Was ist unstillbares Schwangerschaftserbrechen?
Unstillbares Schwangerschaftserbrechen, fachsprachlich Hyperemesis gravidarum, ist eine durch starke Übelkeit und Erbrechen (mehr als 5-mal pro Tag) gekennzeichnete Erkrankung, die den Allgemeinzustand beeinträchtigt. Durch das Erbrechen kann es zu Gewichtsabnahme, Störungen im Stoffwechsel und im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt kommen (d. h. Veränderungen der Salzkonzentrationen im Blut).
Nach einer allgemein üblichen Definition handelt es sich um Übelkeit und Erbrechen vor der 20. Schwangerschaftswoche. Die Übelkeit beginnt meist in der 4.–9. Schwangerschaftswoche und bessert sich bei 50 % der betroffenen Schwangeren in der 14. Schwangerschaftswoche.
Symptome
Meist tritt die Übelkeit während des ganzen Tages, nicht nur am Morgen, auf. Die Beschwerden beginnen in der Regel in der 4. bis 10. Schwangerschaftswoche. Übelkeit und Erbrechen nehmen derartige Ausmaße an, dass der Allgemeinzustand beeinträchtigt ist. Die Betroffenen sind nicht in der Lage, etwas zu essen oder zu trinken, daher drohen Gewichtsverlust (mehr als 5 % des Körpergewichts) und Austrocknung. Um die 9. Schwangerschaftswoche herum erreicht die Übelkeit gewöhnlich ihren Höhepunkt. Gelegentlich steigen Körpertemperatur und Puls an. In manchen Fällen ist die Funktion von Nieren und Leber beeinträchtigt. Die Beschwerden können so ausgeprägt sein, dass eine Versorgung der Patientin im Krankenhaus erforderlich wird.
Ursachen
Die Ursache ist unbekannt. Vermutlich besteht ein Zusammenhang mit den hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft.
Hormone
Die Erkrankung wird wahrscheinlich von Schwangerschaftshormonen ausgelöst, eine eindeutige Erklärung fehlt jedoch. Ein Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen (erhöhtes HCG, Östrogen, Progesteron) wird angenommen. Vermutlich reagieren Patientinnen mit unstillbarem Schwangerschaftserbrechen sensibler auf Östrogenwirkungen als Schwangere ohne Beschwerden. Die Erkrankung tritt zudem häufiger bei Schwangerschaften mit einem weiblichen Fötus auf.
Psychologische Faktoren
Psychologische Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen, diese sind jedoch nicht ausreichend untersucht. Man vermutet, dass die Beschwerden durch die nicht unerheblichen körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft oder durch Stress mitverursacht werden.
Veranlagung
Frauen, deren Mütter ebenfalls während einer oder mehreren Schwangerschaften unter dieser Erkrankung gelitten haben, sind 3- bis 4-mal so stark gefährdet, ein unstillbares Schwangerschaftserbrechen zu entwickeln.
Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt
Eine eingeschränkte Beweglichkeit im oberen Magen-Darm-Bereich und eine Infektion mit Helicobacter pylori können die Beschwerden hervorrufen.
Schilddrüse
In der Schwangerschaft kann es zu einer vorübergehenden Schilddrüsenüberfunktion kommen. Dies kann mit unstillbarem Schwangerschaftserbrechen verbunden sein.
Risikofaktoren
- Hyperemesis gravidarum wird mit Schwangerschaften in jungem Alter, Mehrlingsschwangerschaften, trophoblastischen Erkrankungen (z. B. Blasenmole), Übergewicht und Hyperemesis in der Vergangenheit in Zusammenhang gebracht.
- Schwangere nicht-westlicher Herkunft scheinen häufiger betroffen zu sein.
- Auch Erkrankungen wie Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes, Asthma oder psychische Erkrankungen begünstigen das Auftreten von unstillbarem Schwangerschaftserbrechen.
Häufigkeit
- Von Übelkeit und Erbrechen sind zu Beginn der Schwangerschaft 50–90 % aller schwangeren Frauen in unterschiedlicher Ausprägung betroffen.
- Hyperemesis gravidarum kommt bei 0,5–2 % aller Schwangeren vor.
Untersuchungen
Die Diagnose wird anhand der typischen Krankengeschichte gestellt, andere Erkrankungen sollen jedoch ausgeschlossen werden.
Körperliche Untersuchung
- Bei der ärztlichen Untersuchung werden insbesondere eine mögliche Gewichtsabnahme und der Allgemeinzustand kontrolliert.
- Außerdem sollte auf Anzeichen für eine Stoffwechselstörung oder Austrocknung geachtet werden.
Laboruntersuchungen
- Blutuntersuchungen geben Aufschluss, ob Leber oder Nieren in Mitleidenschaft gezogen wurden und ob eine Schilddrüsenüberfunktion vorliegt. So können auch mögliche Abweichungen der Mineralstoffkonzentrationen festgestellt werden.
- Der Urin wird u. a. auf Ketonkörper untersucht.
Ultraschall
Mittels Ultraschall wird kontrolliert, ob eine Mehrlingsschwangerschaft oder eine trophoblastische Erkrankung (Blasenmole) vorliegt.
Einweisung in ein Krankenhaus
Bei reduziertem Allgemeinzustand, bei Anzeichen von Austrocknung oder bei einer Gewichtsabnahme von mehr als 5 % des Ausgangsgewichts vor Beginn der Schwangerschaft wird die Aufnahme in ein Krankenhaus empfohlen.
Behandlung
Wichtigstes Ziel ist ein Schwangerschaftsverlauf mit möglichst wenig Beschwerden für die Mutter und einem möglichst geringen Risiko für das Kind.
Medikamente
Die meisten Frauen, die an Schwangerschaftserbrechen und -übelkeit leiden, benötigen keine medikamentöse Behandlung. Die Beschwerden gehen häufig von selbst vorüber. Bei starken, anhaltenden Beschwerden kann eine medikamentöse Behandlung helfen.
Antihistaminika
Gegen Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft können Sie Antihistaminika einnehmen; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Arzneimittel Fehlbildungen hervorrufen.
Vitamin B6
Tabletten mit Vitamin B6 reduzieren die Übelkeit, aber nicht das Erbrechen.
Vitamin B1
Die Einnahme von Vitamin B1 ist sinnvoll, um einer möglichen Wernicke-Enzephalopathie (schwere Hirnerkrankung durch Vitamin-B1-Mangel) vorzubeugen.
Ingwer
Ingwer kann gegen Übelkeit helfen und ist wahrscheinlich in der Schwangerschaft unbedenklich einzunehmen. Es fehlt aber an umfassenderen Studien, um die Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendung von Ingwer während der Schwangerschaft zu bestätigen.
Häufig treten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Sodbrennen auf.
Behandlung im Krankenhaus
- Bei Patientinnen, die im Krankenhaus behandelt werden, werden noch weitere Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen eingesetzt.
- Die intravenöse Flüssigkeitszufuhr, gegebenenfalls mit Zusatz von Nährstoffen und Vitaminen, ist bei Anzeichen von Austrocknung und Störungen des Mineralstoffhaushalts erforderlich.
- Als letzter Ausweg kann Sondenernährung in Erwägung gezogen werden.
Ergänzende Maßnahmen
Akupressur wird von vielen Schwangeren als nichtmedikamentöse Alternative verwendet. Die Wirkung ist laut Studien nicht höher als der Placeboeffekt, dieser ist hier jedoch ausgezeichnet.
Was können Sie selbst tun?
Anpassung von Lebensumständen
Im Vordergrund steht die Vermeidung von Faktoren, die als Auslöser der Übelkeit infrage kommen. Dazu zählen schlechte Luft, starke Gerüche, Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, ein hoher Geräuschpegel, sich bewegende Lichteffekte oder Autofahren.
Anpassung der Ernährung
- Sie sollten viele kleine Mahlzeiten zu sich nehmen, die erste möglichst noch vor dem Aufstehen. Nach Möglichkeit sollten Sie etwas essen, bevor Sie wieder hungrig werden, da die Nahrungszufuhr auf leeren Magen die Übelkeit verschlimmert.
- Einigen Frauen scheint kohlenhydratreiches, proteinhaltiges, leicht gewürztes und gesalzenes Essen besser zu bekommen.
- Nahrungsmittel, die Übelkeit auslösen oder verschlimmern, sollten Sie vermeiden. Dazu zählen starke Gerüche, fettes Essen, gebratenes Essen, stark gewürzte Speisen.
- Flüssigkeit scheint besser verträglich zu sein, wenn sie kalt, klar und kohlensäurehaltig ist (oder wenn es sich um saure Getränke handelt), auch kleine Schlucke zwischen den Mahlzeiten haben einen positiven Effekt.
Prognose
Das Erbrechen nimmt im weiteren Verlauf der Schwangerschaft ab. Beschwerden durch Übelkeit treten aber bei 15–20 % der Betroffenen auch noch im 3. Trimenon auf. Bei 5 % verschwinden die Beschwerden erst mit der Geburt.
Schwere Komplikationen sind selten. Die Lebensqualität der Schwangeren leidet jedoch erheblich unter den Beschwerden. Private und berufliche Alltagsaktivitäten werden durch die Auswirkungen der Erkrankung beeinträchtigt. Starker Gewichtsverlust zu Beginn der Schwangerschaft kann ein niedrigeres Geburtsgewicht und eine verkürzte Schwangerschaftsdauer nach sich ziehen.
Das Risiko, dass bei weiteren Schwangerschaften ebenfalls eine Hyperemesis auftritt, beträgt 15–20 % bei Frauen mit Schwangerschaftserbrechen in der Vergangenheit. Für Frauen, die in der Vergangenheit nicht an Hyperemesis gelitten haben, beträgt das Risiko nur 1 %.
Weitere Informationen
- Schwangerschaftserbrechen
- Hyperemesis gravidarum – Informationen für ärztliches Personal
Autor*innen
- Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
- Julia Trifyllis, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln
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Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hyperemesis gravidarum. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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