Nävi bei Neugeborenen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Nävi können in drei Hauptgruppen eingeteilt werden:1
    1. Pigmentnävi
    2. Gefäßnävi
    3. andere Nävi
  • Melanozytennävi können nach ihrer Größe klassifiziert werden:2
    • klein: < 1,5 cm
    • mittel: > 1,5–20 cm
    • groß: > 20–40 cm
    • riesig: > 40 cm

Häufigkeit

  • Vaskuläre Läsionen und angeborene Nävi sind bei Neugeborenen häufig.3
  • Studien gehen von einer Häufigkeit zwischen 0,2–6 % aller Neugeborenen aus.4

Diagnostische Überlegungen

  • Die meisten vaskulären Läsionen und angeborenen Nävi bei Neugeborenen sind gutartig und selbstbegrenzend.
  • Bei den vaskulären Läsionen unterscheidet man zwischen gutartigen vaskulären Neoplasien (Proliferation von Endothelzellen) und vaskulären Fehlbildungen.3

Diagnostische Fallstricke

  • Hautmarker als Anzeichen einer zugrunde liegenden spinalen Pathologie

ICPC-2

  • S83 Angeborene Hautanomalie, andere
  • S81 Hämangiom/Lymphangiom
  • S82 Nävus/Leberfleck

ICD-10

  • D18 Hämangiom und Lymphangiom, jede Lokalisation
    • D18.0 Kapilläres Hämangiom
  • D22 Melanozytennävus
    • D22.9Melanozytennävus, nicht näher bezeichnet
    • D22.9 Anderer Melanozytennävus, nicht näher bezeichnet
  • Q82 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Haut
    • Q82.5 Angeborener nichtneoplastischer Nävus
      • Q82.5 Naevus flammeus
    • Q82.8 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen der Haut
    • Q82.9 Angeborene Fehlbildung der Haut, nicht näher bezeichnet
  • Q83 Angeborene Fehlbildungen der Mamma [Brustdrüse]
    • Q83.3 Akzessorische Brustwarze

Differenzialdiagnosen

Pigmentnävi

Angeborene Melanozytennävi

  • Ursache
    • Wahrscheinlich entsteht ein solcher Nävus infolge einer gestörten Migration von Vorläufern von Melanozyten im Neuralrohr.5
  • Prävalenz
    • Tritt bei 0,2–2,1 % aller Neugeborenen auf.6
    • In einigen Fällen ist der Nävus aufgrund eines Pigmentmangels bei der Geburt nicht zu sehen, wird dann aber im Zeitverlauf dunkler und verzögert sichtbar.4
  • Anamnese und Befund
    • Die Farbe variiert von braun bis schwarz, und kann innerhalb des Nävus unterschiedlich sein.
    • Die meisten Läsionen sind flach, es können aber auch erhabene Nävi auftreten.4
    • Es ist normal, dass sich Nävi mit dem Wachstum des Kindes ändern, bei Änderungen von Farbe, Form oder Größe sollten sollte ein Nävus allerdings auf Malignität hin untersucht werden.
    • Eine Sonderform stellt die benigne dermalen Melanozytose dar, die oft noch als „Mongolenfleck“ bezeichnet wird.7
      • blass, bläuliche Verfärbung, zumeist im Lumbalbereich
      • Kann Hämatomen ähneln.
      • Verblasst häufig mit dem zunehmenden Alter der Kinder.8
  • Therapie
    • Die prophylaktische Entfernung von Läsionen mit einem hohen Risikopotenzial bietet keinen garantierten Schutz vor der Entstehung von Melanomen.
  • Prognose
    • Das Risiko für die Entstehung eines malignen Melanoms liegt insgesamt bei 0,5–0,7 %.6,9
    • Bei großen bis riesigen Nävi steigt es allerdings deutlich.10
    • Eine größere Anzahl Satelliten-Nävi steigert das Malignitätsrisiko ebenfalls.11
    • 1/3 der Melanome bildet sich an anderen Stellen als der ursprüngliche Nävus.6
    • In seltenen Fällen besteht eine Assoziation mit melanotischen Veränderungen im zentralen Nervensystem, z. B. meningealen Melanomen.12
  • Screening-Untersuchungen
    • Bei kleinen und mittleren Nävi ist das Entartungsrisiko gering, sodass keine weiteren routinemäßigen Untersuchungen empfohlen werden.13
    • Bei großen Nävi empfiehlt sich die Überweisung zu Spezialist*innen, um eine ZNS-Beteiligung auszuschließen.

