Chronische Bursitis im Schulterbereich

Zusammenfassung

  • Definition:Chronische Schleimbeutelentzündung der Schulter über > 6–12 Wochen.
  • Häufigkeit:Sehr häufige Ursache für Schulterschmerzen.
  • Symptome:Belastungsabhängige Schulterschmerzen, insbesondere bei Überkopfarbeiten.
  • Befunde:Typisch für Bursitis subacromialis ist der schmerzhafte Bogen (Painful Arc) bei 60–120-Grad-Abduktion.
  • Diagnostik:Anamnese und körperliche Untersuchung. Sonografie zur Darstellung der Bursa.
  • Therapie:Konservative Therapie mit NSAR, Kühlen, Belastungsreduktion und Physiotherapie. Kortisoninfiltration in Bursa. Ultima Ratio operative Bursektomie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Chronische Schleimbeutelentzündung der Schulter über > 6–12 Wochen

Häufigkeit

  • Eine der häufigsten Ursachen von (atraumatischen) Schulterschmerzen1
  • Geschlechterverhältnis ausgeglichen2

Klinische Anatomie

  • Generell befinden sich Bursae dort, wo Sehnen über Knochen, Bänder oder andere Sehnen reiben und dort, wo die Haut über knöcherne Vorsprünge gleitet.
  • Vier relevante Schleimbeutel im Bereich der Schulter vorhanden:
    1. Bursa subacromialis (mit Abstand am häufigsten betroffen)
    2. Bursa subdeltoidea
    3. Bursa subcoracoidea
    4. Bursa subtendinea des M. subscapularis.

Ätiologie und Pathogenese

  • Verschiedene Auslöser einer Bursitis möglich
    • mechanische Überbelastung, insbesondere Überkopfarbeiten
    • systemische Grunderkrankung, z. B. aus dem rheumatoiden Formenkreis
    • Begleitreaktion bei Verletzungen der Rotatorenmanschette
  • Erfolgt keine ausreichende Schonung des Schultergelenks oder wird die auslösende Erkrankung nicht adäquat behandelt, kann es zu einem chronischen Entzündungszustand kommen.

Prädisponierende Faktoren

  • Arbeiten über Schulterhöhe
  • Impingementsyndrom der Schulter
  • Rotatorenmanschettenläsionen
  • Tendinitis calcarea
  • Rheumatische Erkrankungen

ICPC-2

  • L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis

ICD-10

  • M75.5 Bursitis im Schulterbereich

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdachtsdiagnose durch Anamnese und klinische Untersuchung
    • Sicherung der Diagnose durch Bildgebung (Sonografie und/oder MRT) oder diagnostische Infiltration möglich

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Belastungsabhängige Schmerzen in der Schulter, insbesondere bei Abduktion und Elevation
    • schleichende Zunahme der Beschwerden über Wochen bis Monate
  • Repetitive Überkopfarbeiten als Auslöser?
  • Vorbekanntes Schulterimpingement?

Klinische Untersuchung

  • Die Untersuchung der Schulter sollte immer im Seitenvergleich erfolgen.
  • Inspektion
    • Schultergelenk kann geschwollen sein.
  • Palpation
    • abhängig von betroffener Bursa evtl. lokaler Druckschmerz auslösbar
  • Bewegungsausmaß
    • häufig schmerzbedingte Einschränkung der aktiven Beweglichkeit, aber nicht der passiven Beweglichkeit
      • Differenzialdiagnose bei eingeschränkter passiver Beweglichkeit adhäsive Kapsulitis oder ausgeprägte Omarthrose
  • Funktionstest
    • „schmerzhafter Bogen": Schmerzen bei 60–120-Grad-Abduktion
      • klassisch bei Bursitis subacromialis

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Labor (u. a. BSG, CRP) bei Verdacht auf rheumatische Erkrankung

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen
    • Nachweis Omarthrose 
    • Beurteilung der Akromion-Konfiguration und der Weite des subakromialen Raums
  • Ultraschall
    • Sonografische Zeichen der Inflammation, u. a. Hyperperfusion, vergrößerte Bursa und vermehrte Flüssigkeitseinlagerung in Bursa
    • bei chronischer Bursitis manchmal „Rice Bodies" nachweisbar1,3
  • MRT
    • in der Regel nur bei unklarer Diagnose oder vor geplanter Operation notwendig

Indikationen zur Überweisung

  • Bei therapierefraktären Beschwerden Überweisung an Orthopäd*in

Therapie

Therapieziele

  • Schmerzen lindern.
  • Beweglichkeit wiederherstellen.

