Zöliakie (Glutenintoleranz)

Bei Zöliakie kommt es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems auf das Klebereiweiß Gluten, das in vielen Getreidesorten vorkommt. Die Betroffenen leiden am häufigsten unter chronischem Durchfall. Jedoch kommen auch zahlreiche weitere Symptome, auch außerhalb des Magen-Darm-Traktes, vor. Die Behandlung besteht in einer lebenslangen glutenfreien Ernährung.

Was ist Zöliakie?

Definition

Zöliakie ist eine chronische Erkrankung, bei der eine Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß Gluten bzw. dessen Bestandteil Gliadin vorliegt. Diese sind in vielen gängigen Getreidesorten enthalten und werden über die Nahrung aufgenommen. Bei einer Zöliakie richtet sich das Immunsystem unter glutenhaltiger Nahrung gegen Gliadin selbst und gegen ein bestimmtes Enzym (Gewebetransglutaminase), das u. a. im Dünndarm wichtige Funktionen für die dort vorhandenen Zellen hat. Infolgedessen kommt es zu einer chronischen Entzündung der Darmschleimhaut, die die Darmzellen des sog. Bürstensaums und die Darmzotten zunehmend zerstört. Die Folgen sind Störungen der Verdauung, und die Aufnahme vieler wichtiger Vitamine und anderer Nährstoffe wird eingeschränkt.

Es gibt verschiedene Stadien der Zöliakie. Viele Betroffene haben keine Beschwerden und auch keine sichtbaren Veränderungen der Darmschleimhaut, weisen jedoch bestimmte typische Blutwerte (Antikörper) auf. Andere zeigen Antikörper und Veränderungen der Darmzellen, aber trotzdem keine oder kaum Symptome. Bei der klassischen Zöliakie jedoch sind bestimmte Antikörper und die Zellveränderungen im Dünndarm nachweisbar und die Betroffenen leiden an Symptomen wie Durchfall.

Abzugrenzen von der Zöliakie ist die Weizenallergie, bei der die Nahrungsmittelunverträglichkeit über andere Mechanismen des Immunsystems vermittelt wird, die aber den Symptomen einer Zöliakie ähneln kann. Außerdem gibt es Unverträglichkeiten von Weizen, die keiner der beiden Erkrankungen zugeordnet werden können. Man bezeichnet diese auch als (Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-) Weizensensitivität.

Symptome

Die meisten Betroffenen mit Zöliakie sind symptomfrei. Die häufigsten Symptome bei Zöliakie sind Magen-Darm-Beschwerden. Viele Betroffene klagen über Durchfall, Blähungen, übelriechenden Stuhl und Bauchschmerzen, aber auch wechselnde Stuhlgewohnheiten und Verstopfung können vorkommen. Jedoch können Verdauungsbeschwerden auch vollständig fehlen!

Kinder, bei denen eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen besonders wichtig ist, wachsen mitunter auch schlechter und entwickeln sich langsamer. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen können verschiedene Haut- und Schleimhautveränderungen auftreten (z. B. Dermatitis herpetiformis Duhring).

In manchen Fällen treten Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Leistungsminderung oder Depressionen auf. Es gibt kaum Beschwerden, die eine Zöliakie ausschließen – auch Übergewicht und Verstopfung können vorkommen.

Ursachen

Die Ursache für Zöliakie liegt in einer Unverträglichkeit des Eiweißes Gluten. Dieses Klebereiweiß kommt in vielen Getreidesorten vor und wird über die Nahrung aufgenommen. Patient*innen mit Zöliakie bilden Antikörper gegen Gluten und seine Bestandteile, zudem entstehen Autoantikörper gegen das Enzym Gewebstransglutaminase. Die Erkrankung wird durch eine Autoimmunreaktion verursacht. Das körpereigene Abwehrsystem greift dabei Zellbestandteile im Dünndarm an und zerstört die den Darm auskleidenden Schleimhautzellen. Infolgedessen verschwinden die Schleimhautausstülpungen (Zotten), die die Darmoberfläche vergrößern und so die Aufnahme von Nährstoffen steigern (Zottenatrophie, siehe Abbildung). In der Folge ist die Nährstoffaufnahme gestört. Viele Nahrungsbestandteile verbleiben unverdaut im Darm und werden ausgeschieden statt in den Körper aufgenommen. Es kommt zu Durchfall und Mangelernährung.

Bestimmte Erbfaktoren (sog. HLA-Antigene) erhöhen das Risiko für die Entstehung einer Zöliakie. Weitere Auslöser sind nicht bekannt, aber möglicherweise spielen die aufgenommene Glutenmenge in den ersten Lebensjahren, Magen-Darm-Infekte oder ein verändertes Darmmikrobiom eine Rolle.

