Rückenbeschwerden bei Kindern

Allgemeine Informationen

Definition

  • Unter dem Begriff der Rückenbeschwerden bei Kindern werden strukturelle orthopädische Anomalien, nichtstrukturelle Anomalien und Rückenschmerzen zusammengefasst.1
  • Eine „schlechte“ Haltung zählt nicht dazu, da diese nicht mit einer erhöhten Morbidität im Erwachsenenalter assoziiert ist.
  • Viele dieser Anomalien manifestieren sich erst, wenn das Kind zu laufen beginnt.
  • Der Verlauf ist abhängig von der Art der Anomalie.

Häufigkeit

  • Rückenschmerzen zählen in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigen Beschwerden.2
    • Häufigkeit
      • 3 % bei 3- bis 6-Jährigen
      • 7 % bei 7- bis 10-Jährigen
      • 18 % bei 11- bis 13-Jährigen
      • 44 % bei 14- bis 17-Jährigen
    • Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.
    • Deutlich gehäuft bei übergewichtigen Kindern.3

Diagnostische Überlegungen

Leitlinie: Rückenschmerz (nichttraumatisch) – Diagnostik4

  • Rückenschmerz hat im Kindesalter im Gegensatz zu Bauchschmerz häufig ein organisches Korrelat.
  • Abhängig vom klinischen Befund ergibt sich ggf. die Notwendigkeit der bildgebenden Diagnostik.
  • Red Flags, die auf eine ernste Erkrankung hinweisen können:5
    • Alter unter 10 Jahre
    • Fieber und Gewichtsabnahme
    • Krankheitsgefühl
    • konstante Schmerzen
    • Schmerzen nachts
    • in die Beine ausstrahlende Schmerzen
    • frühere maligne Erkrankung oder Tuberkulose
    • neurologische Ausfälle (Darm- oder Blasenfunktionsstörung, anomale Reflexe)
    • Trauma in Anamnese.
  • Über 1/3 der Kinder und Jugendlichen mit Rückenschmerzen erhalten keine spezifische Diagnose.6
  • Strukturelle orthopädische Rückenbeschwerden manifestieren sich bei Kindern meist in Form einer Kyphose, einer Skoliose oder von Schmerzen.
  • Bei Rückenschmerzen sollte stets eine organische Erkrankung als Ursache in Betracht gezogen werden, Schmerzen im unteren Rücken treten jedoch bei Kindern mit psychosozialen Problemen und anderen somatischen Beschwerden häufiger auf.7-8
  • Bei den nichtorganischen Ursachen handelt es sich meistens um unspezifische muskuloskelettale Schmerzen, häufig durch Dysfunktionen einzelner Wirbelsäulensegmente (Blockierungen).
  • Mechanische Probleme aufgrund einer übermäßig langen Computernutzung, körperlicher Aktivität oder eines schweren Rucksacks scheinen im geringen Maß für Rückenbeschwerden bei Kindern verantwortlich zu sein.9

Konsultationsgrund

  • In der Regel suchen Kinder und Jugendliche aufgrund lang anhaltender Rückenschmerzen ärztliche Hilfe.

Abwendbar gefährliche Verläufe

  • Entzündliche Erkrankung
  • Pyelitis oder sonstige Nierenerkrankung

ICPC-2

  • L02 Rückensympt./-beschwerd. BWS/n.s.
  • L03 Untere Rückensympt./-beschwerd.
  • L82 Angeb. Anomalie muskuloskelet.
  • L84 Rückensyndr. ohne Schmerzausstr.
  • L85 Erworb. Deformierung Wirbelsäule

