Zystenniere

Die Zystenniere ist eine erblich bedingte Erkrankung, die auch autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) genannt wird. Sie ist eine der häufigsten Ursachen für chronisches Nierenversagen.

Was sind Zystennieren?

Die Zystenniere beruht auf einer erblich bedingten Erkrankung, die auch autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) genannt wird. Sie ist durch die Bildung von mehreren flüssigkeitsgefüllten Bläschen (Zysten) in den Nieren gekennzeichnet. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Funktionsfähigkeit der Nieren häufig stark eingeschränkt. Zudem sind oft weitere Organe in unterschiedlichem Ausmaß von der Erkrankung betroffen. Die ersten Symptome zeigen sich in der Regel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Bluthochdruck kann bereits im jungen Erwachsenenalter auftreten, noch bevor die Nierenfunktion nachlässt.

Einzelne Nierenzysten sind dagegen meist harmlos und können zufällig bei einer Untersuchung entdeckt werden. Sie treten insbesondere bei älteren Menschen relativ häufig auf.

Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist eine der häufigsten erblichen Erkrankungen. Die Häufigkeit der Erkrankung in Deutschland liegt bei ca. 1:1.000 Einwohner, Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Bei 2/3 der Patienten sind weitere Fälle in der Familie bekannt. In weniger als 10 % der Fälle ist die Erkrankung auf eine neu aufgetretene genetische Veränderung zurückzuführen. 

Ursachen

CT-Aufnahme einer Nierenzyste
CT-Aufnahme einer Nierenzyste

Bei der Zystenniere (autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung) handelt es sich um eine Erbkrankheit. Durch eine Analyse der Erbanlagen konnte festgestellt werden, dass zwei Gene verändert sein können: PKD1 (85–90 % der Fälle) oder PKD2 (10–15 % der Fälle). Diese Genveränderungen (Mutationen) führen zur Entstehung von Nierenzysten. Der Verlauf ist bei PKD1-Mutation schwerer als bei PKD2-Mutation, Nierenversagen tritt rund 20 Jahre früher auf.

Mit zunehmendem Alter steigen die Zahl und Größe der Zysten. Die Vergrößerung der Nieren aufgrund von wachsenden Zysten schreitet kontinuierlich fort, kann gemessen werden und führt schließlich zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Eine schnellere Nierenvergrößerung bedeutet eine schnellere Verschlechterung der Nierenfunktion. Eine terminale Niereninsuffizienz (Nierenversagen) tritt schließlich bei rund 50 % der Patienten auf.

Wie wachsen die Nieren?

Die Wachstumsgeschwindigkeit der Zysten variiert von Patient zu Patient mit Zystennieren (ADPKD) erheblich. Bei Patienten mit vollständig entwickelter Krankheit hängt die Vergrößerung der Niere mit dem gestiegenen Zystenvolumen zusammen. Neuere Studien zeigen, dass das Wachstum der Zysten und die Vergrößerung der Niere bei den meisten Patienten mit ADPKD ein kontinuierlicher Prozess ist. Dabei ist das Wachstum der Nieren mit der gleichmäßigen Volumenzunahme der Zysten verbunden. Dieses Verhältnis variiert von Patient zu Patient. Beide Nieren wachsen mit der gleichen Geschwindigkeit. Es sieht danach aus, als ob die Zysten in beiden Nieren darauf programmiert sind, mit der gleichen Geschwindigkeit zu wachsen. Es gibt allerdings auch Fälle, bei denen dies nicht der Fall ist.

Symptome und Beschwerdebilder

Der Krankheitsverlauf ist durch die Zystenbildung in den Nieren geprägt, die sich über Jahre hinweg entwickeln kann und somit die Nierenfunktion immer mehr beeinträchtigt. Bei etwa der Hälfte der Patienten kommt es schließlich zu Nierenversagen.

