Lewy-Körperchen-Demenz

Zusammenfassung

  • Definition:Lewy-Körperchen-Demenz (Lewy-Body-Demenz, LBD) ist gekennzeichnet durch progrediente kognitive Defizite mit Einschränkungen von Alltagsfunktionen, fluktuierende Einschränkungen von Wachheit und Aufmerksamkeit sowie durch Verhaltensstörungen im REM-Schlaf, visuelle Halluzinationen, Parkinsonismus und Überempfindlichkeit gegenüber Neuroleptika. 
  • Häufigkeit:Die Angaben zur Prävalenz schwanken zwischen 0 % und 5 %. Vermutlich tritt die Lewy-Körperchen-Demenz darüber hinaus häufig in Kombination mit anderen primär degenerativen Demenzformen auf.
  • Symptome:Die Symptome ähneln häufig dem Delir mit fluktuierender Verwirrtheit, Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, psychischen Symptomen und kognitiver Beeinträchtigung. Zusätzlich können Symptome autonomer Dysfunktion auffallen, wie orthostatische Hypotonie und Harninkontinenz.
  • Befunde:Kognitive Defizite betreffen zu Beginn vor allem Aufmerksamkeitsleistungen, exekutive und räumlich-visuelle Funktionen, bei oft noch gut erhaltenen Gedächtnisfunktionen.
  • Diagnostik:Die Diagnose der Demenz ist eine Syndromdiagnose und stützt sich auf den klinischen Befund. Für die Bestimmung des Schweregrads und für die Verlaufskontrolle können Testverfahren wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) hilfreich sein. Um eine Lewy-Körperchen-Demenz von anderen ätiologischen Demenzformen abzugrenzen, können weiterführende Untersuchungen wie kranielle Bildgebung oder Liquordiagnostik notwendig werden.
  • Therapie:Es gibt bislang keinen kurativen Therapieansatz. Die Erhaltung der Lebensqualität steht im Vordergrund. Eine Behandlung mit Antidementiva kann bei Lewy-Körperchen-Demenz nur außerhalb der Zulassung erfolgen; ihr Nutzen ist bislang nicht systematisch untersucht. Die medikamentöse Behandlung der Demenz- und Begleitsymptome bedarf der Einbettung in einen individualisierten Gesamtbehandlungsplan. Je nach Schweregrad der Erkrankung, Symptom- und Problemkonstellationen kommen dabei unterschiedliche psychosoziale Interventionen zum Zug sowie Verfahren zum Training kognitiver, motorischer und sensorischer Funktionen.

 Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3

Definition

  • Lewy-Körperchen-Demenz (Lewy-Body-Demenz, LBD), Dementia with Lewy Bodies (DLB)
  • Demenz ist der Oberbegriff für eine Reihe von chronisch progressiven kortikalen und subkortikalen Erkrankungen im Gehirn, die klinisch gekennzeichnet sind durch:
    • erworbene kognitive Beeinträchtigung
    • gestörte emotionale Kontrolle
    • eingeschränkte Alltagskompetenzen
  • Histopathologisch ist die LBD gekennzeichnet durch die Akkumulation von Lewy-Körperchen in vulnerablen Hirnarealen (siehe Abschnitt Ätiologie und Pathogenese).
  • Klinische Hauptmerkmale sind:1
    • ausgeprägte Fluktuation in Aufmerksamkeit und Wachsamkeit
    • visuelle Halluzinationen (typischerweise sehr deutlich und detailliert)
    • spontane Parkinsonsymptome
    • Verhaltensstörungen im REM-Schlaf

Häufigkeit

  • Die Angaben zur Häufigkeit der Lewy-Körperchen-Demenz schwanken stark: 
    • 0–5 % in der Allgemeinbevölkerung
    • 0–30,5 % aller Demenzkranken
      • laut neuropathologischen Studien bis zu 15 % der Demenzkranken in Kliniken und < 10 % aller Demenzkranken4
  • Basierend auf diesen Daten lassen sich keine verlässlichen Angaben für Deutschland ableiten.2
  • Longitudinale bevölkerungsbasierte neuropathologische Post-mortem-Studien weisen darauf hin, dass eine gemischte Demenzpathologie vor allem bei älteren Demenzkranken häufig vorkommt.2
    • Bis zu 40 % der Patient*innen mit Alzheimer-Erkrankung wiesen gleichzeitig Veränderungen auf, die mit einer Lewy-Körperchen-Demenz übereinstimmen.
    • In vielen Fällen wird eine LBD nicht diagnostiziert oder falsch diagnostiziert (meist als Alzheimer-Demenz).1
      • Bei bis zu 50 % der an Alzheimer-Demenz Erkrankten finden sich in der Autopsie Lewykörperchen-Demenz-typische Veränderungen.3

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Die Ätiologie ist ungeklärt. Möglicherweise beteiligt sind:3
    • toxische Proteinaggregation
    • abnorme Phosphorylierung
    • Bildung organischer Nitroverbindungen
    • inflammatorische Prozesse
    • oxidativer Stress
    • lysosomale Dysfunktion

Lewy-Körperchen

  • Lewy-Körperchen sind intraneuronale eosinophile Einschlüsse aus fehlgefaltetem aggregiertem Alpha-Synuclein, einem mit den synaptischen Vesikeln interagierenden zytoplasmatischen Protein.
  • Lewy-Körperchen wurden erstmals bei Parkinson-Demenz beschrieben. Histopathologisch sind sich Parkinson-Demenz und LBD sehr ähnlich.
  • Fehlgefaltetes Alpha-Synuclein wirkt neurotoxisch und korreliert mit dem Ausmaß der Nervenschädigung, sowohl bei M. Parkinson als auch bei LBD und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.

