Allgemeine Informationen
Definition
- Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-4
Rauchloser Tabak
- Rauchloser Tabak ist ein Sammelbegriff für alle Tabakprodukte, die nicht geraucht werden.
- Der Begriff bezeichnet üblicherweise Schnupf- und Kautabak (Priem) sowie den in Schweden und Norwegen verbreiteten Lutschtabak (Snus), kann sich aber auch auf Tabakblätter zum Kauen und trockenen Tabak zum Schnupfen beziehen.
- In Deutschland ist es verboten, Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch (z. B. Snus) in den Verkehr zu bringen.5
- In Deutschland wird rauchloser Tabak nicht selten in Form von Schnupftabak konsumiert, Kautabak spielt in Deutschland lediglich eine untergeordnete Rolle.6
- Schnupftabak ist zur Applikation über die Nase bestimmt und besteht aus: fein gemahlenen, dunklen Tabakpflanzen, mit Wasser versetzt, sowie feuchtigkeitsbewahrenden Stoffen, pH-regulierenden Stoffen, Salzen und Geschmacksstoffen.
- Der Konsum von Schnupftabak führt zur einer vergleichbar hohen Nikotinkonzentration im Plasma wie das Rauchen von Zigaretten und macht süchtig.
- Obgleich die gesundheitsschädliche Wirkung im Vergleich zum Rauchen von Zigaretten geringer ist, ist ein kanzerogener Effekt wahrscheinlich.
- Durch dauerhaften Konsum können die Nasenschleimhäute geschädigt werden.
Häufigkeit
- Da Schnupftabak in Deutschland seit 1993 nicht mehr der Tabaksteuer unterliegt, wird der Verbrauch seither nicht mehr statistisch erfasst.
- Daher liegen keine verlässlichen Daten zur Häufigkeit des Schnupftabakkonsums vor.
- In Deutschland sind Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch (z. B. Snus) verboten5, weshalb eine gewisse Dunkelziffer (Schwarzmarkt) besteht.
- In den USA konsumierten im Jahr 2018 2,4 % der Erwachsenen rauchfreie Tabakprodukte.
Pathologie
- Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-3
- Die WHO definiert rauchlosen Tabak als krebserregende Substanz, die nachgewiesenermaßen Krebs in Mundhöhle, Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse verursacht.7
- Die meisten kommerziellen rauchlosen Tabakprodukte enthalten Blattmischungen aus verschiedenen Nicotiana-tabacum-Arten und -Varianten.
- In rauchlosem Tabak wurden 31 krebserregende Substanzen identifiziert. Ein Großteil besteht aus nichtflüchtigen tabakspezifischen N12-Nitrosaminen und N-Nitrosaminsäuren.
- Es gibt Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Schnupftabakkonsum und einem tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
- Eine prospektive schwedische Studie liefert Hinweise darauf, dass das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bei Personen, die mindestens eine Packung Lutschtabak am Tag verbrauchen, um ca. 70 % erhöht ist.8
- Auswirkungen rauchfreier Tabakprodukte in der Schwangerschaft
- Der Konsum von Schnupftabak in der Schwangerschaft wirkt bei vielen Patientinnen ähnlich wie Rauchen in der Schwangerschaft und ist daher nicht zu empfehlen.
- Das Risiko einer Frühgeburt ist erhöht.
- Auch das Risiko einer Totgeburt ist erhöht.
- Schnupftabakkonsum der Mutter erhöht das Risiko für Apnoe bei Neugeborenen.
- Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Schnupftabakkonsum in der Schwangerschaft und einem erhöhten Risiko für Lippen-Gaumenspalten beim Kind.9
Snus
- Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-3
- Wird traditionell in Schweden und anderen skandinavischen Ländern hergestellt.
- Snus ist ein rauchloses Tabakprodukt, das zwischen Lippe und Zahnfleisch geklemmt wird.
- Es besteht aus fein gemahlenem Tabak, dem Aromen, Salze, Wasser, Feuchthaltemittel und Puffer zugesetzt werden.
