  • Ist die letzte Menstruation pünktlich eingetreten?

Wie wird der Schmerz beschrieben?

  • Schmerzstärke mittels visueller Analogskala (VAS)6
  • Charakter: drückendes Gefühl, unangenehm, stechend
  • Ausgebreitet oder lokal
  • Ausstrahlung in den Arm, wenn dieser bewegt wird.
  • Uni- oder bilateral
  • Zyklischer oder azyklischer Verlauf

Weitere Erkrankungen

  • Angina pectoris
  • Muskel- und Skeletterkrankungen
  • Welche Arzneimittel werden angewendet?

Klinische Untersuchungen

Allgemeines

  • Anzeichen einer kardiovaskulären Erkrankung

Spezielle Faktoren

  • Untersuchung und Palpation von Brust und Axilla
  • Palpation der darunter liegenden Brustwand und der kostosternalen Gelenke

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • Normalerweise nicht indiziert

Beim Spezialisten

  • Mammografie bei unilateralem Schmerz oder Schmerz in einem Bereich mit fühlbaren Knoten
    • Eine Mammografie ist bei zyklusabhängigem Brustschmerz (Mastodynie) ohne Anzeichen von Malignität oder lokalen Befunden nicht indiziert.
  • Ultraschall
  • Bei lokalisierten Knoten Stanzbiopsie zur histologischen Sicherung

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Eine Überweisung erfolgt, wenn weitere Untersuchungen notwendig sind, insbesondere bei V. a. Mammakarzinom.

Empfehlungen

  • Laut einer aktuellen Literaturübersicht ist eine gründliche Untersuchung und Informationen über die Ungefährlichkeit der Beschwerden nach Ausschluss der Differenzialdiagnosen sowie das Tragen eines angepassten, gut sitzenden BHs oftmals ausreichend. Bei unzureichender Linderung der Beschwerden kann eine NSAID-Gel empfohlen werden.6-7
  • Allgemeine Maßnahmen
    • Tragen eines fest sitzenden BHs
    • lokale Kühlung
    • Verzicht auf Nikotin
    • Beachtung der Ernährungshinweise
      • In einer kleinen Studie konnte gezeigt werden, dass fettarme und kohlenhydratreiche Kost zu weniger Brustschmerzen und Schmerzempfindlichkeit als allgemeine Diätvorschriften führten.8
      • Verzicht auf Kaffee, Tee, Cola, Schokolade
  • Mastodynie (zyklusabhängige Brustschmerzen)
    • Diese Schmerzen klingen bei 20–30 % der Frauen innerhalb von 3 Monaten von selbst ab.
    • Die meisten Patientinnen möchten nur sichergehen, dass es sich nicht um eine bösartige Erkrankung handelt.
    • Mögliche Maßnahmen sind Wechsel der BH-Form9, niedrige Dosierung von oralen Kontrazeptiva10, Verabreichung eines NSAR-Präparats11
  • Mastalgie (zyklusunabhängige Brustschmerzen)
    • Diese Schmerzen klingen bei ca. 50 % der Frauen von selbst ab.1
    • Bei manchen Frauen hilft eine fettarme und kohlenhydratreiche Kost.

Medikamentöse Behandlung

  • Analgetika
    • NSAID: oral, Gel6
    • Paracetamol
  • Hormonpräparate, Vitamin B6, Diuretika, Antibiotika oder Vitamin E haben keine signifikante Wirkung gezeigt.
  • Gamma-Linolensäure und Nachtkerzenöl werden zwar häufig verschrieben, sind aber ebenfalls nicht wirksam.7

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Ultraschall der Mammae, Zyste
Ultraschall der Mammae, Zyste

Quellen

Literatur

  1. Gateley CA, Mansel RE. Management of the painful and nodular breast. Br Med Bull 1991; 47, 702: 284-94.
  2. Ader DN, Shriver CD. Cyclical mastalgia: prevalence and impact in an outpatient breast clinic sample. J Am Coll Surg 1997; 185: 466-70. PubMed
  3. Santen RJ, Mansel R. Benign breast disorders. N Engl J Med 2005; 353: 275-85. New England Journal of Medicine
  4. Ader DN, South-Paul J, Adera T, Deuster PA. Cyclical mastalgia: prevalence and associated health and behavioral factors. J Psychosom Obstet Gynecol 2001; 22: 71-6. PubMed
  5. Khan SA, Apkarian AV. The characteristics of cyclical and non-cyclical mastalgia: a prospective study using a modified McGill Pain Questionnaire. Breast Cancer Res Treat 2002; 75: 147-57. PubMed
  6. Ngô C, Seror J, Chabbert-Buffet N. Breast pain: Recommendations. J Gynecol Obstet Biol Reprod (Paris) 2015. doi: 10.1016/j.jgyn.2015.09.039 DOI
  7. Kataria K, Dhar A, Srivastava A, Kumar S, Goyal A. A systematic review of current understanding and management of mastalgia. Indian J Surg 2014; 76(3): 217-22. doi: 10.1007/s12262-013-0813-8 DOI
  8. Boyd NF, McGuire V, Shannon P, et al. Effect of a low-fat high-carbohydrate diet on symptoms of cyclical mastopathy. Lancet 1988; 2: 128-32. PubMed
  9. Wilson MC, Sellwood RA. Therapeutic value of a supporting brassiere in mastodynia. Br Med J 1976; 2: 90. PubMed
  10. Charreau I, Plu-Bureau, Bachelot A, Contesso G, Guinebretiere JM, Le MG. Oral contraceptive use and risk of benign breast disease in a French case-control study of young women. Eur J Cancer Prev 1993; 2: 147-54. PubMed
  11. Millet AV, Dirbas FM. Clinical management of breast pain: a review. Obstet Gynecol Surv 2002; 57: 451-61. PubMed

Autoren

  • Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln und Münster/W.
  • Magnus Hagmar, med dr och överläkare, Kvinnokliniken, Karolinska universitetssjukhuset
  • Per Bergsjø, professor emeritus, med dr., universitetet i Bergen. Specialist på kvinnosjukdomar och förlossning, forskare vid Nasjonalt folkehelseinstitutt, Oslo

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