Thromboseprophylaxe in der Chirurgie

Nach Operationen ist das Risiko für die Entstehung von Blutgerinnseln erhöht. Besonders bei orthopädischen Eingriffen oder bei Krebspatient*innen werden vorbeugende Maßnahmen empfohlen. Zu der Thromboseprophylaxe gehören Bewegung, blutverdünnende Medikamente und seltener auch Kompressionsstrümpfe.

Was ist eine Thrombose?

Kommt es nach einem chirurgischen Eingriff zu einem Blutgerinnsel in einem Gefäß (Thrombose), ist meist eine Beinvene betroffen; man spricht von einer Venenthrombose. Bei den Venen handelt es sich um die Blutgefäße, die das Blut zum Herzen zurückführen. Die Thromben treten oftmals in den tiefen Venen des Unterschenkels auf (tiefe Beinvenenthrombose, TVT), können aber auch im Oberschenkel vorkommen. Blutgerinnsel können grundsätzlich in allen Gefäßen des Körpers entstehen, etwa auch in den Venen der Arme, insbesondere bei einer Operation im Bereich der Arme oder Schultern. Üblicherweise haften die Thromben dort fest, wo sie entstanden sind, vergrößern sich aber mit der Zeit, wenn es dem körpereigenen System nicht gelingt, sie wieder aufzulösen. Unter bestimmten Umständen kann ein in einem Blutgefäß entstandenes Blutgerinnsel sich jedoch lösen und mit dem Blut zu den Lungen geführt werden, wo es eines der Blutgefäße im Lungenkreislauf blockieren kann. Eine solche Lungenembolie kann schlimmstenfalls tödlich enden.

Beinvenen
Beinvenen

 

Häufigkeit von Thrombosen in der Chirurgie

  • Schätzungsweise kommt es bei rund einem Viertel aller chirurgischen Patient*innen zu Blutgerinnseln in den Gefäßen. Am häufigsten treten Venenthrombosen auf, Lungenembolien sind deutlich seltener.
  • Grundsätzlich haben Menschen, die älter als 60 sind, und solche mit vorbestehender Neigung für Blutgerinnsel ein erhöhtes Risiko.
  • Thrombosen treten am ehesten nach großen Operationen auf, besonders nach Eingriffen an der Hüfte, am Knie oder bei Tumoroperationen.
  • Für gesunde Personen unter 40 Jahren, die sich einer kleinen Operation unterziehen, besteht ein sehr geringes Risiko für eine Thrombose.
  • Aufgrund dieser Situationen mit deutlich unterschiedlichem Risiko wird im Einzelfall entscheiden, ob Medikamente zur Vorbeugung einer Thrombose verabreicht werden oder nicht. Schließlich können die Medikamente selbst wiederum zu einer verstärkten Blutung führen.

Wie wird vorgebeugt?

Basismaßnahmen bei allen Patient*innen

  • Einer postoperativen Venenthrombose kann effektiv vorgebeugt werden, indem auf eine schnelle Mobilisierung nach dem Eingriff Wert gelegt wird.
    • Das bedeutet, dass Patient*innen nach der Operation prinzipiell rasch wieder aufstehen oder auch frühzeitig entsprechende Physiotherapie erhalten.
  • Ab wann Sie nach einer Operation aufstehen können und welche Bewegungen/Übungen Sie durchführen sollten, erfahren Sie von Ihren behandelnden Ärzt*innen und Physiotherapeut*innen.

Physikalische Maßnahmen

  • Bei manchen Patient*innen werden zusätzlich mechanische Hilfsmittel verwendet, wie z. B. Kompressionsstrümpfe.
    • Kurze Kompressionstrümpfe üben Druck im Bereich der Wade aus, lange Strümpfe zusätzlich auch über den Oberschenkeln.
  • Eine andere Möglichkeit ist die intermittierende pneumatische Kompression.
    • Dabei wird eine luftgefüllte Manschette ans Bein angelegt, deren Druck über eine Pumpe reguliert wird.
  • Physikalische Maßnahmen (Kompressionstrümpfe und Druckmanschette) spielen nur eine untergeordnete Rolle bei der Thromboseprophylaxe. Sie sind vor allem dann indiziert, wenn eine Thromboseprophylaxe mit Medikamenten nicht möglich ist.

Medikamente

  • Welche Medikamente in welcher Dosierung verordnet werden, ist individuell verschieden und von verschiedenen Faktoren abhängig:
    • Alter
    • Art und Umfang der Operation
    • Vorerkrankungen
    • Leber- und Nierenfunktion.
  • Üblicherweise kommen Heparine zum Einsatz.
    • Heparine werden mehrmals am Tag unter die Haut gespritzt.
    • Die verschiedenen Heparinformen unterscheiden sich etwas in ihrer Wirkungsweise und haben jeweils etwas andere Vor- und Nachteile.
    • Als Alternative zu Heparin stehen zwei andere Wirkstoffe, Fondaparinux und Danaparoid, zur Verfügung.
      • Diese können z. B. bei Patient*innen angewendet werden, die Heparin nicht vertragen.
      • Sie werden ebenfalls unter die Haut gespritzt.
  • Als Alternative gibt es sog. neue orale Antikoagulanzien (NOAK), die man als Tablette einnehmen kann.
    • Manche NOAK sind, z. B. speziell nach operativem Ersatz von Knie- oder Hüftgelenken, zugelassen.
  • Seltener kommen Vitamin-K-Antagonisten, in manchen Fällen auch Acetylsalicylsäure zum Einsatz.
  • Bei vielen Operationen erfolgt die Thromboseprophylaxe nur während der Zeit im Krankenhaus.
    • Eine längere Thromboseprophylaxe ist vor allem bei Knie- und Hüftoperationen, bei Tumorpatient*innen und bei frühen Entlassungen aus dem Krankenhaus notwendig.

Behandlung und Komplikationen einer Thrombose

  • Die medikamentöse Behandlung von Blutgerinnseln, auch Antikoagulationsbehandlung genannt, ist langwierig. Sie dauert in der Regel mindestens 3 Monate. Falls erforderlich, kann ein Blutgerinnsel auch chirurgisch entfernt werden.
  • Lässt sich die Durchblutung in den Gefäßen nicht wieder (vollständig) herstellen, kann es innerhalb einiger Monate oder Jahre zum sog. postthrombotischen Syndrom mit anhaltender Beinschwellung, der Entstehung von Krampfadern, Hautveränderungen und schlecht heilenden Wunden kommen.
  • Bei Thrombose besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung weiterer Blutgerinnsel und lebensbedrohlichen Lungenembolien.

Weitere Informationen

Autorin

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Perioperative Thromboseprophylaxe. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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