Prädisponierende Faktoren

  • Hohes Alter
  • Männliches Geschlecht
  • Die Lewy-Körperchen-Demenz teilt wahrscheinlich bestimmte genetische Risikofaktoren sowohl der Alzheimer-Krankheit (ApoE4) als auch des Parkinson-Syndroms mit Demenz (SNCA, SCARB2).
  • In seltenen Fällen wird die Lewy-Körperchen-Demenz als autosomal-dominante Erkrankung zusammen mit dem Parkinson-Syndrom vererbt.
    • Die Ursache für diese genetische Variante ist eine Mutation im SNCA-Gen (dem Alpha-Synuclein-Gen).
  • Autonome Dysfunktion
    • Eine verlängerte orthostatische Reaktion (verlängerte Hypotension beim Aufstehen) scheint ein Risikofaktor für einen schnelleren Verlauf der Lewy-Körperchen-Demenz zu sein.

ICPC-2

  • P70 Demenz

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20235
  • F02 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheitsbildern
    • F02.3 Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom
    • F02.8 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheitsbildern
  • G31 Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems, anderenorts nicht klassifiziert
    • G31.8 Sonstige näher bezeichnete degenerative Krankheiten des Nervensystems
      • Schließt ein: Lewy-Body-Demenz.

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3
  • Näheres zur diagnostischen Vorgehensweise bei Demenz einschließlich Differenzialdiagnostik siehe die Artikel Demenzsymptome und Demenzassessment.

Revidierte Konsens-Diagnosekriterien des DLB-Konsortiums

  • DLB = Dementia with Lewy Bodies
  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Klinische Merkmale

  • Zentrales Merkmal: Demenz, definiert als zunehmende Verschlechterung kognitiver Funktionen, die mit Funktionseinschränkungen im Alltag einhergeht. 
    • Die Gedächtnisfunktion ist beim Erkrankungsbeginn relativ gut erhalten.
    • Häufig und frühzeitig messbar sind:
      • Aufmerksamkeitsstörungen
      • Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen
      • Beeinträchtigung der visuoperzeptiven Funktionen
  • Kernmerkmale
    • Fluktuation der Kognition, insbesondere der Aufmerksamkeit und Wachheit
    • wiederkehrende komplexe visuelle Halluzinationen
    • Verhaltensstörungen im REM-Schlaf
      • z. B. Schreien, Sprechen, motorisches Ausagieren von Träumen
      • Dies ist ein Frühsymptom, das viele Jahre vor den anderen Symptomen auftreten kann.
    • ein oder mehrere Kardinalsymptome eines spontanen Parkinsonismus (Ruhetremor, Rigidität, Akinese)
  • Stark hinweisende Merkmale

Biomarker

  • Diagnostische Biomarker (Indikatoren)
    • verminderte dopaminerge Aktivität in den Basalganglien, dargestellt mit SPECT oder PET
    • pathologisches MIBG-SPECT des Myokards
    • polysomnografische Bestätigung eines REM-Schlafes ohne Atonie
  • Zusätzliche Biomarker 
    • erhaltener medialer Temporallappen (cCT, cMRT)
    • verminderter Metabolismus, insbes. im Okzipitallappen (SPECT oder PET)
    • verlangsamte EEG-Aktivität mit temporalen Sharp-Waves
  • Aber: Die Diagnose einer „wahrscheinlichen“ DLB darf nicht auf dem alleinigen Vorhandensein von Biomarkern basieren.

Mögliche oder wahrscheinliche Lewy-Körperchen-Demenz

  • „Mögliche“ Lewy-Körperchen-Demenz bei Vorliegen folgender Kriterien:
    • nur 1 Kernmerkmal ohne diagnostische Biomarker
    • 1 oder mehrere diagnostische Biomarker, aber kein Kernmerkmal
  • „Wahrscheinliche“ Lewy-Körperchen-Demenz bei Vorliegen folgender Kriterien:
    • mindestens 2 Kernmerkmale (mit oder ohne Biomarker) 
    • 1 Kernmerkmal und mindestens 1 diagnostischer Biomarker

Merkmale, die gegen eine Lewy-Körperchen-Demenz sprechen

  • Andere Erkrankungen, die das klinische Bild ausreichend erklären können.
    • inklusive zerebrovaskulärer und anderer Läsionen in der cCT oder cMRT
    • Schließt jedoch das Vorliegen einer DLB oder Mischform nicht aus.

Differenzialdiagnosen

  • Die Lewy-Körperchen-Demenz wird häufig mit Delir verwechselt.
  • Demenz bei Morbus Parkinson
    • große Ähnlichkeit zur LBD
    • Die Abgrenzung ist rein klassifikatorisch: Bei Parkinson-Demenz bestehen die Parkinson-Symptome mindestens 1 Jahr vor dem Beginn der Demenz. Bei LBD ist der zeitliche Abstand zwischen Parkinson-Syndrom- und Demenz-Beginn kleiner.
  • Andere Demenzformen (zur Differenzierung siehe Artikel Demenzsymptome)
  • Multisystematrophie (MSA)
  • Krankheiten, die orthostatische Hypotonie als Hauptsymptom haben, z. B. das Bradbury-Egglestone-Syndrom („Pure Autonomic Failure“).
  • Medikamenteninduzierte Demenzsymptome sind relativ häufig bei Älteren zu beobachten. Wichtige verursachende Arzneimittelgruppen sind u. a.:
    • anticholinerge Medikamente
    • Hypnotika
    • Neuroleptika
    • Opioide
    • Betablocker
    • Antiepileptika
    • Antihistaminika (einschl. H2-Antagonisten)
    • Kortikosteroide

