Zusammenfassung
- Definition:Tendopathien im Bereich des Fußes und Unterschenkels.
- Häufigkeit:Relativ häufig, insbesondere unter Athlet*innen.
- Symptome:Belastungsabhängige Schmerzen im Sehnenbereich, etwa bei Aktivitäten wie Laufen.
- Befunde:Als klinische Befunde liegen eine Druckschmerzhaftigkeit der Sehne und ein positiver isometrischer Belastungstest vor.
- Diagnostik:Sonografie zur dynamischen Untersuchung der Sehnen.
- Therapie:Entlastung, physiotherapeutische Maßnahmen und Behebung möglicher (biomechanischer) Ursachen der Tendopathie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Im Bereich des Knöchels und Unterschenkels können verschiedene Tendopathien auftreten:
- Tendopathie der Tibialis-anterior-Sehne
- Tibialis-posterior-Syndrom
- Tendopathie der Peroneussehne
- Tendopathie der Achillessehne
Häufigkeit
- Die Erkrankungen sind relativ weit verbreitet.
- Läufer*innen sind besonders häufig betroffen.
Ätiologie und Pathogenese
- In der Regel führen repetitive Mikrotraumata zu einer Tendopathie, vor allem in Sehnenbereichen mit einer schlechten Vaskularisierung.
- bei der Achillessehne z. B. 2‒7 cm proximal des Ansatzes am Kalkaneus geringere Blutversorgung und dadurch häufig Stelle der Tendopathie1
- Mikrotraumata beim Laufen können vor allem entstehen durch:
- Veränderungen des Aktivitätsniveaus
- aufgrund von ungeeignetem Schuhwerk
- Training auf hartem Untergrund
- Training in kaltem Klima.2
Prädisponierende Faktoren
- Erhöhte Belastung der Sehnen durch folgende biomechanische Faktoren:
- Fußfehlstellungen, insbesondere Überpronation (Plattfuß)
- Adipositas
- Die Elastizität der Sehnen wird negativ beeinflusst durch:
- zunehmendes Alter3
- chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus.4
ICPC-2
- L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis NNB
ICD-10
- M76 Enthesopathien der unteren Extremität mit Ausnahme des Fußes
- M76.6 Tendinitis der Achillessehne
- M76.7 Tendinitis der Peronäussehne(n)
- M76.8 Sonstige Enthesopathien der unteren Extremität mit Ausnahme des Fußes, inkl. Tendinitis des M. tibialis posterior
- M76.9 Enthesopathie der unteren Extremität, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Lokalisation, Anamnese und klinische Befunde
- Sonografie zur Darstellung von Veränderungen/Verletzungen der Sehne
Differenzialdiagnosen
- Periostitis der Tibia
- Ermüdungsfraktur im Unterschenkel
- Arthrose des Sprunggelenks
- Akute Sprunggelenksverletzung, z. B. des Bandapparats
Anamnese
- Initial häufig dumpfe Schmerzen im Sehnenbereich
- belasungsabhängig, etwa bei Aktivitäten wie dem Laufen
- später auch Ruheschmerz möglich
- Im Verlauf kann bei einer chronischen Sehnenschädigung eine Morgensteifigkeit beobachtet werden.
Klinische Untersuchung
- Schwellung der gereizten Sehne möglich
- Druckschmerzhaftigkeit bei Palpation der Sehne
- Positiver isometrischer Belastungstest der Sehne
- Anspannen des Muskels gegen Widerstand führt zu Schmerzen.
Tendopathie der Tibialis-anterior-Sehne
- Der vordere Schienbeinmuskel entspringt dem Condylus lateralis tibialis und setzt am Os cuneiforme mediale sowie der Basis des Os metatarsale I an.
- Hauptfunktion ist die Fußhebung.
- Die isometrische Dorsalextension des Fußes löst Schmerzen aus.
- Bei Funktionsausfall der Sehne kommt es zum Steppergang.