Gefäßnävi

  • Der Abschnitt basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.14

Hämangiom

  • Hämangiom, Proliferationsphase
    Hämangiom, Proliferationsphase
    Ursache
    • Hämangiome sind gutartige vaskuläre Neoplasien mit einem charakteristischen klinischen Verlauf, der sich durch eine schnelle frühe Proliferation, gefolgt von einer langsameren spontanen Rückbildung (Involution) kennzeichnet.15
  • Prävalenz
    • Tritt bei 4–5 % aller Neugeborenen auf.14
  • Anamnese und klinische Befunde
    • Die Läsion ist bei der Geburt oft nicht sichtbar oder manifestiert sich als blasser Fleck.14
    • Bei Säuglingen können sich Hämangiome in den ersten Lebensmonaten jederzeit entwickeln.
  • Therapie
    • Die meisten Hämangiome bedürfen keiner spezifischen Therapie.
    • Komplizierte Hämangiome werden in Einzelfällen mit Betablockern oder oraler Kortisongabe behandelt.15
  • Prognose
    • Hämangiome bilden sich in der Regel zurück und verschwinden nach dem Säuglingsalter.16
    • 50 % der Hämangiome sind im Alter von 5 Jahren verschwunden, 70 % im Alter von 7 Jahren und 90 % im Alter von 10 Jahren.15
    • Hämangiome können zu Ulzerationen, Atrophie, Teleangiektasien, Hypopigmentierung oder Narben führen.15
    • Zudem können sie mit verschiedenen Syndromen assoziiert sein.15-16

Naevus flammaeus (Feuermal)

  • Ursache
    • Es handelt sich um ein vaskuläres Muttermal.
    • Die zugrunde liegende Pathologie sind kapilläre Fehlbildungen.17
  • Prävalenz
    • Tritt bei 0,3–0,5 % aller Neugeborenen auf.18
    • Tritt in 85 % der Fälle einseitig auf.19
  • Anamnese und klinische Befunde
    • Es handelt sich um eine flache Läsion dunkelroter bis violetter Farbe, die bei der Geburt gut sichtbar ist.
      Nevus_flammeus_nuchae_(_stork_bite___Storchenbiss_).jpg
      Naevus flammaeus („Storchenbiss“)
    • Im Gegensatz zu Hämangiomen verblassen sie nicht im Laufe der Zeit, sondern dunkeln in der Regel nach.17
    • Sie wachsen mit dem Kind mit.
    • In der Läsion können sich Knötchen und Granulome bilden.
  • Therapie
    • Der Nävus muss nicht behandelt werden, in ausgeprägten Fällen wird eine Lasertherapie angewendet.1
  • Prognose
    • Ein Naevus flammaeus im ophthalmischen Ast des Trigeminusastes wird mit einem Glaukom auf der gleichen Seite assoziiert, evtl. in Kombination mit dem Sturge-Weber-Syndrom.17
      • Dies zeigt sich häufig durch Krampfanfälle und Hemiparese.20

Andere Nävi

Überzählige Brustwarzen

  • Ursache
    • Während der Embryogenese können überzählige Brustwarzen von der Achselhöhle bis hin zur Leiste entstehen.1
    • Sie können einseitig oder beidseitig auftreten und Warzenhof, Brustwarze oder beides aufweisen.
    • Aufgrund der Pigmentierung werden sie manchmal als angeborener Melanozytennävus fehlinterpretiert.
  • Prävalenz
    • Laut einer Studie haben 5,6 % aller Kinder eine zusätzliche Brustwarze.1
  • Prognose
    • Überzählige Brustwarzen sind eine benigne Veränderung.1

Hautmarker für spinale Anomalien

  • Verschiedene angeborene spinale Anomalien beruhen auf einer unvollständigen Fusion von Elementen der Wirbelsäule (spinaler Dysraphismus).
  • Einige Anomalien, wie Myelomeningozele, sind bei der Geburt deutlich sichtbar, während andere Defekte unter der Haut liegen und schwer zu erkennen sein können.
  • Bestimmte Auffälligkeiten, wie Lipome im entsprechenden Bereich, dermale Sinus oder rudimentäre Schwanzanlagen bergen ein hohes Risiko für einen spinalen Dysraphismus.1
  • Die weiterführende Diagnostik, meist mittels MRT, obliegt den entsprechenden Spezialist*innen.

