Erstmaßnahmen bei Verbrennungen
- Bei der Erstversorgung steht der Eigenschutz im Vordergrund! 1
- Die wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Brandverletzten sind: 2
- Verhinderung eines weiteren thermischen Schadens
- Schutz vor Unterkühlung
- situationsgerechte Analgesie
- sachgerechter Wundverband zur Verhinderung einer Wundkontamination
- Weitere Maßnahmen betreffen Schwerbrandverletzte und umfassen:
- Infusionstherapie
- Sicherung der Vitalfunktionen und insbesondere Atemwege
- Zur Planung der weiteren Therapie Einschätzung des Schweregrads der Verbrennung:
- Ausdehnung und betroffene Körperpartien
- Tiefe
- Nicht zu vergessen ist die Überprüfung des Tetanusschutzes.
- Siehe auch die Artikel Verbrennungen Grad 1 und 2 sowie schwere Verbrennungen
Verhinderung eines weiteren thermischen Schadens
- Brennende Personen mit Wasser oder einem Feuerlöscher ablöschen. 2
- Ist dies nicht möglich, Flammen durch Feuerlöschdecke, sonstige schwer entflammbare Decke oder durch Ausrollen der Person ersticken.
- Zur Minimierung des thermischen Schadens durch Hitzespeicher – als schädlich gelten Temperaturen > 50° C – betroffene Kleidungsstücke und Schmuck unverzüglich entfernen. 2
- Fest verbackene Kleidungsteile (Synthetik) umschneiden.
- Bei Kontakt mit Säure oder Laugen Kleidung des betroffenen Körperareals entfernen und die Haut gründlich mit Wasser (mindestens 20 min unter laufendem Wasser) spülen.1
- Wenn vorhanden, können spezielle Spüllösungen verwendet werden.1
- Einige Substanzen bedürfen einer besonderen Dekontamination, ggf. bieten Herstellerinformation oder Giftnotzentralen Hilfe:
- Telefonnummern und Adressen von Giftnotzentralen finden Sie hier.
Schutz vor Unterkühlung
- Hypothermieprophylaxe essenziell. 1
- Ein normothermer Zustand > 36° C hat einen positiven Einfluss auf das Gesamtüberleben.
- Bis zu 80 % aller Patient*innen ab 15 % verbrannter Körperoberfläche (VKOF) sind bei initialer Messung im Krankenhaus hypotherm.
- Die lokale Kühlung im Rahmen der Laienhilfe dient der Analgesie, birgt jedoch das Risiko der Hypothermie.
- Eine aktive Kühlung von Verbrennungen soll von medizinischem Fachpersonal daher nicht durchgeführt werden bzw. soll beendet werden.
- Durch das Zusammenziehen der Gefäße im Wundbereich bei exzessiver Kühlung wird die Durchblutung der Wunde verschlechtert, was dazu führt, dass das Verbrennungsausmaß erhöht wird.3
- Auch für Kinder gilt, dass nur bei VKOF < 15 % aus analgetischen Gründen für maximal 30 min mit lauwarmem Wasser bis zum Eintreffen der Rettungskräfte gekühlt werden soll. 4
Schmerztherapie
- Die medikamentöse Schmerztherapie ist grundsätzlich an das WHO-Stufenschema angelehnt.
- Es gibt keine Präferenz für ein bestimmtes Analgetikum oder eine Kombination von Analgetika.
- Bei Schwerbrandverletzten sollte die Schmerztherapie in der Akutphase intravenös erfolgen. 1
- Nachfolgendes Schema kann als Hilfestellung in Erwägung gezogen werden: 1
- Monotherapie mit Opiaten/Opioiden titriert für VKOF < 15 % zur schwerpunktmäßigen Analgesie, Begleitbehandlung mit Antiemetikum empfohlen
- Ketamin/Midazolam für VKOF > 15 % und bei hämodynamisch instabilen Patient*innen für die kombinierte Analgosedierung
- Beispielhafte Schmerztherapie im Verlauf bei leicht bis mittelschwer ausgeprägten Verbrennungen (Anm. d. Red.):
- Metamizol 500 mg 1-1-1-1, ggfs. plus
- Tilidin/Naloxon 50/4 mg 1-0-1 (schwach wirksames Opioid) oder
- Oxycodon retard 10 mg 1-0-1 (stark wirksames Opioid)
- bei Einsatz von Opioiden Begleitmedikation mit Antiemetika (z. B. MCP 10 mg 1-1-1) und Laxantien (z. B. 1 Beutel Macrogol pro Tag) erwägen
- Dosisempfehlungen für Kinder in Akutsituation 4
- Ketamin: 2–4 mg/kg KG i. v./ intraossär oder 10 mg/kg KG rektal
- Ketamin S: 1,5–3 mg/kg KG i. v. / intraossär
- Fentanyl: 0,001–0,01 mg/ kg KG i. v.
- Piritramid: 0,05–0,1 mg/ kg KG i.v.
- Midazolam: 0,05–0,1 (ggfs. 0,2) mg/kg KG i. v.
Wundverband
- Sterile Verbände sollten nach orientierender Beurteilung der Oberfläche frühzeitig angelegt werden. 1
- Bereits die Vermeidung von Zugluft über der Verbrennungswunde trägt zu einer signifikanten Schmerzreduktion bei.
