Akute Schmerzen im unteren Rücken (akute Rückenschmerzen)

Zusammenfassung

  • Definition:Schmerzen unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalte, die weniger als 6 Wochen anhalten.
  • Häufigkeit:Bis zu 85 % der Bevölkerung sind in ihrem Leben einmal oder mehrmals von Rückenschmerzen betroffen.
  • Symptome:Schmerzen im Lumbalbereich, ggf. mit Ausstrahlung in die Beine. Alarmsymptome (Red Flags) können Hinweis auf spezifische Rückenschmerzen sein.
  • Befunde:Schmerzbedingte Bewegungseinschränkung und Fehlhaltung, häufig lokaler Muskelhartspann.
  • Diagnostik:Anamnese und körperliche Untersuchung sind im Regelfall ausreichend. Bei fehlenden Red Flags soll auf Bildgebung verzichtet werden.
  • Therapie:Aufklärung über hohe Spontanheilungsrate. Keine Bettruhe. Motivation zu Bewegung, lokale Wärme, progressive Muskelrelaxation und manuelle Therapie. Bei Bedarf NSAR.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe2-3

Red Flags

Abwendbar gefährlicher Verlauf

Höhergradige Lähmungen, Blasen-Mastdarmstörung, perianale Gefühlsstörung, Reithosenanästhesie, komplett Lähmungen

Konus-Kauda-Syndrom

Wandernde Schmerzen, Ausstrahlung in die Brust

Aortendissektion

Trauma (auch Bagatelltrauma oder „Verheben“), bekannte Osteoporose, systemische Steroidtherapie, lokaler Klopfschmerz

Fraktur der Wirbelsäule

Fieber > 38,5 °C, nächtliche Schmerzen, Auslandsaufenthalt, Immunsuppression, konsumierende Grunderkrankung, i. v.-Drogenabusus

Infektion, intraspinale Phlegmone, intraspinaler Abszess, Spondylodiszitis, Pyelonephritis

Positive Tumoranamnese, höheres Alter, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, starker nächtlicher Schmerz, lokaler Klopfschmerz

Tumor, Metastasen, pathologische Fraktur der Wirbelsäule

Miktionsbeschwerden

Pyelonephritis

Allgemeine Informationen

Definition

  • Kreuzschmerzen sind definiert als Schmerzen unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalte, mit oder ohne Ausstrahlung.4
  • Unter akuten Kreuzschmerzen werden neu aufgetretene Schmerzepisoden, die weniger als 6 Wochen anhalten, zusammengefasst.4
    • 6–12 Wochen: subakut
    • > 12 Wochen: chronisch

Klassifikation nach Ursache

Leitlinie: NVL Kreuzschmerz4

  • Extravertebrale Kreuzschmerzen (ca. 2 %), Schmerzen im Lendenwirbelbereich durch andere Organe5
  • Nichtspezifische Kreuzschmerzen (80–90 %)
    • keine eindeutigen Hinweise auf eine spezifische zu behandelnde
      Ursache erkennbar
    • Umfasst auch funktionelle Diagnosen, z. B. Blockierung des Iliosakralgelenkes.
    • Degenerative Veränderungen, wie sie regelhaft auftreten, werden im Regelfall ebenfalls als nichtspezifisch betrachtet.
  • Spezifische Kreuzschmerzen (10–20 %)

Häufigkeit

  • Kreuzschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Bevölkerung.
  • Lebenszeitprävalenz
    • bis zu 85 % der Bevölkerung4
  • Inzidenz
    • 3,2 % der gesetzlich Versicherten mit Diagnose akuter Kreuzschmerz (in mindestens 4 Vorquartalen keine Kreuzschmerzdiagnose verzeichnet)4
      • Entspricht etwa 2,25 Mio. Personen pro Jahr in Deutschland plus die nicht erfassten Privatpatient*innen.
  • Alter und Geschlecht
    • Zwischen 30–50 Jahren ist die Inzidenz für akute Kreuzschmerzen am höchsten.
    • Frauen sind etwas häufiger betroffen.4
  • Sozioökonomische Faktoren
    • In allen Altersgruppen geben Personen mit niedrigem Sozialstatus (gemessen an Bildung, beruflicher Stellung und Einkommen) häufiger Kreuzschmerzen an als Personen mit mittlerem oder hohem Sozialstatus.4
  • Neben Atemwegs- und psychischen Erkrankungen führt Kreuzschmerz seit Jahren die Statistiken der Anlässe für Arbeitsunfähigkeit und medizinische Rehabilitation an.6

