Intrahepatische Schwangerschaftscholestase

Zusammenfassung

  • Definition:Intrahepatische (obstetrische) Cholestase im 2. oder insbesondere 3. Trimenon unbekannter Ursache.
  • Häufigkeit:Inzidenz in Mitteleuropa 1–2 % der Schwangeren.
  • Symptome:Leitsymptom ist Juckreiz ohne sichtbare Hautläsionen, v. a. Handflächen und Fußsohlen, verstärkt nachts.
  • Befunde:In der Regel fehlt ein klinischer Befund, ggf. milder Ikterus.
  • Diagnostik:Bestimmung von Gallsensäurespiegel, Bilirubin, Gamma-GT und Transaminasen.
  • Therapie:Die Therapie dient der Symptomlinderung. Entbindung einzige kausale Behandlung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Intrahepatische (obstetrische) Cholestase im 2. oder 3. Trimenon unbekannter Ursache1-2
  • Führt zu einem Anstieg der Gallensäurespiegel und/oder Leberwerte und bewirkt quälenden Juckreiz ohne Ausschlag bei der Mutter.
  • Leicht erhöhtes Risiko für ungünstige neonatale Ereignisse und Mortalität
    • Frühgeburt, intrauteriner Fruchttod, intrazerebrale Blutungen und fetales Atemnotsyndrom beim Kind können die Folge sein.3-4
    • intrauterine Fruchttode bei Einlingsgraviditäten im Median um 38+0 SSW und bei Geminigraviditäten bereits vor 37+0 SSW5
  • Ist für die Mutter meist ungefährlich.
  • Durch Malabsorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen kann es zu mütterlichem Vit.-K-Mangel kommen.3-4
  • Das Risiko ungünstiger neonataler Ereignisse korreliert mit der Höhe des maternalen Gallensäurespiegels im Blut.3

Häufigkeit

  • Inzidenz von 1–2 % der Schwangeren in Mitteleuropa und Nordamerika6

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ätiologie ist nicht vollständig geklärt, sowohl genetische, hormonelle als auch Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen.
    • Verschiedene Genmutationen konnten bei Frauen mit intrahepatischer Schwangerschaftcholestase nachgewiesen werden.
    • Auch die Höhe der Schwangerschaftshormonspiegel scheinen eine Rolle bei der Entwicklung der intrahepatischen Schwangerschaftcholestase zu spielen.3

Prädisponierende Faktoren

  • Intrahepatischer Gallenstau in der Schwangerschaft rezidiviert in 60–70 % der Fälle in nachfolgenden Schwangerschaften.3
  • Ein leicht erhöhtes Risiko ist bei Zwillingsschwangerschaften zu verzeichnen.
  • Bestehende oder stattgehabte Hepatitis C
  • Alter > 35 Jahre4

ICPC-2

  • W99 Störung Schwangerschaft/Entbindung, andere

ICD-10

  • O26.6 Leberkrankheiten während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes
    • O66.60 Schwangerschaftscholestase

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Schwangerschaftsjuckreiz ohne Ausschlag, den gesamten Körper betreffend, und Anstieg der Gallensäurespiegel und/oder Lebertransaminasen (GOT, GPT), Gamma-GT und evtl. Bilirubinanstieg im Blut

Differenzialdiagnose

Anamnese

  • Juckreiz entwickelt sich in der Regel während des 3. Trimenons, kann jedoch auch bereits im 2. Trimenon auftreten.3
  • Der Juckreiz tritt in der Regel generalisiert auf, wobei Handflächen und Fußsohlen besonders betroffen sind.
  • Beeinträchtigung durch den Juckreiz v. a. in der Nacht 
  • Gelegentlich Entwicklung von Ikterus3
  • Gewöhnlich guter Allgemeinzustand
  • Ggf. Fettstühle

Klinische Untersuchung

  • Schwangere Frau im 2. oder 3. Trimenon, deren Allgemeinzustand in der Regel nicht beeinträchtigt ist.
  • Milder Ikterus in 10–15 % der Fälle3
  • Kein Hautausschlag, abgesehen von etwaigen Kratzspuren