Allgemeines zur Therapie

  • Zunächst konservative Behandlung mit Schonung der Schulter, Kühlen, NSAR und im Verlauf physiotherapeutischer Beübung

Medikamentöse Therapie

NSAR

  • Zur Schmerzreduktion und Linderung der lokalen Entzündung
  • Nebenwirkungen und Kontraindikationen beachten.
  • Lokale Anwendung, z. B. als Diclofenac-Gel, möglich
  • Oral z. B. Ibuprofen 400 mg 3 x tgl.

Kortisoninjektion (bei Orthopäd*in)

  • Ultraschallgesteuerte Injektionen in die Bursa mit Kortison (z. B. Triamcinolon) führt in ersten 6–8 Wochen zu deutlicher Beschwerdebesserung.4
    • langfristiger Therapieeffekt jedoch zweifelhaft5

Nichtmedikamentöse Therapie

Physiotherapie

  • Ziel: Zentrierung des Humeruskopfs in der Gelenkpfanne, um Humeruskopfhochstand und damit Einklemmung der Bursa zwischen Humerus und Akromion zu vermeiden (im Falle der Bursitis subacromialis).
    • Training mit elastischen Widerstandsbändern (Thera-Bändern) verbessert langfristig die Schulterfunktion bei Patient*innen mit Bursitis.5

Operative Therapien

  • Nur bei Versagen der konservativen Therapie operative Bursektomie, ggf. in Kombination mit weiteren Prozeduren, wie z. B. subakromialer Dekompression2

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Beschwerden entwickeln sich langsam und dauern oft jahrelang an.

Anerkennung als Berufskrankheit

  • Tritt eine chronische Schulter-Bursitis im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auf, kann diese als Berufskrankheit anerkannt werden.6
  • Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
  • Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen7).
  • Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben, und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
  • Dann können bestimmte Maßnahmen auf Kosten der GUV durchgeführt werden:
    • spezielle therapeutische Maßnahmen
    • Einstellung der gefährdenden Tätigkeit
    • Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.8
  • Manchmal muss die Tätigkeit erst vollständig aufgegeben werden, damit die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen kann.

Komplikationen

  • Bei Schonhaltung über mehrere Monate Einschränkung der Beweglichkeit durch Kapselschrumpfung möglich

Prognose

  • Insgesamt gute Prognose; die Mehrzahl der Patient*innen spricht gut auf die konservative Therapie an.2

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Notwendigkeit einer ausreichenden Belastungspause
  • Funktionelle Übungen der Schulter, um Beweglichkeit zu erhalten.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Schultergelenk, Skelett
Schultergelenk, Skelett
Subakromiale Bursa
Subakromiale Bursa
Bursae in der Schulter
Bursae in der Schulter

Quellen

Literatur

  1. Bacha R, Manzoor I, Gilani SA. Sonographic presentation of rice bodies in subacromial-subdeltoid chronic bursitis. The Ultrasound Journal volume 2019; 11: 16. theultrasoundjournal.springeropen.com
  2. Faruqi T, Rizvi TJ. Subacromial Bursitis. StatPearls 2021. europepmc.org
  3. Mishra BN, Poudel RR, Jha A, et al. Rheumatoid subacromial-subdeltoid bursitis with rice bodies: A case report. Journal of Clinical Orthopaedics and Trauma 2019; 10(3): 514-17. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Hsieh LF, Lin YJ, Hsu WC, et al. Comparison of the corticosteroid injection and hyaluronate in the treatment of chronic subacromial bursitis: A randomized controlled trial. Clin Rehabil 2021; 35(9): 1305-16. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Zhu P, Liao B, Wang Z, et al. Resistance band training after triamcinolone acetonide injection for subacromial bursitis: A randomized clinical trial.. J Rehabil Med 2021. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Dortmund. Merkblätter und wissenschaftliche Begründungen zu den Berufskrankheiten der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), zuletzt aktualisiert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 22. Dezember 2014. Zugriff 24.1.2017. www.baua.de
  7. DGVU Formtexte für Ärzte: Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit. www.dguv.de
  8. Mehrtens, G. Valentin, H. Schönberger, A. Arbeitsunfall und Berufskrankheit : rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung S. 878 ff. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 9. Auflage, 2017.

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit