Parasomnien bei Kindern

Zusammenfassung

  • Definition:Parasomnien sind unwillkürliche motorische oder verbale nichtepileptische nächtliche Anfälle während des Schlafes, die insbesondere bei Kindern auftreten.
  • Häufigkeit:Auftreten bei ca. 15–20 % der Kinder vor der Pubertät.
  • Symptome:Die häufigsten Parasomnien bei Kindern umfassen Schlafwandeln, Verwirrung beim Aufwachen, Pavor nocturnus (Nachtschreck) und rhythmische Bewegungsstörungen.
  • Befunde:Es liegen in der Regel keine wegweisenden körperlichen Befunde vor.
  • Diagnostik:Es sind keine Zusatzuntersuchungen erforderlich.
  • Therapie:Die wichtigste Behandlung besteht in der Aufklärung der Eltern, dass es sich um harmlose Symptome handelt, die in der Regel mit der Zeit von selbst verschwinden.

Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Definition

  • Parasomnien sind motorische oder verbale nichtepileptische nächtliche Anfälle, die während des Schlafes auftreten, insbesondere bei Kindern.2-4
  • Die häufigsten Parasomnien bei Kindern umfassen Schlafwandeln, Verwirrung beim Aufwachen, Pavor nocturnus (Nachtschreck) und rhythmische Bewegungsstörungen.
  • Schlafwandeln
    • Zustand, in dem Kinder offenbar wach, aber nicht bei vollem Bewusstsein sind.
    • Das Aktivitätsniveau kann zwischen zielloser Unruhe im Bett bis hin zu nächtlichem Umherlaufen variieren.
    • häufig murmelnde und verschwommene Lautäußerungen, in der Regel unverständlich.
  • Pavor nocturnus (Nachtschreck)
    • Abruptes Aufwachen, Schreien und nicht selten bis zu 30 min lang keine Beruhigung möglich, bevor plötzliche Entspannung und erneuter Schlaf einsetzen.
  • Unvollständiges Erwachen mit Verwirrung
    • Plötzliches Erwachen, bei dem Kinder desorientiert, verwirrt oder erregt sein können und häufig scheinbar zweckmäßige motorische Bewegungen ausführen.
  • Albtraum
    • Albträume treten in der Regel während des REM-Schlafes auf.
    • Häufig sind Kinder nach einem Albtraum vollständig erwacht, erinnern sich an den unangenehmen Traum und benötigen Trost und Nähe sowie die Sicherheit, dass es sich nur um einen Traum handelte.
    • Die meisten Kinder erleben Albträume, der Zustand kann also grundsätzlich als physiologisch angesehen werden.
    • Wenn Kinder ständig intensive Albträume erleben, sollte dies Anlass zu ärztlicher oder psychologischer weitergehender Diagnostik sein.
  • Symptome, die nach der International Classification of Sleep Disorders, 2. Auflage (ICSD-2) nicht mehr den Parasomnien zugerechnet werden, sondern als schlafbezogene Bewegungsstörungen klassifiziert werden:
    • rhythmische Bewegungsstörungen
      • Rhythmische Bewegungen wie nächtliches Kopfschlagen, Schaukeln des Körpers und Rollen des Kopfes treten typischerweise bei jüngeren Kindern unter 1 Jahr in der Einschlafphase auf, können aber in jedem Alter vorkommen.5-7
      • Sie können sowohl während des Tiefschlafes als auch im Wachzustand auftreten.
    • Einschlafzuckungen
      • Plötzliche Muskelkontraktionen (hypnagoge Myoklonien), die auftreten, wenn Kinder einschlafen; häufig von einem subjektiven Gefühl des Fallens begleitet.8