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Gallensäure im Serum insgesamt
    • Normalbereich 0–6 µmol/l
    • Bei einem Wert > 10 µmol/l wird eine Untersuchung im nüchternen Zustand durchgeführt.
    • Serumgallensäuren über 40 µmol/l gelten hinsichtlich der fetalen Komplikationen als prognostisch ungünstig.3-4
  • Bilirubin
    • häufig leicht erhöht
  • GOT, GPT, AP und Gamma-GT
    • GPT ist häufig erhöht, auf das 2- bis 15-Fache des Normwertes.3
    • AP steigt unter normalen Schwangerschaften an und ist daher wenig aussagekräftig.
    • Gamma-GT kann normal oder nur geringfügig erhöht sein, im Gegensatz zu anderen Gallenwegserkrankungen.
    • U. U. ist eine Hepatitis-Serologie indiziert.
  • Ggf. Gerinnungsparameter (Quick, INR) zum Ausschluss eines Vitamin- K Mangels
  • Gallensäurespiegel, Leberwerte und Gerinnungsparameter sollten nach Diagnosestellung wöchentlich kontrolliert werden.7
  • Ultraschalluntersuchung der Leber z. A. anderer Lebererkrankungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Regelmäßige Beurteilung des fetalen Zustandes durch fetale Bewegungen, Kardiotokografie (CTG) und fetalem Ultraschall durch Gynäkolog*in7

Indikation zur Überweisung

  • Immer bei V. a. die Erkrankung zur Gynäkologie und Geburtshilfe zur Mitbetreuung 

Therapie

Therapieziele

  • Symptome bei der Mutter lindern.
  • Einem intrauterinen Fruchttod oder einer Frühgeburt vorbeugen.3
  • Die Schwangerschaftsdauer verlängern, bis die Lungenreife des Fetus ausreichend vorangeschritten ist.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Entbindung stellt die einzige kausale Therapie dar.3
  • Die medikamentöse Senkung der Gallensäurespiegel mit Ursodeoxycholsäure wird bei quälendem Juckreiz und deutlich erhöhtem Gallensäurespiegel empfohlen.
  • Studien zufolge kann der Juckreiz mittels Ursodeoxycholsäure gemildert und der Gallensäurespiegel/die Leberwerte gesenkt werden, der Benefit wird allerdings als gering betrachtet. Zu möglichen Nebenwirkungen auf den Fetus gibt es keine Evidenz.8-9

Medikamentöse Therapie

Leitlinie: Medikamentöse Therapie der Schwangerschaftscholestase10

  • Ursodeoxycholsäure
    • Mittel der 1. Wahl
    • 10–15 mg/kg Körpergewicht/d, entsprechend einer Tagesdosis von ca. 1 g/d)
      • Therapiestart mit niedriger Dosis
    • Lindert den Juckreiz, hat einen günstigen Effekt auf die Transaminasen.
    • Off-Label-Use
    • Vermindert die Frühgeburtlichkeit, wie eine Metaanalyse zeigt.11
  • S-Adenosylmethionin
    • In einigen europäischen Ländern, nicht aber in Deutschland für diese Indikation zugelassen, Off-Label-Use.
    • Therapieoption der 2. Wahl
    • empfohlene Dosierung: 1.000 mg/d
    • Studienlage widersprüchlich bezüglich des Effektes
  • Rifampicin
    • ebenfalls Off-Label-Use
    • 3. Wahl
    • 150–300 mg/d
    • antipruritischer Effekt in Fallberichten

Alternativen

  • Colestyramin
    • Gelegentlich wird die Gabe von Colestyramin anstelle von Ursodeoxycholsäure bei leichter Erkrankung empfohlen.4
    • Kann zu Malabsorption fettlöslicher Vitamine führen, so einen Vitamin-K-Mangel verschlechtern und eine Vitamin-K-Substitution notwendig machen.4
  • Antihistaminika
    • bei leichten Formen, Effekt sehr eingeschränkt4
  • Therapie mit Dexamethason
    • zur Förderung der Lungenreife bei drohender Frühgeburt vor der 34. SSW4
  • Vitamin K-Substitution bei Vitamin K-Mangel

