Behçet-Krankheit

Die Behçet-Krankheit ist eine entzündliche Erkrankung, die viele Organe im Körper betreffen kann (entzündliche Multiorganerkrankung).

Was ist die Behçet-Krankheit?

Die Behçet-Krankheit ist eine entzündliche Erkrankung, die viele Organe im Körper betreffen kann (entzündliche Multisystemerkrankung). Kennzeichnend sind wiederkehrende Episoden mit Geschwüren im Mund und an den Geschlechtsorganen, Entzündungen der Augen und Hautveränderungen in Form von Knotenrose (Erythema nodosum) und Akne-ähnlichen Hautausschlägen. Andere Organe wie Magen-Darm-Trakt, Nervensystem, Gefäße und Gelenke können unterschiedlich stark betroffen sein.

Die Krankheit wurde im Jahr 1937 nach dem türkischen Dermatologen Hulusi Behçet benannt, der zuerst den dreifachen Symptomkomlex in Form von wiederkehrenden Bläschen im Mund (Aphthen), wunden Stellen an den Genitalien und Augenentzündungen beschrieb.

Die Krankheit tritt meist im jungen Erwachsenenalter erstmals auf, und beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. In Deutschland ist die Erkrankung selten. In Teilen des Nahen Ostens kommt die Erkrankung relativ häufig vor. Die Häufigkeit wird dort mit 80 bis 370 pro 100.000 Einwohnern angegeben. Hier besteht auch ein erheblicher Unterschied zwischen den Geschlechtern, mit deutlich mehr Erkrankungen bei Männern.

Ursachen

Die Ursache ist unbekannt, aber immunologische und genetische Faktoren, Veränderungen in den Blutgefäßen sowie bakterielle und virale Infektionen können eine Rolle bei der Entwicklung der Krankheit spielen. Die Behçet-Krankheit ist eine multiple Erkrankung, die Haut, Schleimhäute, Augen, Herz, Blutgefäße, Nieren, Magen-Darm-Trakt, Lunge, Harnwege, zentrales Nervensystem und Gelenke betreffen kann. Den Symptomen liegt häufig eine Entzündung von Blutgefäßen zugrunde.

Symptome

Vor dem Ausbruch der Krankheit können die Patienten eine Reihe unterschiedlicher Symptome zeigen, wie z. B. Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, vermehrtes Schwitzen, niedrige oder erhöhte Temperatur, geschwollene Lymphknoten, Schmerzen unter dem Brustbein und im Schläfenbereich. Wiederkehrende Symptome können etwa 6 Monate bis 5 Jahre vor der Bildung von Geschwüren in den Schleimhäuten auftreten. Die wunden Stellen in der Mundhöhle sind Aphthen, die nicht zu unterscheiden sind von einer gewöhnlichen Aphthe. Viele Patienten berichten von wiederkehrenden Episoden mit Halsschmerzen, Halsentzündungen, Muskelschmerzen und geröteten, schmerzenden Gelenken ohne Entzündung, bevor die Diagnose gestellt wird.

Befunde

Wunde Stellen in der Mundhöhle

Geschwüre in der Mundhöhle (Aphthen), die im Zuge der Behçet-Krankheit auftreten, sind nicht von gewöhnlichen Aphthen zu unterscheiden. Sie können weit verbreitet und schmerzhaft sein, treten oft im Abstand von mehreren Wochen bis Monaten erneut auf und können sich sehr schnell entwickeln. Die Geschwüre können flach oder tief sein (2–30 mm im Durchmesser) und haben in der Regel eine zentrale, gelbliche Oberfläche mit abgestorbenem Gewebe und einen glatten, hochroten Rand. Sie können einzeln oder in Gruppen auftreten und überall in der Mundhöhle vorkommen. Sie bleiben etwa 1–2 Wochen bestehen und verschwinden, ohne dass Narben zurückbleiben.

Wunden Stellen an den Genitalien

Die wunden Stellen an den Genitalien ähneln denen in der Mundhöhle, können aber eine stärkere Narbenbildung verursachen. Sie kommen bei der Mehrzahl der Patienten vor. Bei Männern finden sich die Geschwüre in der Regel am Hodensack, am Penis und in der Leistengegend. Bei Frauen treten sie meist an den Schamlippen, in der Scheide, am Gebärmutterhals und in der Leistengegend auf. Bei Männern entwickelt sich manchmal eine Entzündung der Nebenhoden.

Hautausschläge

Bei den meisten Betroffenen treten verschiedene Hautveränderungen auf. Häufig sind Veränderungen, die der Knotenrose oder Akne ähneln. Außerdem kann es zu Gefäßentzündungen (z. B. Thrombophlebitis), wunden Stellen oder Flecken kommen. Häufig reagiert die Haut mit einem Ausschlag, nachdem man sich an einer Stelle des Körpers gekratzt hat.

Augenentzündung

Dies ist die schwerwiegendste Schädigung, da sie manchmal schnell zu Blindheit führen kann. Augenentzündungen kommen bei etwa der Hälfte der Patienten vor. Verschiedene Augenerkrankungen können auftreten, am häufigsten ist jedoch eine Entzündung im hinteren Teil der Regenbogenhaut (Iritis).

Andere Organe

Eine Reihe von Organen kann von der Krankheit befallen werden, jedoch in einem geringeren Ausmaß als die oben beschriebenen Anzeichen der Erkrankung.

Diagnose

Da es keine Labortests gibt, anhand derer die Diagnose gestellt werden kann, basiert diese auf der Krankengeschichte und den sichtbaren Veränderungen in verschiedenen Organen. Die Anforderungen für die Diagnose wurden in der Vergangenheit mehrfach geändert, aber seit einigen Jahren hält man sich an die „International Criteria for Behçet’s disease“. Allerdings decken auch diese nicht alle Aspekte ab.