Die Zystennieren zeigen in den meisten Fällen im Kindes- und Jugendalter keine Symptome. Die Erkrankung wird meist im Alter zwischen 30 und 50 Jahren entdeckt. Bevor sich die Nierenfunktion verschlechtert, tritt bei den meisten Betroffenen Bluthochdruck auf. Einige Patienten klagen über Blut im Urin und/oder Flankenschmerzen. Dies können erste Anzeichen der Erkrankung sein. Harnwegsinfekte und Nierensteine treten häufiger auf. Bei ca. 70 % tritt die Erkrankung in der Familie auf, d. h. mindestens eine weitere Person im engen Familienkreis hat ebenfalls Zystennieren.

Bei Zystennieren liegt eine höhere Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen anderer Organe vor. Am häufigsten treten Leberzysten auf, bei denen es zu einer erheblichen Vergrößerung der Leber mit Drucksymptomen kommen kann. Dies führt allerdings nicht zu einem Leberversagen. Auch Zysten in der Bauschspeicheldrüse oder Samenblase können vorkommen. In anderen Familien bilden sich u. a. im Gehirn Arterienerweiterungen (Aneurysma), sodass das Risiko einer Subarachnoidalblutung steigt. Es können auch Schädigungen einer Herzklappe (Mitralklappenprolaps oder Mitralklappeninsuffizienz) auftreten.

Diagnostik

Die Diagnose kann gestellt werden, wenn ein Familienmitglied an Zystennieren leidet. In diesem Fall wird den anderen Familienmitgliedern empfohlen, sich auf die Erkrankung untersuchen zu lassen. Aber auch Symptome wie Blut im Urin und Schmerzen sollten ärztlich abgeklärt werden. Bei einer ärztlichen Untersuchung kann eine Vergrößerung der Nieren festgestellt werden. Ihre Ärztin/Ihr Arzt misst den Blutdruck und führt Urin- und Blutuntersuchungen durch, um den allgemeinen Gesundheitszustand sowie die Nieren- und Leberfunktion zu kontrollieren. Mithilfe von Ultraschall, Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) können die Nierenzysten sichtbar gemacht und die Größe der Nieren bestimmt werden. Bei einem Verdacht auf Veränderungen in den Blutgefäßen können andere bildgebende Verfahren sinnvoll sein.

In der frühen Phase der Erkrankung gibt es keinen guten Richtwert für die Entwicklung der Krankheit. Die Messung der Nierenfunktion über eine Blutuntersuchung (Kreatinin und eGFR) ist nur eingeschränkt aussagekräftig. Der Kreatininwert steigt erst im späteren Verlauf an, nachdem das Nierengewebe bereits ernsthaft und dauerhaft geschädigt wurde. Der Verlauf der polyzystischen Nierenerkrankung kann aber durch regelmäßige Aufnahmen der Nieren kontrolliert werden, mit denen das Wachstum gemessen wird. Dazu kann beispielsweise eine Ultraschall- oder MRT-Untersuchung durchgeführt werden.

Sollten sich andere Familienmitglieder untersuchen lassen?

Familienmitgliedern, die wissen möchten, ob sie die Krankheit geerbt haben, wird eine Ultraschalluntersuchung empfohlen. Bei der Untersuchung können Zystennieren jedoch bei Personen unter 30 Jahren nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Kann keine eindeutige Diagnose gestellt werden, kann eine Genanalyse in Zusammenarbeit mit Experten auf diesem Gebiet durchgeführt werden.

Möchte sich ein Familienmitglied nicht untersuchen lassen, wird ab einem Alter von 30 Jahren eine Blutdruckkontrolle empfohlen.

Arterienerweiterungen im Gehirn (Aneurysma) treten bei 4–6 % der Patienten mit Zystennieren auf. Erwachsenen Patienten in Familien, in denen Aneurysmen bereits geplatzt sind, wird eine Magnetresonanztomografie der Blutgefäße (MR-Angiografie) empfohlen.

Therapie

Ziel der Therapie ist, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Entwicklung eines Nierenversagens zu vermeiden.