Ätiologie und Pathogenese

  • Siehe Leitlinienkasten Klassifikation nach Ursache.
  • Nur bei ca. 10–20 % lassen sich die Schmerzen auf spezifische Ursachen zurückführen.
    • häufig funktionelle Beschwerden, z. B. durch Blockierungen, insuffizient stützende Rumpfmuskulatur oder muskuläre Dysbalancen

Disponierende Faktoren

  • Akute Rückenschmerzen treten gehäuft bei insuffizienter Rumpfmuskulatur in Kombination mit schwerer körperlicher Arbeit (Heben, Verdrehen) oder statischer, monotoner Körperhaltung (z. B. langes Sitzen) auf.
  • Vielzahl an Risikofaktoren für Chronifizierung von akuten Rückenschmerzen, hier nur Auswahl:4
    • psychosozial (Yellow Flags)
      • Depressivität, Distress
      • passives Schmerzverhalten: z. B. ausgeprägtes Schon- und Angst-Vermeidungsverhalten
      • Rentenwunsch
    • arbeitsplatzbezogen (Blue/Black Flags)
      • berufliche Unzufriedenheit
      • körperliche Schwerarbeit
      • Vibrationsexposition
      • Mobbing
    • iatrogen
      • lange Krankschreibung
      • übertriebener Einsatz diagnostischer Maßnahmen
    • sonstige

ICPC-2

  • L03 Untere Rückensymptome/-beschwerden
  • L84 Rückensyndrom ohne Schmerzausstrahlung

ICD-10

  • M54 Rückenschmerzen

Diagnostik

Diagnostische Überlegungen

  • In den meisten Fällen gehen die Beschwerden innerhalb einiger Wochen spontan zurück.
  • Finden sich bei Patient*innen mit Kreuzschmerzen durch Anamnese und körperliche Untersuchung beim Erstkontakt keine Hinweise auf gefährliche Verläufe oder andere ernstzunehmende Pathologien, sollen vorerst keine weiteren diagnostischen Maßnahmen durchgeführt werden.4
  • Alarmsymptome (Red Flags) dienen als Warnsignale für eine spezifische Ursache und sollten dringlich abgeklärt werden.7-8
    • Frakturverdacht
      • Trauma, entweder schwer oder auch Bagatelltrauma
      • systemische Steroidtherapie
    • Verdacht auf Tumor/Metastase
      • positive Karzinom-Anamnese
      • höheres Alter
      • Nachtschweiß, Gewichtsabnahme
      • starker nächtlicher Schmerz
    • Verdacht auf Infektion
      • Fieber
      • nächtliche Schmerzen
      • Auslandsaufenthalt
      • Immunsuppression
      • konsumierende Grunderkrankung
      • i. v. Drogenabusus
    • Verdacht auf Konus-Kauda-Syndrom
      • höhergradige Lähmungen
      • Blasen-Mastdarmstörungen
      • perianale Gefühlsstörungen, Reithosenanästhesie
      • komplette Lähmungen (Nerventod)
  • Bereits zu Beginn einer Rückenschmerzepisode sollten Risikofaktoren für eine Chronifizierung abgeklärt werden.
  • Es ist sehr wichtig, am Anfang den übertriebenen Einsatz von Diagnostik zu vermeiden, um einer Chronifizierung keinen Vorschub zu leisten.4

Differenzialdiagnosen

Spezifische Ursachen für Schmerzen im unteren Rücken

Anamnese

  • Erfassen von Red Flags und Yellow Flags
  • Insbesondere die psychosozialen und arbeitsplatzbezogenen Risikofaktoren sollen von Beginn der Kreuzschmerzen an und im Behandlungsverlauf berücksichtigt werden.4
  • Dauer der Beschwerden (akut/subakut/chronisch)
  • Ausstrahlung
    • radikulär (dermatombezogen bei Affektion von Spinalnerv)
    • pseudoradikulär (z. B. nur gluteal oder bis in proximalen Oberschenkel bei Blockierung vom Sakroiliakalgelenk)
  • Vorerkrankungen/Voroperationen der Wirbelsäule
  • Subjektive Krankheitstheorie
  • Bereits durchgeführte Therapiemaßnahmen

Klinische Untersuchung

Leitlinie: NVL Kreuzschmerz4

  • Liegen anamnestisch keine Red Flags vor und schildern die Personen Beschwerden im Rücken ohne aktuelle oder zurückliegende Hinweise auf eine Nervenkompression (Begleitsymptomatik wie z. B. Ausstrahlung der Schmerzen ins Bein), genügt eine Basisdiagnostik.

