Dehydratation bei Kindern

Allgemeine Informationen

Definition

  • Dehydratation ist die Abnahme von Körperflüssigkeit entweder durch übermäßigen Flüssigkeitsverlust, mangelnde Flüssigkeitszufuhr oder durch Elektrolytveränderungen bedingte Verschiebung von extra- und intrazellulärer Flüssigkeit.
  • Bei extremer Dehydratation spricht man auch von Exsikkose.
  • Ursachen für einen erhöhten Flüssigkeitsmangel bei Kindern:1
  • Ursachen für eine verminderte Zufuhr von Flüssigkeit bei Kindern:
    • Trinkverweigerung im Rahmen von Infektionserkrankungen
    • Nahrungskarenz vor, während und nach operativen Eingriffen
    • Vernachlässigung.
  • Ursache für Verschiebungen von Flüssigkeit aus dem Extrazellulär- in den Intrazellulärraum ist z. B. die foudroyante Sepsis.

Häufigkeit

  • Die häufigste Ursache für Dehydratation bei Kindern ist die Gastroenteritis.
  • Auch in Deutschland erkranken Säuglinge und Kleinkinder 1- bis 2-mal pro Jahr an einer akuten infektiösen Gastroenteritis.2
  • Je jünger das Kind umso größer das Risiko, durch Wasser- und Elektrolytverluste eine Dehydration zu entwickelen.

Pathologie

  • Je kleiner Kinder sind, desto mehr haben sie im Verhältnis zum Körpergewicht ein größeres extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen, ein größeres Blutvolumen, eine höhere Stoffwechselrate und einen höheren Flüssigkeitsumsatz als Erwachsene.3 
  • Deswegen sind sie anfälliger für Dehydratationen.
  • Dehydratationen werden je nach dem Verhältnis von Flüssigkeits- und Elektrolytverlust als isotonische Dehydratation, hypo- oder hypertonische Dehydratation bezeichnet.
  • Es kommt zu einer unzureichenden Durchblutung lebenswichtiger Organe (Herz, Gehirn, Nieren) und in der Folge zu einer Gewebehypoxie und einem anaeroben Metabolismus. In dieser Phase kann sich schnell ein irreversibler Schock entwickeln.

Klinische Untersuchung

Anamnese

  • Art und Dauer der vorausgehenden Erkrankung
  • Medikamenteneinnahme
  • Bei Gastroenteritis
    • Häufigkeit der Stuhlentleerungen
    • Häufigkeit des Erbrechens
    • Fieber
    • Trinkmenge und Nahrungsmenge in den letzten 24 Stunden
    • Urinmenge

Befunde

  • Symptome und Befunde variieren je nach Grad des Flüssigkeitsdefizits.
    • Durst
    • Fieber
    • Lethargie
    • trockene Schleimhäute
    • teigigem Aussehen der Haut
    • verminderte Urinausscheidung
  • Bei größerem Flüssigkeitsverlust 
    • Tachykardie
    • Hypotonie 
    • Schock
    • Tachypnoe
  • Der Hydratationszustand kann durch einfache klinische Untersuchungen  gut eingeschätzt werden.3
    • zentrale Rekapillarisierungszeit (Sternum,Stirn)
    • Hautturgor
    • Stand der Fontanelle
    • Gewicht (ein Gewichtsverlust von 3–8 % spricht für eine leichte Dehydratation, von über 9 % für eine schwere Hydratation).1 
    • Normale Blutdruckwerte schließen einen Volumenmangel nicht sicher aus, da der Blutdruck bei Kindern durch eine Vasokonstriktion (blasse, fast weiße Haut) lange aufrecht gehalten werden kann. Allerdings sind erniedrigte Werte Zeichen einer Minderperfusion.1 
  • Skalen zur Einstufung, die Kombinationen verschiedener körperlicher Befunde berücksichtigen, können hilfreich sein bei der Beurteilung der Dehydratation.4

Ergänzende Untersuchungen

Pulsoximeter

  • Bei Volumenmangel kommt es zu atemsynchronen Schwankungen oder Ausbleiben der Pulswelle.1