Viele Patient*innen mit Zöliakie leiden zusätzlich an anderen Autoimmunkrankheiten (z. B. Typ-1-DiabetesHashimoto-Thyreoiditis oder sog. Kollagenosen wie Sjögren-Syndrom), aber auch an Epilepsie, psychischen Erkrankungen (z. B. DepressionAngststörungen), MigräneAsthma bronchiale, Hauterkrankungen (z. B. Psoriasis) oder angeborenen Krankheiten wie Trisomie 21

Häufigkeit

In Europa sind schätzungsweise 0,7–1,4 % der Bevölkerung von Zöliakie betroffen. In Deutschland leiden 1 von 250 Personen daran. Bei Frauen tritt die Erkrankung etwas häufiger auf als bei Männern. 

Zöliakie tritt häufig im Säuglings- und Kleinkindalter das erste Mal auf, kann aber in jedem Alter diagnostiziert werden. Ist ein Verwandter 1. Grades (Elternteil, Kind) betroffen, so beträgt die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls zu erkranken, 7 %.

Untersuchungen

  • In den meisten Fällen lenken die o. g. Symptome den Verdacht auf Zöliakie. Lediglich wenn Familienmitglieder von der Erkrankung betroffen sind, wird gezielt nach der Erkrankung gesucht, auch wenn keine typischen Symptome bestehen.
  • Wichtig ist, dass die Untersuchungen durchgeführt werden, wenn die Nahrung noch weiterhin Gluten beinhaltet. Unter glutenfreier Ernährung normalisieren sich in vielen Fällen die Befunde, und die Untersuchungen ergeben trotz Zöliakie negative Ergebnisse.

Laboruntersuchungen

  • In Blutuntersuchungen werden Antikörper gegen Gewebstransglutaminase (tTG-Ak) bestimmt.
  • Bei Erwachsenen können ggf. zusätzlich Antikörper gegen bestimmte Bestandteile des Bindegewebes (Endomysium) gemessen werden.
  • In der Apotheke sind auch frei verkäufliche Tests auf Antikörper erhältlich, die als selbstständig durchführbare Schnelltests beworben werden. Da die Zuverlässigkeit dieser Tests oft unklar ist und ihre Interpretation schwierig sein kann, wird von ihrer Verwendung abgeraten.
  • Bei einem erhöhten erblichen Risiko für Zöliakie kann ermittelt werden, ob bestimmte genetische Varianten vorliegen, bei denen Zöliakie gehäuft vorkommt.
  • Da die genannten Beschwerden auch Folge verschiedener anderer Krankheiten sein können, werden auch eine Reihe anderer Werte sowie Nährstoffe/Vitamine im Blut bestimmt, um andere Krankheiten nicht zu übersehen und einschätzen zu können, ob eine Mangelernährung besteht.

Endoskopie

  • In den meisten Fällen wird bei Verdacht auf Zöliakie außerdem eine Magen-/Dünndarmspiegelung (Endoskopie) durchgeführt. In Gewebeproben lässt sich typischerweise eine Entzündung der Darmwand nachweisen sowie die oben beschriebene Zottenatrophie.
  • In einigen Fällen, wenn Bluttests eindeutig erhöhte Werte für zöliakiespezifische Autoantikörper ergeben, kann evtl. auf Gewebeproben verzichtet werden.

Behandlung

  • Die Behandlung einer Zöliakie erfolgt mittels einer glutenfreien Ernährung. Diese sollte dauerhaft erfolgen, da die Unverträglichkeit ein Leben lang fortbesteht.
  • Ziel ist eine aufgenommene Glutenmenge von unter 10 mg pro Tag.
  • Die glutenfreie Ernährung sollte erst begonnen werden, wenn eine endgültige Diagnose feststeht.
  • Es gibt keine Medikamente, die als Alternative zur glutenfreien Ernährung eingesetzt werden können.
  • Eine Ernährungstherapie durch eine Ernährungsfachkraft wird empfohlen.
  • Wenn Beschwerden auch nach dem Verzehr von Milchprodukten und laktosehaltigen Lebensmitteln auftreten, kann eine (vorübergehende) laktosereduzierte oder laktosefreie Ernährung vorteilhaft sein.
  • Bei nachgewiesenem Nährstoffmangel ist ggf. die Zufuhr von Eisen, Vitamin D, Kalzium, Folsäure, Vitamin A, B-Vitaminen, Kupfer und Zink erforderlich.

Was können Sie selbst tun?

