Perthes-Krankheit

Diese Erkrankung tritt in der Regel bei Kindern im Alter von 3–12 Jahren und am häufigsten bei Jungen von 5–10 Jahren auf. Durch eine verminderte Durchblutung des Hüftkopfes zerfällt der Knochen teilweise, bevor er erneut verknöchert.

Was ist die Perthes-Krankheit?

Definition

Die Perthes-Krankheit manifestiert sich im Gewebe rund um die Wachstumsfuge des Hüftgelenks. Das dortige Gewebe wird aufgrund eines lokal verminderten Blutflusses nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt, wodurch das Knochengewebe beginnt abzusterben (sog. Osteonekrose). Die Erkrankung verläuft in mehreren Phasen und bleibt insgesamt über 2–4 Jahre bestehen. Im Krankheitsverlauf treten Schmerzen und eine zunehmende Steifheit des Hüftgelenks auf. Schließlich kann der Hüftkopf zerstört werden und bröckeln. Im weiteren Verlauf normalisiert sich die Blutzufuhr und neue Knochenzellen kommen hinzu. Diese ersetzen schrittweise das abgestorbene Knochengewebe. In einigen Fällen ist der neue Hüftkopf nahezu normal geformt, in den meisten Fällen ist er jedoch in geringerem oder stärkerem Maße deformiert.

Symptome

Die Erkrankung beginnt häufig mit vagen Symptomen, begleitet von kurzzeitigen Episoden des Hinkens mit gering ausgeprägten oder keinen Schmerzen. Die Episoden treten insbesondere nach Belastungen auf und nehmen mit der Zeit zu. Schließlich wird der hinkende Gang deutlicher sichtbar und das Kind klagt über Schmerzen in Knie, Leiste oder der Vorder-/Außenseite des Oberschenkels. Die Beweglichkeit der Hüfte kann eingeschränkt sein.

In der Regel ist nur eine Hüfte betroffen, in 10 % der Fälle kann die Erkrankung jedoch beide Hüftköpfe befallen, wobei die Erkrankung am zweiten Gelenk häufig zeitlich verzögert auftritt.

Bei manchen Kindern sind Knieschmerzen das vorherrschende, bei einigen sogar das einzige Symptom. In derartigen Fällen ist es wichtig, die Möglichkeit eines Hüftleidens in Betracht zu ziehen.

Ursachen

Die Ursachen der Perthes-Krankheit sind nicht bekannt, aber mehrere Faktoren scheinen zu ihrer Entstehung beizutragen. Der Krankheitsmechanismus ist durch einen verminderten Blutfluss zum Gelenkkopf des Hüftgelenks (Hüftkopf, Oberschenkelkopf, Caput femoris) gekennzeichnet. Die Minderdurchblutung kann durch eine erhöhte Zähflüssigkeit des Bluts (z. B. bei gestörter Blutgerinnung), Veränderungen der Blutgefäße oder eine verzögerte Knochenreife bedingt sein.

In einigen Fällen kann eine Verletzung der Hüfte und der zugehörigen Blutgefäße zur Perthes-Krankheit führen. Ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung besteht bei erblicher Veranlagung, niedrigem Geburtsgewicht, Übergewicht, niedrigem sozialen Status, Passivrauchen und Gerinnungsstörungen.

Häufigkeit

Die Perthes-Krankheit tritt in der Regel bei Kindern im Alter von 3–12 Jahren auf. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Diese Erkrankung ist mit einer Häufigkeit von 10,8 pro 100.000 Kindern eine relativ häufige Hüfterkrankung im Kindesalter.

Untersuchungen

  • Häufig stufen Eltern die Beschwerden als vorübergehend ein und suchen daher erst ärztlichen Rat, wenn seit dem erstmaligen Auftreten der Schmerzen bereits einige Wochen vergangen sind.
  • Bei der ärztlichen Untersuchung werden Gang und Beckenstellung beurteilt und die Hüfte abgetastet. Zudem wird die Beweglichkeit des Hüftgelenks überprüft.
  • Mit Blutuntersuchungen können Infektionen und Gelenkentzündungen ausgeschlossen werden.
  • Falls der Verdacht besteht, dass das Kind an der Perthes-Krankheit leidet, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Dazu wird das Kind an eine orthopädische Praxis überwiesen.