EKG

  • Zur Überwachung und Vermeidung von Überinfusionen: Ausschluss von  Herzrhythmusstörungen wie Bradykardien oder Extrasystolen

Labor5

Klinische Beurteilung einer Dehydratation

pfeil_7x12.png siehe Tabelle: Klinische Beurteilung einer Dehydratation

Therapie

Therapieziel

  • Normalisierung des Flüssigkeitshaushalts
  • Ausgleich des Elektrolythaushalts
  • Erreichen normaler Blutglukosekonzentration
  • Stabiler Säure-Basen-Haushalt
  • Verhinderung weiterer Flüssigkeitsverluste
  • Verhinderung eines Nierenversagens
  • Verhinderung anderer Organschäden

Allgemeines zur Therapie

  • Eine Flüssigkeitstherapie sollte bei Kindern möglichst peroral durchgeführt werden.6
  • Ist dies nicht möglich oder bei schwerer Dehydratation ist eine stationäre Einweisung zur intravenöse Zufuhr sinnvoll.
  • In seltenen Fällen kann auch eine subkutane, intraperitoneale oder intraossäre Flüssigkeitszufuhr indiziert sein.
  • Behandlung der ursächlichen Erkrankungen
  • Bei Verdacht auf eine Sepsis (Fieber, Petechien oder Hautblutungen, Nackensteifigkeit, vorgewölbte Fontanelle) ist sofort eine intensivmedizinische Betreuung einzuleiten.

Orale Flüssigkeitszufuhr

  • Wenn möglich, ist immer die orale Flüssigkeitszufuhr zu bevorzugen.7
  • Bei Kindern mit milder Gastroenteritis und minimaler Dehydration kann für die orale Hydration verdünnter Apfelsaft statt Elektrolytlösungen ausreichend sein.8 
  • Bei leichter bis mittelschwerer Dehydratation können orale Rehydratationslösungen verwendet werden, die sowohl Natrium als auch Glukose enthalten. 
    • Im Überschuss zugeführtes freies Wasser kann bei Neugeborenen und jungen Säuglingen relativ schnell zu einem intrazellulären Ödem und damit zu einem lebensbedrohlichen Hirnödem führen.1
  • Bei oraler Rehydratation sollte der errechnete Flüssigkeitsverlust mit einer oralen Rehydratationslösung in sehr kleinen Mengen per Löffel oder Spritze gegeben werden (2–3 ml/Minute).1 
  • Wird die orale Aufnahme verweigert oder erbrochen, ist die kontinuierliche Applikation über eine nasogastrale Sonde möglich.9
  • Bei Erbrechen kann bei größeren Kindern ein Antiemetikum (z. B. Dimenhydrinat, Einzeldosis p. o.: 1–3 mg/kg KG; > 8, < 15 kg KG: 40 mg, 15–25 kg KG 80 mg, > 25 kg KG: 120 mg) versucht werden, um weiter eine orale Rehydratation mit kleinen Mengen zu ermöglichen.
  • Laut BfArM bringen bei Säuglingen und Kleinkindern Antiemetika keinen Vorteil gegenüber alleiniger Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution.
    • Wegen der Nebenwirkungen soll Dimenhydrinat bei dieser Altersgruppe nicht bei einer banalen Gastroenteritis eingesetzt werden.
    • Wegen der krampfauslösenden Wirkung und der Gefahr von Fieberkrämpfen in dieser Altersgruppe sollte Dimenhydrinat nicht bei fieberhaften Infekten eingesetzt werden.
    • Die Höchstdosis von 5 mg/kg KG/24 h sollte keinesfalls überschritten werden.

