Zusammenfassung
- Definition:Entzündung im Bereich der Achillessehne und/oder ihrer Sehnenscheide.
- Häufigkeit:Inzidenz von etwa 2 auf 1.000 Personen, gehäuft bei Sportler*innen.
- Symptome:Schmerzen, Schwellung und Einschränkung der körperlichen Belastungsfähigkeit.
- Befunde:Achillessehne palpatorisch verdickt und druckdolent, evtl. mit tastbaren Knötchen.
- Diagnostik:In der Regel klinische Diagnose möglich, zur Sicherung MRT oder Sonografie.
- Therapie:Exzentrische Übungen für die Wadenmuskulatur in Kombination mit Entlastung, ggf. zusätzlich Stoßwellentherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Entzündung im Bereich der Achillessehne und/oder ihrer Sehnenscheide
- Akute und chronische Form
- Einteilung nach betroffenem Teil der Achillessehne:1
- Insertionstendinopathie
- Ansatzstelle am Kalkaneus
- Midportion-Tendinopathie (häufigste Form)
- schlecht vaskularisierter Teil 2–7 cm proximal des Ansatzes am Kalkaneus
- Paratendinopathie
- Sehnenscheide und umgebende Strukturen.
- Insertionstendinopathie
Häufigkeit
- Die häufigste Form, die Midportion-Tendinopathie, hat eine Inzidenz von 0,2 %.2
- Vor allem Sportler*innen sind betroffen, bei Spitzensportler*innen liegt die Inzidenz bei bis zu 9 %.3
Funktionelle Anatomie
- Sehnen des Musculus gastrocnemius und Musculus soleus vereinigen sich zu Achillessehne.
- Die Gleitfähigkeit der Sehne ist durch Umhüllung mit dünner Sehnenscheide gewährleistet.
- 2–7 cm proximal des Ansatzes am Kalkaneus ist die Blutversorgung deutlich schlechter.4
- Dieser Bereich ist besonders anfällig für Mikrotraumata, degenerative Veränderungen und Rupturen.
Ätiologie und Pathogenese
- Multifaktorielle Genese5
- Infolge einer ungewohnten Belastung entstehen Mikrorupturen der Kollagenfasern.6
- reaktive Entzündung, Bildung von Granulationsgewebe und schließlich Fibrose
- Häufig nach Veränderungen des Aktivitätsniveaus oder aufgrund von ungeeignetem Schuhwerk, Training auf hartem Untergrund oder Training in kaltem Klima7
Prädisponierende Faktoren
- Höheres Alter8
- sinkende Elastizität der Sehne – erhöhtes Risiko für Mikrorupturen
- Überpronation, Plattfuß6
- erhöhte Belastung der medialen Fasern sowie Mikrorupturen
- Chronische Erkrankungen 9
- Anomale (gesteigerte oder verminderte) Dorsalextension des oberen Sprunggelenks10-11
- Verminderte Kraft bei der Plantarflexion11-13
- Training bei kaltem Wetter14
- Einsatz von Steroiden9
ICPC-2
- L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis NNB
ICD-10
- M76 Enthesopathien der unteren Extremität mit Ausnahme des Fußes
- M76.6 Tendinitis der Achillessehne
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Trias aus Schmerz, Schwellung und verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit1
- In der Regel ist eine klinische Diagnose möglich, zur Sicherung der Diagnose Sonografie oder MRT.
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Sowohl junge aktive Sportler*innen und als auch ältere Trainierende können betroffen sein.
- Zunächst treten nur bei Belastung dorsale Fersenschmerzen auf, später auch in Ruhe.
- Im chronischen Stadium Morgensteifigkeit im Fersenbereich
- Möglicher Auslöser?
- Trainingsumstellung, Wechsel des Schuhwerks, des Trainingsgeländes usw.
Klinische Untersuchung
- Palpation
- Achillessehne druckdolent
- noduläre Schwellung tastbar4
- Bei Schmerzen im Bereich des Kalkaneus kann eine simultane Entzündung der Bursa retrocalcanea vorliegen.
- Untersuchungen der Funktion
- bei der Plantarflexion verminderte Kraft auf der betroffenen Seite15
- Der Zehengang ist schmerzhaft.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Es gibt keine spezifischen Untersuchungen, die von diagnostischem Wert wären.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Sonografie
- MRT
- fusiforme Verdickung, ggf. mit Auflockerung der Sehne4
Indikationen zur Überweisung
- Halten die Beschwerden an und zeigen exzentrische Übungen keine ausreichende Wirkung, kann in Ausnahmefällen eine Operation indiziert sein.
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Normale Alltagsaktivität wiederaufnehmen.
Allgemeines zur Therapie
- Goldstandard der konservativen Therapie ist ein exzentrisches Training der Wadenmuskulatur.17
- Zudem sind Entlastung und Anpassung der Aktivitäten nötig.
- Bei persistierenden Beschwerden ist die extrakorporale Stoßwellentherapie eine weitere gute Therapieform.18-19
- Bei etwa 25 % der Patient*innen wird eine Operation nötig, da sie auf die konservative Therapie nicht ausreichend ansprechen.1
Empfehlungen für Patient*innen
- In der akuten Phase
- Die Aktivität sollte je nach Grad und Dauer der Schmerzen verringert werden.
