Zusammenfassung
- Definition: Durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektion mit konsekutiver Entzündung im Bereich der Alveolen.
- Häufigkeit:Bei Säuglingen und Kleinkindern häufig. Jeweilige 1-Jahres-Prävalenz in Deutschland: 0–2 Lebensjahre 2,7 %; 3–6 Lebensjahre 3 %.
- Symptome:Typisch sind ein reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber, Nahrungsverweigerung, Inaktivität, Dyspnoe und Husten.
- Befunde:Fieber, Tachypnoe, Hypoxämie (sO2 ≤ 96 %) und Zeichen erhöhter Atemarbeit (Nasenflügeln, thorakale Einziehungen). Auskultationsbefund sehr variabel.
- Diagnostik:Primär klinische Diagnose, unterstützt durch Pulsoxymetrie. Labordiagnostik, Mikrobiologie und Röntgen Thorax nur bei schwerer Pneumonie empfohlen.
- Therapie:Nicht alle Kinder müssen antibiotisch behandelt werden. Entscheidung abhängig von Alter, klinischem Bild, erwarteten Erregern (viral?) und ggf. Risikofaktoren. Bei nicht-schwerer Pneumonie Amoxicillin Antibiotikum der Wahl, bei schwerer Pneumonie stationäre Einweisung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Eine durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektion mit konsekutiver Entzündung im Bereich der Alveolen mit oder ohne Beteiligung der Bronchien und/oder der Bronchiolen.1
- Ambulant erworbene Pneumonie1
- Symptombeginn außerhalb eines Krankenhauses bzw. (wegen der Inkubationszeit) innerhalb von 48 Stunden nach stationärer Aufnahme
- Nosokomiale Pneumonie1
- Symptombeginn ab dem 3. Behandlungstag bis zu 1 Woche nach
Entlassung aus stationärer Behandlung
- Symptombeginn ab dem 3. Behandlungstag bis zu 1 Woche nach
Häufigkeit
- Infektionen der unteren Atemwege sind bei Säuglingen und Kindern häufig.
- 1-Jahres-Prävalenz in Deutschland2
- Lebensalter 0–2 Jahre: 2,7 %
- Lebensalter 3–6 Jahre: 3 %
- Bei älteren Kindern < 1 %
- keine Unterschiede in der Häufigkeit zwischen Jungen und Mädchen
Ätiologie und Pathogenese
- Entsteht meist deszendierend aus einer aerogenen Infektion der oberen Atemwege, seltener als hämatogene Absiedelung einer disseminierten Infektion.1
- Die Entzündungskaskade führt zu intraalveolärer Akkumulation von Zellen, Zelldetritus und eiweißreicher Flüssigkeit, der Gasaustausch ist gestört.1
- Abhängig von Alter treten verschiedene Erreger gehäuft auf:3
- Neugeborene (0–30 Tage)
- v. a. Erreger, die Neugeborenen-Sepsis verursachen, z. B. E. coli
- junge Säuglinge (1–3 Monate)
- S. pneumoniae häufigster Erreger
- Kleinkinder im Kindergartenalter
- 90 % der Fälle viral bedingt, insbesondere RSV
- Schulkinder, Jugendliche
- Mykoplasma pneumoniae häufigster Erreger
- immunkompromittierte Kinder
- opportunistische Erreger wie P. jirovecii oder Pilze
- S. aureus und P. aeruginosa bei Kindern mit zystischer Fibrose
- Neugeborene (0–30 Tage)
- In bis zu 30 % der Fälle Mischinfektionen1
- Folgende Erreger sollten mit bedacht werden:
- Bordetella pertussis, vor allem bei nicht vollständigem Impfschutz
- Mycobacterium tuberculosis bei Herkunft aus Ländern mit hoher Prävalenz an Tuberkulose oder positiver Familienanamnese
Disponierende Faktoren
- Frühgeburtlichkeit mit aktueller oder chronischer Lungenvorerkrankung (bronchopulmonale Dysplasie)
- Grunderkrankung der Atemwege wie zystische Fibrose, Bronchiektasen
- Immuninsuffizienz
- Tabakrauchexposition1
- Malnutrition1
- Sichelzellanämie, Asplenie3
- erhöhtes Risiko für bekapselte Erreger wie H. influenzae und Pneumokokken
