Zusammenfassung
- Definition:Angeborene Deformität des Thoraxskeletts, bei der Sternum und angrenzende Rippen trichterförmig in Richtung Wirbelsäule einsinken.
- Inzidenz:Häufigste Form der Brustwanddeformität. Inzidenz von 1 Fall auf 300–400 Geburten.
- Symptome:Mehrheit der Patient*innen symptomfrei, jedoch kosmetische Beeinträchtigung. Bei starker Deformität Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit möglich.
- Befunde:Konkaver Defekt des ventralen Brustkorbs.
- Diagnostik:Klinische Diagnose. Zur präoperativen Planung Quantifizierung der Deformität per CT Thorax.
- Therapie:Bei starker kosmetischer Beeinträchtigung oder Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit minimalinvasive chirurgische Korrektur oder konservative Therapie mittels Saugglocke.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonym: Pectus excavatum1
- Angeborene Deformität des Thoraxskeletts, bei der Sternum und angrenzende Rippen trichterförmig in Richtung Wirbelsäule einsinken.2
Häufigkeit
- Häufigste Form der Brustwanddeformität1
- Inzidenz von 1 Fall auf 300–400 Geburten3
- Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen (Ratio 3:1).3
Ätiologie und Pathogenese
- Pathogenese bisher nicht geklärt2
- Meist anormales Wachstum der 4. und 5. Rippe3
- In der Folge sinkt das Sternum Richtung Wirbelsäule.
- In 35 % der Fälle positive Familienanamnese, jedoch wurde bislang kein ursächliches Gen identifiziert.3
- Assoziiert mit Marfan-Syndrom und Poland-Syndrom3
- Poland-Syndrom: einseitiges Fehlen oder Hypoplasie des Pectoralis-Muskels und unterschiedlich schwer ausgeprägte Anomalien der ipsilateralen Hand4
Pathophysiologie
- Ausprägung und Konsequenzen
- Je nach Ausprägung leiden betroffene Patient*innen unter ästhetischer Beeinträchtigung sowie kardiopulmonalen Einschränkungen durch Einengung des Mediastinalraumes.2
Prädisponierende Faktoren
- Positive Familienanamnese
- Marfan-Syndrom und Poland-Syndrom
- Männliches Geschlecht
ICPC-2
- L82 Angeborene Anomalie des Muskel- und Skelettsystems
ICD-10
- Q67.6 Pectus excavatum, angeborene Trichterbrust
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typischer klinischer Befund
Differenzialdiagnostik
Anamnese
- Die meisten Patient*innen leiden nicht an körperlichen Beschwerden infolge der Fehlbildung.
- Die Deformität wird jedoch von vielen Jugendlichen als kosmetisch störend wahrgenommen, sodass in diesem Alter vermehrt ärztlicher Rat gesucht wird.
- Bei ausgeprägtem Befund Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Einengung von Lunge und/oder Herz möglich.
Klinische Untersuchung
- Typischer konkaver Defekt des vorderen Brustkorbs
- Ausprägung und mögliche Asymmetrie des Brustkorbs variiert.
- Typischerweise ist das untere Drittel des Brustbeins am stärksten betroffen, während das obere Drittel fast normal erscheint.
Ergänzende Untersuchungen
- Laboruntersuchungen sind nicht notwendig.
- Lungenfunktionstest
- Kann indiziert sein, wenn Patient*innen über verminderte körperliche Leistungsfähigkeit klagen.
- Klassisch zeigt sich dann eine restriktive Lungenfunktionsstörung.
- Echokardiografie
- bei symptomatischen Patient*innen
- Beurteilung des Schlagvolumens und eines möglichen Mitralklappenprolaps (gehäuftes Auftreten bei Trichterbrust)3
- Bei V. a. Marfan-Syndrom auch zur Beurteilung einer möglichen Aortendilatation
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebende Untersuchungen
- CT Thorax
Indikationen zur Überweisung
- Bei symptomatischer Trichterbrust
- Bei Patient*innen, die stark unter kosmetischer Beeinträchtigung leiden und eine Korrektur der Deformität wünschen.