Basisuntersuchungen

  • Inspektion
    • Allgemeinzustand, körperliche Beeinträchtigung, Haltung, Beckenstand, Deformitäten, Verletzungszeichen, Haut
  • Palpation der lokalen Muskulatur und der begleitend betroffenen Muskulatur auf Schmerzhaftigkeit und Verspannung
  • Lokaler Druck- oder Klopfschmerz des Processus spinosus
    • V. a. Fraktur
  • Orientierende Beweglichkeitsprüfung: Ante-, Retro-, Lateralflexion der LWS
    • Die diagnostische Aussagefähigkeit ist begrenzt, hilft aber beim Monitoring des Krankheitsverlaufes.
  • Lasègue-Zeichen, evtl. ergänzend Bragard-Test
    • Radikulopathie oder Nervendehnung
  • Untersuchung des sakroiliakalen Gelenks (SIG)
    • lokale Schmerzpalpation
    • Schmerzprovokation durch Kompression des Gelenkes
      • Beispielhafte Untersuchungsdurchführung (Anm. d. Red.): Patient*in in Rückenlage. Untersucher*in mit gekreuzten Armen, Hände auf rechter und linker Spina iliaca anterior superior von Patient*in. Druck der Hände nach lateral führt zu Kompression des SIG.
      • alternativ Patrick-Faber-Test

Spezielle Untersuchungstechniken

  • Lasègue-Test9
    • Durchführung: Untersuchung in Rückenlage. Den Fuß mit gestrecktem Knie langsam bis ca. 60 Grad anheben oder bis die Bewegung aus Schmerzgründen nicht weitergeführt werden kann.
      Lasègue-Test
      Lasègue-Test
      • Bei einschießender oder verstärkter Schmerzausstrahlung bis unterhalb des Knies ist der Test positiv (L4, L5 und S1): Hierbei ist anzugeben, bis wohin der Schmerz ausstrahlt (Sensitivität ca. 90 %, Spezifität ca. 30–40 %).
      • Ziehen in der Oberschenkelrückseite bei verkürzter ischiokruraler Muskulatur tritt häufig auf und ist nicht auf eine Nervenwurzelbeteiligung zurückzuführen.
    • gekreuzter Lasègue
      • Schmerzausstrahlung in das gegenüberliegende Bein
    • umgekehrter Lasègue (Dehnungszeichen des N. femoralis; keine Routineuntersuchung)
      • Untersuchung in der Bauchlage. Das Bein langsam anheben (Dehnung in der Hüfte).
      • Positive Zeichen bei Schmerzaustrahlung anteromedial in den Oberschenkel (L3) und anteromedial in die Hüfte und den oberen Teil des Oberschenkels (L2) – ggf. auch bei L4-Ischias positiv.
      • positiv auch bei Meralgia paraesthetica
  • Neurologische Untersuchung (Kraft/Sensibilität/Reflexe) bei Verdacht auf Nervenwurzelbeteiligung
    • Plantarflexion des Sprunggelenks: Auf Zehenspitzen gehen (S1).
    • Dorsalextension des Sprunggelenks: Fersengang (L5)
      • Insbesondere Dorsalextension der Großzehe überprüfen, da Kraftdefizite hier sensibler feststellbar als bei gesamtem Sprunggelenk.
    • Streckung des Knies: Einbeinig in die Hocke gehen und aufstehen (L4).
    • Sensibilitätsprüfung: Dermatome L4, L5 und S1
      Dermatome
      Dermatome
      • Tipp: Den Fußrand medial (L4), den Fußrücken (L5) und den Fußrand lateral (S1) leicht bestreichen.
    • Patellarsehnenreflex (L4) und Achillessehnenreflex (S1)
  • Siehe auch Tabelle Kreuzschmerzen, Kennmuskeln und Reflexe für die neurologische Höhendiagnostik.
  • Patrick-Faber-Test  
    • Zunächst wird über eine forcierte Innenrotation eine Hüftgelenksaffektion ausgeschlossen.
    • Dann wird das im Knie gebeugte und außenrotierte Bein unter Fixierung des Beckens auf der Gegenseite forciert abduziert. Der Fuß des angewinkelten Beins kann neben oder auf dem Knie des anderen Beins liegen. Der Oberschenkel dient dabei als Hebel, mit dem Druck über das Hüftgelenk auf das ISG weitergeleitet wird.
      Patrick-Faber-Test
      Patrick-Faber-Test
    • Positiv, wenn der Schmerz in der Hüfte oder Gesäßgegend durch das Manöver ausgelöst oder verstärkt werden kann. Nicht als positiv gewertet wird ein Dehnungsschmerz der Adduktorenmuskulatur.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Sind bei akuten Rückenschmerzen in der Regel nicht erforderlich.
  • Nur zur differenzialdiagnostischen Abklärung bei Warnsignalen, z. B.:

