Hiatushernie

Zusammenfassung

  • Definition:Protrusion einer abdominellen Struktur in den Thoraxraum durch eine Erweiterung des Hiatus oesophagus des Zwerchfells.
  • Häufigkeit:Schätzungen der Prävalenz in der westlichen Welt liegen bei 30–50 %.
  • Symptome:Häufig asymptomatisch. Bei Gleithernien (ca. 90 % der Fälle) v. a. Refluxsymptomatik, bei paraösophagealen Hernien v. a. Druck/Schmerz, Dysphagie oder respiratorische Symptome.
  • Befunde:Keine spezifischen klinischen Befunde. Im Einzelfall Blässe durch chronische Anämie.
  • Diagnostik:Diagnosestellung durch apparative Diagnostik: Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, CT, Kontratstmittelschluck, Ösophagomanometrie.
  • Therapie:Bei Gleithernien mit Refluxsymptomatik entsprechende medikamentöse Therapie, im Fall unzureichender Kontrolle ergänzende OP als Option. Bei paraösophagealen Hernien besteht ganz überwiegend eine OP-Indikation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Protrusion einer abdominellen Struktur in den Thoraxraum durch eine Erweiterung des Hiatus oesophagus des Zwerchfells1

Klassifikation

  • Es werden 4 Subtypen der Hiatushernie unterschieden:1-2
  • Typ I: axiale Hernie (90 %)
    • Dislokation des gastroösophagealen Übergangs nach kranial oberhalb des Zwerchfellhiatus (Gleithernie)
    • Die Magenabschnitte bleiben in der üblichen longitudinalen Anordnung.
    • Kann auch nur intermittierend auftreten.
  • Typ II: paraösophagelae Hernie
    • Der Magenfundus luxiert entlang des Ösophagus in den Thoraxraum, der gastroösophageale Übergang verbleibt kaudal des Zwerchfells.
  • Typ III: gemischte Hernie
    • Sowohl gastroösophagealer Übergang als auch Magenfundus sind nach kranial disloziert.
    • 90 % der paraösophagealen Hernien sind Typ-III-Henien.
  • Typ IV: Herniation anderer Organe als Magen
    • jede Hernie mit Herniation von anderen Organen/Strukturen (Dünndarm, Kolon, Milz, Omentum).

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Schätzungen der Prävalenz in der westlichen Welt liegen bei 30–50 %3
  • Alter
    • Zunahme der Prävalenz mit dem Alter4
  • Geschlecht
    • häufiger bei Frauen als bei Männern4

Ätiologie und Pathogenese

  • Die meisten Hiatushernien sind erworben, manche Fälle treten familiär auf.1
  • Die kraniale Verlagerung des gastroösophegealen Übergangs (bzw. von Teilen des Magens oder anderer abdomineller Strukturen) wird begünstigt durch:
    • Schwächung des phrenoösophagealen Ligemants, die mit dem Alter zunimmt.1
    • erhöhten intraabdominellen Druck insbesondere bei übergewichtigen/adipösen Patient*innen.5
  • Es besteht ein Zusammenhang zwischen Hiatushernie und dem Vorliegen einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD).3
    • Beim überwiegenden Anteil der Patient*innen mit gesicherter GERD
      (80–90 %) findet sich auch eine Hiatushernie.
    • Allerdings besteht nur bei ca. 60 % der Patient*innen mit Hiatushernie auch ein gastroösophagealer Reflux.
  • Während bei Patient*innen mit Hiatushernie Typ I vor allem Sodbrennen im Vordergrund steht, treten bei Hiatushernie Typ II–IV eher Symptome auf wie Dysphagie, retrosternaler Druck oder respiratorische Symptome.6
  • Durch longitudinale Schleimhautverletzungen im Bereich des Hiatus (Cameron-Läsionen) kann es zu chronischen Blutverlusten mit Anämie kommen.7
    • Die Prävalenz steigt mit der Größe der Hernie.7
    • Eisenmangelanämie bei bis zu 50 % der Patient*innen mit paraösophagealer Hernie1

Prädisponierende Faktoren

  • Die wichtigsten prädisponierenden Faktoren sind:5
  • Weitere Faktoren sind:5,8
    • häufiges schweres Heben
    • Schwangerschaft
    • häufiges Schlucken (z. B. durch mentale Belastung, Reaktion auf Reflux) mit Verschleiß des gastroösophagealen Ligaments
    • St. n. gastroösophageler Chirurgie
    • thorakoabdominelles Trauma
    • Skelettdeformitäten (Kyphose, Skoliose).