Anamnese

  • Beginn von Lewy-Körperchen-Demenz
    • Dies kann einem Delir ähneln.
    • Typischerweise kommt es zu fluktuierender Verwirrtheit, Aufmerksamkeitsdefiziten, psychiatrischen Symptomen und kognitiver Beeinträchtigung.
    • Die Symptome können am gleichen Tag von leicht bis ausgeprägt variieren, sodass die betroffene Person zeitweise wie früher wirkt und dann wieder verwirrt ist.
      • Häufig zeigen sich solche Fluktuationen der kognitiven Funktionen auch in Tests wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST).
      • MMST-Profil mit verhältnismäßig besserem Gedächtnis und besserer Orientierung bei schlechterer Fähigkeit, zu rechnen und Figuren nachzuzeichnen.
    • Die Erkrankung beginnt häufig mit gestörtem REM-Schlaf mit beängstigenden Träumen und heftigen Bewegungen.
  • Parkinson-ähnliche Symptome
    • in etwa 75 % der Fälle
    • häufig Rigor (Muskulatur, Mimik), seltener Tremor
    • oft langsame Bewegungen, kleine Schritte, vornübergebeugt
  • Visuelle Halluzinationen
    • bei 70‒80 % der Betroffenen
    • oft mit deutlichen Inhalten und sehr detailliert, häufig in Form von Menschen oder Tieren
    • Es ist typisch, dass die Traumfiguren nicht auf Ansprache reagieren und die betroffene Person sich dessen bewusst ist, dass sie nicht real sind.
  • Akustische Halluzinationen
    • Kommen auch vor, sind aber seltener.
  • Gedächtnisstörungen
    • Treten vor allem etwas später im Verlauf auf.
    • nicht so prominent wie bei der Alzheimer-Krankheit
  • Verglichen mit dem Alzheimer-Syndrom sind die visuospatialen Probleme meist ausgeprägter.
    • LBD-Patient*innen sind meist gut orientiert, haben aber Schwierigkeiten, Abstände einzuschätzen und dreidimensional zu sehen.
  • Exekutive Funktionen
    • Die Fähigkeit zu planen, zu koordinieren, zu regulieren, etwas zu bewerkstelligen und zusammengesetzte mentale Operationen durchzuführen, ist meist schon früh beeinträchtigt.
  • Wahnvorstellungen
    • Kommen bei 50‒60 % der Patient*innen vor. Besonders häufig ist das Gefühl, dass noch eine andere Person im Raum ist.
  • Depressivität
  • Schlafstörungen
    • ähnlich wie beim Parkinson-Syndrom
    • Zunehmende Schläfrigkeit und Schwierigkeiten, wach zu bleiben.
    • Die Patient*innen schlafen nachts viele Stunden (12‒14 Stunden sind nicht ungewöhnlich), häufig zusätzlich auch tagsüber (nicht selten > 2 Stunden).
    • beängstigende Träume und heftige Bewegungen während des REM-Schlafs
    • Desorientierung beim Erwachen; der Trauminhalt begleitet die Patient*innen auch tagsüber.
  • Überempfindlichkeit gegenüber Neuroleptika
    • Viele LBD-Patient*innen weisen eine Hypersensitivität gegenüber klassischen und vielen atypischen Neuroleptika auf, und der Versuch, die Halluzinationen damit zu behandeln, kann zu einer Verschlechterung des Parkinsonismus, einem malignen Neuroleptika-Syndrom und zum Tod führen.
    • Diese Nebenwirkungen können irreversibel sein und stehen im Zusammenhang mit einer 2- bis 4-mal höheren Sterblichkeit (Näheres siehe Abschnitt Therapie).

Klinische Untersuchung

Körperliche Untersuchung

  • Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung (siehe Differenzialdiagnosen)
    • Beurteilung des Seh- und Hörvermögens
    • Anzeichen einer zerebrovaskulären Erkrankung?
      • Schellong-Test: Patient*innen mit Lewy-Körperchen-Demenz zeigen oft keine deutlichen Symptome von Orthostasereaktionen, auch wenn der Blutdruck nach dem Aufstehen deutlich fällt.
    • Anzeichen anderer Herz- und Gefäßerkrankungen?
    • Anzeichen einer Lungenerkrankung?
    • Anzeichen einer neurologischen Erkrankung?
    • Anzeichen einer mentalen Funktionsbeeinträchtigung und einer psychischen Störung?

Neuropsychologische Tests

  • Bereits bei der Erstdiagnose Quantifizierung der kognitiven Defizite, z. B. mittels:
  • Bei leichtgradiger und fraglicher Demenz ist die Sensitivität dieser Tests jedoch begrenzt, und sie sind zur Differenzialdiagnostik verschiedener Demenzen nicht geeignet.
  • Die Anwendung kognitiver Tests, auch kognitiver Kurztests oder apparativer diagnostischer Verfahren bei Personen ohne Beschwerden und Symptome einzig mit dem Ziel des Screenings für das Vorliegen einer Demenz wird nicht empfohlen.2
  • LBD-Patient*innen können besonders empfindlich auf Herausforderungen und Tests reagieren, und eine solche Situation kann Verwirrung auslösen.

Psychische Begleitsymptome

  • Demenzassoziierte psychische Störungen, Verhaltenssymptome und Beeinträchtigungen der Alltagsbewältigung sowie die Belastung der pflegenden Bezugspersonen sollten erfasst werden. Dazu stehen validierte Skalen zur Verfügung (B)2, z. B.:

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Zur Differenzierung der einzelnen Demenzformen siehe Artikel Demenzsymptome.