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebende Verfahren

Leitlinie: NVL Kreuzschmerz4

  • Bei akuten und rezidivierenden Kreuzschmerzen soll ohne relevanten Hinweis auf gefährliche Verläufe oder andere ernstzunehmende Pathologien in Anamnese und körperlicher Untersuchung keine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden.
  • Bei Patient*innen mit anhaltenden aktivitätseinschränkenden oder progredienten
    Kreuzschmerzen (nach 4–6 Wochen) trotz leitliniengerechter Therapie
    soll die Indikation für eine bildgebende Diagnostik überprüft werden.
  • Die Wiederholung der Bildgebung ohne relevante Änderung des klinischen Bildes
    soll nicht erfolgen.
  • MRT
    • bei radikulärer Symptomatik
  • Röntgen

Indikationen zur Überweisung

  • Überweisung an Spezialist*in
    • Liegen Red Flags vor, sollen je nach Verdachtsdiagnose und Dringlichkeit weitere bildgebende oder Laboruntersuchungen und/oder Überweisungen in spezialisierte ärztliche Behandlungen eingeleitet werden.4
    • Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 2 Wochen andauert, sollten die Erstversorgenden die Hinzuziehung weiterer Fachdisziplinen erwägen.4
  • Einweisung in Krankenhaus
    • spezifische Rückenschmerzen mit dringendem Handlungsbedarf: Spondylodiszitis, Tumoren, Kauda-Syndrom, höhergradige Paresen 
  • Bei Berufstätigen ist die Indikation zu einer Rehabilitation zu prüfen.

Therapie

Therapieziele

  • Schmerzen lindern und normale Aktivitäten wieder aufnehmen.
  • Chronifizierung und langfristige krankheitsbedingte Fehlzeiten vermeiden.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei einer spezifischen Ursache soll eine zielgerichtete Therapie erfolgen.
  • Die Empfehlungen zur Therapie der Rückenschmerzen beziehen sich auf die Nationale Versorgungsleitlinie.4
  • Meist bessern sich akute Kreuzschmerzen von allein und brauchen keine spezifische Behandlung.
  • Bewegung statt Bettruhe
    • Patient*innen sollen zur Beibehaltung von körperlicher Aktivität aufgefordert und von Bettruhe soll abgeraten werden.
  • Schmerzmittel: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
  • Massage und andere passive Maßnahmen
    • Alles, was Passivität fördert, soll bei akuten Kreuzschmerzen gar nicht oder allenfalls bei subakuten und chronischen Kreuzschmerzen nur in Verbindung mit aktivierenden Maßnahmen eingesetzt werden.
  • Den Schmerz frühzeitig multidisziplinär angehen.
    • Bessern sich Kreuzschmerzen nach einigen Wochen nicht, soll die weitere Therapie multidisziplinär geplant werden.
    • Halten Schmerzen länger als 6 Wochen an, soll den Patient*innen eine multimodale Therapie angeboten werden, die Schmerz-, Psycho- und Bewegungstherapien kombiniert.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Bettruhe vermeiden.
  • Mobilisation
    • Eine frühe, schrittweise Mobilisation nach der Akutphase trägt entscheidend dazu bei, eine Chronifizierung zu verhindern.
    • Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell) erwägen.10-11
  • Analgesie
    • Um die Mobilisation zu ermöglichen, kann auf Schmerzmittel zurückgegriffen werden.
    • Dabei sind NSAR die bevorzugte Präparatgruppe.4
  • Wärme
    • Die Wärmebehandlung hat sich für die Schmerzlinderung und für eine leichte Funktionsverbesserung als günstig erwiesen.12
  • Verzicht auf Belastung
    • Schweres Heben und Verdrehbewegungen sollen gemieden werden.
  • Training
    • regelmäßige Übungen für Bauch- und Rückenmuskulatur13-14
      • Schmerzlinderung
      • leicht positive Wirkung auf krankheitsbedingte Fehlzeiten