  • Verwenden Sie nur glutenfreie Getreide und deren Erzeugnisse mit dem Symbol der durchgestrichenen Ähre oder der Aufschrift „glutenfrei“, da andere Produkte ein erhöhtes Risiko für eine unbeabsichtigte Verunreinigung aufweisen.
  • Gluten ist u. a. in folgenden Getreidesorten und somit in den hieraus produzierten Produkten enthalten:
    • Weizen
    • Roggen
    • Gerste
    • Dinkel
    • Grünkern
    • Kamut
    • Emmer
    • Urkorn
    • Einkorn.
  • Zu beachten ist, dass auch viele Fertigprodukte Gluten enthalten können, z. B. Fertigsoßen/-suppen, Konserven, Imbissprodukte, Instantkaffee/-tee, Joghurt, Eiscreme, Kondensmilch, Salatdressing, Tomatensoße, Ketchup, Senf, Streichkäse, Wurst, Schokolade. Lesen Sie im Zweifel die Angaben der Inhaltsstoffe genau.
  • Als glutenfrei gelten hingegen:
    • Kartoffeln
    • Mais
    • Reis
    • Hirse
    • Amaranth
    • Buchweizen
    • Chiasamen
    • Hanf
    • Hülsenfrüchte
    • Kastanie
    • Kochbanane
    • Kokosmehl
    • Leinsamen
    • Lupinen
    • Maniok
    • Nussmehle
    • Soja
    • Quinoa
    • Tapioka
    • Traubenkernmehl.
  • Hafer ist glutenfrei, jedoch produktionsbedingt oft mit anderen, glutenhaltigen Getreidesorten verunreinigt. Daher sollte nur als glutenfrei gekennzeichneter Hafer zugeführt werden.
  • Vielen Patient*innen hilft außerdem der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen. Ansprechpartner*innen vermittelt beispielsweise die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V., die außerdem Ratschläge zur Ernährung bereithält und eine Beratung durch Ernährungsfachkräfte anbietet.

Vorbeugung

  • Sind enge Verwandte betroffen, ist das Risiko für eine Zöliakie erhöht, und es ist sinnvoll, sich frühzeitig testen zu lassen.
  • Grundsätzlich wird empfohlen, Säuglingen ab Beginn des 5. Lebensmonats schrittweise glutenhaltiges Getreide anzubieten und darauf zu achten, ob es zu Verdauungsstörungen kommt. 
  • Zusätzlich zu den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allgemein empfohlenen Impfungen sollte eine Pneumokokken-Impfung durchgeführt werden.

Prognose

Unter konsequent glutenfreier Ernährung bessern sich bei den meisten Betroffenen mit Zöliakie die Symptome innerhalb weniger Wochen. In Gewebeproben lässt sich wenige Monate später in der Regel keine Schädigung der Schleimhaut mehr nachweisen. Bei einigen Patient*innen bessern sich die Symptome jedoch trotz glutenfreier Ernährung nicht. Bei weniger als 1 % der Betroffenen entwickelt sich eine refraktäre Zöliakie, bei der trotz glutenfreier Ernährung die Schleimhautveränderungen im Dünndarm bestehen bleiben.

Patient*innen mit Zöliakie tragen ein erhöhtes Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Osteoporose, Wachstumsverzögerung, verminderte Fertilität, Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse, Störungen der Nervenfunktion (Polyneuropathie) und andere. Auch das Risiko für Lymphdrüsenkrebs (Lymphom) ist erhöht, sinkt jedoch unter einer glutenfreien Ernährung etwas ab. Das erhöhte Risiko für andere Krebsarten reduziert sich hingegen deutlich durch eine entsprechende Ernährung und gleicht dann dem der Allgemeinbevölkerung. 

Kontrolluntersuchungen

  • Es werden regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen. 
  • Kinder mit Zöliakie sollen von Kindergastroenterolog*innen behandelt werden.
  • Im Rahmen der Kontrollbesuche werden die Symptome erfasst und die Ernährung besprochen.
  • Zusätzlich werden die Antikörperspiegel im Blut bestimmt. Ggf. werden auch die Werte bestimmter Nährstoffe im Blut gemessen.
  • Eine wiederholte Magenspiegelung mit Probenentnahme wird meist nur bei Fortbestehen oder Wiederauftreten von Beschwerden durchgeführt.
  • Ab einem Alter von 50 Jahren wird eine Knochendichtemessung empfohlen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Zöliakie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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  3. BMJBestPractice. Coeliac disease. Stand 28.10.2022 (letzter Zugriff am 28.11.2022). bestpractice.bmj.com
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