Lymphadenopathie bei Kindern (geschwollene Lymphknoten)

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Lymphknotenschwellung liegt dann vor, wenn ein Lymphknoten größer als normal ist.
  • Bei einer Lymphadenopathie sind Größe und Konsistenz von Lymphknoten anomal.
  • Sind die Lymphknoten durch eine Entzündung vergrößert, handelt es sich um eine Lymphadenitis.
  • Das lymphatische Gewebe kann auch maligne verändert sein, entweder im Rahmen maligner Systemerkrankungen oder bei einem malignen Lymphom.

Häufigkeit

  • Bei Kindern kommt es im Rahmen von Infekten sehr häufig zu Lymphknotenschwellungen.
  • Ca. 6 % aller Malignome im Kindesalter sind Non-Hodgkin-Lymphome.1 
  • In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 150 Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr an einem Hodgkin-Lymphom.2 
    • Beides ist selten vor dem 3. Lebensjahr.

 Diagnostische Überlegungen

  • Schwellungen am Hals sind am häufigsten durch geschwollene Lymphknoten verursacht.
  • Differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen sind aber ggf. auch andere Ursachen zervikaler Schwellungen wie etwa Dermoidzysten, Thyreoglossuszysten, Bronchuszysten, verzweigte Spaltzysten, Gefäßmalformationen, Parotitis (z. B. Mumps), zystisches Hygrom, zervikale Rippe, Speicheldrüsentumoren, Lipome, Fibrome/Fibromatosis colli oder nicht lymphknotenassoziierte Abszesse.3
  • Siehe Unterscheidungskriterien benigner und maligner Lymphknotenschwellungen.

Leitlinie: Lymphknotenvergrößerung3

  • Kennzeichen für alterstypische Lymphknoten beim Kleinkind und im frühen Schulkindalter:
    • Größe: < 1 cm (Kieferwinkel < 1,5–2 cm, gelegentlich auch darüber)
    • meist weiche elastische, verschiebliche Lymphknoten
    • meist keine Schmerzen
    • keine Entzündungsreaktion
    • typische Lokalisationen (zervikal und/oder inguinal).
  • Hinweise auf infektiöse Ursachen einer Lymphknotenschwellung:
    • lokale Eintrittspforten (Zahnstatus, Tonsillen, Kratzspuren bei allergischem Exanthem, andere offene Hautstellen)
    • Hinweise auf eine Kinderkrankheit (z. B. Röteln)
    • Schmerzen
    • lokales Erythem.
  •  Folgende Faktoren sind verdächtig auf eine maligne Erkrankung:4
    • supraklavikuläre Lokalisation
    • nicht verschieblicher Lymphknoten
    • eher nicht schmerzhaft.

ICPC-2

  • B02 Lymphknoten vergrößert/schmerzend
  • B74 Maligne Bluterkrankung, andere
  • B75 Benigne/unspezif. Blutneubildung

ICD-10

  • C77 Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung der Lymphknoten
    • C77.0 Lymphknoten des Kopfes, des Gesichtes und des Halses
    • C77.1 Intrathorakale Lymphknoten
    • C77.2 Intraabdominale Lymphknoten
    • C77.3 Axilläre Lymphknoten und Lymphknoten der oberen Extremität
    • C77.4 Inguinale Lymphknoten und Lymphknoten der unteren Extremität
    • C77.5 Intrapelvine Lymphknoten
    • C77.8 Lymphknoten mehrerer Regionen
    • C77.9 Lymphknoten, nicht näher bezeichnet
  • R59.0 Lymphknotenvergrößerung, umschrieben
  • R59.1 Lymphknotenvergrößerung, generalisiert
  • R59.9 Lymphknotenvergrößerung, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Algorithmus zur differenzialdiagnostischen Abklärung von Lymphknotenschwellungen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5

 

Lymphadenopathie.png
 

Lokale Lymphknotenschwellung

  • Regional geschwollene Lymphknoten können bei lokalen Infektionen durch Wunden oder Verletzungen auftreten.
  • Hauterkrankungen wie Erysipel,  Impetigo contagiosa oder ein atopisches Ekzem gehen häufig mit einer lokalen Lymphknotenreaktion einher.
  • Bei Pharyngitis, Laryngitis und Tonsillitis kann es zu lokalen Lymphknotenschwellungen am Hals kommen.
  • Persistierende Lymphknotenschwellungen können auf maligne Tumoren in z. B. Hoden, Muskeln oder Knochen hinweisen.

Allgemeine Lymphknotenschwellung

Systemische Infektionen

  • Systemisch bakterielle oder virale Infektionen sind die häufigsten Ursachen für eine allgemeine Lymphadenopathie.
Virale Infektionen3
Bakterielle Infektionen
Parasiten
Mykosen

Malignome

  • Bösartige Lymphknotengeschwulste sind eine der häufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter.
  • Akute lymphatische Leukämie
    • Macht 80 % aller Leukämien bei Kindern aus.
  • Non-Hodgkin-Lymphom
    • häufigste Lymphom-Form
    • Häufigste Leitsymptome sind schmerzlose Lymphknotenschwellungen, dazu als häufigstes Allgemeinsymptom Fieber.1
  • Hodgkin-Lymphom2
    • Es kann der Befall einer einzelnen Lymphknotenregion bis zu einem disseminierten Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne gleichzeitigen Lymphknotenbefall vorkommen. 
    • Allgemeinsymptome wie unerklärlicher Gewichtsverlust, persistierendes oder rekurrierendes Fieber mit Temperaturen über 38 °C und/oder starker Nachtschweiß kommen als Allgemeinsymptome vor.
  • Lymphknotenmetastasen anderer Malignome