- Zur Linderung akuter Schmerzen kann Eis eingesetzt werden.
- Laufschuhe
- Regelmäßiger Wechsel, damit stoßdämpfende Eigenschaften der Schuhe erhalten bleiben.
- ggf. Fersenerhöhung zur Entlastung der Achillessehne
Exzentrisches Training
- Muskelverlängernde, exzentrische Übungen zeigen den höchsten Evidenzgrad.17,20
- Mindestanwendungsdauer von 3 Monaten1
- Beispielhafte Übung „Heel Drop“
- Patient*in stellt sich so auf eine Treppe, dass die Fersen über die Stufe hinausragen.
- Aufrichtung in den Zehenstand
- langsames Absenken der Ferse bis unter das Niveau der Treppenstufe
- 3 Sätze à 15 Wiederholungen
- Am besten morgens, mittags und abends wiederholen.
Medikamentöse Therapie
- NSAR
- bei Bedarf zur Schmerzlinderung
- Eine lokale Behandlung, z. B. mit Ibuprofen-Gel, kann ebenfalls schmerzlindernd wirken.
- Injektion von Steroiden
- Steroidinjektionen sind höchst umstritten.
- Injektion sollte streng ins Peritendineum erfolgen.
- Bei Injektion in die Sehne besteht das Risiko einer Ruptur.12
- Die Wirksamkeit ist wissenschaftlich nicht ausreichend gut belegt.12,21
- kurzfristig gut wirksam, nach 12 Wochen jedoch kein Unterschied zu Placebo22
- Steroidinjektionen sind höchst umstritten.
Stoßwellentherapie
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.23
- Indikation: therapieresistente Symptomatik, Indikationsstellung durch fachkundige Ärzt*innen
- Vorbereitung: differenzierte Aufklärung
- Applikation leicht schmerzhaft
- Wirkeintritt erst nach Wochen
- zusätzlich Entlastung nötig
- Durchführung: radiale oder fokussierte Stoßwelle
- standardmäßig 3, maximal 5 Anwendungen
- Intervall von 1–2 Wochen
- Gute Wirksamkeit, es wurde auch ein synergistischer Effekt zu einem exzentrischen Training beobachtet.18-19
Nicht zu empfehlen
- Orthesen und Nachtlagerungsschienen scheinen keinen zusätzlichen Nutzen zu bringen.24
- Es gibt noch keine ausreichende Studienlage zur Injektion von thrombozytenreichem Plasma.1
- bisher eher keine Überlegenheit gegenüber Placebo25-26
Operative Therapie
- Indiziert bei persistierenden Beschwerden trotz 3-monatiger konservativer Therapie1
- Ergebnisse sind bei Sportler*innen besser als in anderen Personengruppen.12
- Häufigste Operationsverfahren1
- Débridement
- Entfernung von entzündlich verändertem Gewebe
- longitudinale Tenotomie
- Stimulierung einer Neoangionese, um den Heilungsprozess zu fördern.
- Débridement
- Postoperativer Verlauf27
- Teilentlastung für die ersten 2 Wochen
- Tragen einer Orthese für die ersten 6 Wochen
- Abhängig von der Operation ist die Rückkehr zu körperlicher Aktivität nach 6 Wochen bis 18 Monaten möglich.5
Prävention
- Das Trainingspensum adäquat und langsam steigern.
- Laufen auf harten Untergründen vermeiden.
- Angemessenes Aufwärmprogramm vor dem Training
- Die Wadenmuskulatur regelmäßig dehnen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Erfolgt eine Entlastung, bessern sich die Beschwerden allmählich, in der Regel innerhalb weniger Tage bis Wochen.
Komplikationen
- Chronifizierung
- Achillessehnenruptur infolge einer lang anhaltenden Entzündung
- Jedoch lagen nur bei 10 % der Patient*innen mit einer Sehnenruptur im Vorfeld Achillessehnenbeschwerden vor.28
Prognose
- Die Prognose ist gut, bei aktiven Sportler*innen kommt es jedoch häufiger zu Rezidiven und einem chronischen Verlauf.
- Bei Sportler*innen besteht häufig eine geringere Compliance und Wiederaufnahme der Aktivität trotz Schmerzen.
- In der Regel nach 6–12 Wochen der Therapie zufriedenstellende Funktionsverbesserungen und deutliche Verringerung der Schmerzen29-30
- 71–100 % der Betroffenen erreichen im Langzeitverlauf (2–8 Jahre) ihr früheres Aktivitätsniveau und haben dabei keine oder kaum Schmerzen.31-32
- Nach einer Operation sind etwa 80 % der Patient*innen zufrieden, wobei minimalinvasive Techniken weniger Komplikationen als eine offene Operation zeigen.27
Verlaufskontrolle
- Kontrolluntersuchungen erfolgen je nach Bedarf.
Patienteninformation
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Entlastung ist nötig.
- Ansonsten besteht die Gefahr der Chronifizierung.
- Ein regelmäßiges exzentrisches Training ist sinnvoll.
- auch als Prävention hilfreich
- Eine schrittweise Mobilisierung und Rehabilitation ist wichtig.
- Die Trainingsintensität adäquat steigern, um Rezidive zu verhindern.
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
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Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).