ICPC-2
- R81 Lungenentzündung
ICD-10
- J12 Viruspneumonie, andernorts nicht klassifiziert
- J12.0 Pneumonie durch Adenoviren
- J12.1 Pneumonie durch respiratorisches Synzytialvirus (RS-Viren)
- J12.2 Pneumonie durch Parainfluenzaviren
- J12.8 Pneumonie durch sonstige Viren
- J12.9 Viruspneumonie, nicht näher bezeichnet
- J13 Pneumonie durch Streptococcus pneumoniae
- J14 Pneumonie durch Haemophilus influenzae
- J15 Pneumonie durch Bakterien, andernorts nicht klassifiziert
- J15.0 Pneumonie durch Klebsiella pneumoniae
- J15.1 Pneumonie durch Pseudomonas
- J15.2 Pneumonie durch Staphylokokken
- J15.3 Pneumonie durch Streptokokken der Gruppe B
- J15.4 Pneumonie durch andere Streptokokken
- J15.5 Pneumonie durch Escherichia coli
- J15.6 Pneumonie durch andere aerobe gramnegative Bakterien
- J15.7 Pneumonie durch Mycoplasma pneumoniae
- J15.8 Sonstige bakterielle Pneumonie
- J15.9 Bakterielle Pneumonie, nicht näher bezeichnet
- J16 Pneumonie durch sonstige Mikroorganismen, andernorts nicht klassifiziert
- J16.0 Pneumonie durch Chlamydien
- J16.8 Pneumonie durch sonstige näher bezeichnete Mikroorganismen
- J18 Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet
- J18.0 Bronchopneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet
- J18.1 Lobärpneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet
- J18.2 Hypostatische Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet
- J18.8 Sonstige Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet
- J18.9 Pneumonie, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose sollte primär klinisch gestellt werden, weitere Untersuchungen können je nach Risiko-Abschätzung und individuellem Befund durchgeführt werden.1
- Es existiert kein einzelnes Symptom, das maßgeblich für die Diagnosestellung ist.
- Symptome, die stark mit Pneumonie korrelieren:
- Der Auskultationsbefund variiert erheblich und ist zur Abgrenzung von anderen Erkrankungen (Bronchiolitis, Bronchitis etc.) oftmals nicht hilfreich.1
Differenzialdiagnosen
- Erkältung
- COVID-19-Infektion
- Akute Bronchitis
- Mykoplasmen-Pneumonie
- Chlamydien-Pneumonie (TWAR)
- Legionellen-Pneumonie
- Asthma – Achtung: häufige Lungenentzündungen!
- Akute Bronchiolitis
- Pertussis
- Tuberkulose
- Fremdkörperaspiration
Anamnese
- Typischerweise präsentieren sich betroffene Kinder in einem reduzierten Allgemeinzustand mit Fieber, Tachypnoe, Dyspnoe und Husten.
- Häufige Begleitsymptome sind Thorax- und Bauchschmerzen, Erbrechen, Nahrungsverweigerung, Inaktivität und Vigilanzveränderung (Apathie, Agitiertheit).1
- Die PCAP (pädiatrisch ambulant erworbene Pneumonie) kann in der Regel klinisch eingeteilt werden in:1
- nicht-schwere PCAP (WHO-Klassifikation: „Pneumonie mit beschleunigter Atmung und/oder Einziehungen“)
- Atemfrequenz > 50/min bei 2–11 Monate alten Kindern
- AF > 40/min bei 12–59 Monate alten Kindern
- AF > 20/min bei Kindern ab 5 Jahren
- jeweils mit oder ohne Einziehungen
- schwere PCAP (WHO-Klassifikation: „Schwere Pneumonie mit zusätzlichen Gefahrensignalen“)
- stark reduzierter Allgemeinzustand
- Nahrungsverweigerung
- Dehydratation
- Somnolenz oder Bewusstlosigkeit
- zerebrale Krampfanfälle
- nicht-schwere PCAP (WHO-Klassifikation: „Pneumonie mit beschleunigter Atmung und/oder Einziehungen“)
- Weitere wichtige anamnestische Informationen
- Impfstatus (Pneumokokken? Pertussis? Influenza? Hämophilus?)