Bildgebung des Schädels

  • DEGAM-Empfehlungen6
    • Bei Hinweisen auf behandelbare Demenzen soll mit den Patient*innen oder ggf. ihren gesetzlichen Vertreter*innen die Möglichkeit einer bildgebenden Diagnostik besprochen werden.
    • Es gibt keinen Beweis dafür, dass eine routinemäßige Bildgebung den Krankheitsverlauf beeinflusst.
    • Die Indikation zur Bildgebung orientiert sich an Hinweisen auf potenziell behandelbare Demenzen, am Wunsch der Patient*innen nach Abklärung unter Berücksichtigung ihres klinischen Zustandes und den sich möglicherweise aus der Bildgebung ergebenden Konsequenzen.
  • S3-Leitlinie2
    • Native cCT oder cMRT zur Differenzialdiagnostik sind bei bestehendem Demenzsyndrom empfohlen.
      • z. B. zum Ausschluss sekundärer Demenzen aufgrund von Subduralhämatom, Tumor, Hydrozephalus
    • MRT bevorzugt
      • wegen höherer Sensitivität und fehlender Strahlenexposition als CT
    • ggf. funktionelle Bildgebung
      • Ein PET oder SPECT zur Feststellung eines dopaminergen Defizits kann in klinisch unklaren Fällen für die Differenzialdiagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz vs. Nicht-Lewy-Körperchen-Demenz eingesetzt werden (Ib/C).2

Liquor

  • In der Erstdiagnostik zum Ausschluss einer entzündlichen Gehirnerkrankung, wenn sich dafür Hinweise aus der Anamnese, dem körperlichen Befund oder der Zusatzdiagnostik ergeben.

Neuropsychologische Untersuchung

EEG

  • Kann zur Abgrenzung von neurodegenerativen und nicht neurodegenerativen Erkrankungen beitragen.
  • Ein regelhafter Einsatz in der ätiologischen Zuordnung von Demenzerkrankungen wird nicht empfohlen (B).2

Genetische Beratung und ggf. Untersuchung

  • Nur bei Verdacht auf familiäre Alzheimer-Demenz (FAD)
  • Zur Diagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz reichen die Tests nicht aus.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei ungewöhnlichen Demenzerkrankungen wie der Lewy-Körperchen-Demenz wird die Überweisung an Fachärzt*innen empfohlen (Neurolog*in, Psychiater*in).
  • Näheres zu diesem Thema finden Sie im Artikel Demenzsymptome.

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.2-3

Therapieziele

  • Bestmögliche Lebensqualität für die Betroffenen und ihre Angehörigen
  • Verbesserte kognitive Funktionen
    • z. B. Gedächtnis, Orientierungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Verminderung von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Symptomen

Therapieplanung

  • Pharmakologische Behandlung und psychosoziale Interventionen für Betroffene und Angehörige im Kontext eines Gesamtbehandlungsplans
  • Individualisierte Behandlung, abgestimmt auf Symptom- und Problemkonstellationen sowie Schweregrad der Erkrankung

Übende, sensorische und edukative Maßnahmen

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2,7
  • Spezifische Behandlungsprogramme können Mobilität und Selbstversorgungsfähigkeit bei leicht- bis mittelgradig betroffenen Demenzkranken in ähnlichem Maß verbessern wie bei kognitiv Gesunden (IIb/B).

Körperliche Aktivität

  • Es gibt Hinweise, dass sich körperliche Aktivität positiv auf kognitive Funktionen, Alltagsfunktionen, psychische und Verhaltenssymptome, Beweglichkeit und Balance auswirkt. Körperliche Aktivität sollte empfohlen werden (Ib/B).2,8-9

Kognitives Training

  • Kognitive Stimulation
    • kann kognitive Leistungen bei Patient*innen mit leichter bis moderater Demenz verbessern. Sie sollte daher empfohlen werden (IIb/B).10
  • Aktives geistiges und soziales Leben
    • sollte empfohlen werden (B).
  • Reminiszenzverfahren (Erinnerungstraining)
    • haben in allen Krankheitsstadien positive Effekte auf die kognitive Leistung, Depression und lebensqualitätsbezogene Faktoren gezeigt (IIb/B).

Ergotherapie

  • Ergotherapeutische, individuell angepasste Übungen, die mit Unterstützung der Bezugspersonen durchgeführt werden.
    • Sie können bei Patient*innen mit leichter bis mittelschwerer Demenz zum Erhalt der Alltagsfunktionen beitragen und sollten daher angeboten werden (Ib/B).

Musiktherapie11

  • Wirkung auf Psyche und Verhalten
    • Es gibt Hinweise, dass aktive Musiktherapie günstige Effekte auf psychische Symptome und Verhaltenssymptome bei Menschen mit Demenz hat, insbesondere auf Angst. Sie kann bei entsprechender Symptomatik angeboten werden (IIa/C).
  • Lieblingsmusik hören.
    • Rezeptive Musiktherapie, insbesondere das Vorspielen von Lieblingsmusik mit biografischem Bezug kann in begrenztem Maß agitiertes und aggressives Verhalten reduzieren. Sie kann empfohlen werden (III/C).

Weitere sensorische Verfahren

  • Aromatherapie
    • kann geringe Effekte auf agitiertes Verhalten und allgemeine Verhaltenssymptome bei Patient*innen mit mittelgradiger bis schwerer Demenz haben. Sie kann empfohlen werden (Ib/C).2,12
  • Multisensorische Verfahren (Snoezelen)
    • Individualisierte, biografiebezogene Stimuli, orientiert am individuellen Tagesablauf, können sich positiv auf Freude und Aktivität bei Patient*innen mit moderater bis schwerer Demenz auswirken. Sie können empfohlen werden (Ib/C).