ICD-10

  • M40 Kyphose und Lordose
    • M40.0 Kyphose als Haltungsstörung
    • M40.1 Sonstige sekundäre Kyphose
    • M40.2 Sonstige und nicht näher bezeichnete Kyphose
    • M40.3 Flachrücken
    • M40.4 Sonstige Lordose
    • M40.5 Lordose, nicht näher bezeichnet
  • M41 Skoliose
    • M41.0 Idiopathische Skoliose beim Kind
    • M41.1 Idiopathische Skoliose beim Jugendlichen
    • M41.2 Sonstige idiopathische Skoliose
    • M41.3 Thoraxbedingte Skoliose
    • M41.4 Neuromyopathische Skoliose
    • M41.5 Sonstige sekundäre Skoliose
    • M41.8 Sonstige Formen der Skoliose
    • M41.9 Skoliose, nicht näher bezeichnet
  • M42 Osteochondrose der Wirbelsäule
    • M42.0 Juvenile Osteochondrose der Wirbelsäule
    • M42.9 Osteochondrose der Wirbelsäule, nicht näher bezeichnet
  • M43 Sonstige Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens
    • M43.0 Spondylolyse
    • M43.1 Spondylolisthesis
    • M43.2 Sonstige Wirbelfusion
    • M43.3 Habituelle atlanto-axiale Subluxation mit Myelopathie
    • M43.4 Sonstige habituelle atlanto-axiale Subluxation
    • M43.5 Sonstige habituelle Wirbelsubluxation
    • M43.6 Tortikollis
    • M43.8 Sonstige näher bezeichnete Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens
    • M43.9 Deformität der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet
  • M54 Rückenschmerzen
    • M54.2 Sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung
    • M54.4 Lumboischialgie
    • M54.5 Kreuzschmerz
  • Q67 Angeborene Muskel-Skelett-Deformitäten des Kopfes, des Gesichtes, der Wirbelsäule und des Thorax
    • Q67.5 Angeborene Deformitäten der Wirbelsäule
  • Q76 Angeborene Fehlbildungen der Wirbelsäule und des knöchernen Thorax
    • Q76.0 Spina bifida occulta
    • Q76.1 Klippel-Feil-Syndrom
    • Q76.2 Angeborene Spondylolisthesis und Spondylolyse
    • Q76.3 Angeborene Skoliose durch angeborene Knochenfehlbildung
    • Q76.4 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Wirbelsäule ohne Skoliose

Differenzialdiagnosen

Akute Schmerzen

  • Muskelzerrung
    • In der Regel auf körperliche Aktivität zurückzuführen.
    • akuter, nicht ausstrahlender Rückenschmerz
  • Akuter Torticollis
  • Bandscheibenvorfall
    • Bandscheibenvorfälle manifestieren sich bei Kindern und Jugendlichen in der gleichen Weise wie bei Erwachsenen.
  • Wirbelsäulenfraktur
    • akute Fraktur der Pars interarticularis (Spondylolyse) oder Verschiebung einer Wirbelapophyse (Fraktur der Wachstumsplatte eines Wirbels)
    • starke, akute Schmerzen in der Lendenwirbelsäule 
    • Infolge einer Apophysenverschiebung können wie bei einem Bandscheibenvorfall Schmerzen auftreten, die in die Beine ausstrahlen.
    • Ursachen sind häufig schwere Traumata infolge von Autounfällen oder Stürzen aus großer Höhe und häufig in Verbindung mit weiteren Verletzungen.
    • Radikulopathie deutet auf Querfraktur des Knochens oder der Bandscheibe mit anschließender Abklemmung des Wirbelkanals hin.
  • Neu auftretende Schmerzen bei bekannter Skoliose
    • Schmerzen, die in Verbindung mit einer Skoliose auftreten, können auf ein Osteoidosteom oder einen anderen Tumor, eine Infektion oder einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen sein.10
    • Die idiopathische Skoliose ist in der Regel nicht mit Schmerzen verbunden, ein beträchtlicher Teil der Betroffenen klagt aber dennoch über Schmerzen, möglicherweise aufgrund einer anderen zugrunde liegenden pathologischen Veränderung.

Weitere Ursachen akuter Rückenschmerzen

Chronische Schmerzen

  • Spondylolyse und Spondylolisthesis
  • Morbus Scheuermann
  • Entzündliche Gelenkerkrankung
    • Hauptvertreter juvenile Arthritis und Spondylitis ankylosans
    • häufig Morgensteifigkeit und Verbesserung der Mobilität durch Wärme
    • Nächtliche Schmerzen sind selten.
    • Im Bereich der Iliosakralgelenke kann ein Druckschmerz vorliegen.
  • Psychische Probleme
    • Es kann sich schwierig gestalten, psychische Auslöser von anderen Ursachen von Rückenschmerzen abzugrenzen.11
    • Die körperliche Untersuchung ist ohne Befund.

