Schienbeinkantensyndrom

Schmerzen und Empfindlichkeit entlang des Schienbeins während des Laufens deuten auf ein Schienbeinkantensyndrom hin.

Was ist das Schienbeinkantensyndrom?

Definition

Beim Schienbeinkantensyndrom treten belastungsabhängige Schmerzen auf der Vorderseite des Beins auf, insbesondere entlang der Innenseite des Schienbeins (Tibia). Die Erkrankung tritt meist bei chronischer Belastung auf. In der medizinischen Fachsprache wird das Schienbeinkantensyndrom auch als mediales Tibiakantensyndrom oder Shin-Splint-Syndrom bezeichnet.

Symptome

Zu den typischen Symptomen zählen Schmerzen auf der Vorder-/Innenseite des Unterschenkels beim und im Anschluss ans Training (z. B. Lauftraining). Die Schmerzen treten in den unteren zwei Dritteln des Schienbeins auf. In Ruhe lassen die Beschwerden allmählich nach. Mit der Zeit wird die Belastungstoleranz immer geringer. Schließlich werden die Schmerzen so stark, dass das Lauftraining abgebrochen und beendet werden muss.

Ursachen

Das Schienbeinkantensyndrom ist meistens die Folge einer Überbelastung von Muskeln und Muskelsehnen an der Innenseite des Schienbeins. Laut neueren Studien werden die Beschwerden durch eine Stressreaktion des Knochens ausgelöst.

Verschiedene Faktoren können die Entstehung eines Schienbeinkantensyndroms begünstigen. Laufen auf harten und unebenen Untergründen, bergab und bergauf laufen, ungeeignete oder abgetragene Laufschuhe können zu einer Überlastung der Muskelansätze beitragen. Auch eine zu schnelle Steigerung der Trainingsintensität ohne ausreichende Ruhephasen kann zu Beschwerden führen.

Bei vielen der Betroffenen weisen die Beine eine leichte Außenrotation sowie eine Tendenz zum Knickfuß (Überpronation) auf. Dadurch rollen sie jeden Schritt beim Laufen auf der Fußinnenkante ab, und es kommt zu einer erhöhten Spannung der Muskulatur sowie der Knochenhaut auf der Innenseite des Schienbeins. Idealerweise sollte jeder Schritt mit der Fußaußenkante abgeschlossen werden. Auch eine Verkürzung oder Verspannung der Waden- und Fußmuskeln kann ein Schienbeinkantensyndrom begünstigen.

Häufigkeit

Das Schienbeinkantensyndrom ist eine der häufigsten Verletzungen bei Läufer*innen.

Untersuchungen

  • Die Diagnose lässt sich meist anhand der typischen Symptome und Befunde stellen. Die Innenseite des Unterschenkels ist über einen Bereich von mehr als 5 cm äußerst druckempfindlich, vor allem im mittleren und unteren Drittel des Schienbeins.
  • Bei manchen Betroffenen besteht eine Fehlstellung der Füße, d. h. die Füße knicken nach innen ab.
  • Weitere Untersuchungen sind normalerweise nicht erforderlich. Bei Verdacht auf einen Ermüdungsbruch kann eine Röntgenuntersuchung sinnvoll sein.

Behandlung

Ziele der Behandlung sind, die akuten Symptome zu lindern sowie zukünftigen Beschwerden vorzubeugen. Bei einer leichten bis mäßigen Ausprägung ist eine Entlastung oftmals ausreichend.

Physiotherapie

  • In einigen Fällen kann ein Training unter physiotherapeutischer Anleitung hilfreich sein. Dabei stehen die Kräftigung und Dehnung der Wadenmuskeln im Vordergrund.
  • Sie erhalten einen Plan mit Übungen, die Sie regelmäßig in Ihr eigenes Training einbauen sollten. Wichtig ist, dass Sie die Belastung nur langsam steigern, um erneute Beschwerden zu vermeiden.

Einlegesohlen

Wenn der Fuß nach innen knickt (Überpronation) können Einlagen zur Unterstützung des Fußgewölbes hilfreich sein. Dadurch lassen sich Fehlbelastungen des Fußes oder Beins korrigieren und das Risiko weiterer Beschwerden reduzieren.

Medikamente

Eine Behandlung mit Medikamenten ist beim Schienbeinkantensyndrom häufig nur begrenzt wirksam. Bei akuten und starken Beschwerden können Sie über einen kurzen Zeitraum Schmerzmittel (NSAR) einnehmen.

Operation

  • Wenn Schonung und konservative Behandlung nicht die erhoffte Wirkung zeigen, kann frühestens nach einem Jahr eine Operation in Betracht gezogen werden.
  • Bei der Operation wird die Muskelfaszie geteilt, sodass der Muskel wieder mehr Raum hat. 

Was können Sie selbst tun?

  • Vermeiden oder verringern Sie Aktivitäten, die eine Belastung für das betroffene Bein darstellen.
  • Dies kann bedeuten, dass Sie zeitweilig zu anderen Trainingsformen übergehen. Für Ausdauersportler*innen ist z. B. Radfahren gut geeignet.
  • Bei leichten Symptomen reicht es, die Belastung zu reduzieren, bei starken Beschwerden sollten Sie eine Trainingspause einlegen.
  • Bei akuten Beschwerden können Sie die gereizte Stelle kühlen. 
  • Lauftraining auf hartem Untergrund sollte vermieden oder zumindest deutlich verringert werden.
  • Verwenden Sie stabile Laufschuhe mit guter Stoßdämpfung.
  • Nach 500 km sollten Sie Ihre Laufschuhe durch ein neues Paar ersetzen.

Vorbeugung

  • Verwenden Sie Schuhe mit Stoßdämpfung, die Sie regelmäßig erneuern.
  • Vermeiden Sie nach Möglichkeit Lauftraining auf harten Böden wie Asphalt oder Ähnlichem.
  • Verringern oder variieren Sie Ihr Training, falls Beschwerden auftreten.

Prognose

In den meisten Fällen gehen die Beschwerden durch Entlastung und eine Änderung der Trainingsgewohnheiten zurück. Dennoch kann es zu Rückfällen kommen, sodass längere Pausen nötig sind oder auf andere Sportarten ausgewichen werden muss. Bei manchen Patient*innen entwickeln sich chronische Beschwerden, die die Ausübung einer Sportart verhindern.

Bei konservativer Behandlung mit einer Verringerung der schmerzauslösenden Aktivitäten und der Anpassung entsprechender Schuhe oder Einlegesohlen ist die Prognose im Allgemeinen gut. Ab Behandlungsbeginn dauert es etwa 9–12 Monate, bis eine beschwerdefreie Vollbelastung möglich ist.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Schienbeinkantensyndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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