Für Angehörige und Pflegende

  • Strukturierte Angebote zur Entlastung von Bezugspersonen
    • Angehörigentraining zum Umgang mit psychischen Symptomen und Verhaltenssymptomen
    • Wissensvermittlung zur Erkrankung
    • evtl. mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Elementen
  • Wirkung auf Psyche und Verhalten der erkrankten Person
    • Edukations- und Unterstützungsprogramme für Pflegende können bei den von ihnen gepflegten Demenzkranken depressive Symptome und agitiertes Verhalten reduzieren.7

Medikamentöse Therapie

Voraussetzungen

  • Anticholinerge Substanzen vermeiden.
    • Anticholinerge Substanzen wie Amitriptylin, Tiotropium, Scopolamin und Oxybutynin gehören zu den häufigsten Ursachen für kognitive Störungen.
    • Bevor Patient*innen mit Demenz medikamentös behandelt werden, soll nach Möglichkeit eine Medikation mit anticholinergen Substanzen beendet werden, um unerwünschte Nebenwirkungen beider Substanzgruppen zu vermeiden.6
  • Einwilligung der betroffenen Person
    • Die Therapie setzt das Einverständnis der betroffenen Person voraus, mit Ausnahme einer krankheitsbedingten akuten Selbst- oder Fremdgefährdung, die sich durch keine anderen Maßnahmen als solche gegen den Willen der erkrankten Person abwenden lässt.
    • Ist die Person krankheitsbedingt nicht einwilligungsfähig, ist das Vorliegen einer Vollmacht bzw. einer Betreuung für Gesundheitsfürsorge Voraussetzung der Behandlung.
  • Obligatorische Verlaufskontrollen
    • Die Arzneimittelrichtlinie lässt eine Verordnung von Antidementiva zu Lasten der GKV nur zu, wenn Verlaufskontrollen durchgeführt werden und diese Kontrollen nicht eine deutliche Verschlechterung zeigen.
    • Vor einer Behandlung sollen darum die Betroffenen und ggf. ihre Angehörigen darauf hingewiesen werden, dass eine Verlaufskontrolle geplant wird und ggf. zu einem Abbruch der Behandlung führen kann.6

Wirksamkeitsnachweise

  • Für die antidementive Behandlung der Lewy-Körperchen-Demenz existiert keine zugelassene Medikation, deren Wirksamkeit ausreichend belegt ist. Es gibt Hinweise für eine Wirksamkeit von (Ia):
    • Rivastigmin auf Verhaltenssymptome
    • Donepezil auf Kognition, klinischen Gesamteindruck und Verhaltenssymptome
    • Memantin auf den klinischen Gesamteindruck und Verhaltenssymptome, nicht aber auf die Kognition
    • Entsprechende Behandlungsversuche können erwogen werden (C).

Cholinesterasehemmer

  • Die Wirksamkeit von Cholinesterasehemmern ist bei Lewy-Body-Demenz noch nicht umfassend belegt. Es gibt Hinweise darauf, dass Rivastigmin auf Verhaltenssymptome wirkt und Donepezil Kognition, Verhaltenssymptome und den klinischen Gesamteindruck verbessern kann.
    • Die Alzheimer-Krankheit ist jedoch weiterhin die einzige zugelassene Indikation.
    • Die Mehrzahl der Patient*innen mit Lewy-Körperchen-Demenz zeigt auch pathologische Befunde, die mit der Demenz bei Alzheimer vereinbar sind (Mischerkrankung).
  • Nebenwirkungen
    • Cholinesterasehemmer können in Einzelfällen Parkinson-Symptome wie Steifigkeit und Gleichgewichtsprobleme verschlechtern. Klinische Studien liefern dafür jedoch für das Gesamtkollektiv keine signifikanten Anhaltspunkte.13
  • Zur weiteren Diskussion über die Verwendung von Cholinesterasehemmern siehe den Abschnitt zur medikamentösen Therapie im Artikel Alzheimer-Demenz.

NMDA-Rezeptor-Antagonist: Memantin

  • NMDA-Antagonist, zugelassen zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz
  • Wirksamkeit bei Demenz
    • Einer Cochrane-Metaanalyse zufolge hat Memantin einen begrenzten Effekt auf kognitive Symptome und Verhaltenssymptome der Demenz.14
      • An den berücksichtigten Studien hatten überwiegend an Alzheimer-Demenz Erkrankte teilgenommen.
      • Eine Aussage in Bezug auf seltenere Demenzformen wie die LBD ist auf Basis dieser Studie nicht möglich.
  • Wirksamkeit bei Lewy-Körperchen-Erkrankungen
    • Laut einer Metaanalyse anhand von 7 randomisiert kontrollierten Studien mit insgesamt 431 von einer Lewy-Körperchen-Erkrankung (Parkinson-Krankheit, Parkinson-Demenz oder LBD) Betroffenen hatte Memantin keinen Effekt auf motorische und kognitive Funktionen, verbesserte aber den klinischen Gesamteindruck und in der Subgruppe der LBD-Erkrankten auch Verhaltenssymptome.15
  • Sicherheit und Verträglichkeit
    • Memantin wurde in der Regel gut vertragen.
    • häufige Nebenwirkungen: Schwindel, Kopfschmerzen, Halluzinationen