Häufigkeit

  • Parasomnien sind häufig und treten bei ca. 15–20 % der Kinder vor der Pubertät auf.2,7
  • Parasomnien sind bei Kindern sehr viel häufiger als bei Erwachsenen.
  • Mit Ausnahme des Nachtschrecks, der bei Jungen häufiger vorkommt, gibt es keinen Unterschied in der Häufigkeit von Parasomnien zwischen Mädchen und Jungen.
  • Schlafwandeln (Somnambulismus)
    • Kommt bei bis zu 15 % der Kinder im Alter zwischen 4 und 12 Jahren und mit der höchsten Inzidenz zwischen 11 und 12 Jahren vor.
  • Verwirrung nach dem Aufwachen
    • Ist am häufigsten bei Kleinkindern im Vorschulalter.
  • Pavor nocturnus (Nachtschreck)
    • Hat eine Inzidenz von 1 % und ist am häufigsten in der Altersgruppe zwischen 4 und 12 Jahren.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die verschiedenen Parasomnien sind miteinander verwandt und können kombiniert auftreten.
  • Auftreten in der Regel während des Tiefschlafs (Stadium 3 und 4) und häufig im ersten Drittel der Nacht, meist 30–90 min nach dem Einschlafen.
  • Amnesie bezüglich der Episoden ist häufig, einige Kinder berichten allerdings von kurzen, traumähnlichen Bildern.
  • Es ist ungewöhnlich, dass solche Schlafstörungen bei Kindern mehr als einmal pro Nacht auftreten.
  • Die Häufigkeit liegt meistens bei ein- bis dreimal pro Monat.
  • Häufig können Auffälligkeiten in der Polysomnografie beobachtet werden, allerdings meistens ohne therapeutische Konsequenz.
  • Auftreten von messbaren Veränderungen ist episodisch und spiegelt die Unreife des ZNS wider.
    • Bei Kindern häufiger zu beobachten, meist selbstlimitierend.
  • Häufig besteht bei Vorliegen einer Parasomnie eine positive Familienanamnese.

Pathophysiologie

  • Parasomnien sind Reaktionen auf eine Aktivierung des ZNS.
    • Führen häufig zum Aufwachen aus dem Schlaf, zu Verwirrung, kurzzeitiger psychischer Instabilität oder einer Mischung daraus.
  • Das Auftreten ist häufig während des Überganges zwischen zwei verschiedenen Schlafphasen (REM, Non-REM, Slow-Wave-Sleep).
  • Tiefschlaf (Slow-Wave-Sleep, SWS) liegt in der Regel im ersten Drittel der Schlafperiode vor.
  • Die tiefste Schlafphase erreichen Kinder typischerweise ca. 15 min nach dem Einschlafen, diese erste SWS-Phase dauert zwischen 45 und 75 min.
    • Dies erklärt, warum es so einfach ist, Kinder direkt nach dem Einschlafen zu bewegen, ohne sie dabei aufzuwecken.
  • Schlafwandeln
    • Vermutlich liegt eine Störung der Regulierung des SWS vor.
    • Es kommt zu einer Trennung zwischen körperlichem und psychischem Schlaf, die auf eine Aktivierung thalamocingulärer Nervenbahnen bei anhaltender Deaktivierung bestimmter thalamokortikaler Aufwachsysteme zurückzuführen ist.
    • Die erste SWS-Phase der Nacht ist bei schlafwandelnden Kindern stärker gestört und der gesamte Non-REM/REM-Schlaf-Zyklus ist stärker fragmentiert.
    • Weil diese Störungen häufiger bei Kindern auftreten, werden sie als Ausdruck der Unreife des ZNS angesehen.

Prädisponierende Faktoren

  • Vererbung
  • Schlafdeprivation (Schlafmangel-Syndrom)
  • Chaotischer Schlafrhythmus
  • Fieber und Stress
  • In manchen Fällen werden Parasomnien durch schlafbezogene Atemstörungen ausgelöst.
    • Die häufigste Ursachen sind vergrößerte Adenoide oder Tonsillen, Kinder sollten in diesen Fällen an eine HNO-ärztliche Praxis überwiesen werden.
  • Medikamente
    • Sedativa, Hypnotika, Antidepressiva, Neuroleptika, Antibiotika (Fluorchinolone), Antiparkinsonmittel, Antikonvulsiva (z. B. Topiramat) und Antihistamine können Parasomnien auslösen.