- Es sind keine Spezialverbände erforderlich. 2
- Eine lokale Wundbehandlung soll unterlassen werden. 2
Infusionstherapie
- Die Volumentherapie bei ausgeprägten Verbrennungen soll pragmatisch erfolgen und orientiert sich am Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS): 5
- 1000 ml Kristalloide/h bei Erwachsenen
- 10 ml/kg KG/h bei Kindern
- Nach Möglichkeit sollten intravenöse Zugänge in nicht verbrannter Haut gelegt werden (2 periphere Verweilkanülen).1
Vitalfunktionen stabilisieren
- Einschätzung der Schwere der Verletzungen der betroffenen Person nach dem ABCDE-Schema
- Hinweise auf ein Inhalationstrauma1
- Verbrennung des Gesichtes
- versengte Gesichts- und Nasenbehaarung
- Ruß im Gesicht oder im Sputum
- Zeichen der Atemwegsobstruktion
- Beim Verdacht auf ein relevantes Inhalationstrauma sollen Vorbereitungen zur schnellstmöglichen Atemwegssicherung getroffen werden. 5
Schweregrad der Verletzung einschätzen
- Die Schwere einer thermischen Verletzung wird in Ausdehnung (verbrannte Körperoberfläche, VKOF), der Tiefenausdehnung (Grad 1–4) und der Lokalisation bemessen.4
Ausdehnung der Verbrennung, Neuner-Regel
- Kopf: 9 %
- Ein Arm inkl. Hand: 9 %
- Ein Oberschenkel: 9 %
- Ein Unterschenkel inkl. Fuß: 9 %
- Vorderseite des Oberkörpers: 18 %
- Rückseite des Oberkörpers: 18 %
Ausdehnung der Verbrennung bei Kindern
Die Ausdehnung der Verbrennung wird im Kindesalter nach der Handflächenregel (Handfläche mit Fingern des Verletzten entspricht 1 % Körperoberfläche) beurteilt.
Verbrennungsgrad
- Dieser Abschnitt bezieht sich auf nachfolgende Referenz. 1
- Grad 1
- betroffene Hautschichten: Epidermis
- Klinik: Rötung, starker Schmerz, wie Sonnenbrand
- Grad 2a
- betroffene Hautschichten: oberflächige Dermis
- Klinik: Blasenbildung, Wundgrund rosig und rekapillarisierend, starker
Schmerz, Haare fest verankert
- Grad 2b
- betroffene Hautschichten: tiefe Dermis (mit Hautanhangsgebilden)
- Klinik: Blasenbildung, Wundgrund blasser und nicht oder schwach
rekapillarisierend, reduzierter Schmerz, Haare leicht zu entfernen
- Grad 3
- betroffene Hautschichten: komplette Dermis
- Klinik: trockener, weißer, lederartig harter Wundgrund, keine Schmerzen, keine Haare mehr vorhanden
- Grad 4
- betroffene Hautschichten: Unterhautfettgewebe, Muskelfaszie, Muskeln, Knochen
- Klinik: Verkohlung
Lokalisation
- Verbrennungen im Gesicht, Genitalbereich oder an den Händen sollten generell von Spezialist*innen behandelt werden. 1
Indikationen zur Überweisung
- Überweisung an Unfallchirurg*in oder plastische*n Chirurg*in bei
- Verbrennungen ≥ Grad 2b
- Verbrennungen im Gesicht, Genitalbereich oder an den Händen
Indikationen für stationäre Behandlung in Zentren für Brandverletzte
- Die stationäre Behandlung soll in jedem Fall in einem Zentrum für Brandverletzte durchgeführt werden, wenn eine der folgenden Verletzungen vorliegt: 1
- Verbrennungen Grad 2 von 10 % und mehr Körperoberfläche
- bei Kindern ab 5 % der Körperoberfläche 3
- Verbrennungen Grad 3
- Verbrennungen an Händen, Gesicht oder Genitalien
- Verbrennungen durch Elektrizität inklusive Blitzschlag
- Verätzungen durch Chemikalien
- Inhalationstrauma
- Verbrennungspatient*innen mit Begleiterkrankungen oder Verletzungen, die die Behandlung erschweren
- Verbrennungspatient*innen, die eine spezielle psychologische, psychiatrische oder physische Betreuung benötigen
- Verbrennungen Grad 2 von 10 % und mehr Körperoberfläche
Weitere Informationen
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. Behandlung thermischer Verletzungen des Erwachsenen. AWMF-Leitlinie Nr. 044-001. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Thermische Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung), Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 006-128. S2k, Stand 2015. www.awmf.org (abgelaufen)
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. Thermische und chemische Verletzungen. AWMF-Leitlinie Nr. 044-001, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. Empfehlungen zu Erster Hilfe bei Brandverletzungen, Stand 2013. Letzter Zugriff 10.01.2023. www.verbrennungsmedizin.de
- Cordes C. Verbrennungen bei Kindern und Jugendlichen. Heilberufe 2021; 73: 12-14. link.springer.com
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Thermische Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung), Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 006-128, Stand 2015. (abgelaufen) www.awmf.org
- Janiak F, Ettmüller K, Hentsch S, et al. Prehospital Treatment of Severe Burn Injury and Thermomechanical Combination Injuries. Notarzt 2022; 38(4): 211-24. www.thieme-connect.com
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster