Zusammenfassung
- Definition:Überbelastung der Sehne des M. popliteus.
- Häufigkeit:Seltene Ursache für Knieschmerzen, aber gehäuft bei Laufsportler*innen, die viel auf hartem Untergrund und bergab trainieren.
- Symptome:Typischerweise posterolaterale Knieschmerzen distal der lateralen Femurkondyle, die beim Bergabgehen zunehmen.
- Befunde:Positiver Garrick-Test: Schmerzprovokation durch Flexion und Außenrotation des Kniegelenks gegen Widerstand. Druckschmerz über lateralem Kniegelenk im Verlauf der Popliteus-Sehne.
- Diagnostik:Klinische Diagnose. Bei Unsicherheit MRT.
- Therapie:Verzicht auf schmerzauslösende Aktivitäten. Dehn- und Kräftigungsprogramm für Beinmuskulatur. Nur bei Instabilität vom Kniegelenk operatives Vorgehen empfohlen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Überbelastung der Sehne des M. popliteus
Häufigkeit
- Seltene Ursache für Knieschmerzen, aber gehäuft bei Laufsportler*innen, die viel auf hartem Untergrund und bergab trainieren.1
Klinische Anatomie
- Der M. popliteus ist ein kleiner Muskel auf der Rückseite des Kniegelenks.1
- Verlauf: von lateraler Femurkondyle zu posteriorer proximaler Tibia
- Funktion: statische und dynamische Stabilisierung vom Kniegelenk gegenüber Varisierung, Außenrotation und posteriorer Translation
Ätiologie und Pathogenese
- In der Regel entsteht die Tendopathie durch sportliche Überlastung.2
- repetitives Beugen und Strecken des Kniegelenks, typischerweise beim Laufen auf hartem, abschüssigem Untergrund
- Selten sekundäre Ursachen, z. B. Sesambein in Sehne, das bei wenigen Menschen akzessorisch vorkommt.2
- Akute Tendopathie3
- Sehnenzellen (Tenozyten) reagieren auf akute Überlastung mit vermehrter Bildung von Proteinen (Proteoglykane), die eigentlich im Knorpel vorkommen.
- Diese Proteine speichern deutlich mehr Wasser, sodass es zu einem diffusen Anschwellen der gesamten Sehne kommt.
- Diese Querschnittsvergrößerung dient einer schnellen Anpassung der Sehnenbelastbarkeit.
- Sehnenzellen sind in dieser Phase hochempfindlich und belastungssensibel.
- Geringe Belastungssteigerungen führen sofort zu einer Schmerzverstärkung.
- Chronische Tendopathie3
- Es finden sich wesentlich mehr Sehnenzellen.
- Die veränderte Zusammensetzung von Proteoglykanen verursacht eine weniger parallele Ausrichtung der Kollagenfasern.
- Zunehmend mehr Narbengewebe (weniger belastbares Kollagen Typ III) ist in der Sehne vorhanden.
- Mehr und mehr Mikrogefäße sprießen in die Sehne ein, parallel dazu auch neue Nervenfasern.
Prädisponierende Faktoren
- Laufsport auf hartem, abschüssigem Untergrund1
ICPC-2
- L15 Kniesymptomatik/-beschwerden
- L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis NNB
ICD-10
- M76.8 Sonstige Enthesopathien der unteren Extremität mit Ausnahme des Fußes
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinische Befunde
- Positiver Garrick-Test4
Differenzialdiagnosen
- Siehe auch Artikel Knieschmerzen.
- Meniskusverletzung
- Verletzung des lateralen Kollateralbands
- Vordere oder hintere Kreuzbandverletzung
- Läuferknie
Anamnese
- Symptomatik
- Typischerweise posterolaterale Knieschmerzen distal der lateralen Femurkondyle, die beim Bergabgehen zunehmen.4
Klinische Untersuchung
- Siehe auch Untersuchung des Kniegelenks.