ICPC-2

  • P06 Schlafstörung

ICD-10

  • F51 Nichtorganische Schlafstörungen
    • F51.3 Schlafwandeln (Somnambulismus)
    • F51.4 Pavor nocturnus
    • F51.5 Albträume (Angstträume)
    • F51.8 Sonstige nichtorganische Schlafstörungen
    • F51.9 Nichtorganische Schlafstörung, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Diagnostische Kriterien

  • In den meisten Fällen werden Parasomnien auf Grundlage der Krankengeschichte diagnostiziert.

Differenzialdiagnosen

  • Fieberkrämpfe
  • Epilepsie
    • Nächtliche epileptische Anfälle sind in der Regel von kürzerer Dauer, stereotyper und treten häufiger auf, oft in Clustern.7
  • Masturbation: Ist bei kleinen Kindern ein physiologisches Phänomen, sowohl im Wachzustand als auch im Übergang zum Schlaf.
  • Gastroösophagealer Reflux: Eine besondere Reaktion auf den Reflux bei gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) ist die tonische Überstreckung des Halses, des oberen Teils des Oberkörpers und evtl. der Arme
    • Missinterpretation als epileptischer Anfall möglich

Anamnese

  • Befragung von Patient*innen und/oder Bezugspersonen (ggf. Schule, Kindergarten)
  • Schlafgewohnheiten (Kurz-/Langschläfer, Chronotyp, Uhrzeiten, Dauer, Ort)
  • Schlafumstände
  • Abendliche Aktivitäten und Essgewohnheiten
  • Vorbereitung auf das Zubettgehen, Bettgehzeit
  • Rituale, evtl. geäußerte Ängste
  • Einschlafassoziationen
  • Dauer der Einschlafzeit, Verhalten und Befinden währenddessen
  • Häufigkeit, Ursachen, Dauer von Aufwachphasen
  • Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen; nächtliche Aktivitäten
  • Exakte Schilderung episodischer Ereignisse (Symptomatik, Häufigkeit, Dauer)
  • Verhalten während des Schlafs (Unruhe, Schnarchen, Bettnässen etc.)
  • Gesamtschlafdauer, Dauer ungestörter Schlafepisoden
  • Aufwachzeit, spontanes Wachwerden, Erweckbarkeit
  • Befindlichkeit nach dem Erwachen
  • Verhalten tagsüber
  • Müdigkeit, Schlafphasen
  • Antrieb
  • Konzentration und Leistungsfähigkeit, Gedächtnis
  • Stimmung
  • Hyperaktivität
  • Reaktionen der Bezugspersonen
  • Leidensdruck
  • Nächtliche Abwesenheit der Bezugsperson (z. B. bei Schichtarbeit)

Schlaftagebuch und -fragebögen

  • Die unten angegeben Fragebögen finden sich der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin.
  • Schlaftagebuch, Schlaffragebögen und strukturierte Interviews
  • Schlafprotokoll (Tag- und Nachtprotokoll) zur Erfassung der aktuellen Schlafqualität und Erhebung von schlafstörenden Verhaltensweisen über mindestens eine typische Woche
  • Bis zum Alter von 12 Jahren von den Eltern/Bezugspersonen auch gemeinsam mit dem Kind zu führen, im Jugendalter von den Betroffenen selbst.
  • Selbstbeurteilung
    • Kinderschlafcomic (CSC), Alter: ab 5 Jahren
    • Sleep Self Report, deutsche Version (SSR-DE), Alter: 7–12 Jahre
    • Schlafinventar für Kinder- und Jugendliche (SI-KJ), Alter: 8–11 Jahre, Fragebogen und strukturiertes Interview zur Selbstbeurteilung
    • Epworth Sleepiness Scale (ESS)
  • Fremdbeurteilung
    • Children's Sleep Habits Questionnaire, deutsche Version (CSHQ-DE), Alter: 4–10 Jahre
    • Sleep Disturbance Scale (SDSC), Alter: 5–16 Jahre
    • Pediatric Sleep Questionnaire, deutsche Version: kinderärztlicher Schlaffragebogen (PSQ-DE), Alter: 2–18 Jahre
    • Schlafinventar für Kinder- und Jugendliche (SI-KJ), Alter: 5–11 Jahre, Elternfragebogen und strukturiertes Elterninterview