Tumoren und Infektionen

  • Diszitis
    • Diese geht bei Kindern unter 10 Jahren meist mit Fieber, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und Reizbarkeit einher.
    • Bei Kindern zwischen 1 und 3 Jahren kann eine Diszitis dazu führen, dass das Kind nicht mehr läuft.
    • Bei älteren Kindern können zudem Bauchschmerzen auftreten.
    • Häufig liegt infolge der angespannten ischiokruralen Muskulatur ein positives Lasègue-Zeichen vor.
    • Die BSG ist häufig erhöht. Staphylococcus aureus ist der häufigste mit der Diszitis assoziierte Erreger.
    • Im frühen Stadium (weniger als 3 Wochen nach dem Einsetzen der Schmerzen) ist die Röntgenuntersuchung u. U. ohne Befund. Im weiteren Verlauf können ein verkleinerter Wirbelzwischenraum und Veränderungen der Endplatte erkennbar sein.
    • Ist die Röntgenuntersuchung ohne Befund und die BSG erhöht, sollte eine Knochenszintigrafie durchgeführt werden.
    • Mithilfe einer Antibiotikatherapie und einer Immobilisierung lässt sich in der Regel innerhalb von 3 Wochen die Beschwerdefreiheit erzielen.
  • Tumoren oder sonstige Infektionen
    • In seltenen Fällen können Fieber und andere Allgemeinsymptome (Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust) in Verbindung mit Rückenschmerzen Anzeichen einer zugrunde liegenden Infektion oder eines Tumors sein.12
    • Bei nächtlichen Schmerzen sollte so bald wie möglich eine Untersuchung erfolgen.15

Sonstige Anomalien der Wirbelsäule

  • Skoliose
  • Angeborener Torticollis
    • Häufig auf Probleme während der Geburt zurückzuführen.
    • Die Anomalie ist keine Seltenheit und wird oft 2–4 Wochen nach der Geburt sichtbar.
    • Schiefhaltung des Halses und eingeschränkte Beweglichkeit
    • Im Bereich des M. sternocleidomastoideus lässt sich eine feste, schmerzunempfindliche Raumforderung palpieren.
  • Spina bifida occulta
    • am häufigsten in der unteren Lendenwirbelsäule und im oberen Bereich des Os sacrum lokalisiert
    • Meist treten keine Symptome auf.
    • Ein Mangel an Folsäure wird mit Neuralrohrdefekten in Verbindung gebracht. Möglicherweise spielt dies auch bei der Spina bifida occulta eine Rolle.
  • Halbwirbel
    • Ein lateraler Defekt kann eine Skoliose, ein ventraler Defekt eine Kyphose hervorrufen.

Neuromuskuläre Erkrankungen

  • Zerebralparesen, Myelomeningozelen und Muskeldystrophien führen häufig zu einer neuromuskulären Skoliose.
  • Die Skoliose ist häufig in Verbindung mit einer Neurofibromatose oder einem Marfan-Syndrom zu beobachten.
  • Bei Kindern, die ältere Geschwister mit einer Wirbelsäulenanomalie haben, besteht ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung der entsprechenden Anomalie. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Spina bifida occulta und die Myelomeningozele.

Anamnese

Besonders zu beachten bei Rückenschmerzen

  • Verletzung, Trauma?
    • Auslösende Ursache?
  • Wie hat sich der Schmerz entwickelt?
    • Akut?
    • Zunehmend?
    • Chronisch?
  • Lokalisation der Schmerzen? Ausstrahlung? Anhaltend oder intermittierend?
  • Schmerzen, die durch bestimmte Bewegungen der Wirbelsäule ausgelöst werden? Beugung nach vorn? Beugung nach hinten?
  • Morgensteifigkeit?
  • Nachtschmerzen?
  • Allgemeinsymptome?
  • Psychosoziale Probleme?
  • Bei einer Skoliose treten selten Rückenschmerzen auf, und sie sind unabhängig vom Winkel der Skoliose.
  • Bei Vorliegen einer Spondylolisthesis kann sich der von Bogenwurzeln oder Pseudarthrosen ausgehende Druck auf die Nervenwurzeln übertragen, was sich in Form ischiasähnlicher Beschwerden äußert.
  • Patient*innen mit einem Morbus Scheuermann leiden häufig unter Schmerzen, und zwar insbesondere, wenn eine Beteiligung der Lendenwirbelsäule vorliegt.