Intravenöse Behandlung

  • Das Ziel der Infusionstherapie ist die Aufrechterhaltung (perioperativ) bzw. Wiederherstellung der physiologischen Verhältnisse beim Kind (Normovolämie, normale Gewebeperfusion, normale Stoffwechselfunktion, normaler Säure-Basen-Elektrolyt-Haushalt).3
  • Die Infusionstherapie bleibt am ehesten der stationären Behandlung überlassen und soll hier nur kurz besprochen werden.
  • Bei Kindern sollten Vollelektrolytlösungen verwendet werden, deren Zusammensetzung der Extrazellulärflüssigkeit möglichst ähnlich ist, ggf. können kurzfristig präklinisch auch  NaCl 0,9 % und Ringer-Laktat gegeben werden, die weitere Anwendung erfolgt unter klinischer Überwachung und Laborkontrollen.
  • Hypotone Infusionslösungen dürfen zur Behandlung von akuten Volumenmangelzuständen wegen der Gefahr der Hyponatriämie außerhalb klinischer Überwachung nicht eingesetzt werden.1

Besonderheiten – Verbrennungen

  • Bei schweren Verbrennungen ist bei Kindern sofort eine Infusionstherapae mit Vollelektrolyten einzuleiten, ggf. intraossär.1
  • Für die Zeit des Transports kann der Volumenbedarf behelfsweise mit dem Körpergewicht des Kindes berechnet werden.
    • Als Bolus sollten 10 ml/kg KG über 10–15 Minuten intravenös injiziert werden, gefolgt von einer Infusion von 10–20 ml/kg KG/h.
  • Auf Kolloide sollte wegen der Gefahr eines Verbrennungsödems verzichtet werden.

Empfehlungen für Patienten

  • Reichlich Flüssigkeitszufuhr, vor allem zu Beginn der Durchfallerkrankung und bei anhaltender Symptomatik, wenn nötig, löffelweise und alle paar Minuten.
  • Weiterhin altersadäquate Nahrungszufuhr, auch bei Erbrechen. Dabei Menge reduzieren und Frequenz erhöhen.10
  • Spätestens 4–6 Stunden nach Beginn der Rehydrierung sollten Kinder mit leichter bis mittelschwerer Dehydration ihre gewohnte Nahrung erhalten.2

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Infusionstherapie, perioperativ bei Kindern. AWMF-Leitlinie Nr. 001-032, Stand 2016. www.awmf.org

Literatur

  1. Osthaus W, Ankermann T, Sümpelmann R. Präklinische Flüssigkeitstherapie im Kindesalter. Thieme-Verlag Pädiatrie up2date 1/2013 www.thieme.de
  2. Koletzko S. , Osterrieder S. Akute infektiöse Durchfallerkrankung im Kindesalter Dtsch Arztebl Int 2009; 106(33): 539–48; www.aerzteblatt.de
  3. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Infusionstherapie, perioperativ bei Kindern. AWMF-Leitlinie Nr. 001-032. Stand 2016. www.awmf.org
  4. Pringle K et al.Comparing the accuracy of the three popular clinical dehydration scales in children with diarrhea. Int J Emerg Med. 2011;4:58 www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Wathen JE, MacKenzie T, Bothner JP. Usefulness of the serum electrolyte panel in the management of pediatric dehydration treated with intravenously administered fluids. Pediatrics 2004; 114: 1227-34. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Canavan A, Arant BS. Diagnosis and management of dehydration in children. Am Fam Physician 2009; 80: 692-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Atherly-John YC, Cunningham SJ, Crain EF. A randomized trial of oral vs intravenous rehydration in a pediatric emergency department. Arch Pediatr Adolesc Med 2002; 156: 1240-3. PubMed
  8. Freedman SB, et al.: Effect of dilute apple juice and preferred fluids vs electrolyte maintenance solution on treatment failure among children with mild gastroenteritis. A randomized clinical trial. JAMA 2016;315:1966-74. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Nager AL, Wang VJ. Comparison of nasogastric and intravenous methods of rehydration in pediatric patients with acute dehydration. Pediatrics 2002; 109: 566-72. Pediatrics
  10. Practice parameter: the management of acute gastroenteritis in young children. American Academy of Pediatrics, Provisional Committee on Quality Improvement, Subcommittee on Acute Gastroenteritis. Pediatrics 1996; 97: 424-35. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Barne- og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital, Trondheim

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