In Bayern soll ein neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) verabschiedet werden. Der Gesetzesentwurf wird stark kritisiert von Ärzten, Oppositionsparteien, Patientenvereinigungen, Angehörigen und Wohlfahrtsverbänden. Im Wesentlichen geht es darum, dass psychisch kranke Patienten, die auf Anordnung eines Gerichts in einer psychiatrischen Klink untergebracht werden, wie potenzielle Straftäter behandelt werden sollen. Sollte also von einem Patienten mit einer akuten Psychose kurzzeitig eine akute Fremdgefährdung ausgehen und er in einer Klinik untergebracht werden, so muss laut Gesetzesentwurf seine Entlassung aus der Unterbringung der Polizei gemeldet werden.
Außerdem sollen in einer zentralen Unterbringungsdatei medizinische und personenbezogene Daten für fünf Jahre gespeichert werden. Zugriff sollen Justiz- und Sicherheitsbehörden haben. Besuche, die untergebrachte Patienten erhalten, dürfen überwacht und gespeichert werden. Dies betrifft also beispielsweise Patienten, die akut suizidal sind und deswegen als selbst- und fremdgefährdend eingeschätzt werden. Oder Patienten, die im Rahmen einer Intoxikation (Rauschzustand) oder eines Delirs oder eines Verwirrtheitszustandes als gefährlich eingestuft wurden, aber nach Abklingen des Problems völlig gesund sind. Patienten mit einer akuten Verschlechterung einer Depression oder einer unbehandelten Schizophrenie, die vorübergehend untergebracht werden mussten, sind aufgrund der zentralen Registrierung stigmatisiert und den Behörden als gefährlich bekannt, auch wenn sie nach dem Krankenhausaufenthalt gut medikamentös eingestellt und ambulant versorgt sind.
Die akute Unterbringung psychisch kranker Patienten aus der Hausarztpraxis ist selten, kann aber durchaus vorkommen. Schon erlebt: die akut psychotische misch-intoxikierte Drogenpatientin, die akut halluzinierende ältere Dame, die ständig vor die Autos auf der Straße rannte, weil sie dachte, man will sie töten, oder der Palliativpatient, der mit der Pistole herumfuchtelte und drohte, sich und Andere zu erschießen. Die Hemmschwelle, solchen Patienten mit einer Unterbringung zu helfen, wird hoch sein, sollte dieser Gesetzesentwurf umgesetzt werden. Die Verantwortlichen in Bayern rudern wohl schon ein Stückchen zurück: Die Unterbringungsdatei soll angeblich jetzt keinen ärztlichen Aufnahmebefund enthalten und die Daten für weniger als fünf Jahre gespeichert werden. Zum Wohle der Patienten kann man nur hoffen, dass dieser Gesetzesentwurf noch einmal gründlich überarbeitet wird.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
Frühere Themen:
- Wartezeit auf Psychotherapie: 20 Wochen!
- Das Märchen von der Datensicherheit
- Mein Heilpraktiker ist aber anderer Meinung
- Schwangerschaftsabbrüche – Hilfe ohne Wertung
- Armut macht krank – auch hierzulande
- Erst einmal 112 rufen: Lebensbedrohliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- „Da kann nichts passieren, ich fahre die Strecke jeden Tag“ – Beurteilung der Fahreignung
- Alles eine Frage der Definition: Burnout und CFS
- Endokrinologie in der Hausarztpraxis: Schilddrüsenerkrankungen
- Neue DEGAM-Leitlinie: Müdigkeit
- Können Teilzeitärztinnen „richtige“ Hausärzte sein?
- Warum gibt es den Männerschnupfen?
- Influenza: neue Impfempfehlung
- Interkulturelle Kommunikation – Vorsicht Fallstricke!
- Alkohol und sein Platz in unserer Gesellschaft
- Was bleibt, was sich ändert
- Weihnachten als gesundheitliche Herausforderung
- Haben wir die Zeit für Banalitäten?
- Alles Reizdarm
- Das rote Auge in der Hausarztpraxis
- Schlafstörungen: große Erwartungen an die Ärzte
- Gibt es ihn noch, den gesunden Menschen?
- Klimawandel: wir Ärzte sollten dazu etwas sagen
- Drogenkrise in den USA – Betrifft uns das?
- Mit Schnupfen in die Notaufnahme?
- Vorgehen bei somatoformen Störungen: weniger ist mehr
- Häufiger Zufallsbefund: Anämie
- Die neue Leitlinie zum Harnwegsinfekt lässt Fragen offen
- Hausärzte können Palliativmedizin
- Nicht unsere Baustelle? Gynäkologie in der Hausarztpraxis
- Impfempfehlungen der STIKO – Was ist neu?
- EKG-Befunde, wie sie in der Praxis aussehen
- Warum erlaubt Deutschland als letztes EU-Land Außenwerbung für Tabakprodukte?
- Cannabinoide, revisited
- Ärztliche Schweigepflicht – Wann muss, wann darf man eine Ausnahme machen?
- Highlights aus Babybecken, Sandkasten und Kita
- Hautinfektionen – Haben Sie die Bilder dazu im Kopf?
- Hausärztliche Beratung zur kardiovaskulären Prävention – die neue DEGAM-Leitlinie
- Neue Leitlinie: Geriatrisches Assesssment in der Hausarztpraxis
- Bei Kopfschmerz an die Differenzialdiagnosen denken!
- Quartäre Prävention und Vermeidung von Überdiagnostik
- HIV und AIDS: daran denken!
- NVL Kreuzschmerz: Was ist neu?
- Oft nicht ganz eindeutig: Dermatologie in der Hausarztpraxis
- Beratung vor der Reise
- Sommerliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- Auch wenn es schwerfällt: Let's talk about sex
- Allgemeinmedizin attraktiver machen – wie geht das?
- Unsere globale Verantwortung: Antibiotikaresistenzen
- Nicht jedermanns Sache: Traumatologie in der Hausarztpraxis und beim Notarzteinsatz
- Off-Label-Use – Was ist zu beachten?
- Mobbing von Schülern und gesundheitliche Folgen
- Demenzdiagnostik in in der Hausarztpraxis
- Wissen, was man tut, und warum
- Der „Mausarm“ und andere Schulter-Arm-Probleme
- iFOBT statt Serienbriefchen
- Achtung Pollenflug
- Nackenschmerzen – ein Wunschkonzert?
- Kollege Dr. House
- TSH – Krankheitsdefinition aus dem Labor?
- Impfpräventable Krankheitsbilder – es gibt sie noch
- Cannabinoide auf Rezept
- Ohrenprobleme
- Die Altenheimvisite
- Wenn der Alltag krank macht
- Ärzte als Patienten
- Gute Vorsätze für das neue Jahr
- There is no free lunch
- Influenza – die Saison ist eröffnet
- Depressionsbehandlung – eine typische Aufgabe des Hausarztes?
- Vitamin D – ein Alleskönner?
- Erkältungszeit
- Evidenzbasierte Medizin aus Norwegen