Warnsignale5

Haltungsabhängige Schmerzen

  • Beugung nach vorn
    • Die Flexion der Wirbelsäule führt zu einem erhöhten Druck auf die vorderen Elemente der Wirbelsäule, insbesondere die Wirbelkörper und die Bandscheiben.
    • Liegen Schmerzen infolge eines Bandscheibenvorfalls vor, verstärken sich diese in der Regel bei der Beugung nach vorn.
    • Weitere mögliche Ursachen für zunehmende Schmerzen bei der Beugung nach vorn sind eine verschobene Apophyse und Wirbelläsionen (Diszitis, Osteomyelitis, Tumor im Wirbelkörper).
  • Beugung nach hinten
    • Die Extension der Wirbelsäule führt zu einer erhöhten Belastung der hinteren Elemente der Wirbelsäule, etwa der Facettengelenke, der Pars interarticularis und der Pedikel.
    • Liegt in diesem Bereich eine Verletzung oder eine Läsion (z. B. Osteoidosteom, Osteoblastom) vor, versuchen die Patient*innen, eine Hyperextension der Wirbelsäule zu vermeiden.
    • Eine Spondylolyse liegt bei etwa 4 % der Kinder unter 6 Jahren und etwa 6 % der Erwachsenen vor.16Die Erkrankung ist häufig auf eine wiederholte Hyperextension, z. B. beim Turnen oder Schwimmen, zurückzuführen.17

Rückenprobleme, die nicht unbedingt mit Schmerzen einhergehen

  • Skoliose
    • Gibt es mehrere Fälle in der Familie?
    • Wie lange wissen die Eltern bereits von der Schiefheit der Wirbelsäule?
    • Hat die Schiefheit zugenommen, seitdem sie entdeckt wurde?
    • Wurde das Kind bereits wegen des schiefen Rückens behandelt?
    • Hat bei dem Mädchen die Menstruation eingesetzt?
      • Mädchen wachsen nach Einsetzen der Menstruation durchschnittlich noch etwa 2 Jahre.
  • Altersbedingte Rückenprobleme
    • Bei Wachstumsschüben kommt es häufiger zur Entstehung und Verschlechterung einer Skoliose.
    • Der Morbus Scheuermann tritt meist in der Pubertät gegen Ende der Wachstumsphase in Form einer erhöhten Brustkyphose oder einer verminderten Lendenlordose in Erscheinung.
    • Die Spondylolyse des dysplastischen Wirbelbogens findet meist im Alter von 5–8 Jahren statt. Während der Wachstumsphase kann es zu einer verstärkten Spondylolisthesis kommen.
    • Die adoleszente idiopathische Skoliose setzt vor der Pubertät ein und kann während der Pubertät einen deutlich progredienten Verlauf nehmen.

Klinische Untersuchung

Allgemeines

 
  • Zweck
    • Es sollte eine Untersuchung im Hinblick auf Haltungsfehler, die Schmerzprovokation, neurologische Ausfälle (Reflexe, sensorische und motorische Ausfälle), eine Muskelatrophie, die Beweglichkeit und eine Irritation von Nervenwurzeln (Lasègue-Zeichen) durchgeführt werden.
  • Dabei sollten der gesamte Oberkörper und die Beine entkleidet sein. Bei größeren Kindern sollte die Wirbelsäule in stehender Haltung von hinten und seitlich inspiziert werden.
    • Zeichen von Mittelliniendefekten (behaarte Flecken oder Hämangiome in der Mittellinie können auf eine intraspinale Anomalie hindeuten)
    • anomale Flecken (z. B. Café-au-lait-Flecken als Zeichen einer Neurofibromatose)
    • Asymmetrie (z. B. Skoliose, Kyphose, Beinlängendifferenz, unterschiedliche Schulterhöhe)
      • Zur Beurteilung von Deformitäten die Patient*innen vorbeugen lassen.
    • Verschub der Dornfortsätze (Spondylolisthesis)
  • Kinder, die noch nicht laufen.
    • Diese sollten in Bauch- und Rückenlage und in sitzender Position untersucht werden.
  • Lokalisierte Schmerzempfindlichkeit?
  • Durch Bewegung ausgelöste Schmerzen?
    • Bei der Beugung nach vorn (häufig diskogen) oder nach hinten?
  • Beurteilung der Beweglichkeit
  • Suche nach Zeichen einer Ataxie und Muskelatrophie (insbesondere im Unterschenkel) oder Faszikulationen
  • Beurteilung des Gangs der Patient*innen, u. a. auch des Gangs auf den Zehenspitzen und der Ferse