Tibialis-posterior-Syndrom
- Verlauf der Sehne direkt hinter dem Malleolus medialis
- Ansatz an Tuberositas des Os naviculare (auf der medialen Seite des Fußes) und den mittleren Teilen der plantaren Bereiche des Tarsus (Mittelfuß)
- Wichtigster dynamischer Stabilisator für das mediale Längsgewölbe5
- Kontraktion der Sehne führt zu Inversion und Plantarflexion des Fußes und trägt zur Anhebung des medialen Fußgewölbes bei.
- Stabilisierung der Knochen des Rück- und Mittelfußes
- Kontraktion der Sehne führt zu Inversion und Plantarflexion des Fußes und trägt zur Anhebung des medialen Fußgewölbes bei.
- Inspektion
- bei Insuffizienz der Sehne (z. B. bei Ruptur) „akuter" Plattfuß mit Valgusstellung des Rückfußes
- Schwellung im Bereich des Malleolus medialis?
- Palpation
- Als knöcherne Landmarke kann das Sustentaculum tali knapp unterhalb vom Malleolus medialis getastet werden.
- Durch forcierte Eversion kommt es noch prominenter hervor.
- Zwischen Sustentaculum und Malleolus kann die Sehne palpiert werden: in normalem Zustand in der Regel nicht palpabel, bei Tendopathie verdickt und schmerzhaft, bei Ruptur kann ggf. ein Defekt getastet werden.
- Zusätzlich kann der Sehnenansatz an der Tuberositas des Os naviculare palpiert werden.
- Als knöcherne Landmarke kann das Sustentaculum tali knapp unterhalb vom Malleolus medialis getastet werden.
- Körperliche Untersuchung
- Die Kraft der Tibialis-posterior-Sehne mit einem isometrischen Test im Seitenvergleich überprüfen: Fuß gegen Widerstand invertieren und plantar flektieren.
- „Single Heel Rise Sign": Patient*in soll im Einbeinstand die Ferse jeder Seite jeweils 10 x anheben. Positiv bei Unvermögen, deutet auf Schädigung der Tibialis-posterior-Sehne hin (DD u. a. Schädigungen der Achillessehne oder S1-Symptomatik bei Bandscheibenvorfall).
Tendopathien der Peroneussehne
- Peronealmuskulatur liegt auf der lateralen Seite des Unterschenkels.
- Hauptfunktion Eversion
- zusätzlich Aufspannen des Quergewölbes
- Die isometrische Eversion des Fußes löst Schmerzen aus.
Tendopathie der Achillessehne
- Sehnen des Musculus gastrocnemius und Musculus soleus vereinigen sich zu Achillessehne und setzen am Kalkaneus an.
- Hauptfunktion Plantarflexion
- Häufig druckschmerzhafte Schwellung der Achillessehne, bei chronischer Entzündung oft Noduli in der Sehne palpabel.
- Der Zehengang ist schmerzhaft, ebenso die isometrische Plantarflexion gegen Widerstand.
Weitere Diagnostik bei Spezialist*innen
Sonografie
- Dynamische Untersuchung der Sehnen möglich
- Dopplersonografie liefert dabei wichtige Zusatzinformationen über eine lokale Hyperämie im Rahmen von entzündlichen Prozessen sowie die intra- und peritendinöse Gefäßsitutation/Neovaskularisation.6
Therapie
Therapieziele
- Schmerzen lindern.
- Funktionsfähigkeit wiederherstellen, Rückkehr zu körperlicher Aktivität.
- Rezidive verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Entlastung
- NSAR
- Anpassung der Trainingsgestaltung
- Behandlung möglicher Ursachen, z. B. Übergewicht oder Fußfehlstellungen
Empfehlungen für Patient*innen
- Bei adipösen Patient*innen Gewichtsabnahme zur geringeren Belastung der Sehnen
- In der akuten Phase
- Die Aktivität sollte je nach Grad und Dauer der Schmerzen verringert werden.
