Vorzeitige Pubertät

Die vorzeitige Pubertät betrifft überwiegend Mädchen und lässt sich häufig medikamentös verzögern. Ziel ist es, den Kindern eine gesunde Pubertätsentwicklung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden. Nur selten sind operative Eingriffe notwendig, wenn ein hormonproduzierender Tumor als Ursache gefunden wurde.

Was ist eine vorzeitige Pubertät?

Definition

Eine vorzeitige Pubertät liegt vor, wenn Mädchen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr erste Pubertätsanzeichen entwickeln bzw. die erste Regelblutung vor dem 9. Lebensjahr einsetzt. Bei Jungen liegt eine vorzeitige Pubertät vor, wenn erste Pubertätszeichen vor dem vollendeten 9. Lebensjahr auftreten.

In der Medizin wird die vorzeitige Pubertät (Pubertas praecox) in zwei Formen unterteilt:

  • Die zentrale Form (zentrale Pubertas praecox, kurz ZPP) ist abhängig von Hormonen, die für das Einsetzen der Pubertät essenziell sind (Gonadotropine).
  • Die periphere Form (periphere Pubertas praecox, kurz PPP) ist unabhängig von diesen Hormonen.

Symptome

Zu den Symptomen einer vorzeitigen Pubertät zählen:

  • vorzeitiges Brustwachstum bei Mädchen
  • vorzeitiges Hodenwachstum bei Jungen
  • zunehmende Schambehaarung
  • verstärkter Schweißgeruch

Ursachen

Die Pubertät setzt ein, wenn der Hypothalamus (Teil des Gehirns, der u. a. für die Kontrolle des Hormonsystems zuständig ist) beginnt, das sog. Gonadotropin freisetzende Hormon (kurz GnRH) regelmäßig auszuschütten. Er aktiviert damit die Freisetzung des luteinisierenden Hormons (LH) und follikelstimulierenden Hormons (FSH) in der Hirnanhangdrüse (Teil des Gehirns, der für die Bildung einiger Hormone zuständig ist). LH und FSH gehören zur Hormongruppe der Gonadotropine und stimulieren die Produktion der Geschlechtshormone. Körperlich wird dieser Vorgang durch den Beginn der Brustentwicklung bei Mädchen bzw. des Hodenwachstums bei Jungen sichtbar.

Bei der zentralen Form der vorzeitigen Pubertät beginnt dieser Prozess vorzeitig. Die Ursache dafür bleibt bei 90 % der betroffenen Mädchen unklar. Bei betroffenen Jungen finden sich häufiger organische Ursachen. Dazu gehören die Bestrahlung oder durchlaufene Infektion des zentralen Nervensystems, ein Hydrozephalus (Ansammlung von Flüssigkeit im Gehirn mit erweiterten Hirnkammern) sowie Tumoren in oder nahe der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) bzw. des Hypothalamus.

Die periphere Form der vorzeitigen Pubertät setzt ein, ohne dass die für die Pubertätsentwicklung notwendigen hormonellen Abläufe im Gehirn angestoßen werden. Die Geschlechtshormone werden in diesem Fall im Körper gebildet z. B. durch ein Teratom (Tumor, der sich aus Keimzellen entwickelt), einen Tumor an den Eierstöcken, Hoden oder Nebennieren. Sehr selten sind Erkrankungen wie das McCune-Albright-Syndrom oder eine familiäre Testotoxikose bei Jungen. Diese zeigt sich jedoch in der Regel bereits vor dem Einsetzen einer vorzeitigen Pubertät durch weitere Symptome.

Häufigkeit

Die vorzeitige Pubertät ist selten. Bei einer zentralen Pubertas praecox liegt die Zahl der betroffenen Kinder bei 1:5000 bis 1:10000, für die periphere Pubertas praecox sind keine Zahlen für das Vorkommen bekannt.

Mädchen sind von einer zentralen Pubertas praecox deutlich häufiger betroffen als Jungen. Die Geschlechterverteilung liegt bei etwa 10:1.

Untersuchungen

Liegt der Verdacht auf eine vorzeitige Pubertät vor, spielt neben der Entwicklung des Kindes und der Erhebung von Symptomen, die auf eine Erkrankung hindeuten könnten (z. B. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Krampfanfälle), auch die Familienanamnese eine Rolle. Hier wird nach dem Einsetzen der Pubertät bei Eltern oder Geschwistern gefragt.

In einer körperlichen Untersuchung werden Größe und Gewicht sowie der Fortschritt der Pubertät erhoben.

Um die Hormonwerte zu überprüfen, ist eine Blutuntersuchung notwendig. Diese erfolgt meistens bei Endokrinolog*innen (Spezialist*innen für hormonelle Erkrankungen) oder Kinderärzt*innen. Mit einer Röntgenuntersuchung der linken Hand, wird das Skelettalter bestimmt. Manchmal kann ergänzend eine Ultraschalluntersuchung oder ein MRT des Gehirns notwendig sein.

Behandlung

Ziel der Behandlung ist es, betroffenen Kindern eine gesunde Pubertätsentwicklung zu ermöglichen und Folgeschäden durch das vorzeitige Einsetzen der Pubertät zu vermeiden.

Im Fall der zentralen Form erfolgt dies bei den meisten Patient*innen durch Medikamente (GnRH-Analoga), die die Freisetzung von LH und FSH senken. Sie werden 1-mal pro Monat mit einer Spritze verabreicht. Beendet wird die Therapie etwa um den 11. Geburtstag, die Pubertät setzt einige Monate später ein. Bis zum Einsetzen der ersten Menstruation vergehen etwa 16 Monate.

Die Behandlung der peripheren Form setzt an ihrer Ursache an. Bösartige Tumoren werden operativ entfernt. Erkrankungen der Nebenniere und das McCune-Albright-Syndrom werden medikamentös mit Medikamenten behandelt, die fehlende Hormone ersetzen oder ein Übermaß hemmen.

Die Behandlung der vorzeitigen Pubertät wird meist durch erfahrene Endokrinolog*innen oder Kinderärzt*innen durchgeführt.

Prognose

Die zentrale Form der vorzeitigen Pubertät hat eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig behandelt wird. Bei der peripheren Form ist die Prognose von der jeweiligen Grunderkrankung abhängig.

Komplikationen

  • Eine verfrühte Pubertät kann bei Mädchen zu einer verfrühten ersten Menstruation führen.
  • Bei Mädchen mit einer vorzeitigen Adrenarche (Beginn der Östrogenproduktion) tritt das polyzystische Ovarialsyndrom häufiger auf.
  • Eine reduzierte endgültige Körpergröße ist möglich, da sich die Wachstumsfugen betroffener Kinder frühzeitig schließen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Carina Steyer, Medizinjournalistin, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Pubertas praecox. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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