Somnambulismus (F51.3)

  • Diagnostische Kriterien gemäß ICD-10
    • Das vorherrschende Symptom sind wiederholte Episoden (2 oder mehr), in denen die Betroffenen das Bett während des Schlafens verlassen und mehrere Minuten bis zu einer halben Stunde umhergehen, meist während des ersten Drittels des Nachschlafs.
    • Während einer solchen Episode haben die Betroffenen meist einen leeren, starren Gesichtsausdruck, sie reagieren verhältnismäßig wenig auf die Berührungen anderer, den Zustand zu beeinflussen oder mit ihnen in Kontakt zu kommen und sind nur unter großen Schwierigkeiten aufzuwecken.
    • Nach dem Erwachen (entweder nach dem Schlafwandeln oder am nächsten Morgen) haben die Betroffenen eine Amnesie für die Episode.
    • Innerhalb weniger Minuten nach dem Aufwachen aus der Episode besteht keine Beeinträchtigung der geistigen Aktivität oder des Verhaltens, obgleich anfänglich eine kurze Phase von Verwirrung und Desorientiertheit auftreten kann.
    • fehlende Belege für eine organische psychische Störung wie eine Demenz oder eine körperliche Störung wie Epilepsie
  • Genetische Disposition, da familiäre Häufung
  • Prävalenzgipfel zwischen 5 und 12 Jahren
  • Auslöser: z. B. Fieber, Medikamenteneinfluss, Schlafmangel

Pavor nocturnus (F51.4)

  • Diagnostische Kriterien gemäß ICD-10
    • wiederholte Episoden (2 oder mehr) von Erwachen aus dem Schlaf mit einem Panikschrei, heftiger Angst, Körperbewegungen und vegetativer Überempfindlichkeit mit Tachykardie, Herzklopfen, schneller Atmung und Schweißausbruch
    • Diese Episoden treten während des ersten Drittels des Nachtschlafs auf.
    • Die Dauer beträgt weniger als 10 min.
    • Wenn andere Personen versuchen, auf die Betroffenen während der Episode beruhigend einzuwirken, hat dies keinen Erfolg. Solchen Bemühungen folgen Desorientiertheit und perseverierende Bewegungen.
    • Die Erinnerung an das Geschehen ist sehr begrenzt.
    • Verursachende organische Faktoren fehlen, wie z. B. neurologische oder internistische Krankheitsbilder, Einnahme psychotroper Substanzen oder eine Medikation.
  • Genetische Disposition, da familiäre Häufung.
  • Prävalenzgipfel zwischen 3 und 5 Jahren
  • Auslöser: z. B. Fieber, Medikamenteneinfluss, Schlafmangel

Albträume (F51.5)

  • Diagnostische Kriterien gemäß ICD-10
    • Aufwachen aus dem Nachtschlaf oder dem Nachmittagsschlaf mit detaillierter und lebhafter Erinnerung an heftige Angstträume, die meistens Bedrohungen des eigenen Lebens, der Sicherheit oder des Selbstwertgefühls beinhalten.
    • Das Aufwachen erfolgt zu jeder Zeit der Schlafperiode, obgleich die Alpträume typischerweise in der zweiten Nachthälfte auftreten.
    • Nach dem Aufwachen aus erschreckenden Träumen sind die Betroffenen rasch orientiert und wach.
    • Das Traumerleben selbst und die Störung des Schlafs, die durch das Aufwachen zusammen mit den Episoden resultiert, verursachen bei den Patient*innen einen deutlichen Leidensdruck.
    • verursachende organische Faktoren, wie z. B. neurologische und internistische Krankheitsbilder, Einnahme psychotroper Substanzen oder eine Medikation
  • Ängste vor erneuten Alpträumen, dem Wiedereinschlafen, dem Zubettgehen
  • Häufiger in Zusammenhang mit psychosozialem Stress
  • Gehäuftes Auftreten auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen (z. B. bei Reaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen)