Weitere Behandlungsstrategien

  • Regelmäßige Überwachung des Feten
  • Einleitung der Geburt5
    • Bei vorliegender intrahepatischer Schwangerschaftscholestase sollte ab 37+0 SSW eine Geburtseinleitung empfohlen werden.
    • Zwischen 34+0 SSW bis 36+6 SSW kann eine Beendigung der Schwangerschaft unter individueller Risikoabwägung empfehlenswert sein.
      • Bei einer Gallensäurekonzentration von > 100μmol/l kann eine Geburtseinleitung empfohlen werden.5
    • bei fetaler Gefährdung
  • Das Kind sollte intramuskulär mit Vitamin K versorgt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen beim Fetus

  • Leicht erhöhtes Risiko für:
    • intrauterinen Fruchttod 
    • Frühgeburt (20 -60 %)
    • Atemnotsyndrom des Neugeborenen
    • intrazerebrale Blutungen beim Neugeborenen
    • Mekoniumabgang ins Fruchtwasser
    • fetale Bradykardien.3

Komplikationen bei der Mutter

  • Erhöhtes Risiko für postpartale Blutung durch Vitamin-K-Mangel3

Prognose

  • Die Höhe der Serumgallensäuren kann als Marker für das Komplikationsrisiko in die therapeutischen Überlegungen miteinbezogen werden.3-4
  • Die Prognose für die Mutter ist günstig, die Krankheit klingt einige Tage nach der Geburt von allein ab.3

Verlaufskontrolle

  • Das Risiko für ein Rezidiv bei nachfolgenden Schwangerschaften ist hoch und liegt bei ca 60 %.12
  • Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva ist erlaubt.
  • GOT, GPT und Gallensäuren sollten bis zur Normalisierung der Werte kontrolliert werden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?

  • Bei 97–99 % aller Kinder treten keine Folgen der Erkrankung auf, es besteht jedoch ein leicht erhöhtes Risiko für Frühgeburt oder intrauterinen Fruchttod.
  • Rezidivrisiko in Folgeschwangerschaften

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Sklerenikterus

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. Geburtseinleitung. AWMF-Register Nr. 015-088. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (DDG). Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. AWMF-Leitlinie Nr. 013-048. S2k, Stand 2022. www.awmf.org

Literatur

  1. Geenes V, Williamson C. Intrahepatic cholestasis of pregnancy. World J Gastroenterol 2009; 15: 2049-66. PubMed
  2. Lindor KD, Lee RH. Intrahepatic cholestasis of pregnancy. UpToDate, last updated Aug 24, 2021. www.uptodate.com. www.uptodate.com
  3. Piechota J, Jelski W. Intrahepatic Cholestasis in Pregnancy: Review of the Literature. J Clin Med. 2020 May 6;9(5):1361. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Debbs RH, Jurus D. Cholestasis of pregnancy. BMJ Best Practice. Last Updated Oct 2017. bestpractice.bmj.com
  5. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. Geburtseinleitung. AWMF-Register Nr. 015-088. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
  6. Floreani A, Gervasi MT New Insights on Intrahepatic Cholestasis of Pregnancy. Clin. Liver Dis. 2016;20:177–189. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Ozyuncu O, Orgul G, Ozten G, Yurdakok M, Beksac MS. Outpatient versus inpatient follow-up for intrahepatic cholestasis of pregnancy. Clin. Exp. Hepatol. 2019;5:289–293. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Chappel LC, Gurung V, Seed PT, et al. Ursodeoxycholic acid versus placebo, and early term delivery versus expectant management, in women with intrahepatic cholestasis of pregnancy: semifactorial randomised clinical trial. BMJ 2012; 344: e3799. BMJ (DOI)
  9. Walker KF, Chappell LC, Hague WM, Middleton P, Thornton JG. Pharmacological interventions for treating intrahepatic cholestasis of pregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 7. Art. No.: CD000493. www.cochranelibrary.com
  10. Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (DDG). Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. AWMF-Leitlinie Nr. 013-048, S2k, Stand 2022. www.awmf.org
  11. Ovadia C, Sajous J, Seed PT et al. Ursodeoxycholic acid in intrahepatic cholestasis of pregnancy: a systematic review and individual participant data meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2021 Apr 26:S2468-1253(21)00074-1. Epub ahead of print. PMID: 33915090. PubMed
  12. Puljic A, Kim E, Page J, Esakoff T, Shaffer B, LaCoursiere DY, Caughey AB. The risk of infant and fetal death by each additional week of expectant management in intrahepatic cholestasis of pregnancy by gestational age. Am. J. Obstet. Gynecol. 2015;212:667. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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