Neugeborenenikterus

Zusammenfassung

  • Definition:Die unkonjugierte Hyperbilirubinämie entsteht durch einen erhöhten Hämoglobinabbau nach der Geburt, die noch unreife Leber kann das Abbauprodukt Bilirubin noch nicht ausreichend bewältigen. Eine erhöhte Bilirubinkonzentration gilt dabei zunächst als physiologisch und harmlos. Bei sehr hohen Bilirubinkonzentrationen kann das Gehirn geschädigt werden (Kernikterus, Bilirubinenzephalopathie).
  • Häufigkeit:Bei etwa 60 % aller gesunden Neugeborenen tritt in der ersten Lebenswoche ein Ikterus auf, der jedoch nicht generell behandlungspflichtig ist.
  • Symptome:Evtl. herabgesetztes Trinkbedürfnis, erhöhtes Schlafbedürfnis.
  • Befunde:Die Gelbfärbung (Ikterus) ist in der Regel der einzige Befund. Die klinische Bewertung der Bilirubinwerte ist komplex.
  • Diagnostik:Der Bilirubinspiegel kann transkutan gemessen werden (TcB), bevor ein Gesamt-Bilirubin-Test im Serum (TsB) erwogen wird.
  • Therapie:Phototherapie und adaptierter Ernährung. Eine intravenöse Immunglobulintherapie und Blutaustauschtransfusionen sind in seltenen Fällen notwendig.

Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Definition

  • Neugeborenen-Gelbsucht (Ikterus) bezeichnet Gelbfärbung der Haut und der Skleren der Augen infolge einer Hyperbilirubinämie.2
  • Die Gelbfärbung tritt in der Regel 2–4 Tage nach der Geburt auf und klingt innerhalb der folgenden 1–2 Wochen ab, meist besteht kein Behandlungsbedarf.
  • Bei den meisten Kindern ist die unkonjugierte Hyperbilirubinämie vorübergehend.
    • In seltenen Fällen kann der Serumbilirubinspiegel sehr hohe Werte erreichen und neurotoxisch wirken (Bilirubinenzephalopathie, Kernikterus), weshalb eine Behandlung erfolgen sollte.
  • Bei Neugeborenen-Gelbsucht sind in der Regel eine Reihe von diagnostischen Beurteilungen angezeigt.3-4

Häufigkeit

  • Die Gelbsucht gehört zu den häufigsten Beschwerdebildern bei Neugeborenen, die eine ärztliche Behandlung erfordern.
  • Bei 60 % aller reifen Neugeborenen und rund 80 % aller Frühgeborenen kommt es in der ersten Lebenswoche zu einer Gelbsucht.3
  • Bei etwa 10 % aller gestillten Kinder ist die Gelbfärbung noch nach 4 Wochen sichtbar.3
  • Nach einer frühen Entlassung aus dem Krankenhaus ist der Ikterus eine häufige Ursache für eine erneute stationäre Aufnahme.

Ätiologie und Pathogenese

  • Der Ikterus entsteht durch Ablagerung des gelben Farbstoffes Bilirubin in der Haut und in den Schleimhäuten.
  • In den ersten 5–7 Tagen nach der Geburt ist ein stetiger Anstieg des unkonjugierten Bilirubins physiologisch und meist ohne klinische Relevanz.
  • In der Regel tritt die Gelbfärbung am 2. oder 3. Tag nach der Geburt auf.
    • Sie entsteht durch eine verstärkte Bildung von Bilirubin infolge eines erhöhten Abbaus überschüssiger roter Blutkörperchen.
    • Begünstigend für den Bilirubin-Anstieg sind eine niedrigere Konzentration von bilirubinbindendem Eiweiß (Ligandin), eine niedrigere Aktivität des Enzyms Glukuronyltransferase und eine erhöhte enterohepatische Durchblutung nach der Geburt.
      • Dadurch kommt es zu einer geringeren Bilirubinaufnahme in der Leber und zu einer verringerten Ausscheidung des Bilirubins.