Illustrationen

Hemangioma_01.jpg
Hämangiom
Congenital_melanocytic_nevus_01.jpg
Angeborener Melanozytennävus
Port-wine_stain_on_leg.jpg
Naevus flammaeus
Nevus_flammeus_nuchae_(_stork_bite___Storchenbiss_).jpg
Naevus flammaeus
Hämangiom, Proliferationsphase
Hämangiom, Proliferationsphase

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. S2k-Leitlinie Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-100, Stand 2020. register.awmf.org

Literatur

  1. McLaughlin MR, O'Connor NR, Ham P. Newborn skin: part II. Birthmarks. Am Fam Physician 2008; 77: 56-60. PubMed
  2. Krengel S, Scope A, Dusza SW, et al. New recommendations for the categorization of cutaneous features of congenital melanocytic nevi. J Am Acad Dermatol. 2013 Mar;68(3):441-51. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Diaz, L. Vascular lesions in the newborn. UpToDate. Last updated August 2022. www.uptodate.com
  4. Navarro-Fernandez IN, Mahabal GD. Congenital Nevus. [Updated 2023 Jul 31]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Tannous ZS, Mihm MC Jr, Sober AJ, et al. Congenital melanocytic nevi: clinical and histopathologic features, risk of melanoma, and clinical management. J Am Acad Dermatol 2005; 52: 197. PubMed
  6. Krengel S, Hauschild A, Schafer T. Melanoma risk in congenital melanocytic naevi: a systematic review. Br J Dermatol 2006; 155: 1-8. PubMed
  7. Yale S, Tekiner H, Yale ES. Reimagining the Terms Mongolian Spot and Sign. Cureus. 2021 Dec 13;13(12) www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Moosavi Z, Hosseini T. One-year survey of cutaneous lesions in 1000 consecutive Iranian newborns. Pediatr Dermatol 2006; 23: 61-3. PubMed
  9. Berg P, Lindelof B. Congenital melanocytic naevi and cutaneous melanoma. Melanoma Res 2003; 13: 441-5. PubMed
  10. Caccavale S, Calabrese G, Mattiello E, et al. Cutaneous Melanoma Arising in Congenital Melanocytic Nevus: A Retrospective Observational Study. Dermatology. 2021;237(3):473-478. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Hale EK, Stein J, Ben-Porat L, et al. Association of melanoma and neurocutaneous melanocytosis with large congenital melanocytic naevi-results from the NYU-LCMN registry. Br J Dermatol 2005; 152: 512-7. PubMed
  12. Marghoob AA, Dusza S, Oliveria S, et al. Number of satellite nevi as a correlate for neurocutaneous melanocytosis in patients with large congenital melanocytic nevi. Arch Dermatol. 2004 Feb;140(2):171-5. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  13. Kinsler VA, O'Hare P, Bulstrode N, et al. Melanoma in congenital melanocytic naevi. Br J Dermatol. 2017 May;176(5):1131-1143. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Léauté-Labrèze C, Harper JI, Hoeger PH. Infantile haemangioma. Lancet. 2017 Jul 01;390(10089):85-94 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. 15. Chamli A, Aggarwal P, Jamil RT, et al. Hemangioma. 2023 Jun 12. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023. www.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. S2k-Leitlinie Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-100, Stand 2020. register.awmf.org
  17. Shajil C, M Das J. Nevus Flammeus. 2022 Dec 21. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  18. Lee JW, Chung HY. Capillary Malformations (Portwine Stains) of the Head and Neck: Natural History, Investigations, Laser, and Surgical Management. Otolaryngol Clin North Am. 2018 Feb;51(1):197-211 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  19. Dohil MA, Baugh WP, Eichenfield LF. Vascular and pigmented birthmarks. Pediatr Clin North Am 2000; 47: 783. PubMed
  20. Singh AK, Keenaghan M. Sturge-Weber Syndrome. 2023 May 1. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Bonnie Stahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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