- erhältlich lose und portioniert in verschiedenen Geschmacksrichtungen
- Snus wird zwischen der Mundschleimhaut und der Oberlippe platziert und dort zwischen 15 Minuten bis zu 12 Stunden gehalten.
- Nikotin gelangt über die Schleimhäute in den Blutkreislauf.
- Die Konsument*innen von rauchlosem Tabak nehmen über den Tag hinweg im Durchschnitt ähnlich viel oder sogar mehr Nikotin auf als Zigarettenraucher*innen.
- Mögliche gesundheitliche Folgeschäden
- Bauchspeicheldrüsenkrebs
- Mundhöhlenkrebs
- Speiseröhrenkrebs
- Parodontitis
- Karies
- Zahnverlust
- Zahnfleischrückgang
- Frühgeburten
- Präeklampsie
- Möglicherweise auch an der Entstehung von Schäden des Herz-Kreislaufsystems, Diabetes und des metabolischen Syndroms beteiligt.
- Snus kann abhängig machen und die Mortalität erhöhen.10
Nikotin
- Alle Tabakprodukte enthalten Nikotin.
- Nikotin weist psychotrope, entspannende, angstlösende und stimulierende Eigenschaften auf und führt regelhaft zu Abhängigkeit.
- Die Entzugserscheinungen reichen von negativer Stimmungslage bis hin zu somatischen Beschwerden.
- Aufnahme
- Nikotin wird über die Lunge, über die Mund- und Nasenschleimhäute, über den Magen-Darm-Trakt und die Haut aufgenommen.
- Die schnellste Absorption erfolgt über die Lunge nach dem Rauchen.
- Nikotin erreicht in der Regel innerhalb von 20 sec nach Beginn des Rauchens das Gehirn.
- Das Risiko einer Abhängigkeit scheint bei einer schnellen Nikotinlieferung an das Gehirn größer zu sein.
- Nikotin aus Schnupftabak, Nasenspray, Kaugummi und Pflastern wird langsamer absorbiert als Nikotin aus Rauch, doch die Exposition mit Nikotin dauert länger.
- Nikotin wird über die Lunge, über die Mund- und Nasenschleimhäute, über den Magen-Darm-Trakt und die Haut aufgenommen.
- Abhängigkeit von Schnupftabak
ICPC-2
- P17 Tabakmissbrauch
- A23 Risikofaktoren NNB
ICD-10
- F17.1 Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Schädlicher Gebrauch
Therapie
Therapieziele
- Entwöhnung vom Tabakkonsum
- Aufklärung zu und Verhinderung von gesundheitlichen Folgeschäden
Allgemeines zur Therapie
- Eine Verhaltensintervention sowie motivierende Gespräche stellen den effektivsten Ansatz dar.
- Diese umfassen Aufklärung in Form von allgemeinen Informationen zu Gesundheitseffekten sowie Informationen zu Abhängigkeit und Abstinenz.
- Begleitende Behandlung mit Vareniclin kann die Anzahl der Patient*innen, die mit dem Rauchen aufhören, erhöhen, während Studien für Nikotinersatzpräparate keine Wirkung nachweisen konnten.
Empfehlungen für Patient*innen
- Die intrinsische Motivation, mit dem Tabakkonsum aufzuhören, ist entscheidend.
- Ebenso wie beim Rauchen sind viele in der Lage, aufzuhören und Entzugserscheinungen zu überwinden, wenn die Motivation vorhanden ist.
Medikamentöse Therapie
- In der Regel sind Kurzinterventionen unter Anwendung von Techniken der motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI) ausreichend effektiv zum Erreichen der Abstinenz.
- Eine medikamentöse Therapie sollte nur in besonderen Fällen nach sogfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
- Die Qualität der Studien zur Pharmakotherapie ist gering.
- Vareniclin könnte die Abstinenzrate nach 6 Monaten Follow-up leicht erhöhen.