- Zur Linderung akuter Schmerzen kann Eis eingesetzt werden.
- Auswahl der Laufschuhe
- bei Beschwerden professionelle Beratung, z. B. durch Orthopädietechniker*in
- Regelmäßiger Wechsel, damit stoßdämpfende Eigenschaften der Schuhe erhalten bleiben.
Medikamentöse Therapie
- Ggf. NSAR in der akuten Phase
- bei Risikofaktoren Magenschutz
- Lokale Anwendung von NSAR-haltigen Salben wirkt ebenfalls schmerzlindernd.7
- Steroidinjektionen sollten sehr zurückhaltend eingesetzt werden, da sie das Risiko für Sehnenrupturen bei intratendinöser Injektion deutlich erhöhten.
Weitere Therapieoptionen
- Exzentrische Dehnübungen
- Muskelverlängernde Dehnübungen über mindestens 3 Monate sind die Therapie der Wahl bei Achillessehnen-Tendopathien.8
- Physiotherapie
- Kräftigung und Dehnung der betroffenen Muskeln und Sehnen, um das Rezidivrisiko zu senken.
- Fersenerhöhung
- zur Entlastung bei einer Achillessehnen-Tendopathie
- Stoßwellentherapie
- Kann bei therapierefraktären Beschwerden der Achillessehnen-Tendopathie eingesetzt werden und zeigt eine gute Wirksamkeit.9
- Querfriktionsmassage des betroffenen Sehnenbereichs kann schmerzlindernd wirken.
Prävention
- Vorsichtige Steigerung der Trainingsintensität
- Geeignete Laufschuhe
- Vermeidung des Trainings auf harten Untergründen
- Angemessenes Aufwärmprogramm vor dem Training
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Symptome verschwinden bei adäquater Entlastung und Therapie innerhalb von wenigen Wochen.
Komplikationen
- Chronische Beschwerden mit bindegewebigem Umbau der Sehne
- Ruptur der Sehne
Prognose
- Die Prognose ist gut, wenn frühzeitig eine Entlastung und adäquate Behandlung erfolgen.
- Die Tendinopathie kann eine chronische Ausprägung annehmen, wenn die Patient*innen die Belastung trotz der Schmerzen aufrechterhalten.
- Wird eine zugrunde liegende Ursache nicht korrigiert, kommt es häufig zu Rezidiven.
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Van Dijk CN, van Sterkenburg MN, Wiegerinck JI, et al. Terminology for Achilles tendon related disorders. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2011; 19: 835-41. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Khan KM, Cook JL, Taunton JE: Overuse tendinosis, not tendinitis. Phys and Sports Med 2000; 28(5): 38-48. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Sharma P, Maffulli N. Tendon injury and tendinopathy: healing and repair. J Bone Joint Surg Am 2005; 87(1): 187-202. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Holmes GB, Lin J . Etiologic factors associated with symptomatic Achilles tendinopathy. Foot Ankle Int 2006; 27(11): 952-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Berlet GC. Pes Planus (Flatfoot). Medscape, last updated Jun 18, 2019. emedicine.medscape.com
- Hirschmüller A, Weisskopf L. Moderne Ultraschalldiagnostik. Sportärztezeitung 01/17. sportaerztezeitung.com
- Mazieres B, Rouanet S, Guillon Y, Scarsi C, Reiner V. Topical ketoprofen patch in the treatment of tendinitis: a randomized, double blind, placebo controlled study. J Rheumatol 2005; 32: 1563-70. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Weber J, Buchhorn T. Midportion-Tendinopathien der Achillessehne. Der Unfallchirurg 2017; 120(12): 1038-43. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutschsprachige Internationale Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie. DIGEST-Leitlinien zur Extrakorporalen Stoßwellentherapie. Stand 2018. www.digest-ev.de
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).