Nicht physiologische Gelbsucht bei Neugeborenen

  • Unverträglichkeiten im Rhesus- und AB0-Blutgruppensystem
    • Rhesus- und AB0-Isoimmunisierung können zu Hämolyse und Gelbsucht führen.
  • Weitere mögliche Ursachen
    • erhöhter Abbau von Erythrozyten aufgrund von Hämatomen, Kephalhämatomen oder Polyzythämie
    • Erbliche Erythrozytendefekte, die zu einem erhöhten Abbau führen (z. B. Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G6PD-Mangel) und Mangel an Pyruvatkinase, hereditäre Sphärozytose).
    • Konjugationsstörungen (z. B. Morbus Meulengracht, Crigler-Najjar-Syndrom)
    • sonstige Stoffwechselstörungen (z. B. Hypothyreose, Galaktosämie)
  • Still-/Muttermilchikterus
    • Die unkonjugierte Hyperbilirubinämie kann mit dem Stillen zusammenhängen (Still-/Muttermilchikterus).
      • Hierbei tritt die Gelbsucht in der Regel nach dem 3. Tag auf und dauert über die erste Lebenswoche hinaus weiter an.
      • Es wird vermutet, dass ein unbekannter Faktor der Muttermilch die enterohepatische Durchblutung erhöht.5

Pathophysiologie

  • Bei Neugeborenen kann freies, fettlösliches Bilirubin, das neurotoxisch wirkt, die Blut-Hirn-Schranke passieren.
    • Eine unkonjugierte Hyperbilirubinämie kann dadurch zu Hirnschäden führen (Kernikterus).
    • Häufig wird Bilirubin dabei in die Basalganglien eingelagert.
  • Der genaue Wert, ab dem Bilirubin neurotoxisch wirkt, ist unklar.
  • Die Neurotoxizität hängt u. a. davon ab, ob eine andere Erkrankung vorliegt (Sepsis, Asphyxie usw.).

Risikofaktoren bei schwerer Gelbsucht

  • Späte Frühgeburt (Gestationsalter < 37. SSW) oder fast abgeschlossene Schwangerschaft (Gestationsalter 37.–38. SSW)
  • Kephalhämatom oder andere größere Einblutungen ins Gewebe nach der Geburt
  • Positive Familienanamnese für Kinder in der Familie, die Gelbsucht hatten.
  • Stillprobleme mit unzureichender Nahrungsversorgung
  • Unverträglichkeiten im Rhesus- oder Blutgruppensystem (Rhesus oder AB0)
  • Diabetes mellitus bei der Mutter
  • Polyzythämie beim Kind
  • Sichtbare Gelbsucht am 1. Lebenstag
  • Frühe Entlassung nach der Geburt (weniger als 72 Stunden nach der Geburt) und mangelhafte Nachsorge für Mutter und Kind
  • Nicht festgestellte Gelbsucht bei dunkelhäutigen Kindern aufgrund erschwerter klinischer Beurteilung
  • Bekannte familiäre Faktoren, die für eine Hämolyse prädisponieren.
  • Ethnische Herkunft aus Asien, Afrika, Südamerika, dem mittleren Osten oder den Mittelmeerländern (aufgrund eines erhöhten Vorkommens von G6PD-Mangel).

ICPC-2

  • D13 Gelbsucht

ICD-10

  • P57 Kernikterus
    • P57.0 Kernikterus durch Isoimmunisierung
    • P57.8 Sonstiger näher bezeichneter Kernikterus
    • P57.9 Kernikterus, nicht näher bezeichnet
  • P58 Neugeborenenikterus durch sonstige gesteigerte Hämolyse
    • P58.0 Neugeborenenikterus durch Quetschwunde
    • P58.1 Neugeborenenikterus durch Blutung
    • P58.2 Neugeborenenikterus durch Infektion
    • P58.3 Neugeborenenikterus durch Polyglobulie
    • P58.4 Neugeborenenikterus durch Arzneimittel oder Toxine, die von der Mutter übertragen oder dem Neugeborenen verabreicht wurden
    • P58.5 Neugeborenenikterus durch Verschlucken mütterlichen Blutes
    • P58.8 Neugeborenenikterus durch sonstige näher bezeichnete gesteigerte Hämolyse
    • P58.9 Neugeborenenikterus durch gesteigerte Hämolyse, nicht näher bezeichnet
  • P59 Neugeborenenikterus durch sonstige und nicht näher bezeichnete Ursachen
    • P59.0 Neugeborenenikterus in Verbindung mit vorzeitiger Geburt
    • P59.1 Gallepfropf-Syndrom
    • P59.2 Neugeborenenikterus durch sonstige und nicht näher bezeichnete Leberzellschädigung
    • P59.3 Neugeborenenikterus durch Muttermilch-Inhibitor
    • P59.8 Neugeborenenikterus durch sonstige näher bezeichnete Ursachen
    • P59.9 Neugeborenenikterus, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Diagnostische Kriterien

  • Der Kernikterus (Bilirubin-Enzephalopathie) beruht auf dem Absterben von Zellen in den Basalganglien durch die Wirkung des Bilirubins.
    • Die Diagnosekriterien umfassen:
      • Exposition gegenüber potenziell toxischen Bilirubinwerten in den ersten Lebenstagen/-wochen (> 30 mg/dl (450 µmol/l) bei reifen Neugeborenen)
      • Anzeichen von Bilirubin-Enzephalopathie im Zeitraum kurz nach der Geburt mit Todesfolge oder späteren Fehlbildungen (die aller Wahrscheinlichkeit nach durch Hyperbilirubinämie verursacht wurden).
  • Die Diagnose Ikterus wird ausgehend von der Serum-Bilirubin-Messung ggf. in Verbindung mit den klinischen Befunden gestellt.

Differenzialdiagnosen

  • Unverträglichkeiten im Rhesus- oder Blutgruppensystem (Rhesus oder AB0)
  • Sonstige hämolytische Erkrankungen
  • Konjugationsstörungen
  • Sonstige Stoffwechselstörungen (Hypothyreose, Galaktosämie)
  • Still-/Muttermilchikterus
  • Konjugierte Hyperbilirubinämie

Anamnese

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, beruht der Abschnitt auf dieser Referenz.1
  • Ausprägung und Dauer6
    • In der Regel tritt die sichtbare Gelbsucht am 2. oder 3. Tag nach der Geburt auf.
    • Eine Gelbsucht, die innerhalb der ersten 24 Stunden auftritt, ist grundsätzlich nicht physiologisch und sollte abgeklärt werden.
    • Auch Kinder, bei denen eine Gelbsucht nach 3 Tagen auftritt, sollten weitergehend untersucht werden.
    • Kinder mit schwerwiegender Gelbsucht oder Gelbsucht, die länger als die erste Lebenswoche anhält, sollten weiterer Diagnostik zugeführt und eine Familienanamnese erhoben werden.
  • Familienanamnese
    • Ältere Geschwister mit Neugeborenen-Gelbsucht?
    • Weitere Angehörige mit Gelbsucht?
    • Anämie, Splenektomie oder Gallensteine bei Angehörigen?
    • Lebererkrankungen?
  • Schwangerschaft und Geburt
    • Erkrankung der Mutter, die auf eine Virusinfektion oder eine andere Infektion schließen lässt?
    • Von der Mutter eingenommene Medikamente?
    • Ist die Nabelschnur mit Verzögerung abgeklemmt worden?
    • Trauma bei der Geburt mit Einblutungen in die Haut?
  • Postnatale Anamnese
    • Hat sich der Stuhl heller gefärbt?
    • Um eine Still-/Muttermilchgelbsucht von anderen Gelbsuchttypen zu unterscheiden, sollte beurteilt werden, ob die Gewichtszunahme des Kindes angemessen ist.
    • Symptome von Hypothyreose?

Klinische Untersuchung

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, beruht der Abschnitt auf dieser Referenz.1
  • Verlauf der Gelbsucht6
    • Eine Neugeborenen-Gelbsucht wird fast immer zuerst im Gesicht und auf der Stirn sichtbar.
    • Der Nachweis wird durch sanften Druck auf die Haut erleichtert, da eine kurze druckbedingte Minderdurchblutung die darunter liegende Farbe demaskiert.
    • Eine Gelbsucht wird im Verlauf allmählich am Körperstamm und den Extremitäten sichtbar.
    • In umgekehrter Reihenfolge bildet sich die Gelbfärbung regelhaft wieder zurück.
    • Bei allen Neugeborenen mit sichtbarer Gelbsucht sollte der Bilirubinwert mindestens einmal gemessen werden.
  • Ikterusbefund
    • Bei den meisten Kindern ist die Gelbfärbung der einzige Befund bei der körperlichen Untersuchung.
    • visuelle Beurteilung der Gelbsucht, sofern aufgrund des Hautkolorits möglich
  • Sonstige Befunde
    • Mit zunehmender Gelbsucht können sich die Kinder träge präsentieren.
    • Neurologische Befunde wie veränderter Muskeltonus, Krämpfe oder verändertes Schreiverhalten bei einem Kind mit schwerer Gelbsucht sind Warnsignale, die unverzügliche Maßnahmen erfordern, um einen Kernikterus zu verhindern.
    • Krankheitsbild der akuten Bilirubin-Enzephalopathie
      • Phase 1: Lethargie, Hypotonie und Trinkschwäche
      • Phase 2: schrilles Schreien, Retrocollis und Fieber
      • Phase 3: Stupor, Apnoen und Krampfanfälle.
  • Hepatosplenomegalie, Petechien und Mikrozephalie werden mit hämolytischer Anämie, Sepsis und angeborenen Infektionen in Verbindung gebracht und erfordern eine dementsprechende Diagnostik.
    • Neugeborenen-Gelbsucht kann durch diese Erkrankungen verschlimmert werden, sie sind jedoch nicht die Ursache für den Befund.