Kennzeichnend für die Erkrankung sind wiederholte Episoden mit Aphthen in der Mundhöhle sowie mindestens zwei der folgenden Merkmale:

  • wiederholte Episoden mit Aphthen an den Geschlechtsorganen oder Narbenbildung
  • Augenerkrankung – schwere Entzündungen im Auge
  • Ausschläge mit Hautveränderungen, die der Knotenrose ähneln, Haarbalgentzündungen (Follikulitis) und Akne-ähnliche Ausschläge
  • Beteiligung des zentralen Nervensystems
  • Veränderungen der Blutgefäße
  • Positiver Pathergie-Test: Eine Nadel wird in die Haut eingeführt und evtl. etwas Kochsalzlösung gespritzt. Wenn sich an der Einstichstelle innerhalb von 48 Stunden ein roter, leicht erhöhter Punkt (Papel) bildet, der größer als 2 mm ist, ist der Test positiv.

Es gibt keine Bluttests, die für die Diagnose von Bedeutung sind. Entzündungswerte wie Blutsenkung und das C-reaktive Protein (CRP) können während aktiver Phasen der Erkrankung erhöht sein, spiegeln jedoch die Krankheitsaktivität nur schlecht wider.

Behandlung

Das Ziel der Behandlung ist es, die Symptome zu lindern und Komplikationen vorzubeugen.

Ene Reihe von verschiedenen Therapiemaßnahmen wurde bereits erprobt, die Behandlung ist aber bei weitem nicht zufriedenstellend. Die Therapie führt nicht zu einer Heilung, sondern nur zu einer Linderung. Es ist schwierig, die Wirkung der Behandlung zu beurteilen, da der Krankheitsverlauf sehr wechselhaft ausfällt. Die Krankheit ist zudem sehr selten, und es wird nur sehr wenig Forschung zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten betrieben.

Die Anwendung einer Kortisonsalbe ist bei leichten Fällen oft ausreichend. Betrifft die Erkrankung hingegen mehrere Organe, ist eine immunsuppressive Behandlung mit Tabletten, z. B. mit Kortison, erforderlich.

Zudem sollten Betroffene nicht rauchen, um Geschwüren in der Mundhöhle (Aphthen) vorzubeugen.

Lokale Behandlung

Verschiedene Wirkstoffe können angewandt werden, um die Symptome von Aphthen im Mund zu lindern und ihnen vorzubeugen. Tinkturen mit Myrrhe oder Ratanhia wirken adstringierend, d. h. zusammenziehend, und entzündungshemmend. Auch antiseptische oder antibiotische Mundspüllösungen (z. B. Chlorhexidin) können helfen.

Kortisonsalben sind wirksam bei Geschwüren in der Mundhöhle oder an den Genitalien, wenn sie bereits beim Ausbruch der Erkrankung eingesetzt werden. Andere geeignete Mittel können Lokalanästhetika (z. B. Lidocain) sein.

Tablettenbehandlung (systemische Therapie)

Kein Medikament hat sich als besonders wirksam erwiesen. Gegen die Schmerzen können Sie sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) einnehmen, diese können jedoch selbst Aphthen verursachen.

Bei schweren Ausbrüchen mit zahlreichen Aphthen oder wenn innere Organe beteiligt sind kann Ihre Ärztin/Ihr Arzt Kortisontabletten verschreiben. Obwohl Kortikosteroide bei einem akuten Ausbruch wirksam sind, gibt es keine Belege, dass sie die langfristige Verschlimmerung der Erkrankung verhindern können. Wenn die Kortison-Behandlung keine Erfolge zeigt, können zahlreiche andere immunsuppressive Medikamente erprobt werden.

Augenentzündungen, die im Rahmen der Behçet-Krankheit auftreten, werden vorwiegend mit sogenannten TNF-alpha-Blockern, die entzündungshemmend wirken, behandelt.

Operation

In seltenen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, wenn schwerwiegende Komplikationen auftreten, z. B. wenn sich Löcher im Darm, Fisteln zwischen Darm und Haut, Ausbuchtungen in den Blutgefäßen (Aneurysma) oder Blutgerinnsel bilden. Eine langsame Wundheilung oder Entzündungen rund um die operierte Stelle sind bei der Behçet-Krankheit relativ häufig.

Prognose

Der Verlauf der Erkrankung variiert, selbst in einem frühen Stadium, sodass es schwierig ist, eine Langzeitprognose aufzustellen. Ein chronischer Verlauf mit häufig wiederkehrenden Krankheitsschüben ist jedoch typisch. Diese Episoden dauern mehrere Wochen an und sind am Beginn des Krankheitsverlaufs am stärksten ausgeprägt.

Augenentzündungen sind für die meisten Betroffenen das schwerwiegendste Symptom der Erkrankung und können in manchen Fällen zur Erblindung führen. Die Auswirkungen der Erkrankung nehmen mit der Zeit zu, insbesondere hinsichtlich der Schäden am Nervensystem, an den Blutgefäßen und den Augen.

Die Prognose ist in den meisten Fällen gut und die Krankheitsaktivität nimmt häufig über einen Zeitraum von 20 Jahren allmählich ab. Komplikationen mit Schäden am Gehirn oder Herz-Kreislauf-System können in seltenen Fällen zum Tod führen. Die Sterblichkeit ist insgesamt jedoch gering.

Weitere Informationen

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  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Morbus Behçet. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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