Spezifische Phobie

Was ist eine spezifische Phobie?

Definition

Kennzeichnend für spezifische Phobien ist eine Angst vor einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Objekt (z. B. vor bestimmten Tieren, Höhe, medizinischen Maßnahmen). Diese werden von betroffenen Personen typischerweise gemiedenDie Angst kann durch den bloßen Gedanken an den Auslöser hervorgerufen werden, häufig findet sich eine „Angst vor der Angst“, die sog. Erwartungsangst.

Spezifische Phobien lassen sich je nach dem Fokus der Angst in fünf Untergruppen unterteilen:

  1. Tiere (Zoophobie): z. B. Spinnen, Schlangen, Mäuse, Hunde
  2. natürliche Umgebungen: z. B. Höhen (Höhenangst/Akrophobie), Wasser (Hydrophobie), Unwetter
  3. Orte: z. B. Flugzeuge, enge Räume, Tunnel, Brücken, öffentliche Toiletten, nicht in der Lage zu sein, rechtzeitig aus öffentlichen Verkehrsmitteln auszusteigen.
  4. Blut, Verletzungen und Spritzen: z. B. Blutentnahme, Operationen
  5. andere: z. B. Angst vor Erbrechen, Krankheit, Zahnärzt*in.

Symptome

Typisch für eine spezifische Phobie ist die Angst vor einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Objekt, mit entsprechender Vermeidung dieser Angstauslöser.

Falls sich der Auslöser nicht vermeiden lässt, kann er zu folgenden Symptomen führen:

  • Herzklopfen
  • Schweißausbrüche und Hitzewallungen
  • Zittern
  • trockener Mund
  • Atembeschwerden
  • ein Gefühl der Beklemmung
  • Brustschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Schwindel, Benommenheit, Schwäche.

Diese Symptome werden als sehr bedrohlich erlebt. Betroffene Personen fühlen sich durch die Angst oder das Vermeidungsverhalten deutlich belastet, wissen aber gleichzeitig, dass ihre Ängste übertrieben oder unvernünftig sind.

Ursachen

Früher wurden Phobien als erlernte Ängste begriffen: Erlernte Angst bedeutet, dass eine sehr unangenehme Erfahrung im Zusammenhang mit der Situation gemacht wurde, die bei den Betroffenen wiederkehrend Angst auslöst. Dies scheint langfristig gesehen aber keine ausreichende Erklärung zu sein, da nur die wenigsten betroffenen Personen sich an ein solches Ereignis erinnern können.

Als Ursache für eine spezifische Phobie wird ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren vermutet, z. B. durch Vererbung, Erlernen, unbewusste Konflikte oder „Abschauen“ von einem Familienmitglied. Das Risiko der Entwicklung einer spezifischen Phobie steigt, wenn es Phobien in der Familie gibt. Auch starke psychische Belastungen in der Kindheit und Jugend können Phobien begünstigen.

Häufigkeit

Spezifische Phobien sind das häufigste Angstsyndrom. Rund 10 % der Bevölkerung in Deutschland leidet an einer spezifischen Phobie. Frauen sind 3-mal so häufig betroffen wie Männer. Mehr als die Hälfte der Betroffenen hat noch eine weitere psychische Erkrankung. Die spezifische Phobie tritt häufig erstmals im Kindes- und Jugendalter im Durchschnittsalter von 7 Jahren in Erscheinung.

Untersuchungen

Hinweise für eine spezifische Phobie können durch ein ausführliches Gespräch mit der betroffenen Person erfasst werden. Um ein möglichst genaues Bild von der Erkrankung zu erhalten, können sich Fragen z. B. auf den aktuellen Stand der Phobie, die bisherige Entwicklung der Erkrankung, die aktuellen Lebensumstände und weitere Erkrankungen beziehen. Das Gespräch kann mit speziellen Fragebögen oder dem Befragen von Angehörigen ergänzt werden. Eine Überweisung zu Spezialist*innen kann für weitere Untersuchungen, zur Ermittlung des Schweregrades und zum Einleiten einer Behandlung erfolgen.

Zum Ausschluss von körperlichen Ursachen der Beschwerden können zusätzlich zur körperlichen Untersuchung ein EKG, eine Blutdruckmessung sowie Blutuntersuchungen z. B. von Schilddrüsenhormonen durchgeführt werden.

Behandlung

Das Ziel einer Behandlung ist das Reduzieren von Angstreaktion und Vermeidungsverhalten der betroffenen Person. Spezifische Phobien sollten mit der sog. Expositionstherapie und nicht medikamentös behandelt werden. Aufgrund der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung sollten keine Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) eingenommen werden.

Die Expositionstherapie ist eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie und stellt bei Phobien die wirksamste Form der Behandlung dar. Exposition bedeutet, dass die Betroffenen unter Begleitung durch Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen behutsam, schrittweise und wiederholt an den Angstauslöser herangeführt werden. Dabei können die erkrankten Personen nach und nach erfahren, dass die ursprünglich bedrohliche Angstreaktionen abnimmt und die speziellen Situationen oder Objekte aushaltbar sind. Bestenfalls ist es langfristig möglich, die Situation entspannt zu erleben.

Wenn beispielsweise Flugangst besteht, wird die Behandlung über Gedanken an Flugzeuge, Bilder von Flugzeugen, eine Fahrt zu einem Flughafen, sich in ein Flugzeug zu setzen bis hin zum eigentlichen Flug führen. Die Behandlungszeit ist oft sehr kurz, und z. B. bei einer Tierphobie kann schon eine einzige Behandlungssitzung ausreichen. 

Wenn eine Exposition in der Realität nicht möglich ist, kann auch eine Virtuelle-Realität-Expositionstherapie mit einer virtuellen Brille angeboten werden, dabei kann manchmal Übelkeit auftreten.

Zu einem besseren Verständnis für die oftmals sehr bedrohlich wirkende aber irrationale Angstreaktion können Behandler*innen zusätzlich darüber aufklären, was im menschlichen Körper bei Angst passiert und wie dadurch die verschiedenen Symptome und Reaktionen ausgelöst werden.

Was können Sie selbst tun?

Das für eine spezifische Phobie typische Vermeidungsverhalten sorgt meist nur kurzfristig für eine Entlastung, birgt im Alltag und im sozialen Leben aber langfristig deutliche Einschränkungen und erhält die Erkrankung aufrecht.

Sie sollten daher frühzeitig professionelle Hilfe durch Ärzt*innen oder Psycholog*innen in Anspruch zu nehmen, auch wenn dies eine Überwindung von beispielsweise Scham und weiteren Ängsten bedeuten kann.

Prognose

Spezifische Phobien, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, sind ein Risikofaktor für die spätere Entwicklung psychischer Probleme, vor allem von Depressionen und anderen Angststörungen. Daher ist es von großer Bedeutung, einer Chronifizierung durch Früherkennung und Behandlung spezifischer Phobien vorzubeugen.

Unbehandelte Phobien gehen bei Erwachsenen selten spontan vorüber. Eine kognitive Verhaltenstherapie mit Schwerpunkt auf der Exposition zeigt eine gute langfristige Wirkung. Viele Patient*innen erleben mit der Zeit eine zunehmende Besserung.

Weitere Informationen

Autorinnen

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. Main
  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Spezifische Phobie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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