Psychopharmaka

  • Voraussetzungen (Näheres siehe Artikel Demenzsymptome)
    • vor dem Einsatz von Psychopharmaka zur Behandlung von Verhaltenssymptomen wie aggressives Verhalten oder Agitiertheit
      • Psychopathologischen Befund erheben.
      • Medizinische, personen- und umgebungsbezogene Bedingungsfaktoren identifizieren und soweit möglich behandeln oder modifizieren.
      • Hinter gereizter Stimmung und aversivem Verhalten können sich Schmerzen oder andere körperliche Beschwerden oder Begleiterkrankungen verbergen.
  • Indikationen
    • Wenn psychosoziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind.
    • Bei Eigen- oder Fremdgefährdung, die nicht anders abwendbar ist.
Neuroleptika (Antipsychotika)
  • Für Patient*innen mit LBD sind klassische und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert, da sie Parkinson-Symptome verstärken und Somnolenzattacken auslösen können.2
  • Erhöhte Mortalität unter klassischen Neuroleptika
  • Wahrscheinlich erhöhen Neuroleptika bei Demenz das Risiko für beschleunigte kognitive Verschlechterung.
  • Einsetzbare Neuroleptika bei Lewy-Körperchen-Demenz sind Clozapin und – mit weniger gut belegter Wirksamkeit – Quetiapin.2
    • Patient*innen und rechtliche Vertreter*innen über die Risiken der Therapie aufklären.
    • Schwere, unter Clozapin wiederholt berichtete Nebenwirkungen sind Agranulozytose und Blutdruckabfall.
    • Quetiapin ist meist gut verträglich, kann aber Nebenwirkungen am Herz-Kreislauf-System verursachen, u. a. orthostatische Hypotonie, Herzrhythmus-Störungen, venöse Thromboembolien und Kardiomyopathie.16
    • Neuroleptika möglichst niedrig dosiert und über einen möglichst kurzen Zeitraum einsetzen.
    • Behandlungsverlauf engmaschig kontrollieren.
Antidepressiva
  • Können bei Depression und Angst angezeigt sein; der Nutzen bei Demenz-Patient*innen ist jedoch nicht eindeutig belegt.17
  • SSRI
    • Sertralin: initial 50 mg/d, je nach Ansprechen ggf. schrittweise aufdosieren (max. 200 mg/d)
    • Citalopram: 10–20 mg/d, je nach Ansprechen ggf. schrittweise aufdosieren (max. 40 mg/d, bei über 60-Jährigen max. 20 mg/d).
  • Mirtazapin (Alpha2-Rezeptor-Antagonist)
    • Die sedierende Wirkung kann bei Schlafstörungen vorteilhaft sein.
    • Dosierung: 1 x 15 mg/d je nach Ansprechen ggf. schrittweise aufdosieren (max. 40 mg/d).
  • Venlafaxin (SNRI)
    • Ist möglicherweise aufgrund der bei LBD gestörten noradrenergen Transmission besonders gut zur Behandlung psychischer Begleitsymptome geeignet.
    • Dosierung (nichtretardiert): 75 mg/d, aufgeteilt auf 2–3 Dosen, je nach Ansprechen ggf. schrittweise aufdosieren (max. 375 mg/d).
    • Dosierung (retardiert): 37,5–75 mg/d, je nach Ansprechen ggf. schrittweise aufdosieren (max. 225 mg/d).
  • Trizyklische Antidepressiva sollten wegen ihrer anticholinergen Effekte vermieden werden.
  • Näheres zur Pharmakotherapie depressiver Symptome und zum Wirksamkeits-, Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil der einzelnen Wirkstoffe siehe Artikel Depression.
Benzodiazepine
  • Die Anwendung bei Menschen mit Demenz ist problematisch.
    • negative Effekte auf die Kognition
    • erhöhte Sturzgefahr
    • paradoxe Reaktionen
    • Abhängigkeitspotenzial mit Gefahr eines Delirs bei plötzlichem Absetzen
  • In Ausnahmefällen kommen Einzeldosen kurzwirksamer Präparate in Betracht.
Hypnotika
  • Für eine medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei Demenz kann keine Empfehlung ausgesprochen werden (IV/B).
  • Melatonin ist in der Behandlung von Schlafstörungen bei Demenz nicht wirksam. Eine Anwendung wird nicht empfohlen (Ib/A).

Sonstige Medikamente

  • Levodopa
    • möglicherweise bei ausgeprägtem Parkinsonismus sinnvoll
    • Ca. 1/3 der Patient*innen mit Lewy-Körperchen-Demenz spricht auf L-Dopa an.
    • Start low, go slow!
      • initial Carbidopa/Levodopa 2 x 25/100 mg/d, je nach Ansprechen ggf. aufdosieren auf 3 x 25/100 mg/d., wenn gut toleriert, ggf. weiter aufdosieren (max. Tagesdosis 200 mg Carbidopa).
    • Siehe auch den Artikel zum Parkinson-Syndrom.

Blutdrucksteigernde Therapie

  • Erstlinientherapie: Blutdrucksenkende Medikamente reduzieren oder absetzen.
  • Allgemeine Verhaltensempfehlungen (siehe Artikel Orthostatische Hypotonie)
  • Ggf. Kreislauftraining (Sport, physikalische Therapie)
  • Ggf. Therapieversuch mit Etilefrin

Prävention

  • Es herrscht Unsicherheit darüber, inwieweit es Potenzial zur Vorbeugung von Lewy-Body-Demenz gibt.
  • Möglicherweise können zumindest einzelne Faktoren den Beginn hinausschieben und den Verlauf verzögern.
    • gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.2-3

Verlauf

  • Gestörter REM-Schlaf kann ein frühes Symptom sein und einige Jahre, bevor andere Anzeichen der Erkrankung zum Vorschein kommen, auftreten. Dies wird jedoch selten spontan berichtet.
  • Visuelle Halluzinationen mit Einsicht in den illusionären Charakter des Gesehenen (anders als z. B. bei einer akuten Psychose)
  • Die Lewy-Körperchen-Demenz wird oft von extrapyramidalen Symptomen begleitet, in erster Linie Rigor, seltener Tremor.
  • Häufig fluktuierende Wachheit und Aufmerksamkeit, evtl. mit Episoden von Verwirrtheit
  • Risiko schwerer Neuroleptika-Nebenwirkungen: Auf Anzeichen eines malignen neuroleptischen Syndroms achten!
  • Gedächtnis und Intellekt bleiben im Verlauf häufig lange erhalten, die Funktionen des Alltagslebens verschlechtern sich allmählich.
  • Es besteht die Gefahr von Dysphagie mit Aspirationsrisiko.
  • Ausgeprägte autonome Dysfunktion bei längerer orthostatischer Hypotonie und Risiko für Bewusstseinsstörungen
  • Wie andere Demenzformen ist auch die Lewy-Körperchen-Demenz eine progressive Erkrankung mit Verläufen über mehrere Jahre.
    • Die Dauer der Erkrankungsverläufe ist sehr variabel.
    • Im Zuge der Progression kommen immer mehr neue Symptome hinzu.
    • Die meisten Patient*innen sind im Endstadium der Krankheit vollständig pflegebedürftig.