Klinische Untersuchung

  • Es liegen meistens keine körperlichen Auffälligkeiten vor.
  • Weitergehende Untersuchung bei entsprechenden Hinweisen gemäß der Testpsychologie
    • neuropsychologische Untersuchung im Hinblick auf Konzentration, Vigilanz, Impulskontrolle und Gedächtnisfunktionen
    • ggf. Leistungsdiagnostik (z. B. bei Verdacht auf Intelligenzminderung)
    • ergänzende Komorbiditätsdiagnostik entsprechend dem vermuteten Störungsbild
    • evtl. Beschwerdefragebögen, Persönlichkeitstests
  • Zusatzuntersuchungen in der allgemeinmedizinischen Praxis sind in der Regel nicht indiziert.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Polysomnografie: Goldstandard zur (differenzial-)diagnostischen Abklärung organisch bedingter Schlafstörungen, vor allem schlafbezogener Atmungsstörung, schlafbezogenen oder schlafstörenden Bewegungsstörungen sowie Epilepsien.
    • bei Verdacht auf Apnoen oder epileptischer Krampfaktivität, bei der Hypersomnie (zur Abklärung der Differenzialdiagnose Narkolepsie) oder bei chronischer Insomnie ohne bisherigen Behandlungserfolg
  • Routine-EEG: Zusätzliche Routine-EEG-Ableitungen sollten bei V. a. epileptischer Krampfaktivität erfolgen. Auch bei Pavor nocturnus und Somnambulismus können, etwa bei Schwierigkeiten einer Abgrenzung gegenüber zerebraler Krampfaktivität Routine-EEG-Ableitungen am Tag (mit und ohne vorherigen Schlafentzug, Hyperventilation sowie Fotostimulation) erwogen werden.
  • Aktigrafie: Mittels Aktometer (i. d. R. Armbanduhr-ähnliche Beschleunigungsmesser) wird die Bewegung in festen Zeitintervallen (typisch 1 min) wiederkehrend über mehrere Wochen/Monate aufgezeichnet, jeweils über mehrere (z. B. 5) Tage/Nächte. Mithilfe von validierten Algorithmen ist es möglich, auf Schlaf-Wach-Muster zu schließen bzw. bestimmte Schlafparameter zu schätzen.

Indikationen zur Überweisung

Therapie

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Therapieziele

  • Aufklärung und Beruhigung der Eltern
  • Abklärung möglicher somatischer und psychischer Komorbiditäten

Allgemeines zur Therapie

  • Wichtigster Therapiebaustein ist die Aufklärung der Eltern über die Harmlosigkeit der Symptome und darüber, dass diese mit der Zeit von selbst verschwinden.
  • Wirksamkeitsnachweise existieren vor allem für verhaltenstherapeutische Interventionen bei Insomnien im Kindes- und Jugendalter9-11
  • Für eine pharmakologische Behandlung von Schlafstörungen im Kindesalter liegt mit der Ausnahme von Melatonin in der Behandlung vor allem von Autismus-Spektrum-Störungen sowie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nur eine gering fundierte Studienlage vor.9-11
  • Primär ambulante Behandlung
  • Stationäre Behandlung erwägen:
    • im Zusammenhang mit der Differenzialdiagnostik organischer Erkrankungen oder schwerer psychiatrischer Störungen
    • in einer schwierigen psychosozialen Situation (z. B. Überforderungssituation der Eltern, Misshandlungsgefahr)
    • bei erschwerter Durchführbarkeit von Interventionen im häuslichen Milieu (Compliance, psychosoziale Belastung)
    • bei schwerer Ausprägung der Insomnie/Hypersomnie.
  • Das Verriegeln von Fenstern/Türen zur Vermeidung evtl. Verletzungen kann erwogen werden.