ICPC-2

  • D90 Hiatushernie

ICD-10

  • K44 Hernia diaphragmatica
    • K44.0 Hernia diaphragmatica mit Einklemmung, ohne Gangrän
    • K44.1 Hernia diaphragmatica mit Gangrän
    • K44.9 Hernia diaphragmatica ohne Einklemmung und ohne Gangrän

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdacht auf Grundlage von Symptomen
  • Bestätigung der Diagnose durch bildgebende Verfahren

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die meisten Hiatushernien sind asymptomatisch.4
  • Es gibt keine spezifischen Symptome für eine Hiatushernie.5
  • Keine eindeutige Korrelation zwischen der Größe einer Hiatushernie und dem Grad der Beschwerden4
  • Mögliche Symptome
    • Symptome eines gastroösophagealen Refluxes
      • Sodbrennen
      • saures Aufstoßen
      • Regurgitation
    • retrosternaler/epigastrischer Schmerz
    • Dysphagie
    • Übelkeit/Erbrechen
    • respiratorische Beschwerden
    • Magenblutung/Teerstuhl

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der hausärztlichen Praxis

Labor

Diagnostik bei Spezialist*innen

Röntgen-Thorax

  • Möglicher Zufallsbefund großer Hiatushernien im Rahmen eines konventionellen Rö-Thorax

Weitere apparative Diagnostik

  • Die weitere apparative Abklärung ist nicht standardisiert.3
  • Es sollten nur Untersuchungen durchgeführt werden, aus denen sich potenziell eine therapeutische Konsequenz ergibt.1
  • Verschiedene Methoden stehen für die Diagnostik zur Verfügung, wobei jedes Verfahren spezifische Vorzüge aufweist.2

Ösophagogastroduodenoskopie

  • Beurteilung von Größe und Typ der Hernie1
  • Beurteilung der Schleimhaut inklusive Diagnose von Komplikationen und Differenzialdiagnosen wie Ösophagitis, Barrett-Schleimhaut, Magenulzera, Ulzera im Bereich des Zwerchfelldurchtritts (Cameron-Läsionen), Malignome2

Computer-Tomografie (CT)

  • Genaue Darstellung des Ausmaßes paraösophagealer Hernien und der Dislokation extragastraler Organe2

Kontrastmittelbreischluck

  • Darstellung der Hernie durch Barium-Kontrastmittel1
  • Liefert neben Darstellung der Anatomie auch Informationen über funktionelle Aspekte (Bolustransit, Sphinkterrelaxation).2

Ösophagusmanometrie

  • Lokalisation des unteren Ösophagusspinkters, Bestimmung der gleitenden Komponente einer axialen Hernie1
  • Vor jeder Refluxoperation sollte eine Manometrie erfolgen, um spezifische Motilitätsstörungen mit Sicherheit auszuschließen.8
    • allerdings zum Teil schwierige Platzierung des Katheters9

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf symptomatische Hernie

Therapie

Therapieziele

  • Linderung von Symptomen, insbesondere Besserung einer GERD
  • Vermeidung von Komplikationen

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie richtet sich nach:
    • den Symptomen der Patient*innen
    • der anatomischen Konfiguration der Hernie.
  • Therapeutische Optionen sind:
    • medikamentöse Therapie
    • Operation.

Medikamentöse Therapie

Operative Therapie

Ziele

  • Ziele einer Operation sind:6
    • spannungsfreie Rückverlagerung von Magen und gastroösophagealem Übergangs nach intraabdominal
    • funktionelle Rekonstruktion des Hiatus oesophageus
    • Behebung einer Refluxsymptomatik einerseits und Vermeidung von Dysphagie andererseits durch Magenmanschettenbildung (Fundoplikatio).

