Nachweis einer Tuberkuloseinfektion

Untersuchung auf eine latente Tuberkuloseinfektion (LTBI)

  • Zum Nachweis einer latenten tuberkulösen Infektion stehen derzeit der Tuberkulin-Hauttest (THT) mittels Mendel-Mantoux-Methode sowie Interferon-Gamma-Tests (IGRA, Bluttest) zur Verfügung.
  • Bei Erwachsenen wird empfohlen, die Untersuchung nur mit dem IGRA-Test (Interferon-Gamma Release Assay/Interferon-Gamma im Blut) durchzuführen.1
  • Aufgrund fehlender Evidenz über die Zuverlässigkeit von IGRAs bei Kindern unter 5 Jahren bleibt der Tuberkulin-Hauttest (THT) in dieser Altersgruppe Mittel der Wahl; bei älteren Kindern können beide Tests angewendet werden.1-4
  • Zu einer vollständigen differenzialdiagnostischen Abklärung des Krankheitsbildes gehören zudem:2
    • Anamnese und körperliche Untersuchung
    • bildgebende Diagnostik, in der Regel Röntgenthorax in zwei Ebenen
    • bakteriologische Diagnostik.
  • Näheres zur Diagnostik bei Verdacht auf aktive Tuberkulose siehe den Artikel Tuberkulose.

Tuberkulin-Hauttest (THT)

  • Das Tuberkulin wird als intrakutane Injektion verabreicht.
  • Der Test wird eingesetzt:
    1. zum Nachweis einer Immunreaktion auf Tuberkuloseerreger bei Kindern und Jugendlichen 
    2. um die Ansteckung im Umfeld einer Person mit Lungentuberkulose zu kartieren.
  • Bei aktiver Erkrankung häufig stark positiv
  • Validität
    • Kann sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse zeigen.
      • Sensitivität: ca. 80 %
      • Spezifität: ca. 70 %5
    • erhöhtes Risiko für falsch negatives Ergebnis bei:
      • HIV-Infektion aufgrund der reduzierten zellulären Immunität
      • immunsuppressiver Therapie
      • über 60-Jährigen
      • Patienten mit schwerer, lebensbedrohlicher Tuberkulose, z. B. Miliartuberkulose
      • Neuinfizierten vor Ablauf der Inkubationszeit („präallergische Phase“).
    • erhöhtes Risiko für falsch positives Ergebnis bei:
      • Infektion mit nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM)
      • vorausgegangener BCG(Bacillus Calmette-Guérin)-Impfung.
  • Neuansteckung bei Kindern
    • Nicht-Geimpfte, bei denen der Tuberkulintest von negativ auf positiv umschlägt.
    • Eine positive Reaktion ist definiert als Induration (Schwellung) von 6 mm oder mehr.
    • Superinfizierte, d. h. BCG-Geimpfte, bei denen es zu einer deutlichen Zunahme der Reaktion im Tuberkulintest kommt.
      • positive Reaktion mit Zunahme des Infiltrats von 4 mm oder mehr im Verhältnis zur relativ frischen Ausgangsprobe
  • Verdacht auf vorliegende Tuberkuloseinfektion
    • Eine Induration von 6–14 mm wird als eine milde bis schwach positive Reaktion bewertet.
      • Überweisung, falls die Betroffenen eine bekannte Exposition haben, d. h. einer Risikogruppe angehören.
    • Eine Induration ≥ 15 mm wird als eine stark positive Reaktion bewertet.
      • Überweisung unabhängig von bekannter Exposition oder bekannter Risikogruppe

IGRA(Interferon-Gamma Release Assay)-Bluttest

  • Immunologisches Testprinzip
    • Die Tests weisen nach, dass das Immunsystem bereits Kontakt mit Tuberkuloseerregern hatte.
    • T-Lymphozyten werden dazu mit M.-tuberculosis-spezifischen Antigenen versetzt. Setzen sie daraufhin Interferon-Gamma frei, ist der Test positiv.
    • quantitative Messung der Interferon-Gamma-Freisetzung
  • IGRA weisen die Infektion mit Mycobacterium tuberculosis sowohl bei einer latenten Tuberkulose als auch beim Verdacht auf eine aktive tuberkulöse Erkrankung nach.
  • Die Tests erfordern nur einen Arztkontakt, geben eine Ja-/Nein-Antwort und weisen eine hohe Spezifität auf (deutlich höher als beim THT).
    • Es ist nicht erforderlich, vor dem IGRA einen THT durchzuführen.
  • Zwei Bluttests sind kommerziell zugänglich (Interferonnachweis mittels ELISA und ELISPOT-Verfahren) und messen auf unterschiedliche Weise, inwieweit die T-Lymphozyten der Testpersonen bei der Exposition mit ESAT-6- und/oder CFP-10-Antigenen Interferon-Gamma produzieren. Sie werden RD1-Interferon-Gamma-basierte Tests genannt.
  • Klinische Epidemiologie
    • Die Spezifität ist wesentlich höher (98–99 %) als beim Tuberkulintest, da IGRA zwischen einer Ansteckung durch M.-tuberculosis-Komplexe und einer Ansteckung mit NTM oder den Antigenen einer BCG-Impfung unterscheiden.
    • Die Sensitivität für IGRA wird in Studien mit 70–97 % angegeben, variiert aber je nachdem, welcher Test angewendet und welche Population getestet wird (la).6
      • Man geht davon aus, dass die Sensitivität der IGRA mindestens so hoch ist, wie die der THT. 2

Weitere Untersuchungen

Bildgebende Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • In der Regel genügt der Rö-Thorax in zwei Ebenen.
    • typischer Befund: Infiltrate im oberen Lungenlappen, Kavernen, hiläre und paratracheale Adenopathie
    • Die Veränderungen können aber auch weniger deutlich ausgeprägt sein.
    • Sollte auch bei Schwangeren bei Verdacht auf eine Tuberkulose, z. B. bei positivem IGRA, erfolgen.
      • Je nach Risikoeinschätzung kann es vertretbar sein, die Röntgenaufnahme erst nach Abschluss der Organogenese, d. h. nach dem 1. Trimenon, durchzuführen.
  • CT Thorax in besonderen Situationen, z. B.:
    • komplexe Differenzialdiagnose
    • unklarer Befund im Röntgenthorax.
  • Diagnostik weiterer Körperregionen bei Verdacht auf extrathorakale Tuberkulose (Näheres siehe Artikel Tuberkulose)

Bakteriologische Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2,7

Probengewinnung 

  • Probenmaterial
    • in der Regel aus:
      • Sputum, Bronchial- oder Trachealsekret
    • bei entsprechendem Verdacht aus:
      • Magensaft
      • Urin
      • Pleuraexsudat
      • Liquor
      • anderen Punktaten oder Biopsaten, z. B. aus vergrößerten Lymphknoten, Harnleiter, Darm, Gelenken.
  • 3 x Expektorat zur Kultivierung von Mykobakterien
    • Die diagnostisch wichtigste Probe wird vom ersten Abhusten am Morgen genommen. Die Patienten sollen Schleim aus den Bronchien abhusten (kein Mundschleim).
      • Probenabgabe an 3 aufeinanderfolgenden Tagen
      • evtl. induzierter Husten nach Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung (3 % oder 4,8 % sind in Gebrauch) 
        • Vorsicht: Schützen Sie sich vor Ansteckung über Aerosole!
      • Verwendung eines sterilen, dichten Einmalbehälter ohne Zusätze.