- Exposition gegenüber Personen mit Atemwegserkrankungen
- Reisen
- stationäre Krankenhausaufenthalte
- Antibiotikagebrauch
- bekannte Herz- oder Lungenvorerkrankungen
- Immuninsuffizienz
- neuromuskuläre Erkrankungen
- möglicher Fremdkörper in der Luftröhre
- Kontakt zu einer toxischen Substanz
Erregerspezifische Präsentation1
- Gemischte (virale und bakterielle) Infektionen sind häufig.
- Einige Merkmale lassen an bestimmte Erreger denken.
- virale Genese oder atypische Bakterien
- schleichender Beginn
- geringes Fieber
- begleitende Rhinitis und/oder Pharyngitis
- „grippale“ Symptome wie Glieder- und Kopfschmerzen
- bakterielle Genese
- Fieber > 39 °C
- stark reduzierter Allgemeinzustand
- Hypoxämie
- Einziehungen und initial fehlender Husten (aufgrund der geringeren Hustenrezeptordichte in den Alveolen)
- Mykoplasmen-Infektion
- ausgeprägte Dyspnoe bei unauffälligem Auskultationsbefund
- trockener Husten
- thorakale Schmerzen
- extrapulmonale Beschwerden wie Arthralgien, Leberbeteiligung und Haut- bzw. Schleimhautaffektionen
- Chlamydien- oder RSV-Infektion
- Säuglinge in den ersten 4 Lebensmonaten mit Tachypnoe und pertussiformem Husten
- Chlamydien-Infektion insbesondere bei Begleitkonjunktivitis
- virale Genese oder atypische Bakterien
- Ein zweiphasiger Fieberverlauf kann ein Hinweis auf eine bakterielle Sekundärinfektion sein.
Klinische Untersuchung
- Bei Verdacht auf PCAP immer eine Ganzkörperuntersuchung durchführen.1
Beobachtung
- Temperatur: Fieber?
- Reduzierter Allgemeinzustand?
- Dehydrierung?
- Husten?
- Erhöhte Atemfrequenz?
- Siehe hier pathologische Werte.
- Anzeichen für Respirationsinsuffizienz?
- inspiratorische Einziehungen
- Stöhnen
- Nasenflügeln
- Zyanose
Perkussion und Auskultation
- Der Auskultationsbefund variiert erheblich, er ist zur Abgrenzung von z. B. Bronchiolitis oder Bronchitis oftmals nicht hilfreich.1
- Fein-, mittel- und grobblasige Rasselgeräusche sowie ein bronchiales Atemgeräusch sind möglich.
- Ein einseitig gedämpfter Klopfschall und/oder ein abgeschwächtes Atemgeräusch können auf eine pleurale Komplikation hinweisen und Anlass zu weiterer Diagnostik geben.1
Ergänzende Untersuchungen
- Pulsoxymetrie
- Als pathologisch wird üblicherweise eine SO2 < 95 % unter Raumluft angesehen, als behandlungspflichtig eine SO2 < 92 %.1
- Laborwerte
- Bei Patient*innen mit nicht-schwerer PCAP sollte keine routinemäßige Blutentnahme erfolgen.1
- Anhand von CRP oder Leukozytenzahl kann nicht zuverlässig zwischen viraler und bakterieller Pneumonie unterschieden werden.
- Bei Patient*innen mit schwerer PCAP ist eine Blutuntersuchung hilfreich (Einschätzen des Therapieerfolgs, Erkennen von Komplikationen).1
- Bei Patient*innen mit nicht-schwerer PCAP sollte keine routinemäßige Blutentnahme erfolgen.1
- Antigen-Schnelltest auf Coronavirus
- zur Differenzialdiagnostik
- Mikrobiologische Diagnostik1
- Sollte bei nicht-schwerer PCAP nicht routinemäßig erfolgen.
