B-Streptokokken in der Schwangerschaft

Zusammenfassung

  • Definition:Eine Kolonisation/Infektion der Schwangeren mit Gruppe-B-Streptokokken (GBS) kann subpartal zu einer Übertragung auf das Neugeborene und zu einer lebensbedrohlichen Infektion bei dem Neugeborenen führen.
  • Häufigkeit:Ca. 16-18 % der Schwangeren sind Trägerinnen der Gruppe-B-Streptokokken, zumeist asymptomatisch. Die Inzidenz der Neugeborenensepsis wurde durch die Einführung der subpartalen Antibiotikaprophylaxe deutlich reduziert.
  • Symptome:Bei Neugeborenen kann es zu einer lebensbedrohlichen Infektion mit Sepsis, Lungenentzündung oder Meningitis kommen.
  • Befunde:Bei Schwangeren können asymptomatische Bakteriurie, Zystitis, Amnioninfektionssyndrom, Endometriose und intrauteriner Fruchttod auftreten.
  • Diagnostik:Laut deutscher S2k-Leitlinie ist ein Abstrich auf B-Streptokokken als Screening in der 35.–37. SSW empfohlen. Laut Mutterschaftsrichtlinien ist aber kein routinemäßiger Abstrich zum Nachweis von B-Streptokokken vorgesehen. Ein vaginaler Abstrich auf B-Streptokokken wird bei allen Frauen durchgeführt, bei denen es zu einem vorzeitigen Blasensprung vor der 37. SSW (pPROM) kommt.
  • Therapie:Durch eine Antibiotikatherapie bei Risiko-Patientinnen vor und während der Entbindung kann invasiven Erkrankungen des Neugeborenen in der ersten Lebenswoche vorgebeugt werden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Infektionen mit Gruppe-B-Streptokokken (GBS) betreffen Mutter und Kind.
  • Eine rektovaginale Kolonisierung der Mutter mit Gruppe-B-Streptokokken während der Schwangerschaft ist eine der häufigsten Ursachen für lebensbedrohliche Infektionen bei Neugeborenen.1
    • Gefürchtet ist die neonatale Sepsis durch B-Streptokokken, die eingeteilt wird in1
      • die frühe Form (Early Onset): bis 3 (7) Tage nach der Entbindung
      • späte Form (Late Onset): bis 3 Monate nach der Geburt.
  • Eine prophylaktische Therapie während der Entbindung kann die Infektionshäufigkeit der Frühform der neonatalen Sepsis senken.2-3

Häufigkeit

  • Laut Leitlinie werden bei ca. 10–30 % der schwangeren Frauen Gruppe-B-Streptokokken in der Scheide oder dem Enddarm nachgewiesen.1
    • In Deutschland ermittelte Daten geben eine GBS-Besiedlungsrate von durchschnittlich 16 % an.4
    • Eine weltweite Metaanalyse von 2017 zeigte eine rektovaginale Kolonisation bei 18 % der schwangeren Frauen.5
  • Nach der Einführung von Screening und Prophylaxe in den USA ist die Inzidenz von invasiven neonatalen Erkrankungen auf ein Zehntel der Zahlen vor der Einführung gesunken (0,26 kulturgesicherten Fällen auf 1.000 lebendgeborene Säuglinge).1
  • Inzidenz der Neugeborenensepsis durch GBS in Deutschland (positive Blutkultur und/oder Liquorkultur) ca. 0,47 Fällen pro 1.000 Geburten1
    • Die tatsächliche Inzidenz ist wahrscheinlich 5- bis 10-mal so hoch, da nur 10–20 % der Blutkulturen bei Neugeborenensepsis durch GBS tatsächlich positiv sind.1
  • Letalität der Neugeborenensepsis durch GBS bei reifen Neugeborenen 4 %, bei Frühgeborenen deutlich höher1

Ätiologie und Pathogenese

Erreger6

  • Bei den Gruppe-B-Streptokokken (GBS), Streptococcus agalactiae, handelt es sich um grampositive Kokken, die sich unter aeroben und anaeroben Bedingungen entwickeln.
  • Neonatale Infektionen werden am häufigsten durch die Serotypen Ia, II, III und V verursacht.

