Anaphylaktischer Schock

Zu einem anaphylaktischen Schock kommt es durch eine akute allergische Reaktion, die den gesamten Organismus betrifft. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Notfall, der schnell behandelt werden muss.

Was ist ein anaphylaktischer Schock?

Definition

Eine anaphylaktische Reaktion ist eine heftige allergische Reaktion, die den ganzen Organismus erfassen und zu lebensbedrohlichen Atem- und Herz-Kreislauf-Problemen führen kann (anaphylaktischer Schock). Da unvorhersehbar ist, wie sich eine anaphylaktische Reaktion entwickelt, ist sie immer ein Notfall und erfordert eine schnelle medizinische Behandlung.

Symptome

Normalerweise entwickelt sich eine anaphylaktische Reaktion sehr schnell, es kann aber – z. B. bei einer Erdnuss-Allergie – auch eine bis mehrere Stunden dauern, bis die Reaktion einsetzt.

Typische Warnzeichen zu Beginn sind:

  • Juckreiz
  • Brennen an den Handinnenflächen, Fußsohlen oder im Genitalbereich
  • metallischer Geschmack
  • Angst
  • Kopfschmerzen
  • Verwirrtheit

Weitere Symptome können nacheinander oder gleichzeitig auftreten:

  • Haut: Juckreiz, Rötung, Ausschlag, Quaddeln
  • Atemwege: Schwellung, veränderte Sprache, Schluckbeschwerden, Speichelfluss, Atemgeräusche wie Pfeifen oder Giemen, Atemnot, schnelle Atmung
  • Herz-Kreislauf-Probleme: schneller Puls, niedriger Blutdruck
  • Magen-Darm-Trakt: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall

Der Verlauf kann sehr unterschiedlich sein und ist nicht absehbar: Eine anaphylaktische Reaktion kann von allein zurückgehen und zum Stillstand kommen, sich aber auch innerhalb weniger Minuten zu einem anaphylaktischen Schock entwickeln und tödlich enden. Bei bis zu 20 % der Fälle kommt es nach 6–24 Stunden erneut zu Symptomen (biphasischer Verlauf).

Ursachen

Eine anaphylaktische Reaktion ist eine schwere allergische Reaktion, bei der bestimmte weiße Blutkörperchen große Mengen an Histamin und anderen Entzündungsstoffen ausschütten. Dies verursacht unter anderem eine Verengung der Atemwege und einen schlagartigen Blutdruckabfall, der innerhalb kurzer Zeit bis zum Kreislaufversagen führen kann.

Je nach Alter sind häufige Auslöser:

  • Nahrungsmittel: Kinder 60 %, Erwachsene 16 %
  • Insektengift: Kinder 22 %, Erwachsene 52 %
  • Arzneimittel: Kinder 7 %, Erwachsene 22 %
  • sonstige Auslöser: Kinder 5 %, Erwachsene 3 %
  • unbekannte Auslöser: Kinder 7 %, Erwachsene 6 %

Risikofaktoren, die eine anaphylaktische Reaktion begünstigen oder verschlimmern können, sind:

  • körperliche Belastung
  • Infektionen
  • psychischer Stress
  • Medikamente (z. B. bestimmte Schmerz- oder Blutdruckmedikamente)
  • Alkohol

Auch Vorerkrankungen können das Risiko einer anaphylaktischen Reaktion erhöhen:

  • Asthma
  • Mastozytose (eine Erhöhung bestimmter weißer Blutkörperchen)
  • Herzerkrankungen
  • Schilddrüsenerkrankungen

Häufigkeit

Pro Jahr haben etwa 20–500 von 1 Mio. Menschen eine anaphylaktische Reaktion, 1–3 von 1 Mio. Menschen sterben daran. Bis zu 3 % der Bevölkerung hatten schon einmal eine anaphylaktische Reaktion. Die Häufigkeit hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen.

Eine Anaphylaxie kann in jedem Alter auftreten. Bei Kindern handelt es sich vor allem um Nahrungsmittelallergien, bei Erwachsenen sind eher Insektenstiche und Medikamente die Auslöser.

Untersuchungen

Eine anaphylaktische Reaktion ist anhand der Symptome, des Hergangs und des Auslösers zu erkennen und erfordert schnelles Handeln.

(Notfall-)Behandlung

Bei der Behandlung einer anaphylaktischen Reaktion geht es darum, Atmung und Kreislauf sicherzustellen und Komplikationen zu verhindern. Allergenzufuhr, wenn möglich, sofort stoppen.