- Sollte bei Patient*innen mit schwerer oder therapieresistenter PCAP erfolgen, obwohl die Detektionsquote gering ist.
- Rachenabstriche eignen sich nicht zur Erkennung der häufigsten bakteriellen Erreger (Pneumokokken, Staphylokokken und Haemophilus influenzae), eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Infektion und Kolonisation ist nicht möglich.
- Nasopharyngeale Abstriche/Sekrete sind geeignet zur PCR-Testung auf Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia pneumoniae oder Bordetella pertussis bei Bestehen eines klinischen Verdachts sowie zum Nachweis von respiratorischen Viren.
- Es stehen Schnelltests zur Verfügung, die Sensitivität für RSV ist hoch, für Influenza mäßig bis gut.
- Serologie
- Eine PCR- oder serologische Diagnostik auf bakterielle Infektionserreger, wie z. B. Mykoplasmen oder Bordetellen, sollte vor allem bei Patient*innen mit schwerer bzw. therapieresistenter PCAP oder kompliziertem Verlauf erfolgen.
- Pertussis-IgG-Antikörper können sinnvoll sein, wenn der Hustenbeginn 2–4 Wochen und die letzte Impfung mindestens 12 Monate zurückliegen.
- Eine PCR- oder serologische Diagnostik auf bakterielle Infektionserreger, wie z. B. Mykoplasmen oder Bordetellen, sollte vor allem bei Patient*innen mit schwerer bzw. therapieresistenter PCAP oder kompliziertem Verlauf erfolgen.
- Tuberkulose-Verdacht
- Tuberkulin-Hauttest (bevorzugt bei Kindern unter 5 Jahren) und/oder ein Interferongamma-Test bei Hinweisen (Anamnese, klinisches Bild, Röntgen-Befund oder Verlauf)
- Legionellen-Verdacht
- bei Reise-assoziierter PCAP ggf. Bestimmung von Legionella-pneumophila-Antigen im Urin
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Blutkultur
- Eine aerobe Blutkultur sollte bei stationärer Aufnahme von Patient*innen mit schwerer PCAP angelegt werden, die diagnostische Ausbeute ist jedoch gering (ca. 5–10 % der Patient*innen mit bakterieller Pneumonie).
- Röntgen Thorax
- Einsatz zurückhaltend aufgrund der Strahlenbelastung
- Bei nicht-schwerer PCAP sollte auf Röntgen verzichtet werden.
- Zur radiologischen Befunderhebung reicht bei schwerer PCAP in der Regel eine Aufnahme in sagittalem p. a. Strahlengang aus.
- Eine seitliche Aufnahme sollte nicht durchgeführt werden.
- zum Erkennen von Komplikationen (Belüftungsstörung, Flüssigkeitsansammlung in der Pleurahöhle oder Abszedierung)
- Thorax-Sonografie
- Wird zunehmend bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt.
- Beurteilung der Ausdehnung und Binnenstruktur von Pleuraergüssen, Thoraxwand-nahen Infiltraten oder Belüftungsstörungen
- Methode der Wahl zur Verlaufsdiagnostik
- CT Thorax
- Wegen Strahlenbelastung sehr restriktiver Einsatz empfohlen, nur bei Patient*innen mit Komplikationen oder thoraxchirurgischem Interventionsbedarf.
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Patient*innen mit nicht-schwerer PCAP können ambulant behandelt werden, wenn ihre betreuenden Personen in Behandlung und Beobachtung eingewiesen und die medizinische Betreuung gewährleistet sind.1
- Patient*innen mit schwerer PCAP sollten stationär behandelt werden.1
- Klinische Kriterien, bei denen eine stationäre Einweisung in Erwägung gezogen werden sollte:1
- Alter < 6 Monate
- Einziehungen, Nasenflügeln
- Hypoxämie (SO2 ≤ 92 %), Zyanose
- Apnoen
- Nahrungsverweigerung, Erbrechen, Dehydratation
- Rekapillarisierungszeit > 2 sec
- soziale Indikation
- Unsicherheit über die Diagnose
Therapie
Therapieziel
- Heilung
Allgemeines zur Therapie
- Nicht alle Patient*innen mit PCAP müssen antibiotisch behandelt werden.
