Dass eine Anämie als Nebenbefund des Blutbildes auffällt, wenn eigentlich eine ganz andere Fragestellung geklärt werden soll, kommt in der Hausarztpraxis relativ häufig vor. Die Erythrozytenmorphologie gibt hier erste Hinweise auf die zugrundeliegende Ursache. Je nach Altersgruppe sind andere Differenzialdiagnosen in Erwägung zu ziehen. So ist eine Anämie bei Kindern anders zu bewerten als eine Anämie bei Erwachsenen. Bei jüngeren Frauen im reproduktionsfähigen Alter ist eine leichte Eisenmangelanämie wegen des menstruationsbedingten Blutverlusts nicht ungewöhnlich. Auch eine vegetarische oder vegane Ernährung kann das Vorliegen einer Anämie erklären. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass anderen Ursachen nicht weiter nachgegangen wird.
Bei einer Eisenmangelanämie sollte neben einer verminderten Eisenaufnahme auch immer ein, meist intestinaler, Eisenverlust ausgeschlossen werden. Bei Nachweis von okkultem Blut im Stuhl soll eine gastroenterologische Abklärung erfolgen. Häufig liegen kolorektale Polypen vor. Aber hin und wieder wird so auch ein kolorektales Karzinom entdeckt. An eine Blutung aus dem oberen Gastrointestinaltrakt muss ebenfalls gedacht werden, beispielsweise aufgrund eines gastroösophagealen Refluxes, einer Ulkuskrankheit oder gar eines Ösophagus- oder Magenkarzinoms. Eine Anämie bei chronisch kranken Patienten kann wie eine Eisenmangelanämie imponieren, aber durch die chronische Erkrankung selbst bedingt sein.
Sollte die Anämie nicht durch einen Eisenmangel begründet sein, kann gerade in höherem Alter oder bei streng veganer Ernährung ein Vitamin-B12-Mangel (perniziöse Anämie) vorliegen. Je nach Schwere des Befundes, dem Ausmaß der Blutbildveränderungen und der Befundkonstellation muss auch an hämatologische Erkrankungen, wie zum Beispiel eine hämolytische Anämie oder auch ein myelodysplastisches Syndrom, eine CLL oder eine CML gedacht werden.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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