Inspektion
- Kniegelenk inspektorisch unauffällig
Palpation
- Druckschmerz über dem M. popliteus
- typischerweise am Ursprung an der lateralen Femurkondyle, unter dem lateralen Kollateralband (schwierig zu palpieren)
Funktionsprüfung
- Garrick-Test positiv4
- Patient*in in Rückenlage
- Hüfte und Kniegelenk 90 Grad gebeugt
- Aktive Außenrotation und Flexion des Kniegelenks durch Patient*in gegen Widerstand von Untersucher*in provoziert Schmerzen.
- Bewegungsausmaß und Stabilität vom Kniegelenk
- Anhalt für Begleitverletzungen?
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bildgebung nur bei Unsicherheit bezüglich der Diagnose bzw. zur Differenzialdiagnostik
- MRT
- Darstellung der Popliteus-Sehne sowie der anderen weichteiligen Strukturen vom Kniegelenk, die laterale Knieschmerzen verursachen können.
Indikationen zur Überweisung
- Bei refraktären Beschwerden unter konservativer Therapie oder Instabilität vom Kniegelenk Überweisung an Orthopäd*in
Therapie
Therapieziele
- Heilung
- Verhindern eines pathologischen Umbaus der Sehne, um Chronifizierung zu vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
- Verzicht auf schmerzauslösende Aktivitäten
- Die Sehnen benötigen eine dosierte Belastung und keine Pause, um zu heilen und zu wachsen.3
- Eine komplette Pause ist oft nur für kurze Zeit und bei akuter Tendopathie notwendig.
- Ein operatives Vorgehen ist nur bei Instabilität vom Kniegelenk notwendig.1
Empfehlungen für Patient*innen
- Auf schmerzauslösende Aktivitäten verzichten.
- Das Übungsprogramm täglich durchführen.
- Präventive Maßnahmen beachten (s. u. Prävention).
Konservative Therapie
Physiotherapie
- Dehnübungen für die dorsale, kniegelenksübergreifende Beinmuskulatur (Flexibilitätstraining)1
- Ausgleich von muskulären Dysbalancen, Kräftigung vom M. quadriceps2
- Bei Laufsportler*innen Kräftigung der Rumpfmuskulatur
- Insuffizienz der Rumpfmuskulatur ist eine häufige Ursache für Überlastungserscheinungen an der unteren Extremität.
Analgesie
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben nur im Rahmen der akuten Tendopathie krankheitsmodifizierende Effekte.3
- lokal als Gel oder Salbe
- bei starken Schmerzen z. B. Ibuprofen 400 mg 1–1–1 für 4 Tage
- Kühlung
- Bei akuten Schmerzen mehrfach am Tag für 5 min kühlen.
Operative Therapie
- Nur bei Instabilität des Kniegelenks ist ein operatives Vorgehen nötig.1
- Eine Instabilität tritt in der Regel nur bei Rupturen vom M. popliteus oder anderen Begleitverletzungen, wie z. B. einer lateralen Kollateralbandruptur, auf.
Prävention
- Bei Laufsport gut sitzendes Schuhwerk
- Laufen auf weichem, ebenem Untergrund
- Vor Trainingsbeginn Aufwärmprogramm, z. B. Lauf-ABC
- Regelmäßiges Dehnen der dorsalen Beinmuskulatur (gesamte Kette von Hüfte, Ober- und Unterschenkel bis zur Achillessehne)
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei unzureichender Schonung progredienter pathologischer Umbau der Sehne (siehe Abschnitt Ätiologie und Pathogenese)
Komplikationen
- Ruptur der Sehne
- Chronifizierung mit dauerhaften Schmerzen und Funktionseinschränkungen
Prognose
- In der großen Mehrheit der Fälle ist das konservative Vorgehen erfolgreich.1
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Popliteus-Tendinopathie
Quellen
Literatur
- Cothran VE. Popliteus Injury. Common Pediatric Knee Injuries 2021. link.springer.com
- Farrell C, Kiel J, Seemann LR, et al. Popliteus Tendon Injuries. Orthopedics 2022. journals.healio.com
- Weinert F. Tendopathien. Sportärztezeitung 2017. sportaerztezeitung.com
- Yaras RJ, O'Neill N, Yaish AM. Lateral Collateral Ligament Knee Injuries. Europe PMC 2020. europepmc.org
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).