In vielen Großstädten gehören sie zum Straßenbild: Menschen, die sehr offensiv, unter Zurschaustellung von verstümmelten Gliedmaßen, auch bei schlechtestem Wetter betteln. Der Verdacht liegt nahe, dass sie das nicht freiwillig tun, sondern dazu gezwungen werden. Tatsächlich ist die Ausbeutung einer Betteltätigkeit eine Form des Menschenhandels. Dieser ist als Ausbeutung einer Person durch die Ausnutzung ihrer Zwangslage definiert. Weitere Formen des Menschenhandels sind zum Beispiel Zwangsprostitution, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse oder Zwang zu strafbaren Handlungen. Laut Statistik sind in Europa Zehntausende Menschen Opfer von Menschenhandel, und die Dunkelziffer liegt vermutlich noch viel höher. Besonders gefährdet sind Migrantinnen. Unser neuer Artikel Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution bietet umfassende Informationen zu diesem Thema.
Einige denken jetzt sicherlich: Das ist ja alles sehr tragisch, aber was hat das mit der hausärztlichen Arbeit zu tun? Diejenigen von uns, die sich auch in der medizinischen Versorgung Geflüchteter und von Migranten engagieren, werden Patientinnen, die sich in einer ausbeuterischen Zwangslage befinden, schon wiederholt gesehen haben. Oft ist in so einem Setting der Kontakt zu Sozialarbeitern oder einer Fachberatungsstelle relativ leicht herzustellen. Was aber tun, wenn diese Patientinnen aufgrund ihres Aufenthaltsstatus regulär krankenversichert sind und eine Hausarztpraxis aufsuchen, was besonders in größeren Städten vorkommen kann? Woran kann man Opfer von Menschenhandel erkennen und was ist in einem solchen Fall zu tun?
Ein Alarmzeichen kann sein, dass die Patientin, unabhängig vom Beratungsanlass, in Begleitung eines Mannes (oder einer Frau) in die Sprechstunde kommt und nicht alleine mit Ärzten sprechen darf. Der Begleiter gibt den Anschein, aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse der Patientin bei dem Gespräch dabei zu sein, dominiert und kontrolliert aber die Kommunikation. Die Patientin macht einen verängstigten Eindruck, oft fehlt der Blickkontakt. Es können sich Hinweise auf eine desolate Wohnsituation (z. B. Skabies und Läuse), auf Misshandlungen (Verletzungen, Verbrennungen) oder auf Zwangsprostitution (STD, wie z.B. Gonorrhoe, Chlamydien, Kondylome, oder eine ungewollte Schwangerschaft) ergeben. Außerdem können Zeichen einer Depression oder einer PTBS vorliegen. In jedem Fall sollte eine behutsame Kommunikation alleine mit der Patientin angestrebt werden, möglicherweise mit Hilfe einer professionellen weiblichen Dolmetscherin. Wenn die Patientin das wünscht, soll sie an eine Fachberatungsstelle des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel verwiesen werden. Fehlt der Patientin die Kraft, sich aus ihrer Situation heraushelfen zu lassen, bleibt vorerst nur die Möglichkeit einer einfühlsamen ärztlichen Begleitung bei der Diagnostik und Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
Frühere Themen:
- Orthopädie bei Kindern: Wer kennt sich da aus?
- Ist ein Arzt an Bord?
- Ärztliche Leitlinien: Viel hilft viel?
- Wollen wir wirklich eine Impfpflicht?
- Panikstörung: Das Chamäleon der Akutmedizin
- Was heißt hier kommerziell?
- Dünnes Eis: Freunde und Familienmitglieder als Patienten
- Digitale Hybris, intelligente Hilfe
- Weihnachten 2018: Darf man sich was wünschen?
- Rationale Antibiotikatherapie in der Hausarztpraxis
- Krank ins Büro?
- Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe
- Physiotherapie: Herausforderung Hilfsmittel-Verordnung
- Unabhängige Patienteninformationen?
- Iatrogene Krankheitsbilder - wenn die Arzneimitteltherapie krank macht
- Manchmal frustrierend: Schwindelabklärung in der Hausarztpraxis
- Geflüchtete als Patienten in der Hausarztpraxis
- Neue NVL Asthma: wichtige und neue Empfehlungen
- Was kann man noch glauben?
- Nicht ganz banal, aber fast schon alltäglich in der Hausarztpraxis: Erkrankungen bei Tropenrückkehrern
- Neue DEGAM-Leitlinie "Brennen beim Wasserlassen"
- STIKO-Impfempfehlungen: Was ändert sich?
- Warum die DEGAM für uns wichtig ist
- Eine Wissenschaft für sich: die Abrechnung in der Hausarztpraxis
- Sehstörungen: Was kann der Hausarzt tun?
- Für die meisten unsichtbar: die neue Wohnungslosigkeit
- Orale Antikoagulanzien: Was gibt es Neues?
- Zufällig auskultiertes Herzgeräusch - was nun?
