Zusammenfassung
- Definition:Infektion der Schleimhaut des Cavum uteri nach der Geburt. Ausbreitung auch auf das Myometrium (Endomyometritis) oder außerhalb des Uterus in die Parametrien (Parametritis) möglich.
- Häufigkeit:Tritt bei 1–2 % aller Geburten und häufiger nach einer Sectio auf.
- Symptome:Einige Tage nach der Niederkunft treten Fieber und Schüttelfrost auf, meist am 2. oder 3. Tag, dazu kommen Schmerzen und Schmerzempfindlichkeit im Unterleib, ein übelriechender Ausfluss sowie Abgeschlagenheit.
- Befunde:Mögliche Befunde sind Fieber, Druckschmerz des Uterus. In der Regel kein dramatisch reduzierter Allgemeinzustand.
- Diagnostik:Relevante Tests sind Hb, CRP, Leukozyten, Urinproben und Bakteriologie der Lochien.
- Therapie:Behandlung mit Antibiotika.
Allgemeine Informationen
Definition
- Postpartale Infektion der Schleimhaut des Cavum uteri, von der Dezidua ausgehend1
- Kann sich auch auf das Myometrium (Endomyometritis) oder außerhalb des Uterus in die Parametrien (Parametritis) ausbreiten und septischer Krankheitsverläufe annehmen.1
Häufigkeit
- Inzidenz 1,6 % aller Geburten1
- Die Inzidenz ist nach Sectiones höher.
- 11 % nach einer Not-Sectio
- knapp 2 % nach einem elektiven Eingriff2
Ätiologie und Pathogenese
- Rund 70 % der Infektionen sind Mischinfektionen mit sowohl aeroben als auch anaeroben Bakterien.1
- Auslösende Mikroorganismen3
- Aerobier
- A-Streptokokken, B-Streptokokken, Staphylokokken, E. coli, Klebsiella pneumoniae, Enterokokken, Proteus
- Anaerobier
- Peptostreptokokken, Peptokokken, Bacteroides, Prevotella, Clostridien
- Chlamydien: typischerweise späterer Beginn der Endometritis, ab dem 7. Tag post partum
- Aerobier
Pathogenese3
- Aszension von Bakterien von Zervix und Vagina in den Uterus nach dem Blasensprung
- bevorzugte Einnistung der Bakterien in verletztem und avitalem Gewebe (Sectio)
- Das Vorhandensein prädisponierender Faktoren erhöht das Risiko einer Infektion.
Prädisponierende Faktoren
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,4
- Eine Sectio ist für die Entwicklung von Puerperalfieber und einer Endometritis der größte Risikofaktor.
- Weitere Risikofaktoren
- protrahierte Geburt
- Wehen über > 12 Stunden
- Austreibungsphase > 2 Stunden
- früher Blasensprung
- Frühgeburt
- vorbestehende bakterielle Vaginose
- wiederholte vaginale Untersuchungen
- Chorioamnionitis
- Besiedlung mit B-Streptokokken
- vaginal-operative Geburten
- mekoniumhaltiges Fruchtwasser
- Frühgeburten ≤ 32. SSW
- mütterliche Adipositas BMI > 40
- mütterlicher Diabetes mellitus
- protrahierte Geburt
ICPC-2
- W70 Wochenbettinfektion/-sepsis
ICD-10
- O85 Puerperalfieber
- O86 Sonstige Wochenbettinfektionen
- O86.1 Sonstige Infektion des Genitaltraktes nach Entbindung
- O86.3 Sonstige Infektionen des Urogenitaltraktes nach Entbindung
- O86.8 Sonstige näher bezeichnete Wochenbettinfektionen
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose Endometritis stützt sich auf Schmerzempfindlichkeit des Uterus, Fieber, übelriechenden Ausfluss und Abgeschlagenheit sowie Anstieg der laborchemischen Entzündungsparameter.1
Differenzialdiagnosen
- Differenzialdiagnosen bei postpartalem Fieber
- Wundinfektion
- nach Sectio
- an der Episiotomie
- an Geburtsverletzungen
- Pyelonephritis
- Mastitis
- Pneumonie
- Thrombophlebitis
- septische Thrombophlebitis des Beckens
- Thrombophlebitis der unteren Extremitäten
- Wundinfektion
Anamnese
- Fieber und Schüttelfrost wenige Tage nach der Geburt, meist am 2. oder 3. Tag (24 Stunden bis 10 Tage post partum)
- Schmerzen und Schmerzempfindlichkeit im Unterleib
- Übelriechender Ausfluss1
- Abgeschlagenheit1
- Differenzialdiagnostisch bei Fieber
- Luftnot, dysurische Beschwerden, Wundschmerzen erfragen.
- Umstände der Geburt erfragen (siehe Risikofaktoren).