Therapie
Therapieziele
- Verbesserung Herz-Lungen-Funktion bei Patient*innen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit
- Kosmetische Korrektur relative Indikation für Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Verschiedene chirurgische Therapieverfahren stehen zur Korrektur der Deformität zur Verfügung.
- Saugglocke als konservative Therapieoption
Empfehlungen für Patient*innen
- Auf die Körperhaltung achten, mit aufrechter Wirbelsäule gehen.
- Kinder mit einer Trichterbrust neigen beim Gehen zu einer leicht gekrümmten Körperhaltung.
- Ob dies auf körperliche oder psychische Ursachen (zur Kompensation des Defektes) zurückzuführen ist, ist nicht bekannt.
Operative Therapie
- Minimalinvasive Chirurgie (Trichterbrustkorrektur nach Nuss)7-8
- Hat in den letzten Jahren die offene Chirurgie weitestgehend ersetzt.9-10
- Beinhaltet Implantation eines horizontalen konvexen Stahlstabes zur Anhebung des deformierten Brustkorbes.
- Der Stab wird nach 2–3 Jahren entfernt.
Konservative Therapie
- Tägliche Anwendung spezieller Saugglocke über mindestens 2 Stunden pro Tag kann den Haller-Index verbessern und eine Alternative zur operativen Korrektur sein.11
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Erkrankung ist in der Regel direkt bei Geburt oder während des ersten Lebensjahres apparent.
- Zunahme der Deformität und ggf. Beschwerden meist während des Wachstums in der Pubertät
Komplikationen
- Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Restriktion der kardiopulmonalen Funktion
Prognose
- Die Ergebnisse der operativen Korrektur zeigen neben einer hohen Patientenzufriedenheit mit dem kosmetischen Ergebnis auch eine verbesserte Herzleistung und Sauerstoffaufnahmekapazität.1
Verlaufskontrolle
- Empfohlenes Prozedere nach minimalinvasiver Korrektur3
- Auf gute Haltung mit geradem Rücken achten.
- Auf Bücken und Heben für 1 bis 2 Monate verzichten.
- regelmäßige postoperative Kontrollen bei Chirurg*in für 2 Jahre
- nach 2 Jahren ambulante Entfernung der Metallstange
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Zimmermann P, Martynov I, Krämer S, et al. Aktuelle Behandlung der Trichterbrust und Kielbrust. Kinder- und Jugendmedizin 2021; 21(3): 168-78. www.thieme-connect.com
- Scheuermann-Poley C, Andreß SM, Willy C, et al. Trichterbrust-Korrektur-OP unter Zuhilfenahme einer 3-D-Rekonstruktion des Thorax zur präoperativen Anpassung des Korrekturstabes. Zentralbl Chir 2021. www.thieme-connect.com
- Hebra A. Pectus excavatum. Medscape, last updated Oct 30, 2018. emedicine.medscape.com
- Orphanet. Poland Syndrom. Stand 2016. www.orpha.net
- Sujka JA, Peter SDS. Quantification of pectus excavatum: Anatomic indices. Seminars in Pediatric Surgery 2018; 27(3): 122-6. www.sciencedirect.com
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- Hebra A. Minimally invasive repair of pectus excavatum. Semin Thorac Cardiovasc Surg. 2009 Spring. 21(1):76-84. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Kelly RE, Goretsky MJ, Obermeyer R, et al. Twenty-one years of experience with minimally invasive repair of pectus excavatum by the Nuss procedure in 1215 patients. Ann Surg. 2010 Dec. 252(6):1072-81. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Li G, Jiang Z, Xiao H, Wang M, Hu F, Xie X, et al. A novel modified nuss procedure for pectus excavatum: a new steel bar. Ann Thorac Surg. 2015 May. 99 (5):1788-92. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Mao YZ, Tang S, Li S.. Comparison of the Nuss versus Ravitch procedure for pectus excavatum repair: an updated meta-analysis. Pediatr. Surg. 2017; 52 (10):1545-1552. PMID: 28606386. PubMed
- St-Louis E, Miao J, Emil S, et al. Vacuum bell treatment of pectus excavatum: An early North American experience. Journal of Pediatric Surgery 2019; 54(1): 194-9. www.sciencedirect.com
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).