Bilirubin-Messung

  • Ergebnisgesteuertes Stufenscreening
  • Der Gesamt-Serum-Bilirubinspiegel sollte bei allen Kindern mit sichtbarer Gelbsucht am ersten Lebenstag gemessen werden.
  • Eine sichtbare Gelbsucht am ersten Lebenstag (d. h. Gesamt-Serumbilirubin > 4–5 mg/dl (80–90 µmol/l)) ist aller Wahrscheinlichkeit nach Ausdruck einer nicht physiologischen Gelbsucht und erfordert eine weitere Abklärung im Hinblick auf eine Hämolyse.
  • Leichte Gelbsucht
    • Bei leichter Gelbsucht ist eine transkutane Bilirubinmessung mit einem tragbaren Bilirubin-Messgerät ausreichend. Hierdurch kann festgestellt werden, dass der Bilirubinwert sicher unter den Konzentrationen liegt, die weitere Maßnahmen erfordern.
    • Transkutane Messungen sind bei Frühgeborenen mit ähnlicher Verlässlichkeit durchführbar wie bei reifen Neugeborenen.
    • Die transkutane Bilirubinmessung ist bei dunkelhäutigen Kindern und Frühgeborenen je nach verwendetem Gerätetyp unterschiedlich zuverlässig.
      • Grenzwerte sollten gemäß Zulassung der Geräte für jede Klinik intern festgelegt werden, im Zweifel der blutigen Messung Vorzug geben.
  • Mittelgradige Gelbsucht
    • Mithilfe der transkutanen Bilirubinmessung können die Kinder ermittelt werden, bei denen eine Serumbilirubin-Messung erforderlich ist.
    • Die Serumbilirubin-Messung ist in der Regel ausreichend, wenn sich am an 2. oder 3. Tag keine Anhaltspunkte für eine zugrunde liegende Pathologie ergeben.
    • Auch blutige Messmethoden im Labor oder vor Ort („Point-of-
      Care“) weisen untereinander erhebliche Diskrepanzen auf.

Erweitertes Screening6

  • Bei Kindern, bei denen im Laufe des ersten Lebenstags eine Gelbsucht auftritt.
  • Wenn der Grenzwert überschritten wird, ab dem eine Behandlung erforderlich ist.
  • Wenn bei der Geburt eine Anämie besteht.
  • Bei reduziertem Allgemeinzustand
  • Bei extrem hohen Bilirubinwerten
  • Wenn nach den ersten beiden Lebenswochen weiterhin hohe Bilirubinwerte vorliegen.
  • Wenn in der Familie oder bei der Mutter Voraussetzungen vorliegen oder in der Schwangerschaft Umstände vorlagen, die auf zugrunde liegende pathologische Prozesse hinweisen.
  • Kinder mit Befunden, die sich nicht durch eine physiologische Hyperbilirubinämie erklären lassen.

Weitere mögliche Diagnostik

  • Blutgruppen- und Rh-Bestimmung bei Mutter (regelhaft bereits in der Schwangerschaft) und Kind
    • Ist die Mutter Rhesus-negativ oder ist die mütterliche Blutgruppe unbekannt, wird unmittelbar nach der Geburt aus dem Nabelschnurblut der Rhesus-Faktor des Kindes bestimmt.
    • Ist das Kind D+ oder Dweak oder wurden bei der Mutter irreguläre Antikörper beobachtet, wird aus derselben Blutprobe auch die Blutgruppe des Kindes bestimmt.
    • Mutterschaftsrichtlinien sehen primär keinen kindlichen Coombs-Test vor.
  • Hb und Hkt, Serumalbumin
  • Untersuchung auf Infektionen anhand von CRP, Leukozyten und Thrombozyten
  • Blutausstrich zur Beurteilung der Erythrozytenmorphologie
  • Zahl der Retikulozyten
  • Konjugiertes Bilirubin
  • Leberwerte: GPT (ALAT), AP, Gamma-GT
  • Sehr selten: G6PD-Mangel 
    • Davon ist bei Enzymaktivitäten von unter 7 U/g Hb auszugehen.
  • Schilddrüsenwerte: TSH und freies T4

