Schlafwandeln

Als nächtliche Schlafstörung tritt Schlafwandeln vor allem im ersten Drittel der Nacht auf. Besonders häufig sind Kinder zwischen 4 und 12 Jahren betroffen. Die Schlafstörung verursacht keine langfristigen Schäden und verschwindet in der Regel mit der Zeit von selbst.

Was ist Schlafwandeln?

Definition

Schlafwandeln ist eine Form von nächtlichen Schlafstörungen, die vor allem bei Kindern vor der Pubertät auftritt. In der Fachsprache spricht man von Somnambulismus. Damit gemeint ist ein Zustand, in dem die Betroffenen scheinbar wach, aber nicht bei vollem Bewusstsein sind.

Schlafwandeln tritt in Episoden auf. Betroffene Personen können während der Episoden verschiedene Stufen von Aktivität zeigen, z. B. Unruhe oder Umherlaufen. Typisch sind auch unverständliche Lautäußerungen.

Symptome

Meist treten die Symptome im ersten Drittel der Nacht bzw. etwa 30 bis 90 Minuten nach dem Einschlafen auf. Mögliche Symptome sind:

  • ziellose Unruhe im Bett
  • Umherlaufen, meist mehrere Minuten bis eine halbe Stunde lang
  • murmelnde und verschwommene Lautäußerungen
  • starrer Gesichtsausdruck
  • nur geringe Reaktion auf Berührungen
  • direkt nach dem Aufwachen möglicherweise kurzzeitige Verwirrung oder Desorientierung

In der Regel erinnern sich die betroffenen Personen nicht mehr an die nächtlichen Episoden. Kinder berichten gelegentlich von kurzen, traumähnlichen Bildern.

Außer Schlafwandeln sind die häufigsten Parasomnien (unerwünschte Verhaltensweisen während des [Ein-]Schlafens) bei Kindern:

  • Nachtschreck (Pavor nocturnus): Die Person wacht abrupt und schreiend auf. Oft ist bis zu 30 Minuten keine Beruhigung möglich, ehe plötzlich Entspannung eintritt.
  • unvollständiges Erwachen mit Verwirrtheit
  • Albträume

Die verschiedenen Parasomnien sind miteinander verwandt und können kombiniert auftreten.

Ursachen

Als Ursache von Schlafwandeln vermutet man eine Störung der Slow-Wave-Sleep-Phase, die einem tiefen Schlaf mit langsamen Gehirnwellen entspricht. Bei Kindern beginnt diese Phase erstmals etwa 15 Minuten nach dem Einschlafen und dauert zwischen 45 und 75 Minuten. Eine Störung dieser Phase tritt bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen auf. Daher wird sie mit einer Unreife des zentralen Nervensystems in Verbindung gebracht.

Außerdem gibt es einige Faktoren, die das Auftreten von Schlafwandeln begünstigen können:

  • familiäre Veranlagung
  • Schlafmangel über längeren Zeitraum
  • chaotischer Schlafrhythmus
  • Stress
  • Fieber
  • schlafbezogene Atemstörungen, häufig verursacht durch vergrößerte Mandeln
  • Einnahme von Medikamenten wie Beruhigungs- und Schlafmittel, Psychopharmaka, Antibiotika, Mittel gegen Parkinson und Epilepsie sowie Antihistaminika

Häufigkeit

Schlafwandeln kommt bei etwa 15 % aller Kinder zwischen 4 und 12 Jahren und gelegentlich bei Erwachsenen vor. Am häufigsten betroffen sind Kinder im Alter von 11 bis 12 Jahren. Schlafwandeln tritt oft innerhalb einer Familie gehäuft auf, wobei Jungen und Mädchen gleich oft betroffen sind.

Schlafwandeln tritt meist etwa 1- bis 3-mal im Monat auf. Selten treten die Schlafstörungen mehr als einmal pro Nacht auf.

Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

Schlafwandelnde Personen zeigen meist keine körperlichen Auffälligkeiten. Im Gespräch kann Ihre Ärztin/Ihr Arzt Sie bzw. Ihr Kind zu diesen Themen befragen:

  • Schlaf- und Einschlafgewohnheiten
  • Verhalten während des Schlafs (Unruhe, Schnarchen, Bettnässen etc.)
  • Häufigkeit und Ursachen von Aufwachphasen
  • abendliche Aktivitäten und Essgewohnheiten
  • Häufigkeit und Dauer der Episoden
  • Verhalten tagsüber, z. B. Leistungsfähigkeit, Konzentration, Hyperaktivität, Müdigkeit

Ein Schlaftagebuch, Schlafprotokolle oder Schlaffragebögen können hilfreich sein, um weitere Informationen über die Schlafgewohnheiten und -probleme zu gewinnen. Weitere Untersuchungen sind in aller Regel nicht nötig.

Bei Spezialist*innen

Selten ist eine Überweisung zu Spezialist*innen notwendig. Sie kann aber z. B. angezeigt sein bei Verdacht auf eine organisch bedingte Schlafstörung, auf Epilepsie oder bei Hinweisen auf eine psychische Erkrankung. Mögliche Untersuchungen sind:

  • Polysomnografie: zur Abklärung von organisch bedingten Schlafstörungen, Atemstörungen sowie Epilepsie
  • Routine-EEG: bei Verdacht auf epileptische Krampftätigkeit
  • Aktigrafie: Mittels Aktometer (Armbanduhr-ähnlicher Beschleunigungsmesser) kann man auf Schlaf-Wach-Muster schließen bzw. bestimmte Schlafparameter schätzen.

Behandlung

In der Regel sind die Symptome harmlos und verschwinden nach mit der Zeit von allein. Eine Behandlung mit Medikamenten ist daher meist nicht erforderlich. Die Therapie beinhaltet im Wesentlichen diese Punkte:

  • Beratung und Aufklärung der Betroffenen und ihrer Angehörigen
  • Ausschluss weiterer körperlicher oder psychischer Erkrankungen
  • Bei sehr häufigen und intensiven Anfällen Überweisung an eine schlafmedizinische Praxis

Was können Sie selbst tun?

Um Verletzungen zu vermeiden, sollten Türen und Fenster gesichert werden. Zudem können Sie während oder nach der Episode dem betroffenen Kind beistehen:

  • Wirken Sie tröstend und/oder beruhigend auf das Kind ein und führen Sie es zum Bett zurück.
  • Vermeiden Sie es, Schlafwandelnde aufzuwecken: Dies kann die Episode verlängern sowie Widerstand und Gewalt auslösen.

Vorbeugung

  • Achten Sie auf ausreichenden Schlaf.
  • Sorgen Sie für regelmäßige Schlafenszeiten.
  • Vermeiden Sie besonders in der frühen Schlafphase Störungen durch Geräusche, Berührungen oder visuelle Reize.

Prognose

Schlafwandeln bei Kindern verschwindet in der Regel von allein. Ebenso wie andere Schlafstörungen verursacht Schlafwandeln keine langfristigen Schäden und steht auch in der Regel nicht mit weiteren Erkrankungen in Verbindung.

Allerdings kann es während des Schlafwandelns zu Unfällen und Verletzungen kommen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Nina Herrmann, Wissenschaftsjournalistin, Flensburg

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Parasomnien bei Kindern. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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