- Nikotinersatzprodukte führten zwar kurzfristig zu einer längeren Abstinenz, doch ein langfristiger Effekt konnte nicht nachgewiesen werden.
- Zudem können unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten.
- Bupropion zeigte keinen signifikanten Effekt auf die Tabakabstinenz, reduzierte aber das Verlangen nach Nikotin und außerdem die Gewichtszunahme nach Beendigung des Tabakkonsums.13
- Siehe auch Artikel Raucherentwöhnung.
Fazit
- Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-3
- Rauchlose Tabakprodukte enthalten Nikotin und machen abhängig.
- Rauchlose Tabakprodukte enthalten kanzerogene und giftige Substanzen.
- Rauchlose Tabakprodukte verursachen schwere, z. T. tödlich verlaufende Krankheiten.
- Rauchlose Tabakprodukte sind attraktiv für Jugendliche.
- Langfristig erhöhen rauchlose Tabakprodukte den Gesamttabakkonsum.
- Rauchlose Tabakprodukte haben in der Tabakentwöhnung keinen Nutzen.
- Die Anzahl der Raucher*innen sinkt auch in Ländern ohne rauchlose Tabakprodukte.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.). Snus, ein gesundheitsschädliches Tabakprodukt. Heidelberg, 2010. www.dkfz.de
- Rigotti NA. Patterns of tobacco use. Uptodate. Last updated May 2023. www.uptodate.com
- Clarke E, Thompson K, Weaver S, et al. Snus: a compelling harm reduction alternative to cigarettes. Harm Reduct J. 2019 Nov 27;16(1):62. doi: 10.1186/s12954-019-0335-1. PMID: 31775744; PMCID: PMC6882181 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Bundesinstitut für Risikobewertung. Schnupftabak birgt ebenso hohes Suchtrisiko wie Zigaretten. Stellungnahme Nr. 031/2013 des BfR 2013; 031: 1-6. www.bfr.bund.de
- Bundesministerium für Justiz. Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tabakerzeugnisgesetz - TabakerzG). § 11 Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch. Abruf 15.06.2023. www.gesetze-im-internet.de
- Bertram B, Haid C, Pötschke-Langer M, Schaller K, Streif K. Rauchlose Tabakprodukte: Jede Form von Tabak ist gesundheitsschädlich. Heidelberg: Deutsches Krebsforschungszentrum, 2006. www.dkfz.de
- WHO. Fact-sheet: Tobacco. Abruf 15.06.2023. www.who.int
- Carlsson S, Andersson T, Araghi M, et al. Smokeless tobacco (snus) is associated with an increased risk of type 2 diabetes: results from five pooled cohorts. J Intern Med 2017. pmid:28164394 PubMed
- Gunnerbeck A, Edstedt Bonamy A-K, Wikström A-K, et al. Maternal snuff use and smoking and the risk of oral cleft malformations - a population-based cohort. PlosOne 2014; 9: e84715. doi:10.1371/journal.pone.0084715 DOI
- Byhamre ML, Araghi M, Alfredsson L, et al. Swedish snus use is associated with mortality: a pooled analysis of eight prospective studies. Int J Epidemiol. 2021 Jan 23;49(6):2041-2050. doi: 10.1093/ije/dyaa197. PMID: 33347584; PMCID: PMC7825961. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Ebbert J, Montori VM, Erwin PJ, Stead LF. Interventions for smokeless tobacco use cessation. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011; 2: CD004306. doi:10.1002/14651858.CD004306.pub4 DOI
- Nethan ST, Sinha DN, Chandan K, Mehrotra R. Smokeless tobacco cessation interventions: A systematic review. Indian J Med Res. 2018 Oct;148(4):396-410. doi: 10.4103/ijmr.IJMR_1983_17. PMID: 30666002; PMCID: PMC6362721. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Dale LC, Ebbert JO, Glover ED, et al. Bupropion SR for the treatment of smokeless tobacco use. Drug Alcohol Depend 2007; 90: 56-63. pmid:17353101 PubMed
Autor*innen
- Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).