Klinische Untersuchung
- Fieber1
- Schmerzen und Palpationsempfindlichkeit über dem Uterus, relativ weicher Uterus
- Fötider Ausfluss
- Mäßig bis stark reduzierter Allgemeinzustand
- Bei Hypotonie und Tachykardie V. a. Sepsis oder Ruptur eines Beckenabszesses
- Untersuchungen zur Differenzialdiagnostik bei postpartalem Fieber
- Inspektion und Palpation der Brüste
- Palpation der Nierenlager und des Abdomens
- Inspektion und Palpation der unteren Extremitäten
- Inspektion von Wunden
- Untersuchungen zur Differenzialdiagnostik bei postpartalem Fieber
Ergänzende Untersuchungen
- Blutbild mit Hb, CRP, Leukozyten, BSG
- erhöhte BSG-, CRP- und Leukozytenwerte bei Infektion
- U-Stix und Urinkultur zur Abklärung eines möglichen Harnwegsinfekts
- Bakteriologie des Ausflusses3
- Blutkulturen, falls die Patientin schwer krank ist.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Gynäkologische Untersuchung durch Gynäkolog*innen
- Ultraschall3
- Eine transvaginale Ultraschalluntersuchung sollte zur Abklärung evtl. vorhandener intrauteriner Reste durchgeführt werden.
- erfordert spezielle Expertise
- CT3
- bei diagnostischer Unsicherheit bzw. zur Detektion von Prozessen im kleinen Becken
- Kann „versteckte“ Abszesse aufdecken.
- Kann Thromben im Falle einer septischen Thrombophlebitis des Beckens aufdecken.
- bei diagnostischer Unsicherheit bzw. zur Detektion von Prozessen im kleinen Becken
- Explorative Laparoskopie oder Laparatomie bei spezieller Indikation3
Indikationen zur Überweisung
- Bei postpartalem Fieber ist grundsätzlich eine sofortige gynäkologische Vorstellung empfohlen.1
Therapie
Therapieziele
- Infektion sanieren.
- Symptome lindern.
- Komplikationen und Folgeerkrankungen vorbeugen.
Allgemeines zur Therapie
- Bei Fieber im Wochenbett sollte bis zum Nachweis einer anderen Infektionsursache immer von einer Endomyometritis ausgegangen werden und großzügig mit einer intravenösen antibiotischen Therapie begonnen werden.1
- Bei Vorliegen von Komplikationen kann eine interventionelle (Abszessdrainage) oder operative Therapie inkl. Hysterektomie notwendig werden.3
Medikamentöse Therapie
- Intravenöse antibiotische Therapie
- 1. Wahl: Clindamycin 900 mg alle 8 h i. v. + Gentamycin 1,5 mg/kg alle 8 h i. v.1,5
- alternativ Piperacillin plus Tazobactam1
- Gabe bis 48 h nach Fieberfreiheit1
- bei Verdacht auf Infektion mit Streptokokken der Gruppe A Penicillin G plus Clindamycin, ggf. auch Vancomycin1
- Behandlung nach Resistogramm bei nachgewiesenem Erreger
Antibiotikaprophylaxe
- Antibiotikaprophylaxe bei jeder Entbindung per Sectio empfohlen1-2
- Antibiotikaprophylaxe bei vaginaler Entbindung mit nachgewiesener Besiedlung mit GBS und zusätzlichen Faktoren6
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Der Verlauf ist häufig mild, kann sich jedoch zu einer schweren Infektion entwickeln.
- Hochakute und dramatische septische Verläufe sind möglich, v. a. bei Streptokokken der Gruppe A.1
Komplikationen
- Sepsis, toxisches Schocksyndrom5
- seltene Komplikation einer Endometritis
- verursacht durch E. coli, Clostridium und Bacteroides, Streptokokken der Gruppe A (GAS)
- Septische Thrombophlebitis des Beckens
- Beckenabszess
- Peritonitis5
- Nekrotisierende Fasziitis3
Prognose
- Eine Endometritis und andere Ursachen für Wochenbettfieber sind selten lebensbedrohlich.
- Selten lebensbedrohliche Verläufe bei Sepsis
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Schrey-Petersen S, Tauscher A, Dathan-Stumpf A, Stepan H. Diseases and complications of the puerperium. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 436– 46. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0168. www.aerzteblatt.de
- Smaill FM, Grivell RM. Antibiotic prophylaxis versus no prophylaxis for preventing infection after cesarean section. Cochrane Database Syst Rev 2014. www.cochranelibrary.com
- Singh N, Sethi A. Endometritis - Diagnosis,Treatment and its impact on fertility - A Scoping Review. JBRA Assist Reprod. 2022 Aug 4;26(3):538-546. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Declercq E, Barger M, Cabral HJ, et al. Maternal outcomes associated with planned primary cesarean births compared with planned vaginal births. Obstet Gynecol 2007; 109:669. PubMed
- Mackeen AD, Packard RE, Ota E, Speer L. Antibiotic regimens for postpartum endometritis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 2. Art. No.: CD001067. DOI: 10.1002/14651858.CD001067.pub3. DOI
- Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI). Prophylaxe der Neugeborensepsis- frühe Form - durch Streptokokken der Gruppe B. AWMF-Leitlinie Nr. 024/020.S2k, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).