Immunologisch

Metabolisch

Speicherkrankheiten

Medikamenteninduziert

  • Auch die Einnahme verschiedenster Medikamente kann zu einer Lymphknotenschwellung führen (z. B. Antibiotika, Antiepilektika, NSAR, Thiouracil, Phenytoin, Hydralazin, Procainamid, Isoniazid, Allopurinol, Dapsone).3

Anamnese

  • Wo liegen die vergrößerten Lymphknoten? (supraklavikulär = „verdächtig")
  • Wie viele Lymphknoten sind geschwollen? (isoliert oder generalisiert)
  • Seit wann sind die Lymphknoten geschwollen? Schneller oder langsamer Zuwachs?
  • Ist die Lymphknotenschwellung im Zeitverlauf progredient?
  • Vorangegangene Infekte, Medikamenteneinnahme, Impfungen
  • Gibt es Verletzungen oder Entzündungen im Bereich der geschwollenen Lymphknoten?
  • Begleitsymptome (Gewichtsabnahme, Bauchschmerzen, Fieber, Nachtschweiß, Hautausschlag, Gelenksschwellungen)
  • Schmerzhaftigkeit
  • Frage der Exposition (Tiere, Insekten, Reisen)
  • Familienanamnese 

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Zur Untersuchung gehört eine gründliche körperliche Untersuchung, insbesondere aller Lymphknotenstationen, Haut (z. B. Café-au-lait-Flecken), Nasen-Rachen-Raum, Leber und Milz, neurologischer Status mit Hirnnerven, Pubertätsstadien nach Tanner und Erfassung der Hodengröße.1

Lymphknoten

  • Lokalisierte oder generelle Lymphadenopathie?
  • Lokale Rötung und Verletzungen
    • lokale Eintrittspforten (Zahnstatus, Tonsillen, Kratzspuren bei allergischem Exanthem, andere offene Hautstellen)3
  • Palpation schmerzhaft
  • Lymphknoten verschieblich
  • Zeichen einer Lymphangitis

Allgemeinsymptome

Ergänzende Untersuchungen

Labor

Diagnostik bei Spezialist*innen 

  • Bei pathologischen Lymphknotenvergrößerungen, die nicht durch banale, meist virale Infektionen oder für das Kindesalter typische Infektionskrankheiten erklärt werden können, ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich.3 

Röntgen-Thorax 

  • Ggf. Röntgenuntersuchung des Thorax (in zwei Ebenen)

Sonografie

  • Geeignet, um Lokalisation und Größe der Lymphknoten im Verlauf zu erfassen.
  • Besonders geeignet für die Darstellung von:
    • retroperitonealen Lymphknoten
    • Größe von Leber und Milz.
  • Verkalkungen können auf Lymphknotentuberkulose hinweisen.
  • Ultraschalluntersuchung des Lymphknotens mit Dopplersonografie3
    • bei vermehrter zentraler Durchblutung bzw. Einschmelzung hinweisend auf eine infektiöse Ursache
    • bei aufgehobener Lymphknotengrundstruktur, bei runder statt ovalärer Lymphknotenstruktur (Short Axis to Long Axis Ratio, S/L-Ratio), peripherem Durchblutungsmuster, eher hinweisend auf eine maligne Erkrankung

Exstirpation

  • Bei Progredienz der Lymphknotenschwellungen sowie Auftreten von B-Symptomen ist immer eine möglichst schnelle Entfernung eines verdächtigen Lymphknotens in toto anzustreben, um durch histologische, immunhistologische und mikrobiologische Untersuchungen eine Diagnose stellen zu können.3
  • Eine Lymphknotenentfernung ist indiziert, sollte es nicht zu einem Größenrückgang binnen 4–6 Wochen oder einer Größennormalisierung binnen 8–12 Wochen gekommen sein.3

 CT und MRT

  • Haben in der erweiterten Lymphknotendiagnostik ihren Stellenwert bezüglich Ausdehnung, Staging und ggf. Therapieerfolg.

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Sofortige Überweisung bei Verdacht auf maligne Erkrankung
  • Lymphknotenschwellungen, die länger als 6 Wochen anhalten, sollten abgeklärt werden.

Empfehlungen

  • Vergrößerte Lymphknoten nach einer Infektion sind ungefährlich und bilden sich spontan zurück, dabei können kleine Knötchen  bestehen bleiben.
  • Die Gabe von Antibiotika bei Lymphadenopathien ist nur indiziert, wenn eindeutige Hinweise auf eine bakterielle Infektion vorliegen.
  • Glukokortikoide sollten zur Therapie der Lymphknotenschwellung nicht eingesetzt werden, da sie die Diagnostik von Lymphomen oder Leukämien verzögern oder zur Heilungsverzögerung bei Infektionen beitragen können.6
    • Ausnahme: lebensbedrohliche Obstruktionen des Pharynx

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Lymphknotenvergrößerung. AWMF-Leitlinie Nr. 025-020. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025–013. S1, Stand 2017. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Hodgkin-Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-012. S1, Stand 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025–013, Klasse S1, Stand 2017. www.awmf.org
  2. Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Hodgkin-Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-012. Stand 2018. www.awmf.org
  3. Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Lymphknotenvergrößerung. AWMF-Leitlinie Nr. 025-020, Stand 2020. www.awmf.org
  4. Soldes OS, Younger JG, Hirschl RB. Predictors of malignancy in childhood peripheral lymphadenopathy. J Pediatr Surg 1999; 34: 1447-52. PubMed
  5. D. Ladwig in: Michalk D, Schönau E. Differentialdiagnose Pädiatrie. 3. Aufl. 2011.
  6. Nogai H, Janz M. Vergrößerung von Lymphknoten und Milz. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag. S.497 ff.

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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