Medikamentöse Therapie

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf der Nationalen Versorgungsleitlinie.4
  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sind die am ehesten empfohlenen Schmerzmittel.
    • Die Autor*innen der Leitlinie empfehlen, eine Tagesdosis von bis zu 1,2 g Ibuprofen, 100 mg Diclofenac oder 750 mg Naproxen nicht zu überschreiten.
      • Anm. d. Red.: entsprechend Ibuprofen 400 mg 1–1–1 (nicht verordnungsfähig), Diclofenac 50 mg 1–0–1 oder Naproxen 250 mg 1–1–1
    • Bei unzureichender Wirkung kann die Dosis kurzzeitig unter Beachtung und ggf. Prophylaxe der möglichen Nebenwirkungen auf bis 2,4 g Ibuprofen, 150 mg Diclofenac oder 1,25 g Naproxen erhöht werden, aber grundsätzlich gilt, dass NSAR in der niedrigsten effektiven Dosis für die kürzestmögliche Zeit eingesetzt werden.
      • Anm. d. Red.: entsprechend Ibuprofen 800 mg 1–1–1, Diclofenac 75 mg 1–0–1 oder Naproxen 500 mg 1–0–1 (1,25 g als Gesamtdosis unpraktikabel)
    • NSAR sollen nicht parenteral verabreicht werden.
  • COX-2-Hemmer oder Metamizol können eingesetzt werden, wenn NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden.
    • Anm. d. Red.: z. B. Etoricoxib 60 mg 1–0–0 oder Metamizol 500 mg 1–1–1–1
  • Paracetamol sollte nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.
  • Muskelrelaxanzien sollen nicht angewendet werden.
  • Gabapentin, Pregabalin, Topiramat und Carbamazepin sollten nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.
  • Antidepressiva sollten nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.
    • Antidepressiva können zur Behandlung chronischer nichtspezifischer Kreuzschmerzen bei Vorliegen einer komorbiden Depression oder Schlafstörung angewendet werden.
  • Opioide können zur Behandlung akuter nichtspezifischer Kreuzschmerzen bei fehlendem Ansprechen oder Vorliegen von Kontraindikationen gegen nicht-opioide Analgetika angewendet werden.
    • Anm. d. Red.: z. B. Tilidin/Naloxon 50/4 mg 1–0–1
    • Opioide können zur Behandlung chronischer nichtspezifischer Kreuzschmerzen als eine Therapieoption für 4–12 Wochen angewendet werden.
    • Die Opioidtherapie soll regelmäßig reevaluiert werden, bei akuten nichtspezifischen Kreuzschmerzen nach spätestens 4 Wochen, bei chronischen Kreuzschmerzen nach spätestens 3 Monaten.
    • Stellungnahme der Deutschen Schmerzgesellschaft: Die kurz, mittel- und langfristige Anwendung opioidhaltiger Analgetika soll auf Betroffene mit einem nach ärztlicher/psychologischer/physiotherapeutischer Einschätzung relevanten somatischen Anteil in der Schmerzentstehung und -aufrechterhaltung und unzureichendem Ansprechen auf nichtmedikamentöse Therapien beschränkt werden.15