Allgemein wird empfohlen, ausreichend zu trinken. Dabei sollten Sie auf koffeinhaltige Getränke verzichten. Gehen Sie außerdem sparsam mit Kochsalz um und verzichten Sie auf das Rauchen. Vermeiden Sie nierenschädigende Medikamente und östrogenhaltige Verhütungsmittel („Pille“), da diese das Wachstum von Leberzysten begünstigen.

Die Behandlung von Zystennieren wird von Nierenspezialisten (Nephrologen) durchgeführt. Die Therapie ist vor allem darauf ausgerichtet, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Bluthochdruck wird medikamentös behandelt, um eine Ausbildung von Herzschwäche und Niereninsuffizienz hinauszuzögern. Dazu werden meistens sogenannte ACE-Hemmer verschrieben. Ansonsten werden Harnwegsinfekte und Nierensteine normal behandelt, sollte es zu diesen Komplikationen kommen. 

Bei Nierenversagen wird eine Nierenersatztherapie (Dialyse) begonnen. Als alternative Therapieform kann eventuell auch eine Nierentransplantation in Betracht gezogen werden.

Neue Medikamente befinden sich in der Testphase. Diese Medikamente zielen darauf ab, das Wachstum der Zysten zu verlangsamen. Ein solches Medikament (Tolvaptan) ist seit Anfang August 2015 für die Behandlung der ADPKD verordnungsfähig und kann bei Patienten mit schnell voranschreitender Erkrankung eingesetzt werden. Lassen Sie sich dazu von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt beraten.

Komplikationen

Neben Nierenversagen können Zystennieren auch zu anderen Beschwerden und Komplikationen führen.

  • Schmerzen
    • Chronische Schmerzen sind die häufigste Komplikation.
    • Schmerzen können auch aufgrund von Infektionen, Blutungen in den Zysten oder Nierensteinen auftreten.
  • Blut im Urin
    • Größere Blutungen entstehen meist, weil eine Zyste im Nierenbecken geplatzt ist, sie können aber auch aufgrund von Nierensteinen oder Harnwegsinfekten entstehen.
  • Nierensteine
    • Bis zu 20 % der Patienten leiden an Nierensteinen.
  • Bluthochdruck
    • Bei den meisten Patienten kommt es zu Bluthochdruck (Hypertonie).
  • Infektion
    • Infektionen gehören zu den häufigen Komplikationen.
    • Eine Infektion kann auch in einer Nierenzyste auftreten.
  • Blutgefäßerkrankung
    • Es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Subarachnoidalblutung, heutzutage kann allerdings ein vorbeugender Eingriff vorgenommen werden, bei dem die Arterienerweiterung (Aneurysma) geschlossen wird.
    • Auch das Risiko für Angina pectoris, Herzinfarkt oder Herzklappenfehler ist erhöht.

Krankheitsverlauf und Prognose

Der Krankheitsverlauf ist durch die Zystenbildung in den Nieren geprägt, die sich über Jahre hinweg entwickeln kann und somit die Nierenfunktion immer mehr beeinträchtigt.  Bei etwa der Hälfte der Patienten kommt es schließlich zu Nierenversagen, sodass die Notwendigkeit zur Dialyse und/oder Transplantation besteht. Bei einer PKD1-Mutation wird die terminale Niereninsuffizienz im Mittel mit 54 Jahren erreicht, bei einer PKD2-Mutation im Mittel mit 74 Jahren.

Der individuelle Verlauf der Erkrankung ist sehr unterschiedlich. Die Prognose ist ungünstig bei einem hohen Nierenvolumen, frühem Auftreten (< 35 Jahre) von Bluthochdruck und Komplikationen wie Blut im Urin, Nierensteinen und infizierten Zysten sowie Eiweiß im Urin.

Weitere Informationen

Autoren

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
  • Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Internist, Uniklinikum Köln
  • Terje Johannessen, Professor für Allgemeinmedizin, Universität Trondheim

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Nierenzysten. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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