Besondere Patientengruppen

  • Erhöhte Werte von konjugiertem Bilirubin
    • Neugeborene mit erhöhten Werten von konjugiertem Bilirubin (> 15 % des Gesamtbilirubinspiegels) sollten im Hinblick auf Gallengangatresie untersucht werden.
  • Lang anhaltende Gelbsucht
    • Kinder, bei denen die Gelbsucht nach der 2. oder 3. Lebenswoche nicht abgeklungen ist, sollten auf konjugierte Bilirubinämie, Hypothyreose und Hämolyse untersucht werden.
    • Kinder, bei denen eine lang anhaltende Gelbsucht besteht und die nicht gesund wirken, sollten im Hinblick auf seltene Enzymdefekte und Stoffwechselerkrankungen weiter untersucht werden.
  • Schlechtes Ansprechen auf die Phototherapie
    • Bei Kindern, die unzureichend auf die Phototherapie ansprechen und deren ethnische/geografische Herkunft auf die Gefahr eines Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangels (G6PD-Mangel) hindeutet, sollte die Erkrankung durch eine Blutuntersuchung ausgeschlossen werden.
  • Dunkelhäutige Kinder
    • Der Schweregrad von Neugeborenen-Gelbsucht ist im Allgemeinen niedriger.
    • Tritt bei Kindern mit Abstammung aus Asien, Afrika, Südamerika, dem mittleren Osten oder den Mittelmeerländern) eine schwere Gelbsucht auf, sollte bis zum negativen Befund davon ausgegangen werden, dass sie an G6PD-Mangel leiden.

Sonstige Untersuchungen

Bilddiagnostik6

  • Ultraschall
    • Ultraschall von Leber und Gallenwege im Hinblick auf eine cholestatische Erkrankung
  • Szintigrafie
    • bei Verdacht auf extrahepatische Gallengangsatresie

Therapie

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Therapieziel

  • Hirnschäden verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Phototherapie und ggf. Austauschtransfusionen sind die therapeutischen Alternativen, die bei Neugeborenen am häufigsten eingesetzt werden.
  • Eine intravenöse Behandlung mit Immunglobulinen findet statt, um bei Unverträglichkeiten im Blutgruppensystem der Notwendigkeit von Austauschtransfusionen vorzubeugen.

Stillen

  • Eine unzureichende Nahrungsversorgung kann die enterohepatische Durchblutung und damit den Bilirubinspiegel im Blut erhöhen.
  • Eine gute Stillbetreuung und eine Überwachung der Gewichtszunahme sind wichtig, um eine Verstärkung der physiologischen Gelbsucht zu verhindern.
  • Bei Kindern mit Gelbsucht ist ein Zufüttern von Formula sinnvoll, während Tee, Glukose oder Wasser oder parenterale Flüssigkeit in Bezug auf eine Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs nicht wirksam sind.
  • Bei einem Still-/Muttermilchikterus ist es nicht empfehlenswert, dass die Mutter abstillt.

Phototherapie

  • Durch das Licht wird wasserunlösliches Bilirubin in wasserlösliches Photobilirubin umgewandelt, das somit über die Galle und die Nieren ausgeschieden werden kann.
  • Die abnehmende Neurotoxizität nach dem Beginn der Phototherapie beruht darauf, dass das wasserlösliche Photoisomer die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann.
  • Bei der Phototherapie wird eine möglichst große Hautfläche mit einem Leuchtmittel bestrahlt.7
  • Die Behandlung hat keine erheblichen Nebenwirkungen.
  • Eine schwere Gelbsucht (> 25 mg/dl [425 µmol/l]) bei Kindern ist akut und bedarf einer unverzüglichen, intensiven Behandlung.8
  • Kinder, die nach der klinischen Beurteilung mit einer ausgeprägten Gelbsucht stationär aufgenommen werden, sollten unverzüglich, ohne die Ergebnisse der Bilirubinanalyse abzuwarten, eine Phototherapie erhalten.
  • Bei allen Neugeborenen, bei denen eine Phototherapie durchgeführt wird, ist neben dem Gesamtbilirubin auch das konjugierte Bilirubin zu bestimmen.

