Akute Schwangerschaftsfettleber

Zusammenfassung

  • Definition:Schwangerschaftsspezifische Erkrankung, gekennzeichnet durch akute Fettleber und Multiorganversagen.
  • Häufigkeit:Die Inzidenz liegt bei 1/7.000–16.000 Geburten.
  • Symptome:Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerz, Polydipsie/Polyurie, Fatigue, Bewusstseinstrübung.
  • Befunde:Reduzierter Allgemeinzustand, Aszites, Ikterus.
  • Diagnostik:Bilirubin, Harnstoff, Leukozyten, GPT, Ammoniak und Kreatinin erhöht. Prothrombinzeit (PT) verlängert, Hypoglykämie, „helle Leber“ (Bright Liver) im Ultraschall, mikrovesikuläre Steatose in der Leberbiopsie.
  • Therapie: Notfalleinweisung, intensivmedizinische Therapie und rasche Entbindung.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-4

Definition

  • Schwangerschaftsspezifische Erkrankung, gekennzeichnet durch akute Fettleber und Multiorganversagen

Häufigkeit

  • Es liegen keine Daten zur Häufigkeit der Erkrankung in Deutschland vor.
  • Die Inzidenz liegt bei 1/7.000–16.000 Geburten.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursache ist nicht bekannt. Die Erkrankung steht nicht mit anderen Lebererkrankungen in Zusammenhang.
  • Eine gestörte Fettsäureoxidation (familiärer Mangel an Langketten-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase, LCHAD) in den Mitochondrien auf fetoplazentarer Seite kann ein prädisponierender Faktor für eine akute Fettleber sein (10–20 %).2
  • In den Leberzellen ist eine Infiltration von Fettpartikeln in Form von Mikrovesikeln nachweisbar.

Prädisponierende Faktoren

  • Möglicherweise ein familiärer Mangel an Langketten-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase, LCHAD2
  • Das Rezidivrisiko ist bei Folgeschwangerschaften erhöht.
  • Das Risiko ist erhöht bei einer Schwangerschaft mit Präeklampsie.2

ICPC-2

  • W99 Störung Schwang. / Entbind., and

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20235
  • O26.6 Leberkrankheiten während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-4

Diagnostische Kriterien

  • Klinische und biochemische Leberinsuffizienz im 3. Trimester der Schwangerschaft

Swansea-Kriterien2

  • Wenn keine andere schwangerschaftbezogene Lebererkrankung diagnostiziert wurde und mindestens 6 der folgenden 15 Kriterien zutreffen, dann begründet das den Verdacht auf eine akute Schwangerschaftsfettleber:

Differenzialdiagnosen

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.6-7

Andere schwangerschaftbezogene Erkrankungen

Andere Ursachen einer Fettleber

Anamnese

  • Warnsymptome im 3. Trimenon
    • auffällige Abgeschlagenheit und Müdigkeit in den letzten 4–6 Wochen der Schwangerschaft
    • Krankheitsentwicklung innerhalb weniger Tage bis max. 2 Wochen
    • reduzierter Allgemeinzustand mit Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen
    • Juckreiz
    • im weiteren Krankheitsverlauf Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Ikterus
    • Blutungsneigung
      • evtl. gastrointestinale/ösophageale Blutungen bedingt durch Refluxösophagitis oder ein Mallory-Weiss-Syndrom (passagere ösophageale Blutung nach heftigem Erbrechen)
      • uterine Blutungen (siehe Artikel Spontanabort)
      • Hämatome, spontan oder nach Bagatellverletzungen
  • Siehe Abschnitt Diagnostische Kriterien.

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Bei dringendem Verdacht auf akute Schwangerschaftsfettleber keine weiteren Untersuchungen, sondern sofortige Klinikeinweisung
  • Ggf. Oberbauchsonografie: Begrenzte Sensitivität, wird dennoch als primäre Bildgebung empfohlen.

Diagnostik bei Klinikaufnahme

  • Laboruntersuchungen: Leberversagen? Nierenversagen? Gerinnungsstörungen (DIC)?
  • Bildgebung
    • MRT der Leber

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdachtsdiagnose Notfalleinweisung in eine Geburtshilfeklinik mit Intensivstation

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-4

Therapieziele

  • Es handelt sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung, bei der eine schnelle und intensive Behandlung für Mutter und Kind lebensrettend sein kann.

Allgemeines zur Therapie

  • Überwachung des Fetus (CTG, Ultraschall)
  • Rasche Entbindung
    • Kaiserschnitt, sofern sich die Patientin nicht bereits in der aktiven Geburt befindet und diese rasch voranschreitet.
  • Intensivmedizinische Überwachung auch nach der Entbindung, symptomatische Behandlung des Organversagens der Mutter
  • Ggf. kann eine Lebertransplantation indiziert sein.2

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-4

Verlauf

  • Fulminant: Ohne Behandlung ist diese Erkrankung mit einer sehr hohen Mortalität bei Mutter und Kind verbunden.

Komplikationen

Prognose

  • Mutter
    • Die Mortalität wird auf 7–18 % beziffert (früher 70–80 %).
    • Die Prognose kann durch eine frühzeitige Diagnose und Entbindung sowie eine intensivmedizinische Therapie des Multiorganversagens verbessert werden.
      • Bei den meisten Überlebenden bleiben keine dauerhaften Folgeschäden zurück.2
  • Kind
    • Die perinatale Mortalität liegt bei ca. 20 %.2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. S2k-Leitlinie Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 021–025, Stand 2022. register.awmf.org

Literatur

  1. Boregowda G, Shehata HA. Gastrointestinal and liver disease in pregnancy. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2013; 27: 835-53. PMID: 24207084 PubMed
  2. Liu J, Ghaziani TT, Wolf JL. Acute fatty liver disease of pregnancy: Updates in pathogenesis, diagnosis, and management. Am J Gastroenterol 2017. pmid:28291236 PubMed
  3. Rath W, Tsikouras P, Stelzl P. HELLP Syndrome or Acute Fatty Liver of Pregnancy: A Differential Diagnostic Challenge: Common Features and Differences. Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80: 499-507. PMID: 32435066 PubMed
  4. Ahmed KT, Almashhrawi AA, Rahman RN, Hammoud GM, Ibdah JA. Liver diseases in pregnancy: diseases unique to pregnancy.. World J Gastroenterol 2013; 19(43): 7639-46 . doi:10.3748/wjg.v19.i43.7639 DOI
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). ICD-10-GM Version 2023, Stand 16.09.2022. www.dimdi.de
  6. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. S2k-Leitlinie Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 021–025, Stand 2022. register.awmf.org
  7. Malik SM, Zhuang R, Chopra KB. Hepatic steatosis. BMJ Best Practice. Last reviewed: 16 Nov 2022, last updated: 27 Sep 2022. bestpractice.bmj.com

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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