- Die Entscheidung über eine antibiotische Therapie ist abhängig von Alter, klinischem Bild, erwarteten Erregern und ggf. Risikofaktoren.1
- Weder klinische noch radiologische Zeichen geben eindeutige Hinweise darauf, ob eine virale oder bakterielle Genese zugrunde liegt.
- Säuglinge und Kleinkinder mit einer nicht-schweren PCAP ohne Fieber oder mit Zeichen einer bronchialen Obstruktion sollten primär nicht mit Antibiotika behandelt werden, da bei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine virale Infektion vorliegt.1
- Patient*innen mit nicht-schwerer PCAP und Fieber sollten, Patient*innen mit schwerer PCAP und Fieber sollen antibiotisch behandelt werden.1
- Grundsätzlich ist ein restriktiver Antibiotika-Einsatz auch vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotikaresistenzen anzustreben.1
Medikamentöse Therapie
Supportive Maßnahmen1
- Sauerstoffgabe
- Wenn O2-Sättigung ≤ 92 % bei Raumluft: Gabe von O2 über eine Nasalkanüle, Brille oder Maske mit Zielsättigung > 92 %
- bei behinderter Nasenatmung durch Schleimhautschwellung Anwendung von abschwellenden Nasentropfen
- z. B. Xylometazolin-Nasentropfen 0,025 % mit Applikationshilfe seit 2022 auch für Säuglinge zugelassen5
- Antipyretika und Analgetika
- z. B. gewichtsadaptiert Ibuprofen-Saft (Anm. d. Red.)
- Rehydratation
- bei Zeichen von Mangel, Gabe enteral (oral oder über Magensonde) oder parenteral
- Bei Säuglingen kann eine Sonde die Atemwege verlegen und die Nasenatmung beeinträchtigen.
- Es gibt keine Evidenz für die Wirksamkeit von Mukolytika, Antitussiva, NaCl-Feuchtinhalationen, Salbutamol.
- Physiotherapie und Atemgymnastik haben keinen Einfluss auf den Verlauf und sollten daher bei Patient*innen mit PCAP ohne Grunderkrankung oder Komplikation nicht erfolgen.
Antibiotische Therapie
- Die primäre Behandlung erfolgt in der Regel empirisch.
- In nationalen und internationalen Leitlinien wird einheitlich Amoxicillin p. o. oder Ampicillin i. v. als Antibiotikum der 1. Wahl (für Kinder und Erwachsene) empfohlen.
- Makrolide und Cephalosporine sollten nicht primär eingesetzt werden.
- Makrolide haben ein großes Potenzial zur Induktion von Resistenzen.
- Die verbreitete Anwendung von Cephalosporinen fördert die Selektion von multiresistenten gramnegativen Enterobakterien (MRGN).
- Bei nachgewiesenen relevanten Erregern aus Blutkultur, Atemwegssekret oder Punktat soll nach Resistogramm behandelt werden.
Leitlinie: Empirische antibiotische Therapie von Kindern und Jugendlichen mit ambulant erworbener Pneumonie1
Auswahl des Antibiotikums
- Primäre Wahl
- Amoxicillin p. o.
- 50(–90) mg/kg/d in 2–3 Einzeldosen (ED)
- Amoxicillin p. o.
- Parenterale Alternative
- Ampicillin i. v.
- 100(–200) mg/kg/d in 3 ED
- Ampicillin i. v.
- Bei Penicillin-Unverträglichkeit
- Cefuroximaxetil p. o.
- 30 mg/kg/d in 2 ED
- Cefuroxim i. v.
- 100(–150) mg/kg/d in 3 ED
- Clarithromycin p. o.
- 15 mg/kg/d in 2 ED
- Doxycyclin p. o. (ab 9 Jahren)
- am 1. Tag 4 mg/kg/d in 1 ED, ab dem 2. Tag 2 mg/kg/d in 1 ED
- Cefuroximaxetil p. o.