Praktischer Algorithmus gemäß Leitlinie

  • Bei unkomplizierten Fällen (Reifgeborene ohne Hämolysehinweis) beträgt ab einem Lebensalter von 72 h die Phototherapiegrenze 20 mg/dl (340 μmol/l).
  • Bei einem Gestationsalter von weniger als 38 Wochen gilt: Phototherapiegrenze (mg/dl) = aktuelles Gestationsalter (in Wochen) – 20.
  • Um der Dynamik des Anstiegs Rechnung zu tragen, wird vor Erreichen eines Alters von 72 h eine weitere Absenkung der Phototherapiegrenze um 2 mg/dl (35 μmol/l) pro 24 h empfohlen.
  • Für den Beginn einer Phototherapie mit geringer Effektivität (z. B. mit fiberoptischen Geräten auf Wochenbettstationen oder im ambulanten Bereich) sowie bei schwer kranken Neugeborenen mit Kapillarleck und Hypalbuminämie werden Grenzwerte empfohlen, die 2 mg/dl unter denen einer regulären Ganzkörperphototherapie liegen.
  • Die untere Therapiegrenze beträgt 5 mg/dl (85 μmol/l).
  • Ablauf
    • Die Kinder werden, lediglich mit Windel bekleidet, unter einer Lampe positioniert.
    • Die Augen werden abgedeckt, um Netzhautschäden zu vermeiden.
    • Der Abstand zwischen Lampe und Kind sollte 50 cm nicht überschreiten.
    • Der Einsatz reflektierender Filter (ein weißes Laken, das die Innenseite des Bettchens bedeckt und weiße Vorhänge um die Lampe) verstärken die Wirkung der Behandlung.
    • Die Dauer der Behandlung muss individuell beurteilt werden.
  • Die Wirkung der Behandlung ist bei Kindern mit hohen Bilirubinwerten am größten.
  • Während einer laufenden Phototherapie können die Bilirubinwerte nicht transkutan gemessen werden.

Austauschtransfusionen

  • Austauschtransfusionen sind eine wirksame Methode zur Senkung des Bilirubinwertes und zur Vermeidung neurologischer Folgeschäden.
  • Austauschtransfusionen können zudem die Antikörperkonzentration im Blut und damit den Grad der Hämolyse bei Unverträglichkeiten im Rhesus- und Blutgruppensystem reduzieren.
  • Empfohlener Grenzwert für Austauschtransfusionen: 25 mg/dl (430 µmol/l) bei gesunden, reifen Neugeborenen ohne Risikofaktoren und 20 mg/dl (350 µmol/l) bei Kindern mit Hämolyse.
  • Bei einer weiteren schweren Erkrankung (Sepsis, Asphyxie, schwere Azidose) wird der Grenzwert um ca. 3 mg/dl (50 µmol/l) gesenkt.
  • Bei Kindern mit Hämolyse, die ansonsten gesund sind und eine intensive Phototherapie erhalten, kann der Grenzwert um 3 mg/dl (50 µmol/l) erhöht werden, da 15–20 % des Bilirubins aus ungiftigem Photobilirubin besteht.
  • Schwere Anämie, die von einem schnell steigenden Bilirubinwert (>0,5 mg/dl (10 µmol/l) pro Stunde) begleitet ist, ist ggf. eine Indikation für Austauschtransfusionen.
  • Es kann ggf. eine Weile dauern, bis die Blutkonserven eingetroffen und für die Austauschtransfusion vorbereitet sind.
    • In der Zwischenzeit sollte die intensive Phototherapie kontinuierlich fortgesetzt werde, bis der Austausch stattfindet.