Spezielle Aspekte

Motorische und sensorische Beurteilung

  • Test der Muskelkraft bestimmter Muskelgruppen
  • Überprüfung der sensorischen Funktionen: sensorische Ausfälle in bestimmten Dermatomen?
  • Test der Reflexe
  • Lasègue-Zeichen
    • Zeichen einer Ischialgie?
  • Viererzeichen
    • Die Patient*innen liegen auf dem Rücken. Sie platzieren den Fuß der betroffenen Seite auf dem Knie des anderen Beins.
    • Es wird eine Flexion, Abduktion und Außenrotation vorgenommen.
    • Schmerzen in der Leiste deuten auf ein Hüftproblem und nicht auf ein Knieproblem hin.
    • Die untersuchende Person drückt anschließend das flektierte Knie in Richtung der Unterlage, während gleichzeitig der vordere Beckenkamm der gegenüberliegenden Seite unten gehalten wird. Schmerzen in den Iliosakralgelenken deuten auf eine Veränderung der Iliosakralgelenke hin.

Skoliose

  • Beschreiben Sie Folgendes:
    • Ausdehnung und Konfiguration der Krümmung, Schweregrad der Abweichung des Kopfes von der Beckenmitte (Lot von Dornfortsatz von C7 auf Rima ani), Schiefstand von Schultern und Becken und Asymmetrie der Taillendreiecke
  • Bei Bestehen einer Skoliose ist oberhalb und unterhalb der eigentlichen Skoliose eine nichtstrukturelle Ausgleichskrümmung zu beobachten.
  • In nach vorn gebeugter Haltung tritt eine strukturelle Skoliose in Form hervortretender Rippen (Rippenbuckel) und eines Lendenwulsts in Erscheinung.
  • Dies wird als Screening-Test eingesetzt, Untersuchungen verweisen jedoch auf eine niedrige Sensitivität und Spezifität und einen geringen positiven prädiktiven Wert.18
  • Eine nichtstrukturelle Skoliose korrigiert sich bei der Beugung nach vorn oder bei der Behebung der Ursache spontan.

Sonstige strukturelle Rückenbeschwerden

  • Spina bifida occulta
    • Bei der Spina bifida occulta ist ein vaskularisierter, behaarter Nävus oder Sinus im Lendenbereich, ggf. auch eine Arthrogrypose (kongenitale Kontraktur) der Füße zu beobachten.
      Spina bifida occulta: Mittelliniendefekte mit einem anomal erhöhten Haarwachstum können ein Zeichen einer angeborenen Fehlbildung des Wirbelkanals sein.
      Spina bifida occulta
  • Morbus Scheuermann
    • Der Morbus Scheuermann tritt meist in Form einer verstärkten Brustkyphose oder einer verminderten Lendenlordose in Erscheinung.
  • Ausgeprägte Spondylolisthesis
    • Dabei ist eine Vertiefung zu sehen und zu palpieren, die den betroffenen Wirbelkörpern entspricht.
    • Ein weiterer typischer Befund einer Spondylolisthesis ist zudem eine lang gestreckte kompensatorische Lordose vom Lenden- bis zum Brustbereich.

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • Außer bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung, eine Infektion oder eine maligne Erkrankung sind keine weiteren Untersuchungen indiziert.
    • Ist dies jedoch der Fall, sind Hb, BSG, CRP und Leukozyten zu bestimmen.
    • Weitere mögliche Tests sind ANA, Rheumafaktor und HLA-B27 (der Nutzen dieser Untersuchungen ist zweifelhaft, ggf. Rheumatolog*in/Kinderärzt*in konsultieren, bevor die Proben genommen werden).