- Immer noch ungerecht: Kindergesundheit in Deutschland
- Hitzewelle und Gesundheitsrisiken
- Deximed für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin
- Fahrt Rad!
- Neue Leitlinie: Typ-1-Diabetes
- Ausbeutung von PJ-Studenten in Kliniken
- Sonografie in der Hausarztpraxis – Wir haben die Bilder dazu!
- Neues zu HPV
- Cannabis: Stand der Dinge
- Zytomegalie: Haben wir das auf dem Schirm?
- Fernbehandlung: Fluch und Segen der Telemedizin
- Neue DVO-Leitlinie Osteoporose
- Gewalt gegen Ärzte
- Alles gelb: Pollenalarm!
- Neues zu Asthma
- Der Wahnsinn: „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ in Bayern
- Wartezeit auf Psychotherapie: 20 Wochen!
- Das Märchen von der Datensicherheit
- Mein Heilpraktiker ist aber anderer Meinung
- Schwangerschaftsabbrüche – Hilfe ohne Wertung
- Armut macht krank – auch hierzulande
- Erst einmal 112 rufen: Lebensbedrohliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- „Da kann nichts passieren, ich fahre die Strecke jeden Tag“ – Beurteilung der Fahreignung
- Alles eine Frage der Definition: Burnout und CFS
- Endokrinologie in der Hausarztpraxis: Schilddrüsenerkrankungen
- Neue DEGAM-Leitlinie: Müdigkeit
- Können Teilzeitärztinnen „richtige“ Hausärzte sein?
- Warum gibt es den Männerschnupfen?
- Influenza: neue Impfempfehlung
- Interkulturelle Kommunikation – Vorsicht Fallstricke!
- Alkohol und sein Platz in unserer Gesellschaft
- Was bleibt, was sich ändert
- Weihnachten als gesundheitliche Herausforderung
- Haben wir die Zeit für Banalitäten?
- Alles Reizdarm
- Das rote Auge in der Hausarztpraxis
- Schlafstörungen: große Erwartungen an die Ärzte
- Gibt es ihn noch, den gesunden Menschen?
- Klimawandel: wir Ärzte sollten dazu etwas sagen
- Drogenkrise in den USA – Betrifft uns das?
- Mit Schnupfen in die Notaufnahme?
- Vorgehen bei somatoformen Störungen: weniger ist mehr
- Häufiger Zufallsbefund: Anämie
- Die neue Leitlinie zum Harnwegsinfekt lässt Fragen offen
- Hausärzte können Palliativmedizin
- Nicht unsere Baustelle? Gynäkologie in der Hausarztpraxis
- Impfempfehlungen der STIKO – Was ist neu?
- EKG-Befunde, wie sie in der Praxis aussehen
- Warum erlaubt Deutschland als letztes EU-Land Außenwerbung für Tabakprodukte?
- Cannabinoide, revisited
- Ärztliche Schweigepflicht – Wann muss, wann darf man eine Ausnahme machen?
- Highlights aus Babybecken, Sandkasten und Kita
- Hautinfektionen – Haben Sie die Bilder dazu im Kopf?
- Hausärztliche Beratung zur kardiovaskulären Prävention – die neue DEGAM-Leitlinie
- Neue Leitlinie: Geriatrisches Assesssment in der Hausarztpraxis
- Bei Kopfschmerz an die Differenzialdiagnosen denken!
- Quartäre Prävention und Vermeidung von Überdiagnostik
- HIV und AIDS: daran denken!
- NVL Kreuzschmerz: Was ist neu?
- Oft nicht ganz eindeutig: Dermatologie in der Hausarztpraxis
- Beratung vor der Reise
- Sommerliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- Auch wenn es schwerfällt: Let's talk about sex
- Allgemeinmedizin attraktiver machen – wie geht das?
- Unsere globale Verantwortung: Antibiotikaresistenzen
- Nicht jedermanns Sache: Traumatologie in der Hausarztpraxis und beim Notarzteinsatz
- Off-Label-Use – Was ist zu beachten?
- Mobbing von Schülern und gesundheitliche Folgen
- Demenzdiagnostik in in der Hausarztpraxis
- Wissen, was man tut, und warum
- Der „Mausarm“ und andere Schulter-Arm-Probleme
- iFOBT statt Serienbriefchen
- Achtung Pollenflug
- Nackenschmerzen – ein Wunschkonzert?
- Kollege Dr. House
- TSH – Krankheitsdefinition aus dem Labor?
- Impfpräventable Krankheitsbilder – es gibt sie noch
- Cannabinoide auf Rezept
- Ohrenprobleme
- Die Altenheimvisite
- Wenn der Alltag krank macht
- Ärzte als Patienten
- Gute Vorsätze für das neue Jahr
- There is no free lunch
- Influenza – die Saison ist eröffnet
- Depressionsbehandlung – eine typische Aufgabe des Hausarztes?
- Vitamin D – ein Alleskönner?
- Erkältungszeit
- Evidenzbasierte Medizin aus Norwegen