Komplikationen

Prognose

  • Die Demenz ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität verbunden und ist eine der häufigsten Todesursachen nach Herz- und Gefäß-Erkrankungen und Krebs.
    • Die häufigste direkte Todesursache ist eine Pneumonie.
  • Vermutlich sind Krankheitsprogression und Mortalität bei der Lewy-Körperchen-Demenz ähnlich wie bei der Alzheimer-Demenz.
    • Die durchschnittliche Krankheitsdauer vom Beginn der Symptome bis zum Tod beträgt bei der Alzheimer-Demenz 4,7–8,1 Jahre.18

Verlaufskontrolle

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2
  • Etwa alle 4–6 Monate, z. B. im Rahmen des hausärztlich-geriatrischen Basisassessments (Näheres siehe Demenzassessment)
  • Kontrollieren Sie
  • Bei wiederholtem Einsatz neuropsychologischer Testverfahren zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs oder des Behandlungserfolgs müssen Testwiederholungseffekte durch einen ausreichenden zeitlichen Abstand zwischen den Testzeitpunkten (mindestens 6 Monate oder bei rascher Progredienz auch früher) oder durch Verwendung von Test-Parallelversionen so weit wie möglich vermieden werden (IV/C).2
  • Eine Notwendigkeit für eine kranielle MRT-Untersuchung zur routinemäßigen Verlaufskontrolle besteht im Regelfall nicht. Bei atypischen klinischen Verläufen kann aber eine Verlaufs-MRT erwogen werden (IV/C).2 
  • Die Wirkung der Medikamente bewerten: Ist eine fortgesetzte Behandlung noch indiziert? Welches Symptom ist am ausgeprägtesten?
  • Erkundigen, ob Familie und Angehörige Lösungen zur Bewältigung der Probleme finden.

Patienteninformationen

Gespräche mit Patient*innen und Angehörigen

  • Aufklärung und emotionale Unterstützung
  • Angehörige bei der Planung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen einbeziehen.
  • Aufklärung über die Prognose, soweit dies von den Betroffenen ausdrücklich gewünscht wird.
  • Kontaktaufnahme mit Interessenverbänden für Patient*innen und Angehörige anbieten.

Aufklärung zur Fahrtauglichkeit

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Sicherungsaufklärung
    • Wenn eine Demenz diagnostiziert wird, sollte die betroffene Person darüber aufgeklärt werden, dass diese Erkrankung im weiteren Verlauf zum Verlust der Fahreignung führen wird, selbst wenn die Patient*innen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch fahrtauglich sein sollten.
    • Es sollte darauf hingewirkt werden, dass die Erkrankten rechtzeitig aus eigener Einsicht auf das Fahren verzichtet. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, der umfassende und wiederholte Beratung erfordern kann.
    • Die Aufklärung sollte schriftlich dokumentiert werden.
  • Einfluss des Stadiums
    • Eine Demenz im frühen Stadium geht nicht zwingend mit dem Verlust der Fahreignung einher.
    • Es gibt keine definierte Grenze im Bereich der leichten bis mittelschweren Demenz, bei der die Fahreignung verloren geht.
    • Das Stadium einer schweren Demenz ist nicht mehr mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu vereinbaren.
  • Symptome mit Auswirkungen auf die Fahreignung
    • Orientierungsstörungen
    • eingeschränkte Reaktionsfähigkeit
    • unzureichende Hemmung automatischer Reaktionen
    • Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit
    • Verminderte Fähigkeit, komplexe Situationen schnell zu erfassen.
    • Störung des räumlichen Sehens
    • eingeschränkte motorische Koordination
    • Halluzinationen
  • Unabhängige Prädiktoren für Fahrfehler
    • höheres Lebensalter
    • Veränderungen in der Motorik
    • niedrige Fahrleistung
  • Anamnese des Betroffenen und Fremdanamnese der Angehörigen
    • Fahrfehler?
    • Unsicherheiten im Straßenverkehr?
    • Beinaheunfälle?
    • Bagatellschäden?
    • Größere Unfälle?
    • Kompensations- und Vermeidungsstrategien?
    • Jährliche Fahrleistung?
  • Evtl. weitergehende Untersuchungen
    • neuropsychologische Testung
    • Fahrsimulator
    • Fahrprobe
  • Beurteilung und evtl. Meldung an die Ordnungsbehörde
    • In Zweifelsfällen sollte aufgrund der erheblichen möglichen Konsequenzen von einer fehlenden Fahreignung ausgegangen und die Entscheidung begründet und dokumentiert werden.
    • Sollte eine erkrankte Person bei fehlender Fahreignung trotz Aufklärung über die Gefährdung und trotz Aufforderung nicht zu fahren, weiter als Fahrer*in am Straßenverkehr teilnehmen, so können Ärzt*innen trotz ihrer grundsätzlichen Schweigepflicht aufgrund einer sorgfältigen Güterabwägung berechtigt sein, zum Schutze der potenziell betroffenen Verkehrsteilnehmer*innen sowie der Patient*innen selbst die zuständige Ordnungsbehörde zu benachrichtigen.
    • Eine Verpflichtung hierzu besteht für Ärzt*innen nicht.
    • Diese Maßnahme setzt allerdings voraus, dass eine erhebliche Gefährdung besteht und vorherige Versuche, die Betroffenen zur Einsicht zu bewegen, erfolglos geblieben sind.
    • Eine sorgfältige Dokumentation ist hier unerlässlich.
  • Begutachtung: Siehe auch den Artikel Beurteilung der Fahreignung.

Praktische Hinweise und Tipps für demente Patient*innen

  • Ordnung halten; es ist weniger verwirrend, wenn wichtige Dinge immer ihren festen Platz haben.
  • Für gute Beleuchtung sorgen. Ein Nachtlicht erleichtert das Auffinden der Toilette und den Rückweg ins Bett.
  • Tagebuch führen.
  • Einen täglichen Stundenplan anlegen.
  • Leicht lesbare Uhren aufstellen.
  • Gut überschaubare Kalender anlegen.
  • Notizblock neben das Telefon legen.
  • Alles entfernen, was verwirren kann.
  • Einfache Checklisten anlegen.
  • Schriftliche Anleitungen für einfache Sicherheitsmaßnahmen hinterlegen.
  • Notizzettel mit Angaben, wo die am häufigsten gebrauchten Gegenstände liegen.
  • Vertraute Möbel und Bilder nicht entfernen.
  • Für Regelmäßigkeit und feste Abläufe sorgen.
  • Regelmäßigen Besuch vertrauter Orte und Menschen beibehalten, z. B. Garten, Kirche, Skatrunde.
  • Familienähnliche Esssituationen, verbale Unterstützung und positive Verstärkung können das Essverhalten von Menschen mit Demenz verbessern und können empfohlen werden (Ib/B).
  • Angemessene strukturierte soziale Aktivierung während des Tages kann zu einer Besserung des Tag-Nacht-Schlafverhältnisses führen und sollte eingesetzt werden (Ib/B).

Weitere Informationen

Patientenorganisationen

Formulare/Tests

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Demenzen. AWMF-Leitlinie 038-013. S3, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. McKeith IG, Boeve BF, Dickson DW, et al. Diagnosis and management of dementia with Lewy bodies: Fourth consensus report of the DLB Consortium. Neurology 2017; 89(1): 88-100. pmid:28592453 PubMed
  2. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Demenzen. AWMF-Leitlinie 038-013, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
  3. Lerner AJ, Elkasaby MI. Dementia with Lewy bodies. BMJ Best Practice. Last reviewed: 17 Feb 2023, last updated: 25 Nov 2022. bestpractice.bmj.com
  4. Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Informationsblatt 14. Die Lewy-Körperchen-Demenz. www.deutsche-alzheimer.de
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). ICD-10-GM Version 2023, Stand 16.09.2022. www.dimdi.de
  6. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). Hausärztliche Versorgung. In: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Demenzen. AWMF-Leitlinie 038-013, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
  7. Livingston G, Kelly L, Lewis-Holmes E, et al. Non-pharmacological interventions for agitation in dementia: systematic review of randomised controlled trials. BJPsych 2014. doi:10.1192/bjp.bp.113.141119 DOI
  8. Forbes D, Forbes SC, Blake CM, Thiessen EJ, Forbes S. Exercise programs for people with dementia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 4. Art. No.: CD006489. DOI: 10.1002/14651858.CD006489.pub4. DOI
  9. Cedervall Y, Torres S, Aberg AC. Maintaining well-being and selfhood through physical activity: experiences of people with mild Alzheimer's disease. Aging Ment Health. 2014 Sep 30:1-10. PMID: 25265932 PubMed
  10. Woods B, Rai HK, Elliot E, Aguirre E, Orrell M, et al. Cognitive stimulation to improve cognitive functioning in people with dementia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2023, 2. CD005562.Art. No.: CD005562. DOI: 10.1002/14651858.CD005562.pub2. www.cochranelibrary.com
  11. Chang YS, Chu H, Yang CY, et al. The efficacy of music therapy for people with dementia: A meta-analysis of randomised controlled trials. J Clin Nurs 2015. doi:10.1111/jocn.12976 DOI
  12. Ball EL, Owen-Booth B, Gray A, Shenkin SD, Hewitt J, McCleery J. Aromatherapy for dementia. Cochrane Database Syst Rev 2020 ; 8(8):CD003150. www.cochranelibrary.com
  13. Wang HF, Yu JT, Tang SW, et al. Efficacy and safety of cholinesterase inhibitors and memantine in cognitive impairment in Parkinson's disease, Parkinson's disease dementia, and dementia with Lewy bodies: systematic review with meta-analysis and trial sequential analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2014 May 14. pii: jnnp-2014-307659. PMID: 24828899. PubMed
  14. McShane R, Westby MJ, Roberts E, et al. Memantine for dementia. Cochrane Database Syst Rev 2019;3(3):CD003154 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Matsunaga S, Kishi T, Iwata N. Memantine for Lewy body disorders: systematic review and meta-analysis. Am J Geriatr Psychiatry 2015; 23(4): 373-83. PMID: 24406251 PubMed
  16. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Medikamentös-toxische Kardiomyopathie mit kardiogenem Schock unter Quetiapin („Aus der UAW-Datenbank“). Deutsches Ärzteblatt 2016; 113, A1667-8. www.aerzteblatt.de
  17. Dudas R, Malouf R, McCleery J, Dening T. Antidepressants for treating depression in dementia. Cochrane Database Syst Rev 2018 ; 8(8):CD003944. 18. Weyerer S. Robert Koch-Institut (Hrsg.) Altersdemenz. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 28, Berlin 2015. www.cochranelibrary.com
  18. Weyerer S. Robert Koch-Institut (Hrsg.) Altersdemenz. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 28, Berlin 2015. edoc.rki.de

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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