Bei Spezialist*innen

  • Eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule von vorn und von der Seite, ggf. auch mit einer Skoliose-Aufnahme (ganze Wirbelsäule im Stand), kann indiziert sein.
    • Das Ziel besteht darin, den Schweregrad und die Art der Krümmung zu bestimmen und angeborene Ursachen (Halbwirbel, Blockwirbel) oder erworbene Ursachen (Infektion, Folgeschaden einer Fraktur) auszuschließen.
    • Schrägaufnahmen können bei der Suche nach einer Spondylolyse hilfreich sein.
  • In bestimmen Fällen kann eine MRT, eine CT oder eine Skelettszintigrafie indiziert sein.
    • Die MRT eignet sich insbesondere zum Nachweis von Tumoren, Infektionen und Bandscheibenvorfällen, bei kleinen Kindern kann für die Untersuchung jedoch eine Allgemeinanästhesie erforderlich sein.
    • In der CT kann die Knochenstruktur und das Weichgewebe dargestellt werden, gute Aufnahmen von Markelementen sind jedoch nicht möglich.
    • Die Szintigrafie bietet eine eingeschränkte Sensitivität (60 %), aber eine gute Spezifität (90 %) bei Rückenschmerzen.19

Leitlinie: Rückenschmerz (nichttraumatisch) – bildgebende Diagnostik4

  • Nachfolgend sind jeweils der klinische Verdacht und die daraufhin indizierte Bildgebung genannt:
    • Tumor
      • Röntgen in 2 Ebenen und MRT, ggf. CT
    • Entzündung
      • Röntgen in 2 Ebenen und MRT, ggf. CT
    • Morbus Scheuermann
      • Röntgen in 2 Ebenen im Stehen
    • Skoliose
      • Röntgen der gesamten Wirbelsäule in 2 Ebenen im Stehen
    • Spondylolyse
      • MRT
    • vertebrale Fehlbildung
      • Röntgen in 2 Ebenen und MRT

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Bei klinischem Verdacht auf eine strukturelle orthopädische Anomalie bei Kindern sollte eine Überweisung zur Anfertigung entsprechender Röntgenaufnahmen erfolgen (Röntgen der Wirbelsäule, von vorn und von der Seite, ggf. auch mit einer Skoliose-Aufnahme).
  • Bestätigt die Röntgenuntersuchung den Verdacht, sollte das Kind zur Beurteilung der therapeutischen Maßnahmen und des Plans für das Follow-up und die Kontrolle während der gesamten Wachstumsphase an die Orthopädie oder Pädiatrie überwiesen werden.
  • Sind weitere Untersuchungen erforderlich, die in der Hausarztpraxis nicht durchgeführt werden können, sollte ebenfalls eine Überweisung erfolgen.

Checkliste zur Überweisung

Rückenschmerzen bei Kindern

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Beginn? Trauma? Besondere Beanspruchung? Familiär? Entwicklung/Progression?
    • Lokalisation: Schmerzen? Ausstrahlung? Ruheschmerz? Nächtlicher Schmerz? Auslösende Faktoren? Morgensteifigkeit?
    • Deformitäten anderer Organsysteme?
    • Behandlungsversuche?
    • Regelmäßig eingenommene Medikamente?
    • Folgen: Funktionsstörung? Entwicklungsverzögerung?
  • Klinische Untersuchung
    • Wirbelsäule: Haltung/Asymmetrien in stehender und nach vorn gebeugter Position, ggf. in Bauchlage, Rückenlage und in sitzender Haltung (bei Kindern, die nicht laufen)? Beweglichkeit? Schmerz auslösbar?
    • Neurologische Ausfälle: Motorisch? Sensorisch? Reflexe? Lasègue-Zeichen?
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule von vorn und von der Seite, ggf. auch mit Skoliose-Aufnahme