Mikroskopie

  • Zur schnellen Abklärung des Infektionsrisikos
  • In 50–80 % der später in der Kultur bestätigten Tuberkulosefälle sind bereits in der Mikroskopie des Probenmaterials säurefeste Stäbchen sichtbar.
  • Keine Differenzierung zwischen Tuberkel- und anderen Mykobakterien möglich

Bakterienkultur

  • In flüssigem Kulturmedium kann nach 7–21 Tagen ein Bakterienwachstum nachgewiesen werden.8
  • Bei 15–20 % der Patienten mit Lungentuberkulose sind die Kulturen negativ9, bei Kindern ist der Anteil an falsch negativen Resultaten häufig deutlich höher.
  • Die Resistenzbestimmung ist von großer Bedeutung.
  • Bebrütungdauer
    • Flüssigmedien ≤ 6 Wochen
    • Festmedien ≤ 8 Wochen

Molekularbiologische Diagnostik

  • In der Regel mittels Nukleinsäureamplifikationstest (NAT), meist via PCR (Xpert MTB/RIF)
  • Im Sputum können mit hoher Sensitivität und Spezifität Tuberkulosekeime nachgewiesen werden.
    • Bei mikroskopisch negativen Proben beträgt die Sensitivität allerdings nur 80–90 %. In jedem Fall ist eine weitere Untersuchung in der Bakterienkultur erforderlich.
  • Die Methode liefert im Laufe einer Stunde das Ergebnis, und kann zudem eine Rifampicinresistenz nachweisen. Dies macht eine frühere und gezieltere Behandlung möglich.
  • Indikationsuntersuchung zum schnellen Nachweis bei:
    • begründetem Verdacht und mikroskopisch negativem Sputum bei besonders gefährdeten Patienten, z. B. AIDS-Patienten, Kleinkindern
    • schweren Krankheitsbildern, z. B. generalisierte Erkrankung oder tuberkulöse Meningitis.
  • Nicht als Verlaufsuntersuchung geeignet, wegen positiver Ergebnisse durch DNA- und RNA-Reste aus abgetöteten Bakterien 
  • Die WHO unterstützt die Verwendung der PCR-Technologie finanziell, sodass sie auch in ökonomisch benachteiligten Ländern zum Einsatz kommen kann.10
  • DNA-Sequenzierungsverfahren zur molekularen Typisierung des Erregers („DNA-Fingerabdruck") kommen nicht routinemäßig zum Einsatz, können aber wertvolle epidemiologische Informationen zu Infektionsketten geben.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Tuberkulose im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 020-019. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektologie (DGPI). Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 048-016. S2k, Stand 2017. www.awmf.org 

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). S2k Leitlinie: Tuberkulose im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 020-019, Stand 2017. www.awmf.org
  2. Robert Koch Institut (Hrsg.) RKI-Ratgeber für Ärzte: Tuberkulose (Fassung: Januar 2013). Berlin, Robert Koch Institut www.rki.de
  3. Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65(6): 359-378. doi:10.1055/s-0030-1256439 DOI
  4. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektologie (DGPI). S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 048-016, Stand 2017. www.awmf.org
  5. Stout JE, Wu Y, Ho CS, Pettit AC, Feng PJ et al. Evaluating latent tuberculosis infection diagnostics using latent class analysis. Thorax 2018; 73(11): 1062-1070. PMID: 29982223 PubMed
  6. Pai M, Zwerling A, Menzles D. Systematic review: T-cell-based assays for the diagnosis of latent tuberculosis infection: an update. Ann Intern Med 2008;149(3):177-84. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. MIQ 5: Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik; Podbielski, A.; Herrmann, M.; Kniehl, E.; Mauch, H.; Rüssmann, H. (Hrsg.) Heft Tuberkulose / Mykobakteriose; Autoren: Richter, E.; Beer, J.; Diel, R.; Hillemann, D.; Hoffmann, H.; Klotz, M.l; Mauch, H.; Rüsch-Gerdes, S.; ISBN: 978-3-437-41531-9; 2. Aufl. 2010, 78 Seiten
  8. Morgan MA, Horstmeier CD, DeYoung DR, Robers GD. Comparison study of a radiometric method (BACTEC) and conventional culture media for recovery of mycobacteria from smear-negative specimens. J Clin Microbiol 1983; 18: 384-88. PubMed
  9. American Thoracic Society, Centers for Disease Control and Prevention. Diagnostic standards and classification of tuberculosis in adults and children. Am J Respir Crit Care Med 2000; 161: 1376-95. PubMed
  10. WHO: Global tuberculosis report 2018, Stand 18.9.2018. www.who.int

Autor

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg

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