- Bei Therapieversagen, bei Komplikationen, bei Influenza-/Masernerkrankung mit V. a. bakterielle Koinfektion
- Ampicillin-Sulbactam i. v.
- 100(–150) mg/kg/d (Ampicillin-Anteil) in 3 ED
- Cefuroxim i. v.
- 100(–150) mg/kg/d in 3 ED
- Amoxicillin-Clavulansäure p. o.
- 45(–60) mg/kg/d (Amoxicillin-Anteil) in 3 ED
- Sultamicillin p. o.
- 50 mg/kg/d in 2 ED
- Cefuroximaxetil p. o.
- 30 mg/kg/d in 2 ED
- Ampicillin-Sulbactam i. v.
- Bei schwerer PCAP und Hinweis auf Mykoplasmen- oder Chlamydieninfektion
- Amoxicillin-Clavulansäure p. o./i. v. plus Clarithromycin p. o. oder
- Dosierung s. o.
- Amoxicillin-Clavulansäure p. o./i. v. plus Azithromycin p. o. oder
- Dosierung Azithromycin: 10 mg/kg in 1 ED an Tag 1, 5 mg/kg in 1 ED an Tag 2–5
- Amoxicillin-Clavulansäure p. o./i. v. plus Doxycyclin p. o. (ab 9 J.)
- Dosierung s. o.
- Amoxicillin-Clavulansäure p. o./i. v. plus Clarithromycin p. o. oder
Verabreichung
- Orale Antibiotika können auch bei Patient*innen mit schwerer PCAP eingesetzt werden.
- I. v. Antibiotika sollten bei PCAP eingesetzt werden, wenn die Betroffenen orale Medikamente nicht ein- oder aufnehmen können.
- Bei unkompliziertem Verlauf und klinischer Verbesserung kann eine intravenös begonnene Therapie auf orale Gabe umgesetzt werden (Sequenztherapie).
Therapiedauer
- Nicht-schwere PCAP: antibiotische Therapie sollte über 5 Tage durchgeführt werden.
- Schwere PCAP: antibiotische Therapie mindestens 7 Tage
- PCAP und Komplikationen (Erguss, Pleuraempyem, Lungenabszess): Therapiedauer ist dem Krankheitsbild und dem Verlauf anzupassen.
Nosokomiale Pneumonie
- Definition: Symptombeginn ab dem 3. Behandlungstag im Krankenhaus bis zu 1 Woche nach Entlassung aus stationärer Behandlung1
- Jeweils individuelle Therapie
- Die Ergebnisse der mikrobiologischen Proben, die von den Patient*innen selbst stammen, und die Mikroflora auf der Station sind ausschlaggebend.
Impfung/Prävention
- Alle Kinder sollten zur Prävention einer PCAP gegen Pneumokokken, H. influenzae Typ B, Pertussis, Masern und Varizellen gemäß nationalen Empfehlungen geimpft sein; bei Vorliegen von Risikofaktoren auch gegen saisonale Influenza.1
- H. influenzae Typ B und Pertussis werden kombiniert mit der u. g. Pneumokokken-Impfung empfohlen.
- Für Impfempfehlungen zu Masern, Varizellen und Influenza sieh die jeweiligen Krankheitsartikel.
Empfehlungen von RKI und STIKO: Pneumokokken
- Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.6-7
- Grundimmunisierung mit 3 Impfungen für Säuglinge im Alter von 2, 4 und 11 Monaten empfohlen.
- Frühgeborene solle zusätzliche Impfstoffdosis im Alter von 3 Monaten erhalten, d. h. insgesamt 4 Impfstoffdosen.
- Aufgrund der Unreife des Immunsystems können ausschließlich Konjugatimpfstoffe verwendet werden.
- Bei Konjugatimpfstoffen ist das Antigen an ein Proteinträgermolekül gekoppelt. Durch diese Kopplung wird die Immunreaktion verstärkt.
- Die beiden verfügbaren Konjugatimpfstoffe (Prevenar 13 und Synflorix) bauen gegen 13 bzw. 10 der insgesamt über 90 bekannten Pneumokokken-Serotypen einen wirksamen und lang anhaltenden Impfschutz auf.