Deformitäten der Wirbelsäule bei Kindern

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Konservative Behandlung (orthopädische Hilfsmittel)? Operation?
  • Anamnese
    • Beginn? Trauma? Familiär? Entwicklung/Progression?
    • Asymptomatisch (nur Deformität)? Symptomatisch: Beschreibung der Beschwerden? Schmerzen? Ruheschmerz? Nächtlicher Schmerz? Funktionsstörung? Entwicklungsverzögerung?
    • Deformitäten anderer Organsysteme?
    • Behandlungsversuche?
    • Andere relevante Krankheiten? Rehabilitationspotenzial?
    • Regelmäßig eingenommene Medikamente?
  • Klinische Untersuchung
    • Wirbelsäule: Haltung/Asymmetrien in stehender und nach vorn gebeugter Position, ggf. in Bauchlage, Rückenlage und in sitzender Haltung (bei Kindern, die nicht laufen)? Beweglichkeit? Schmerz auslösbar?
    • Neurologische Ausfälle: Motorisch? Sensorisch? Reflexe? Lasègue-Zeichen?
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule von vorn und von der Seite, ggf. auch mit Skoliose-Aufnahme

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Verdacht auf eine schwere Grunderkrankung wie eine Infektion oder Malignität

Maßnahmen

  • Bei unspezifischen Rückenschmerzen im Kindesalter ohne eindeutige Diagnose nach klinischer Untersuchung und ggf. Bildgebung empfiehlt es sich, mit den Kindern und Eltern die Abwesenheit von Warnsignalen/Red Flags zu besprechen und einen Therapieversuch mit Physiotherapie zu unternehmen.5
  • Bei Warnsignalen schnelle Überweisung an Spezialist*innen und Bildgebung
  • Ggf. Schmerzlinderung
    • Paracetamol, evtl. NSAR
  • Nach Möglichkeit Korrektur der Deformität und Aufrechterhaltung einer symmetrischen Wirbelsäule

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

Video

Illustrationen

Spina bifida occulta: Mittelliniendefekte mit einem anomal erhöhten Haarwachstum können ein Zeichen einer angeborenen Fehlbildung des Wirbelkanals sein.
Spina bifida occulta: Mittelliniendefekte mit einem anomal erhöhten Haarwachstum können ein Zeichen einer angeborenen Fehlbildung des Wirbelkanals sein.
Café-au-lait-Flecken: 6 oder mehr solcher Flecken mit einer Größe von mehr als 5 mm (15 mm bei Erwachsenen) können auf eine Neurofibromatose Typ 1 hindeuten. Auch bei Personen mit einer Neurofibromatose Typ 2 können Café-au-lait-Flecken auftreten, bei diesen sind sie jedoch seltener.
Café-au-lait-Flecken: 6 oder mehr solcher Flecken mit einer Größe von mehr als 5 mm (15 mm bei Erwachsenen) können auf eine Neurofibromatose Typ 1 hindeuten. Auch bei Personen mit einer Neurofibromatose Typ 2 können Café-au-lait-Flecken auftreten, bei diesen sind sie jedoch seltener.
Lumbaler Bandscheibenvorfall: von der Seite
Lumbaler Bandscheibenvorfall: von der Seite
Lumbaler Bandscheibenvorfall: von der Seite
Lumbaler Bandscheibenvorfall: von axial

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Rückenschmerz (nichttraumatisch) – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-012. S1, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

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  2. Robert Koch-Institut. Rückenschmerzen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 53. Berlin, 2012. www.rki.de
  3. Smith SM, Sumar B, Dixon KA. Musculoskeletal pain in overweight and obese children. Int J Obes 2014; 38(1): 11-15. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Rückenschmerz (nichttraumatisch) - Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie 064/012. Stand 2020. www.awmf.org
  5. Shah SA, Saller J. Evaluation and Diagnosis of Back Pain in Children and Adolescents. J Am Acad Orthop Surg 2016; 24(1): 37-45. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Miller R, Beck NA, Sampson NR, et al. Imaging modalities for low back pain in children: a review of spondyloysis and undiagnosed mechanical back pain. J Pediatr Orthop 2013; 33(3): 282-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Jones GT, Watson KD, Silman AJ, Symmons DP, Macfarlane GJ. Predictors of low back pain in British schoolchildren: a population-based prospective cohort study. Pediatrics 2003; 111: 822-8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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