Nichtmedikamentöse Therapie

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf der Nationalen Versorgungsleitlinie.4
  • Akupunktur
    • Akupunktur kann zur Behandlung akuter nichtspezifischer Kreuzschmerzen bei unzureichendem Erfolg symptomatischer und medikamentöser Therapien in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen in möglichst wenigen Sitzungen angewendet werden.
  • Keine Bettruhe
    • Den Betroffenen soll von Bettruhe abgeraten werden.
  • Bewegung und Bewegungstherapie
    • Bewegungstherapie, kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien, kann zur Behandlung akuter nichtspezifischer Kreuzschmerzen bei unzureichendem Heilungsverlauf und Einschränkungen der körperlichen Funktionsfähigkeit zur Unterstützung der körperlichen Aktivität angewendet werden.
  • Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation)
    • Bei erhöhtem Chronifizierungsrisiko kann das Entspannungsverfahren „Progressive Muskelrelaxation“ zur Behandlung akuter und subakuter nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.
  • Manuelle Therapie
    • Manipulation/Mobilisation kann zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.
  • Wärme
    • Wärmetherapie kann im Rahmen des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Nicht empfohlene Maßnahmen

  • Abgesehen von den im Abschnitt Nichtmedikamentöse Therapie genannten Maßnahmen rät die Nationale Versorgungsleitlinie von allen anderen Therapien ab. 4
  • Nicht empfohlen bei akuten Rückenschmerzen werden somit u. a.:
    • Ergotherapie
    • Massagen
    • TENS
    • Kinesio-Taping
    • Traktion mit Gerät
    • perkutane Therapieverfahren (Injektionstherapien).

Operative Therapie

  • Nur indiziert bei spezifischen Rückenschmerzen, wie z. B. Bandscheibenvorfall mit Paresen oder Störungen der Blasenfunktion (Kauda-Syndrom).

Prävention

Leitlinie: NVL Kreuzschmerz4

  • Körperliche Aktivität und Bewegung
    • Körperliche Bewegung soll den Betroffenen zur Vermeidung oder Verkürzung von Kreuzschmerzepisoden und Arbeitsunfähigkeit empfohlen werden.
    • Die Form der Bewegung soll sich nach den individuellen Präferenzen und Voraussetzungen der Betroffenen richten.
  • Edukation (Information/Schulung)
    • Information und Schulung – basierend auf einem biopsychosozialen Krankheitsmodell über die Entstehung und den Verlauf von Kreuzschmerzen – sollten in die Prävention einbezogen werden.
  • Maßnahmen am Arbeitsplatz
    • Maßnahmen am Arbeitsplatz (ergonomische Gestaltung, Verhaltensprävention, Förderung der Arbeitsplatzzufriedenheit) sollten zur Prävention von Kreuzschmerzen eingesetzt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei den meisten Patient*innen mit akuten Rückenschmerzen kommt es innerhalb weniger Wochen zu einer signifikanten Verbesserung.
  • Die stärkste Symptomverbesserung ist innerhalb der ersten 6 Wochen zu verzeichnen, danach verlangsamt sich die Verbesserung.4
  • Mehr als 80 % der krankgeschriebenen Patient*innen kehren innerhalb von 2–4 Wochen an ihren Arbeitsplatz zurück.16
  • Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit für Rückenschmerzen in Deutschland beträgt 17 Tage.17
  • Bei ca. 2/3 der Patient*innen kommt es innerhalb des ersten Jahres nach einer akuten Episode zu erneuten Rückenschmerzen.4

Komplikationen

Prognose

  • Die Mehrheit der Patient*innen kehrt an den Arbeitsplatz zurück.
    • 68 % nahmen innerhalb eines Monats
    • 85 % innerhalb von 6 Monaten und
    • 93 % nach 6 Monaten die Arbeit wieder auf.4

Prognostisch negative Faktoren bei unspezifischen Kreuzschmerzen

Verlaufskontrolle

  • Im Regelfall ist keine Verlaufskontrolle notwendig, da ein großer Teil innerhalb von 2 Wochen wieder arbeiten geht.

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Über die Bedeutung von körperlicher Aktivität18
  • Über die Bedeutung anderer zugrunde liegender Umstände19
  • Falls die Patient*innen Bildgebung wünschen: Weisen Sie darauf hin, dass diese bei akuten Rückenschmerzen nicht indiziert ist.20

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Video

  • Rückenübungen von tala-med: Ein G-BA-gefördertes Forschungsprojekt, entwickelt vom Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung) und der Allgemeinmedizin der Universität Freiburg.