Medikamentöse Therapie

  • Intravenöse Immunglobuline werden in den ersten vier Lebenstagen eingesetzt, um der Notwendigkeit einer Austauschtransfusion bei Rh- und AB0-Isoimmunisierung vorzubeugen.
  • Die Behandlung wird mit einer intensiven Lichttherapie kombiniert.
  • Die Effektivität dieser Maßnahme ist jedoch gering.
  • Als gravierende Nebenwirkung einer Immunglobulingabe zur Behandlung einer antikörpervermittelten Hämolyse beim Neugeborenen sind mehrere Fälle von nekrotisierender Enterokolitis bei reifen oder fast reifen Neugeborenen beschrieben worden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1

Verlauf

  • Die Neugeborenen-Gelbsucht zeigt sich am 2. und 3. Lebenstag zunächst im Gesicht und auf der Stirn.
  • Von hier aus breitet sich die Gelbfärbung allmählich über den gesamten Körper und die Extremitäten aus.
  • In umgekehrter Reihenfolge bildet sich die Gelbfärbung meist wieder zurück.
  • Bei Persistenz eines sichtbaren Ikterus über mehr als 4 Wochen mit einem transkutanen Bilirubinwert über 12 mg/dl (200 µmol/l) sollte anlässlich der U3 eine Bestimmung von FT4 (eine zentrale Hypothyreose wird durch das U2-Stoffwechselscreening nicht ausgeschlossen) und, falls nicht bereits vorher
    geschehen, des direkten Bilirubins (zum Ausschluss einer Cholestase, z. B. infolge Gallengangsatresie oder anderer Ursachen) erfolgen.

Komplikationen

  • Bleibende neurologische Folgeschäden bei Kernikterus
    • choreoathetoide Zerebralparese, vertikale Blickparese, sensorineurale Hörstörung, evtl. Intelligenzminderung und Zahnschmelzdefekte
    • Die Hör- und Artikulationsstörungen können zu einer globalen Sprachentwicklungsstörung mit autistischen Zügen führen.
  • In Ländern mit unzureichender medizinischer Versorgung kann es zu Todesfällen kommen.

Prognose

  • Bei entsprechender Behandlung ist die Prognose gut.6
  • Reife Neugeborene mit Bilirubin-Serumspitzenwerten zwischen 25 und 30 mg/dl (430–510 µmol/l), die prompt mit Phototherapie oder in Einzelfällen (< 5 %) mit Austauschtransfusion behandelt wurden, wiesen auch langfristig keine neurologischen Auffälligkeiten auf.
  • Findet keine adäquate Behandlung statt, besteht bei sehr hohen Bilirubinwerten die Gefahr bleibender Hirnschädigungen.

Verlaufskontrolle

  • Bei allen Neugeboren sollte vor der Entlassung aus dem Krankenhaus das Risiko einer schweren Hyperbilirubinämie abgeschätzt werden.
  • Diese Bewertung ist besonders wichtig bei Kindern, die entlassen werden, bevor sie 72 Stunden alt sind.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Eltern informieren?

  • Eltern sollten vor der Entlassung aus dem Krankenhaus über Zeichen des Ikterus und mögliche Handlungsempfehlungen aufgeklärt werden.
  • Eine Hebamme zur Nachbeobachtung des neugeborenen Kindes innerhalb der ersten Lebenstage nach der Entlassung ist empfehlenswert.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Hyperbilirubinämie des Neugeborenen – Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 024-007. S2k, Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Hyperbilirubinämie des Neugeborenen - Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 024-007, Stand 2015. www.awmf.org
  2. Muchowski KE. Evaluation and treatment of neonatal hyperbilirubinemia. Am Fam Physician. 2014 Jun 1;89(11):873-878. PubMed
  3. Rennie J, Burman-Roy S, Murphy MS. Neonatal jaundice: summary of NICE guidance. BMJ 2010; 340: c2409. BMJ (DOI)
  4. Rennie J, Burman-Roy S, Murphy MS. Neonatal jaundice: summary of NICE guidance. BMJ 2010; 340: c2409. BMJ (DOI)
  5. Preer GL, Philipp BL. Understanding and managing breast milk jaundice. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2010; : PMID: 20688866 . PubMed
  6. Hansen TWR. Neonatal jaundice. Medscape, last updated Dec 27, 2017. emedicine.medscape.com
  7. Kumar P, Chawla D, Deorari A. Light-emitting diode phototherapy for unconjugated hyperbilirubinaemia in neonates. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 12. Art. No.: CD007969. DOI: 10.1002/14651858.CD007969.pub2. DOI
  8. Rennie J, Burman-Roy S, Murphy MS. Neonatal jaundice: summary of NICE guidance. BMJ 2010; 340: c2409. BMJ (DOI)

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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