Trägerinnen

  • B-Streptokokken kommen in der natürlichen Flora von Gastrointestinaltrakt und Genitourethraltrakt der Frau vor.6
  • Die Kolonisierung mit B-Streptokokken kann vorübergehend, chronisch oder intermittierend auftreten.1
    • Eine Kolonisierung zu Beginn der Schwangerschaft hat keinen Vorhersagewert für eine neonatale Sepsis.

Übertragung der Infektion

  • Die frühe Form der neonatalen Infektion erfolgt zumeist durch intrauterine Übertragung über kontaminiertes Fruchtwasser.1,6
    • Risikofaktoren für die Fruchtwasserinfektion6
      • Frühgeburtlichkeit
      • vorzeitige Plazentalösung
      • starke Kolonisation der Mutter
      • intrapartales Fieber der Mutter
      • niedrige Antikörper-Titer bei Mutter und Kind
  • Bei einer späten Infektion mit Gruppe-B-Streptokokken ist der Kontakt zwischen Mutter und Kind nach der Geburt der wichtigste Übertragungsweg, das Kind kann sich aber auch bei anderen Personen (Krankenhauspersonal) anstecken.6

Ursachen für andere Komplikationen in der Schwangerschaft

Prädisponierende Faktoren für die frühe Form der Neugeborenensepsis durch GBS

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Vorausgegangene Geburt eines an GBS erkrankten Kindes
  • Nachweis von GBS im Ano-Genitalbereich der Schwangeren zum Zeitpunkt der Geburt (Abstrich zur Vorhersage möglichst zwischen 35+0 und 37+0 Schwangerschaftswochen [SSW])
  • Bakteriurie mit B-Streptokokken bei Schwangeren
    • Die Erkrankung weist auf eine umfangreiche Kolonisierung im Genitalbereich hin.
  • Vorzeitiger Blasensprung, Latenz bis zur Geburt > 18 h
  • Maternales Fieber während der Entbindung
    • Temperatur über 38 °C
  • Frühgeburt
  • Geplanter Kaiserschnitt
    • Da B-Streptokokken eine intakte Amnionmembran durchdringen können, kann eine Sectio die Übertragung der Bakterien von Mutter auf Kind nicht verhindern.
    • Eine Kolonisierung der Mutter ist keine Indikation für einen Kaiserschnitt, und ein Kaiserschnitt ist keine Alternative zu einer intrapartalen Antibiotikaprophylaxe.
    • Das Risiko einer Übertragung von Bakterien der mit B-Streptokokken kolonisierten Mutter auf das Kind bei einem geplanten Kaiserschnitt mit intakter Fruchtblase ist sehr gering.

ICPC-2

  • W70 Wochenbettinfektion/-sepsis
  • W71 Kompl. Schwang./Wochenb. Infekt.

ICD-10

  • O23 Infektionen des Urogenitaltraktes in der Schwangerschaft
    • O23.0 Infektionen der Niere in der Schwangerschaft
    • O23.1 Infektionen der Harnblase in der Schwangerschaft
    • O23.2 Infektionen der Harnblase in der Schwangerschaft
    • O23.3 Infektionen von sonstigen Teilen der Harnwege in der Schwangerschaft
    • O23.4 Nicht näher bezeichnete Infektion der Harnwege in der Schwangerschaft
    • O23.5 Infektionen des Genitaltraktes in der Schwangerschaft
    • O23.9 Sonstige und nicht näher bezeichnete Infektion des Urogenitaltraktes in der Schwangerschaft
  • O75 Sonstige Komplikationen bei Wehentätigkeit und Entbindung, anderenorts nicht klassifiziert
    • O75.2 Fieber unter der Geburt, anderenorts nicht klassifiziert
    • O75.3 Sonstige Infektion unter der Geburt
    • O75.8 Sonstige näher bezeichnete Komplikationen bei Wehentätigkeit und Entbindung
  • B95 Streptokokken und Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
    • B95.1 Streptokokken, Gruppe B, als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Gruppe-B-Streptokokken werden durch eine Bakterienkultur eines Abstrichs der betroffenen Lokalisation nachgewiesen, ggf. durch Urinkultur.
  • Zumeist asymptomatische Kolonisation

Anamnese und klinische Untersuchung

Gruppe-B-Streptokokken bei Neugeborenen

  • Früh einsetzende Erkrankung (Early Onset: 0– 3 (7) Tage nach der Geburt)
    • meist in den ersten 24 Stunden nach Geburt3
    • häufig Bakteriämie/Sepsis oder Pneumonie1
      • Der Verlauf kann dramatisch sein und rasch in einen septischen Schock mit hoher Mortalität und Morbidität münden.
    • seltener Meningitis, Osteomyelitis oder Arthritis1
  • Spät einsetzende Erkrankung (Late Onset: bis 89 Tage nach der Geburt)
    • häufig weniger fulminant
    • Symptome sind Fieber, Reizbarkeit und Anzeichen einer Meningitis
  • Bei Neugeborenen, die die erste Infektionsphase überleben, kann es zu Spätfolgen in Form von Hörminderung, Sehschwäche, Lernschwierigkeiten und anderen neurologischen Folgeerkrankungen kommen.