- Für gesunde Kinder wird eine Wiederholungsimpfung nach erfolgter Grundimmunisierung im Säuglingsalter nicht empfohlen, weil das Risiko für eine schwere Pneumokokkenerkrankung nach dem Alter von 2 Jahren sehr gering ist.
- Kinder und Jugendliche im Alter von 2–15 Jahren mit chronischen Krankheiten sollen eine sequenzielle Impfung erhalten, die mit Prevenar 13 eingeleitet und nach 6–12 Monaten mit Pneumovax 23 (23-valenter Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff) komplettiert wird.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Kinder und Jugendliche mit ambulant erworbener Pneumonie werden unter adäquater medizinischer Versorgung im Allgemeinen rasch und vollständig wieder gesund. 1
- Kinder mit unkompliziertem Heilungsverlauf können in der Regel innerhalb von 3–7 Tagen wieder Gemeinschaftseinrichtungen besuchen und nach 1–2 Wochen
wieder zum Sport zugelassen werden.1 - Risikofaktoren für rezidivierend auftretende Lungenentzündungen bei Kindern (Auswahl):1
- Tabakrauchbelastung
- Asthma bronchiale, Atopie
- angeborene oder erworbene Immundefekte
- gastroösophagealer Reflux
- Bronchiektasie
- neuromuskuläre Grunderkrankungen
- zystische Fibrose
- pulmonale Tuberkulose
- Atelektasen.
Komplikationen
- Insgesamt selten
- Mögliche Komplikationen sind narbige Parenchym- oder Pleura-Veränderungen, Atelektasen, Pleuraexsudat, Pleuraempyem oder Bronchiektasen.1
Prognose
- Die Mortalität jenseits der Neugeborenenperiode ist in Deutschland sehr niedrig.
- In Deutschland gab es im Jahr 2014 bei Kindern < 15 Jahre 31 Todesfälle von insgesamt ca. 45.000 stationären Behandlungen.1
- Weltweit treten jedoch aufgrund fehlender Therapiemöglichkeiten über 800.000 Todesfälle durch Pneumonien bei Kindern < 5 Jahre auf.8
Verlaufskontrolle
- Alle Patient*innen mit PCAP sollen 48-72 Stunden nach Diagnosestellung und Therapiebeginn klinisch reevaluiert werden.1
- Das Management von Patient*innen mit ausbleibender Besserung binnen 48–72 Stunden sollte umfassen:1
- klinische und labormedizinische Einschätzung der aktuellen Krankheitsschwere und des Verlaufes
- Bildgebung, um Ausmaß und ggf. Progredienz des pneumonischen oder
parapneumonischen Prozesses zu erfassen. - erweiterte Erregerdiagnostik
- Entscheidung über eine Therapieänderung
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP). Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pädiatrische ambulant erworbene Pneumonie, pCAP). AWMF-Leitlinie Nr. 048-013. S2k, Stand 2017. www.awmf.de
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP). Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pädiatrische ambulant erworbene Pneumonie, pCAP). AWMF Leitlinie Nr. 048-013, Stand 2017. www.awmf.org
- Kamtsiuris P, Atzpodien K, Ellert U et al. Prävalenz von somatischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl 2007. link.springer.com
- Waseem M. Pediatric Pneumonia. Medscape, last updated Jun 05, 2020. emedicine.medscape.com
- Shah SN, Bachur RG, Simel DL, et al. Does this child have pneumonia? The rational clinical examination systematic review. JAMA 2017; 318: 462-71. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Pharmazeutische Zeitung. Otriven für Säuglinge neu zugelassen. Stand 19.05.2022. Letzter Zugriff 23.10.2022. www.pharmazeutische-zeitung.de
- RKI. Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Stand 23.06.2020. Letzter Zugriff 24.10.2022. www.rki.de
- RKI. Epidemiologisches Bulletin - Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2022. 4/22. www.rki.de
- UNICEF. Save the Children and Every Breath Counts. Stand Januar 2020. Letzter Zugriff 23.10.22. www.unicef.org
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).