Illustrationen

Dermatome
Dermatome
LLendenwirbelsäule seitlich: Dornfortsatz (1), Neuroforamen (2), Bandscheibe (3), Wirbelkörperdeckplatte (4), Wirbelkörper (5).
Lendenwirbelsäule seitlich: Dornfortsatz (1), Neuroforamen (2), Bandscheibe (3), Wirbelkörperdeckplatte (4), Wirbelkörper (5)
Bandscheibenvorfall (Gallertkern), der durch Risse des Faserrings austritt (Draufsicht).
Bandscheibenvorfall (Gallertkern), der durch Risse des Faserrings austritt (Draufsicht).
Patrick-Faber-Test.jpg
Patrick-Faber-Test
Lasègue-Test
Lasègue-Test

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). AWMF-Leitlinie Nr. 145-003. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz. 2. Auflage. S3, Stand 2017. www.leitlinien.de

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Schaufelberger M, Meer A, Furger P, Derkx H et al.. Red Flags - Expertenkonsens - Alarmsymptome der Medizin. Neuhausen am Rheinfall, Schweiz: Editions D&F, 2018.
  3. Fleischmann T. Fälle Klinische Notfallmedizin - Die 100 wichtigsten Diagnosen. München, Deutschland: Elsevier, 2018.
  4. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz. 2. Auflage. S3. Stand 2017. www.leitlinien.de
  5. Chenot JF. Extravertebrale Ursachen von Rückenschmerzen. Z Allgemeinmed 2009; 85:508-12. www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de
  6. Techniker Krankenkasse. Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse mit Daten und Fakten zu Arbeitsunfähigkeit und Arzneiverordnungen. 2014. www.tk.de
  7. Verhagen AP, Downie A, Popal N, Maher C, Koes BW.Red flags presented in current low back pain guidelines: a review. Eur Spine J. 2016 Sep;25(9):2788-802 www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Casser HR, Seddigh S, Rauschmann M: Acute lumbar back pain—investigation, differential diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 223–34 www.aerzteblatt.de
  9. van der Windt DA, et al. Physical examination for lumbar radiculopathy due to disc herniation in patients with low-back pain. Cochrane Database Syst Rev. 2010. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Arbeitsplatz sichern: Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell). www.einfach-teilhaben.de
  11. Staal JB, Hlobil H, Twisk JWR, et al. Graded activity for low back pain in occupational health care. Ann Intern Med 2004; 140:77-84. annals.org
  12. French SD, Cameron M, Walker BF, Reggars JW, Esterman AJ. Superficial heat or cold for low back pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 1. Art. No.: CD004750. DOI: 10.1002/14651858.CD004750.pub2. DOI
  13. Smith BE, Littlewood C, May S. An update of stabilisation exercises for low back pain: a systematic review with meta-analysis. BMC Musculoskelet Disord. 2014 Dec 9;15:416. doi: 10.1186/1471-2474-15-416. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Schaafsma FG, Whelan K, van der Beek AJ, et al. Physical conditioning as part of a return to work strategy to reduce sickness absence for workers with back pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 8. Art. No.: CD001822. DOI: 0.1002/14651858.CD001822.pub3 Cochrane (DOI)
  15. Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.. Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). S3, AWMF-Leitlinie Nr. 145-003. Stand 2020. www.awmf.org
  16. Pengel LHM, Herbert RD, Maher CG, Refshauge KM. Acute low back pain: systematic review of its prognosis. BMJ 2003; 327: 323-8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  17. Techniker Krankenkasse. Weitere Auswertungen zu Arbeitsunfähigkeiten. Gesundheitsreport 2017. www.tk.de
  18. Nationale VersorgungsLeitlinie für Patientinnen und Patienten: Plötzlich Kreuzschmerzen. Warum Bewegung jetzt das Richtige ist. ÄZG 2017. www.awmf.org
  19. Nationale VersorgungsLeitlinie für Patientinnen und Patienten: Dauerhafte Kreuzschmerzen. Warum alltägliche und seelische Belastungen wichtig werden können. ÄZG 2017. www.awmf.org
  20. Nationale VersorgungsLeitlinie für Patientinnen und Patienten: Plötzlich Kreuzschmerzen. Brauche ich ein Röntgen, CT oder MRT? ÄZG 2017. www.awmf.org

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Jean-François Chenot, Prof. Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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