Schwangere Trägerinnen von B-Streptokokken

  • In der Regel asymptomatische Kolonisation
  • B-Streptokokken können asymptomatische Bakteriurien, Zystitiden, Amnioninfektionssyndrome, Endometritiden und intrauterinen Fruchttod verursachen.6
    • Harnwegsinfektion
      • B-Streptokokken können asymptomatische Bakteriurie, Zystitis und Pyelonephritis während der Schwangerschaft verursachen.
    • Amnioninfektionssyndrom
      • Symptome: Fieber, Leukozytose, maternale und fetale Tachykardie und Schmerzempfindlichkeit über dem Uterus
    • postpartale Endometritis
      • Die Symptome sind Fieber, Schüttelfrost und Schmerzempfindlichkeit über der Gebärmutter bzw. den Adnexen nach über 24 Stunden post partum.
      • Eine Endometritis tritt als Komplikation häufiger nach einem Kaiserschnitt als nach einer vaginalen Geburt auf.7

Weitere Diagnostik

Abstrich

  • Bei gesunden, symptomfreien Frauen wird
    • Laut deutscher S2-Leitlinie wird ein Abstrich vaginal (Introitus vaginae)/rektal auf B-Streptokokken als Screening zwischen 35+0 und 37+0 SSW empfohlen.1
    • Hingegen wird laut Mutterschaftsrichtlinien8 kein routinemäßiger Abstrich zum Nachweis von B-Streptokokken empfohlen, und somit auch nicht regelhaft von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten als Zusatzleistung freiwillig.
  • Bei einem Blasensprung vor der 37. SSW
    • Kultur aus Vagina und Rektum zum evtl. Nachweis von B-Streptokokken
    • Urinkultur

Screening?

  • Laut Mutterschaftsrichtlinie gibt es keine Empfehlung für ein Routine-Screening schwangerer Frauen in Deutschland, um Träger*innen der B-Streptokokken zu identifizieren.8
  • Abweichend davon wird in der Leitlinie „Prophylaxe der Neugeborenensepsis“ ein GBS-Screening in der 35.–37. SSW empfohlen.1
  • Ein Screening erübrigt sich bei Schwangeren mit GBS-Bakteriurie (symptomatisch oder asymptomatisch) und bei Schwangeren, bei denen ein früheres Kind eine GBS-Infektion durchgemacht hat.1
    • generelle Empfehlung einer peripartalen Antibiotikaprophylaxe bei diesen Frauen
  • Ein GBS-Screening aller Schwangeren wird auch als Ergebnis einer Europäischen „Consensus Conference“ empfohlen, da die Effektivität des generellen Screenings aller Schwangeren zur Vermeidung der frühen Form der GBS-Infektionen, im Vergleich zum risikobasierten Screening, um 50 % besser war.9

Therapie

Therapieziel

  • Eine Infektion beim Neugeborenen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Antibiotikatherapie während der Entbindung von Risiko-Patientinnen kann einer invasiven Erkrankung des Neugeborenen in den ersten Lebenstagen vorbeugen.

Subpartale Antibiotikaprophylaxe

  • Subpartale Antibiotikaprophylaxe mit Penicillin G (Mittel der Wahl) i. v. einmalig 5 Mio. E., anschließend 2,5 Mio. E. alle 4 Stunden bis zur Entbindung bei1
    • positivem GBS-Screening in der 35.–37. SSW
    • der vorangegangenen Geburt eines Kindes mit GBS-Infektion
    • GBS-Bakteriurie während dieser Schwangerschaft
    • GBS-Status unbekannt und einer der folgenden Risikofaktoren:
      • drohende Frühgeburt < 37+0 SSW
      • mütterliches Fieber ≥ 38 °C unter der Geburt
      • Blasensprung ≥ 18 Stunden
  • Alternativen zu Penicillin1
    • Ampicillin i. v. einmalig 2 g, anschließend 1 g alle 4 Stunden
    • Cefazolin 2 g i. v. einmalig, anschließend 1 g alle 8 Stunden
    • Clindamycin 900 mg i. v. alle 8 Stunden, jeweils bis zur Entbindung
  • Bei negativem GBS-Screening innerhalb von 5 Wochen vor der Entbindung kann unabhängig von den drei genannten Risikofaktoren auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet werden.