Allgemeinmaßnahmen

  • Auf ausreichende Schlafmenge achten.
  • Auf regelmäßige Schlafenszeiten achten.
  • Auditive, taktile oder visuelle Reize in der frühen Schlafphase vermeiden.
  • Ergreifen von Vorsichtsmaßnahmen, um zu verhindern, dass sich Kinder beim Schlafwandeln selbst verletzen können.

Medikamentöse Therapie

  • In der Regel nicht erforderlich9-11
  • Für eine pharmakologische Behandlung von Schlafstörungen im Kindesalter liegt mit der Ausnahme von Melatonin in der Behandlung vor allem von Autismus-Spektrum-Störungen sowie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nur eine gering fundierte Studienlage vor.
  • Bei intensiven und häufigen Episoden kann die Überweisung an Schlafmediziner*innen erwogen werden.

Weitere Behandlungsmethoden

  • Je nach Situation kann es sinnvoll sein, Kinder zu trösten/beruhigen und sanft zur Rückkehr ins Bett zu bewegen.
  • Versuche, Kinder während der Episode aufzuwecken, führen häufig zu einer Verlängerung des Vorfalls und können Widerstand oder Gewalt seitens der Kinder hervorrufen.
  • Aufwecken der Kinder kurz vor Beginn der zu erwartenden Parasomnieaktivität, um sie dann für eine Weile wach zu halten.
    • Dieses Vorgehen hat jedoch keinen nachgewiesenen Nutzen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Verlauf

  • In der Regel selbstlimitierend

Komplikationen

  • Parasomnien stehen nicht regelhaft mit weiteren Erkrankungen in Verbindung.
  • Grundsätzlich sind während des Schlafwandelns Unfälle oder Verletzungen denkbar.

Prognose

  • Parasomnien während der Kindheit haben in der Regel keine Langzeitfolgen.
  • Rhythmische Bewegungsstörungen können nach einigen Jahren spontan abnehmen, jedoch auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen.

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. Nichtorganische Schlafstörungen (F51). AWMF-Leitlinie Nr. 028-012. S1, Stand 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. Nichtorganische Schlafstörungen (F51). AWMF-Leitlinie Nr. 028-012. S1, Stand 2018. www.awmf.org
  2. Ahmed SMS. Sleepwalking. Medscape, last updated Mar 11, 2019. emedicine.medscape.com
  3. Nguyen TT, Kaplan PW, Wilfong A. Nonepileptic paroxysmal disorders in children. UpToDate, last updated Sep 29, 2021. www.uptodate.com
  4. Sørensen E. Søvn og utvikling hos barn og unge. Tidsskr Nor Lægeforen 2003; 123: 26-9. Tidsskrift for Den norske legeforening
  5. Walters AS. Clinical identification of the simple sleep-related movement disorders. Chest 2007; 131: 1260. PubMed
  6. Manni R, Terzaghi M. Rhythmic movements during sleep: a physiological and pathological profile. Neurol Sci 2005; 26 Suppl 3: 181. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Derry CP, Duncan JS, Berkovic SF. Paroxysmal motor disorders of sleep: the clinical spectrum and differentiation from epilepsy. Epilepsia 2006; 47: 1775. PubMed
  8. Hamiwka LD, Singh N, Niosi J, Wirrell EC. Diagnostic inaccuracy in children referred with "first seizure": role for a first seizure clinic. Epilepsia 2007; 48: 1062. PubMed
  9. K Pavlova M, Latreille V. Sleep Disorders. Am J Med. 2019 Mar;132(3):292-299. doi: 10.1016/j.amjmed.2018.09.021. Epub 2018 Oct 4. PMID: 30292731. www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov. www.amjmed.com
  10. Proserpio P, Terzaghi M, Manni R, Nobili L. Drugs Used in Parasomnia. Sleep Med Clin. 2020 Jun;15(2):289-300. doi: 10.1016/j.jsmc.2020.02.014. PMID: 32386702. www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov. www.sleep.theclinics.com
  11. Adachi H. [Parasomnia]. Nihon Rinsho. 2015 Jun;73(6):949-53. Japanese. PMID: 26065125. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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