Indikationen1

  • In Abwesenheit einer GERD besteht keine Indikation zur OP einer Typ I Hernie.
  • Alle symptomatischen paraösophagealen Hernien sollten operiert werden.
  • Die routinemäßige OP einer vollständig asymptomatischen paraösophagealen Hernie ist nicht zwingend, Alter und Komorbiditäten sollten bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Operationsverfahren

  • Laparaskopische genau so effektiv wie offene Operation mit verminderter Morbidität und kürzerem Krankenhausaufenthalt, daher bevorzugte Methode bei der Mehrzahl der Patient*innen1
  • Sowohl bei der OP einer Hiatushernie Typ I wegen Reflux als auch bei der OP einer paraösophagealen Hernie soll eine Fundoplikatio durchgeführt werden.1,10
  • Die netzverstärkte Hiatoplastik führt zu weniger kurzfristigen Rezidiven, fehlende Langzeitdaten lassen aber noch keine eindeutige Empfehlung für oder gegen die Verwendung des Netzes zu.1,11-12

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Inkarzeration
  • Blutung

Verlauf und Prognose

  • Wenig publizierte Daten zum natürlichen Verlauf unbehandelter Hiatushernien1
  • Axiale Hiatushernien als häufigste Form sind bei Refluxsymptomatik medikamentös meist gut behandelbar, fehlendes Ansprechen auf die medikamentöse Therapie kann eine Operationsindikation darstellen.2
  • Das Risiko für die Inkarzeration einer paraösophagealen Hernie beträgt ca. 5 %.
  • Todesfälle überwiegend bei älteren Patient*inne mit Typ-III- und IV-Hernien und Begleiterkrankungen13
  • Radiologische Rezidivraten nach Hiatushernienchirurgie bis zu 50 %, Anteil der klinischen Rezidive unklar14
  • Der Stellenwert einer routinemäßigen Röntgenkontrastdarstellung nach OP ist umstritten.6
  • Der Prozentsatz der Revisionseingriffe nach laparoskopischer Antirefluxchirurgie liegt bei ca. 10 %.14

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Axiale Hiatushernie.jpg
Axiale Hiatushernie (Ansicht in Inversion) (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
zwerchfellhernie.jpg
Hiatushernie

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Gastroösophageale Refluxkrankheit. AWMF-Leitlinie Nr. 021-013. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
  • Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons. Management of Hiatal Hernia. Stand 2013. www.sages.org

Literatur

  1. Kohn G, Price R, DeMeester S, et al. Guidelines for the management of hiatal hernia. Surg Endosc 2013; 27: 4409-4428. doi:10.1007/s00464-013-3173-3 DOI
  2. Peter U, Grieder F. Das Zwerchfell hat so seine Lücken. Swiss Med Forum 2021; 21: 214-218. doi:10.4414/smf.2021.08746 DOI
  3. Granderath F. Operative Therapie bei Hiatushernie. Chirurg 2017; 88: 211-218. doi:10.1007/s00104-016-0338-3 DOI
  4. Qureshi W. Hiatal hernia. Medscape, last updated Sep 05, 2019. Zugriff 12.10.22. emedicine.medscape.com
  5. Roman S, Kahrilas P. The diagnosis and management of hiatus hernia. BMJ 2014; 349: g6154. doi:10.1136/bmj.g6154 DOI
  6. Weyhe D, Uslar V, Kühne J, et al. Hiatushernie - Standards und Kontroversen in Diagnostik und Therapie. Chirurg 2019; 90: 331–348. doi:10.1007/s00104-019-0932-2 DOI
  7. Manz M, Meier R, Steuerwald M. Hiatushernie und Anämie. Swiss Med Forum 2007; 7: 508. doi:10.4414/smf.2007.06215 DOI
  8. Freys S, Heimbucher J. Reflux und Hiatushernie im Spannungsfeld zwischen konservativer und operativer Therapie. Chirurg 2014; 85: 1046–1054. doi:10.1007/s00104-014-2804-0 DOI
  9. Sfara A, Dumitrascu D. The management of hiatal hernia: an update on diagnosis and treatment. Medicine and Pharmacy Reports 2019; 92: 321-325. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Jell A, Hüser N, Friess P. Fundoplikatio bei symptomatischer Hiatushernie. GastroNews 2020; 07: 26. doi:10.1007/s15036-020-1360-3 DOI
  11. Wolf S, Anthuber M. Hiatushernienverschluss mit Netz oder Naht bei Patienten mit Refluxerkrankung. Chirurg 2021; 92: 377. doi:10.1007/s00104-021-01385-x DOI
  12. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). AWMF-Leitlinie Nr. 021-013. Gastroösophageale Refluxkrankheit. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
  13. Sihvo EI, Salo JA, Rasanen JV, Rantanen TK. Fatal complications of adult paraesophageal hernia: a population-based study. J Thorac Cardiovasc Surg. 2009 Feb. 137(2):419-24. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Pointner R, Granderath F. Hiatushernie und Rezidive. Chirurg 2008; 79: 974–981. doi:10.1007/s00104-008-1496-8 DOI

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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