Bakteriurie mit GBS

  • Schwangere mit einer symptomatischen oder asymptomatischen GBS-Bakteriurie während der Schwangerschaft sollten umgehend antibiotisch behandelt werden.1

Prävention

  • Die Prophylaxe besteht aus der Identifizierung von Risikogruppen und der Therapie.
  • Wenn Streptokokken der Gruppe B in der Schwangerschaft nachgewiesen werden, sollte das im Mutterpass als Information für die Entbindungsstation aufgeführt werden.1

Handhygiene

  • Sorgfältige Handhygiene durch alle Personen, die in direktem Kontakt zu dem Neugeborenen stehen (Angehörige und medizinisches Personal).6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Kolonisierung mit Gruppe-B-Streptokokken kann vorübergehend, chronisch oder intermittierend auftreten.1

Komplikationen

  • Eine Infektion mit B-Streptokokken ist eine wichtige Ursache der neonatalen Morbidität und Mortalität.1
  • Andere Komplikationen durch eine Kolonisierung mit B-Streptokokken können Harnwegsinfektionen, Amnioninfektionssyndrom, postpartale Endometritis und Bakteriämie bei schwangeren Frauen (u. a. nach einem Kaiserschnitt) sein.1

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI). Prophylaxe der Neugeborensepsis- frühe Form - durch Streptokokken der Gruppe B. AWMF-Leitlinie Nr. 024/020, S2k, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
  2. Verani JR, McGee L, Schrag SJ. Prevention of perinatal group B streptococcal disease--revised guidelines from CDC, 2010. Division of Bacterial Diseases, National Center for Immunization and Respiratory Diseases, Centers for Disease Control and Prevention (CDC). MMWR Recomm Rep. 2010 Nov 19;59(RR-10):1-36. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Puopolo KM, Lynfield R, Cummings JJ; Management of Infants at Risk for Group B Streptococcal Disease. Pediatrics. 2019 Aug;144(2):e20191881. publications.aap.org
  4. Brimil N, Barthell E, Heindrichs U, Kuhn M, Lütticken R, Spellerberg B. Epidemiology of Streptococcus agalactiae colonization in Germany. Int J Med Microb. 39-44. 2006. pmid:16361113 PubMed
  5. Russell NJ, Seale AC, O'Driscoll M, O'Sullivan C, Bianchi-Jassir F, Gonzalez-Guarin J, Lawn JE, Baker CJ, Bartlett L, Cutland C, Gravett MG, Heath PT, Le Doare K, Madhi SA, Rubens CE, Schrag S, Sobanjo-Ter Meulen A, Vekemans J, Saha SK, Ip M. Maternal Colonization With Group B Streptococcus and Serotype Distribution Worldwide: Systematic Review and Meta-analyses. GBS Maternal Colonization Investigator Group. Clin Infect Dis. 2017 Nov 6;65(suppl_2):S100-S111. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Healy B. Group B streptococcal infection. BMJ Best Practice, last updated 18 Nov 2022, letzter Zugriff 28.10.2023. bestpractice.bmj.com
  7. Smaill FM, Grivell RM. Antibiotic prophylaxis versus no prophylaxis for preventing infection after cesarean section. Cochrane Database Syst Rev 2014. www.cochranelibrary.com
  8. Gemeinsamer Bundesauschuss, Mutterschafts-Richtlinien 2023. www.g-ba.de
  9. Di Renzo GC, Melin P, Berardi A, Blennow M, Carbonell- Estrany X, Donzelli GP, Hakansson S, Hod M, Hughes R, Kurtzer M, Poyart C, Shinwell E, Stray-Pedersen B, Wielgos M, El Helali N. Intrapartum GBS screening and antibiotic prophylaxis: a European consensus conference. J Matern Fetal Neonatal Med 2015;28:766-82. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchiurgie, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

 

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