Die wichtigste Maßnahme, um die anaphylaktische Reaktion zu stoppen, ist ein schnelles Verabreichen von Adrenalin als intramuskuläre Injektion in die Außenseite des Oberschenkels. Diese kann wiederholt werden, wenn keine Besserung eintritt. Zusätzlich werden bei Atemnot Sauerstoff und entweder bronchienerweiterndes Asthmaspray oder Adrenalin über einen Vernebler verabreicht.

Kommt es zu Kreislaufproblemen, werden Infusionen verabreicht. Bei einem Kreislaufstillstand werden sofort Wiederbelebungmaßnahmen durchgeführt.

Sind die akuten Symptome unter Kontrolle, so folgen ein Antihistaminikum sowie ein Glukokortikoid, um weitere Komplikationen zu vermeiden und die allergische Reaktion zum Stillstand zu bringen.

Bei einem anaphylaktischen Schock werden Sie sofort in Notarztbegleitung ins Krankenhaus eingewiesen.

Maßnahmen und Empfehlungen

Nach einer anaphylaktischen Reaktion bekommen Sie in der Regel eine Überweisung an eine allergologische Praxis, um die zugrunde liegende Allergie genauer abzuklären. Sie bekommen einen Allergie-Pass und – je nach Auslöser – Tipps oder weitere Behandlungen, um einer erneuten anaphylaktischen Reaktion vorzubeugen. Bei bestimmten Allergien kann eine allergenspezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) durchgeführt werden. Besteht ein hohes Anaphylaxierisiko und lässt sich der Auslöser nicht sicher vermeiden, so bekommen Sie ein Notfall-Set verschrieben, das einen Adrenalin-Autoinjektor zur intramuskulären Injektion (Adrenalin-Pen) und weitere Medikamente enthält.

Was können Sie selbst tun?

Eine anaphylaktische Reaktion ist ein Notfall, bei dem es auf jede Minute ankommt.

  • Rufen Sie sofort ärztliche Hilfe (Tel. 112), oder bitten Sie eine andere Person, dies zu tun.
  • Wenn möglich, stoppen Sie den Auslöser (z. B. durch Entfernen eines Bienenstachels).
  • Lagern Sie die betroffene Person vorsichtig und ohne abrupte Bewegungen flach mit hochgelagerten Beinen („Schocklage“). Besteht Atemnot, so lagern Sie sie halbsitzend; bei Bewusstlosigkeit oder drohendem Erbrechen in stabiler Seitenlage.
  • Wenn vorhanden, verabreichen Sie so schnell wie möglich Adrenalin aus einem Notfall-Set. Die Adrenalin-Spritze kann durch die Hose in die Außenseite des Oberschenkelmuskels gegeben werden. Vergeuden Sie keine Zeit mit dem Ausziehen der betroffenen Person.
Seitenlage
Stabile Seitenlage

Vorbeugung

Wurde Ihnen nach einer schweren allergischen Reaktion ein Notfall-Set verschrieben, so führen Sie dieses sowie die schriftlichen Anwendungshinweise immer mit sich und achten Sie auf dessen Haltbarkeit. Bei Kindern muss die Dosis nach einer Weile möglicherweise angepasst werden.

Informieren Sie Angehörige, Nahestehende und Betreuungspersonen darüber, dass Sie solch ein Set haben und was im Notfall zu tun ist.

Prognose

Anaphylaktische Reaktionen erfolgen meist sehr schnell. Manchmal setzen sie aber auch erst verzögert mehrere Stunden nach dem Kontakt zum Auslöser ein.

Der individuelle Verlauf ist unberechenbar: Eine Anaphylaxie kann spontan zum Stillstand kommen, sich aber auch trotz adäquater Behandlung verschlimmern.

In 5–20 % aller Fälle kommt es zu einem verzögerten oder biphasischen Verlauf mit erneuten Symptomen nach 6–24 Stunden, obwohl die anfängliche Reaktion erfolgreich behandelt wurde.

Pro Jahr sterben 1–3 von 1 Mio. Menschen an einem anaphylaktischen Schock. 1 von 1.000 Menschen mit einem anaphylaktischen Schock stirbt während der Notfallbehandlung, 10 von 1.000 im Krankenhaus.

Weitere Informationen

Autorin

  • Karen Zoufal, Medizinjournalistin, Helmstedt

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Anaphylaxie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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