Bildgebende Untersuchungen

  • Die Diagnose wird mit einer Röntgenuntersuchung gestellt. In den ersten Wochen nach Beginn der Erkrankung können die Röntgenaufnahmen unauffällig sein. Im späteren Verlauf weisen die Röntgenaufnahmen Veränderungen am Hüftkopf und Hüftgelenk auf.
  • Im Frühstadium der Erkrankung können daher andere Untersuchungsmethoden eingesetzt werden, z. B. Magnetresonanztomografie (MRT).
  • Mit einer Ultraschalluntersuchung kann Flüssigkeit im Gelenk nachgewiesen und die Perthes-Krankheit von einer Hüftgelenksentzündung (seröse Coxitis) unterschieden werden. 

Behandlung

  • Ziel der Behandlung ist, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit der Hüfte zu erhalten und die Entwicklung von Gelenkverschleiß (Arthrose) zu verhindern.
  • Über die beste Behandlungsform wird unter internationalen Wissenschaftler*innen noch diskutiert.
  • Grundprinzip ist die sog. Containment-Therapie, bei der der Hüftkopf in der Gelenkpfanne zentriert wird.
  • In vielen Fällen ist der Grad der Erkrankung so gering, dass eine konservative Behandlung mit Entlastung und Physiotherapie ausreichend ist. In schwereren Fällen und bei älteren Kindern kann eine länger andauernde Entlastung oder eine Operation notwendig sein.
  • In den frühen aktiven Stadien wird eine Kontrolluntersuchung alle 3 Monate, nach Abheilung alle 6–12 Monate bis zum Wachstumsabschluss empfohlen.

Medikamente

  • Im Anfangsstadium können Medikamente verabreicht werden, die den Knochenabbau hemmen (Bisphosphonate) und die Durchblutung fördern (sog. Prostazyklin-Analoga).
  • Zur Schmerzlinderung können Schmerzmittel oder entzündungshemmende Medikamente (NSAR) eingesetzt werden.

Konservative Behandlung

  • Die Beweglichkeit des Hüftgelenks kann durch regelmäßige Bewegung ohne Belastung, wie Physiotherapie, Schwimmen, Radfahren und kontrolliertes Muskeltraining verbessert werden.
  • Eine Entlastung des erkrankten Beines ist wichtig, insbesondere bei Schmerzen. Von sportlichen Aktivitäten, die mit einer starken Belastung des Gelenks einhergehen, wie Rennen, Hüpfen und Springen, wird abgeraten.
  • Physiotherapeutische Übungen in Kombination mit Eigentraining können zu einem Erhalt der Hüftbeweglichkeit beitragen.

Operation

  • In einigen Fällen wird ein operativer Eingriff empfohlen, um die Position des Hüftknochens zu optimieren, sodass er sich im runden Teil der Hüftpfanne befindet und nicht seitwärts hinausgleitet.
  • Nimmt der Hüftknochen eine ungünstige Position in der Hüftpfanne ein, ist das Risiko einer Verformung des Hüftkopfes erhöht, was schließlich zu Arthrose und chronischen Schmerzen führen kann.

Vorbeugung

Um eine spätere Entwicklung von Gelenkverschleiß zu verhindern, sollten bei der Berufswahl und im Lebensstil starke Belastungen (langes Gehen, Stehen und schweres Heben) vermieden werden.

Prognose

Die Erkrankung bildet sich im Verlauf von 2–4 Jahren zurück. Die weitere Entwicklung des Hüftgelenks hängt davon ab, in welchem Ausmaß der Hüftkopf während der Erkrankung verformt wurde. Das Risiko für eine spätere Hüftgelenksarthrose ist erhöht.

Für Kinder, die vor dem 6. Lebensjahr erkranken, ist die Prognose häufig günstig. Das Risiko von Fehlstellungen und dauerhaften Beschwerden steigt mit dem Alter, in dem die Erkrankung erstmals auftritt. Mädchen leiden nach der Erkrankung häufiger an anhaltenden Beschwerden als Jungen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Calvé-Legg-Perthes-Krankheit. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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